| Titel: | Betriebsstoff und Wirtschaftlichkeit im modernen Flugverkehr. | 
| Autor: | A. Lion | 
| Fundstelle: | Band 345, Jahrgang 1930, S. 45 | 
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                        Betriebsstoff und Wirtschaftlichkeit im modernen
                           								Flugverkehr.
                        Betriebsstoff und Wirtschaftlichkeit im modernen
                           								Flugverkehr.
                        
                     
                        
                           Die wirtschaftliche Ausnutzung des Betriebsstoffes spielt nirgends eine so
                              									wesentliche Rolle wie im Flugverkehr, wo Nutzraum und Nutzgewicht verhältnismäßig
                              									kleiner sind als im erdgebundenen Fahrverkehr. Das zeigte sich besonders ausgeprägt,
                              									als vor einigen Jahren die ersten Langstreckenflüge mit mehr oder weniger Erfolg
                              									ausgeführt wurden. Für den Langstreckenflug gilt es, so viel im Kraftstoff gebundene
                              									Energie mitzunehmen, wie Raum dafür vorhanden ist, wo hinzu noch die höhere
                              									Forderung kommt, diese Energie in einer Form zu übernehmen, die möglichst weitgehend
                              									im Motor ausgenutzt werden kann. Nicht die überhaupt vorhandene Kalorienmenge ist
                              									ausschlaggebend, sondern die Menge der verwertbaren Kalorien. Denn jeder Motor nutzt
                              									nur einen Bruchteil der ihm zur Verfügung gestellten „Nahrung“ aus – kein
                              									Lebewesen macht es ja anders –; der Rest ist unausnutzbar und geht, größtenteils als
                              									Wärme oder schädliche mechanische Reibung oder unverbrannter Gasrest, verloren. Die
                              									Entwicklung im Flugmotorenbau geht daher, abgesehen von den Bestrebungen der letzten
                              									Jahre, den Vergasermotor überhaupt durch den meist wirtschaftlicher arbeitenden
                              									Dieselmotor zu ersetzen, in Richtung der wärmewirtschaftlich günstigeren höheren
                              									Verdichtung im Zylinder und infolgedessen der Anwendung möglichst klopffester
                              									Kraftstoffe, die nicht weniger kompressionsfest sind, als die modernen
                              									wirtschaftlichen Flugmotoren. (Es wird meist übersehen, daß der Motor ebenso die
                              									Ursache sein kann für das der mangelnden Klopffestigkeit eigene Frühzünden wie der
                              									Kraftstoff.) Verdichtungen bis zu 7 : 1 oder in manchen Fällen bis zu 10 : 1 sind
                              									aber heute für den hochleistigen Flugzeug-Vergasermotor nichts Ungewöhnliches mehr,
                              									und derartigen Verdichtungen muß der Kraftstoff standhalten können, ohne
                              									motortaktwidrige Zündungen und Druckwellen zu verursachen.
                           Daß ein höheres spezifisches Gewicht des in Frage kommenden Kraftstoffes im Hinblick
                              									auf den beschränkten Raum im Flugzeug vorteilhaft ist, sei nur nebenbei erwähnt.
                           Es ist daher, je mehr der Langstreckenflug an Bedeutung gewinnt, nicht zu verwundern,
                              									daß im Anschluß an jede ungewöhnliche Flugleistung auch die Frage nach dem dabei
                              									verwendeten Kraftstoff auftaucht. So wurde im vergangenen Jahr nach dem
                              									Brasilienflug der französischen Flieger, nach Pressemeldungen, behauptet, die
                              									Flieger hätten einen neuen Kraftstoff von ungewöhnlicher Kompressionsfähigkeit
                              									verwendet, und zwar wären dem Benzin Bleinitrat und Methylchlorid zugesetzt worden.
                              									Ein derartig zusammengebrauter Kraftstoff ist nun allerdings durchaus nicht
                              									klopffester, als wenn man an seiner Stelle reines, unveredeltes Benzin genommen
                              									hätte; denn Methylchlorid hat wahrscheinlich überhaupt keine Wirkung auf den
                              									Verbrennungsvorgang, ganz gewiß keine klopfhemmende und wirtschaftlich
                              									günstige, und Bleinitrat kann höchstens das Klopfen verstärken und im übrigen Kolben
                              									und Zylinder metallisch verschmutzen, was für den hochbeanspruchten Flugmotor gewiß
                              									nicht erwünscht ist.
