| Titel: | Die bergtechnischen Arbeiten beim Bau der Bahn auf Deutschlands höchstem Gipfel. | 
| Autor: | Fr. W. Landgraeber | 
| Fundstelle: | Band 345, Jahrgang 1930, S. 25 | 
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                        Die bergtechnischen Arbeiten beim Bau der Bahn
                           								auf Deutschlands höchstem Gipfel.
                        Von Fr. W. Landgraeber.
                        LANDGRAEBER, Die bergtechnischen Arbeiten.
                        
                     
                        
                           Die Bergbahn auf die fast 3000 m hohe Zugspitze, Deutschlands höchsten Berg,
                              									geht ihrer Vollendung entgegen. Neben der Jungfraubahn ist dieses Ingenieurwerk
                              									deutschen Bergbaues und Bahnbaues wohl die gewaltigste Leistung, die bisher auf der
                              									Welt zu verzeichnen ist. Sie verdient nicht allein wegen der Kühnheit der
                              									Projektierung Interesse, sondern auch wegen der zu bewältigenden Leistung innerhalb
                              									einer Spanne von 1½ Jahren. Wird doch die Bahn von dem in 700 m Meereshöhe liegenden
                              									Ausgangspunkt in Gar misch bis zur Gipfelstation in 2950 einen Höhenunterschied von 2250 m
                              									zu überwinden haben, und zwar in einer Gesamtlänge von 19000 m. Diese Bahn ist nicht
                              									etwa eine Schwebebahn, sondern bleibt von Anfang bis zu Ende auf festem Boden. Sie
                              									zerfällt in drei unterschiedliche Abteilungen. Der erste Teil ist eine gewöhnliche
                              									Reibungsbahn mit einer Spurweite von 1000 mm und führt vom Staatsbahnhof
                              									Garmisch-Partenkirchen in 7,5 km Länge nach Grainau. Von dort geht sie auf den
                              									Zahnradbetrieb über. Mit einer Höchststeigung von 11,8% erreicht sie zunächst den
                              									weltbekannten Eibsee, um von dort teils in tiefen Einschnitten, teils über
                              									Gehängeschutt die Station Riffelriß in 1650 m zu erklimmen. Auf diesem
                              									Streckenabschnitt sind bereits kräftige Verbaue gegen Lawinen und Steinschlag
                              									erforderlich. Da oberhalb der Station Lawinengefahr und winterliche
                              									Witterungseinflüsse des Hochgebirges eine Weiterführung im Freien verbieten, muß die
                              									Trasse in einen 4400 m langen Tunnel verlegt werden. Erst an der Station
                              									Schneeferner in 2650 m Höhe verläßt sie diesen wieder. Die Maximalsteigung dieser
                              									Tunnelstrecke beträgt etwa 25%. Die noch zu überwindenden 300 m bis zum Gipfel
                              									werden mit einer Seilschwebebahn bewältigt. Die Gesamtkosten einschließlich des
                              									Schneeferner-Unterkunftshauses sind auf 13 Millionen Mark veranschlagt.
                           Zweifellos ist in technischer Hinsicht der Bau der Tunnelstrecke der interessanteste
                              									Teil dieses Meisterwerkes deutscher Ingenieurkunst. Die ganze Welt verfolgt daher
                              									aufmerksam die Fertigstellung, um so mehr als hier die neuesten Errungenschaften der
                              									Bergtechnik in Anwendung kommen. An vier Stellen wurde dieser Stollen gleichzeitig
                              									begonnen, und zwar beim Stolleneingang in 1650 m, beim sog. Fenster I in 1900 m,
                              									beim Fenster III in 2200 und Fenster IV in 2400 m Höhe. Wegen Terrainschwierigkeiten
                              									soll Fenster II, zwischen den Fenstern I und III liegend, nicht von übertags
                              									aufgefahren, sondern vom Berginnern aus hergestellt werden. In zwei großen Schleifen
                              									verläuft die Stollentrasse durch den Berg zum Gipfel. Da die Durchschläge der
                              									einzelnen Stollenabschnitte genau aufeinanderstoßen müssen, waren markscheiderische
                              									Vermessungsarbeiten von größter Genauigkeit notwendig. Diese waren in dem coupierten
                              									Gelände von hochalpinem Charakter mit ganz besonderen Schwierigkeiten verbunden. Von
                              									den Fenstern führen Querschläge auf den eigentlichen Stollenzug. Von jeden
                              									Fensterquerschlag wird, sobald diese den Hauptzug erreicht haben, nach zwei Seiten
                              									zugleich vorgetrieben. Das zu durchfahrende Gestein ist entweder Kalk oder Dolomit.
                              									Zur Beschaffung von Bau- und Arbeitsmaterial an die einzelnen Baustellen verwandte
                              									man anfangs Maultiere. Nunmehr führt jedoch zu jedem Fenster eine provisorische
                              									Drahtseilbahn. Vom Eibsee zum Riffelriß, dem Stollenmundloch, wurde eine doppelte
                              									Materialbahn von 2425 m Länge angelegt. Eine zweite führt von hier zum Fenster I,
                              									eine dritte zum Fenster III und eine vierte bis in 2350 m Höhe bis zum Fenster IV.
                              									Die letztgenannte erhielt eine Verlängerung bis zur Station Platt-Schneeferner bis
                              									in 2650 m. Die Hauptmagazine, Werkstätten und Unterkunftshäuser für die
                              									Bergleute befinden sich am Stollenmundloch der Station Riffelriß. Kleinere
                              									Lagerschuppen, Werkstätten und Baracken wurden bei den Fenstern I, III und IV
                              									angelegt. Sie mußten zum Teil in Kavernen verlegt werden, die in das Gefels
                              									eingesprengt wurden. Alle Anlagen sind mit elektrischem Strom versorgt.
                           Die ersten dreihundert Meter des Hauptstollens stehen im Gehängeschutt. Der Vortrieb
                              									geschah hier durch langwierige und gefahrvolle Getriebearbeit. Die Sicherung
                              									erfolgte in Betonausbau. Der Stollenausbau im gewachsenen Gefels geschieht je nach
                              									Bedarf in einfacher Mauerung, da das Gestein an und für sich verhältnismäßig
                              									standfest ist. In der Regel erfolgt der Vortrieb in den Ausmaßen von 4,5 m Breite
                              									und 2,5 m Höhe. Der Vollausbruch bleibt im allgemeinen etwa 80–100 m hinter dem
                              									Ortsbetrieb zurück. Bei diesen Ausmaßen entfallen auf den laufenden Meter ungefähr
                              									40–50 t Berge. Zum Abtransport dieser Felsmassen werden Schüttelrutschen verwandt.
                              									Obwohl ein derartiger Streckenquerschnitt das Gegebene für die Verwendung von
                              									Lademaschinen wäre, wurde davon Abstand genommen, da die Schwierigkeiten der
                              									Herbeischaffung in diesem unwirtlichen Gelände zu groß erschienen. Der Vortrieb vor
                              									Ort geschieht entweder nach der sog. Sohlenmethode oder nach dem Firstenverfahren.
                              									Bei Anwendung der erstgenannten Methode wird die Sohle um durchschnittlich 60 m
                              									vorgetrieben und später Firste und Stöße mittels Bühnen nachgedrückt. Die Rutschen
                              									werden bis zum Haufwerk vor Ort verlagert und von Hand beschickt. Die Berge vom
                              									Nachreißen der Firste sammeln sich auf den Holzbühnen, von wo sie in unter diesen
                              									durchlaufenden Rutschen gekrazt werden. Ortstoß und Firstenstoß sind in bezug auf
                              									Voranschreiten genau angepaßt. Bei Anwendung des Firstenverfahrens wird die Firste
                              									bis zu etwa 18 m vorausgetrieben, alsdann erfolgt das Nachschießen der Sohle. Die
                              									Schüttelrutschen werden alsdann bis an die Gesteinsbrüstung des Sohlenpackens fest
                              									verlagert. In das Ende der Rutsche münden zwei, stellenweise auch wohl drei auf dem
                              									Haufwerk provisorisch angebrachte Rutschenstöße, in die das Bergematerial von Hand
                              									während der Bohrzeit geschaufelt wird. Die Hauptrutsche bringt ihr Gut bis zu den
                              									Fenstern bzw. zum Stollenmundloch und entlädt es an den Abhängen der Erdoberfläche.
                              									Bis zu 200 m Vortrieb werden zwei oder drei ineinander ausgießende Stränge von
                              									Schüttelrutschen verwandt. Beim Ueberschreiten der betreffenden Länge wird entweder
                              									ein neuer Fensterquerschlag hergestellt und durch diesen der Abtransport der Berge
                              									bewerkstelligt oder falls diese infolge ihrer Länge von Berginnern bis zur
                              									Erdoberfläche zu lang und zu teuer werden, nimmt man weitere Schüttelrutschentouren
                              									oder sog. Silowagen, in die sich die Rutschen entleeren. Da die Fensterquerschläge
                              									meist Kurven erhalten müssen, die mit den Rutschen überwunden werden müssen,
                              									verwendet man sog. Kugelrutschen. Diese Rutschenart hat sich trotz erheblicher
                              									Abweichungen der Rutschenstränge aus der Geraden (der Fensterquerschlag von
                              									Stollenmundloch zum Hauptstollen bei Station Riffelriß hat z.B. eine Krümmung von 1 : 50) und der
                              									hierbei auftretenden Querkräfte an den Rutschenverbindungen befriedigend bewährt.
                              									Die Fensterquerschläge wurden zur besseren Ausnützung der Rutschenleistung mit einem
                              									Gefälle von 16° angelegt. Der Vortrieb konnte im Hauptstollen infolge Verwendung von
                              									Rutschen bis zu 10 m arbeitstäglich gesteigert werden. Die Schüttelrutschen, ebenso
                              									wie die Bohrhämmer werden merkwürdigerweise mit Preßluft betrieben, obwohl in
                              									diesen Betrieben die Anwendung von Elektrizität eigentlich das Gegebene gewesen
                              									wäre. Die Beschaffung der benötigten Preßluft geschieht mit durch Dieselmaschinen
                              									angetriebenen Kompressoren. Die Bewetterung erfolgt durch Ventilatoren, die
                              									Sprenggase und Staub durch Rohrleitungen, die bis fast vor Ort reichen,
                              									absaugen.