                           Wahrscheinlich handelt es sich auch in diesem Fall um Zusätze von Tetra-Ethylblei,
                              									das bekanntlich klopfhemmend wirkt und in Amerika, auch in England, viel verwendet
                              									wird, etwa wie bei uns das Eisencarbonyl oder andere metall-organische Zusätze. Auch
                              									beim letztjährigen Wettkampf um den Schneider-Pokal wurde durchweg
                              									Tetra-Ethyl-Benzin verwendet.
                           In Deutschland, überhaupt in Mitteleuropa, wird hingegen fast ausschließlich Benzol
                              									verwendet, wenn es darauf ankommt, einen Betriebsstoff für besondere Leistungen
                              									geeignet zu machen. Meist handelt es sich um Benzin-Benzol-Gemische eines bestimmten
                              									Mischungs-Verhältnisses, in denen das Benzol prozentual überwiegt, selten um
                              									Reinbenzol. Es sei nur an die Amerikaflüge der Junkers-Maschine Kohls und des
                              										„Graf Zeppelin“ erinnert oder an den Langstrecken-Weltrekord von Risticz
                              									und Zimmermann. Als Nebengewinn kommt bei Benzol-Verbrennung das um etwa 18% höhere
                              									spezifische Gewicht des Benzols hinzu, das die Mitnahme einer entsprechend größeren
                              									Brennstoffmenge bei gleichem Laderaum erlaubt, bzw. eine entsprechende Vergrößerung
                              									des Aktionsradius, oder aber einen entsprechenden Gewinn an Nutzraum.
                           Die Verdichtungsfähigkeit des Kraftstoffes kann durch Benzol-Zusatz praktisch
                              									unbegrenzt erhöht werden, da hundertprozentiges Benzol praktisch unbegrenzt
                              									kompressionsfest ist, jedenfalls beim heutigen Stand der Vergasermotor-Technik, der
                              									keine unbegrenzte Verdichtungs-Erhöhung erlaubt. Die Ausbeute des Brennstoffes an
                              									Arbeits-Energie wächst, nach bekannten Gesetzen der Wärmelehre mit der Erhöhung der
                              									Verdichtung, und damit steigt die Motorleistung, soweit der Kraftstoff die
                              									Verdichtungserhöhung verträgt. Andernfalls entstehen Verluste, die leicht die
                              									Gewinne übertreffen können, oder der Motor ist sogar überhaupt nicht mehr
                              									betriebsfähig. An sich wirkt Spiritus genau so im Sinne einer erhöhten
                              									Klopffestigkeit wie Benzol, aber für Flugzeugmotoren sind Benzin-Spiritus-Gemische
                              									weniger geeignet, weil der Wärmebedarf des Spiritus bei der Vergasung sehr groß
                              									ist.
                           Eine durch eine Verdichtungssteigerung etwa von 1 : 5 auf 1 : 7 erzielbare
                              									Verbesserung der Wirtschaftlichkeit um 10 bis 30% bedeutet also eine entsprechende
                              									Brennstoff-Ersparnis (Nutzraum-Gewinn) oder Vergrößerung des Aktionsradius, und eine
                              									derartige Verbesserung spielt natürlich im, sowieso heute noch meist
                              									unwirtschaftlichen, Flugzeugverkehr eine unter Umständen ausschlaggebende Rolle,
                              									besonders natürlich im Langstreckenverkehr, auch bei den Flugschiffen der Zukunft.
                              									Das Dornier-Flugschiff DO X z. B, vermag einen maximalen Brennstoff-Vorrat von etwa 20000 kg
                              									aufzunehmen, bei Flugstrecken, die unter Umständen in die Tausende von Kilometern
                              									gehen werden. Es handelt sich also gerade bei solchen Flugzeugen, ausgedrückt in kg
                              									oder km, um beträchtliche Gewinne; eine Brennstoff-Ersparnis von 15%, also etwa
                              									3000 kg, bedeutet die Möglichkeit, 30 bis 40 Fluggäste mehr mitzunehmen, kann also
                              									ausschlaggebend sein für Wirtschaftlichkeit und Unwirtschaftlichkeit des
                              									Betriebes.
                           Dipl.-Ing. A. Lion, Berlin.