| Titel: | Kraftfahrzeug-Motoren und -Treibstoffe auf der Weltkraftkonferenz. | 
| Autor: | A. Lion | 
| Fundstelle: | Band 345, Jahrgang 1930, S. 150 | 
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                        Kraftfahrzeug-Motoren und -Treibstoffe auf der
                           								Weltkraftkonferenz.
                        LION, Kraftfahrzeug-Motoren.
                        
                     
                        
                           Auf der Zweiten Weltkraftkonferenz ist die Frage der Motorbetriebsstoffe sehr
                              									eingehend behandelt worden, und zwar, abgesehen von der Sektion „Normung“, in
                              									der sowohl aus Japan wie aus den Vereinigten Staaten Vorschläge zur Normung von
                              									Diesel-Treibstoffen gemacht worden sind, in der Sektion „Wirtschaftliche Probleme
                                 										der Hochtemperaturentgasung“, und vor allem in den Sektionen „Flugzeug-
                                 										und Fahrzeug-Motoren“ und „Gewinnung von natürlichen und künstlichen
                                 										Oelen, ihre Umwandlung und die Eigenschaften der Motortreibstoffe“.
                           Die Frage der Beschaffung von Kraftstoffen, die für den jeweils in Frage kommenden
                              									Motor gerade gut genug, aber im Interesse der Wirtschaftlichkeit, auch nicht zu gut
                              									sind, spielt ja schon seit Jahren eine große Rolle. Die Oelfrage ist nächst der
                              									Elektrifizierung zweifellos heute die brennendste Frage der Energie-Versorgung. Noch
                              									erscheinen die Oelquellen unerschöpflich, aber der Preis der Oelkalorie ist hoch,
                              									und nicht zuletzt dieser Umstand hat ja zur Entwicklung der künstlichen Erzeugung
                              									von Oelen und flüssigen Treibstoffen geführt. Für erdölarme Länder, die auf die
                              									Einfuhr von flüssigen Brennstoffen angewiesen sind, kann zweifellos die künstliche
                              									Erzeugung von Kraftstoffen außerordentlich vorteilhaft sein. So wies ein ungarischer
                              									Diskussionsredner darauf hin, daß die Hydrierung von 7% des ungarischen
                              									Kohlevorkommens ausreichen würde, um den augenblicklichen Bedarf seines Landes an
                              									flüssigen Kraftstoffen zu befriedigen.
                           Jedes Land sucht selbstverständlich in erster Linie seine Kraftfahrzeug-Motoren mit
                              									den Betriebsstoffen zu betreiben, die es im Land hat. Dabei sind auf der
                              									Weltkraftkonferenz eigenartige Gedanken zutage gekommen, deren Durchführbarkeit,
                              									auch wenn die tatsächlichen Erfolge recht sporadisch sein können, unter keinen
                              									Umständen von vornherein bestritten werden darf. So hat man in Rußland angeblich
                              									erfolgreiche Versuche damit gemacht, Traktoren mit Stroh zu speisen, das, offenbar
                              									brikettiert, in einem mitgeführten Generator vergast wird. In Finnland hat man
                              									ebenfalls Kraftfahrzeuge mit Gas betrieben. Ursprünglich wurde es aus Kohle
                              									gewonnen, aber der Generatorbetrieb war zu träge für den Motor, und das Gas war
                              									unrein. Man ging dann zur Vergasung von Holz über, das ja für Finnland der
                              									natürliche Brennstoff ist. Hier waren die Erfolge größer. Besonders, weil beim Holz
                              									die Trägheit der Gasentwicklung leichter überwunden werden konnte. Die Versuche
                              									auf Prüfstand und Landstraße ergaben, daß in bezug auf den Verbrauch ein Kilogramm
                              									Holz etwa 210 Gramm Benzin entsprach, was wirtschaftlich, ohne Berücksichtigung von
                              									etwaigen Betriebsnachteilen, zweifellos günstig war. An einem 4zylindrigen
                              									Chevrolet-Motor ergab sich bei Verwendung von Birkenholz mit 20–35% Feuchtigkeit bei
                              									einem Verdichtungsgrad von 4,64 ein Leistungsabfall gegenüber Benzinbetrieb von rund
                              									40%, und bei einem Verdichtungsgrad von 6,1 ein Leistungsabfall von rund 30%. Auch
                              									bei diesem Betriebsstoff bietet also offenbar die Hochverdichtung, die ja immer
                              									wieder im Zusammenhang mit der besseren Ausnutzung der vorhandenen Kraftstoffe
                              									genannt werden muß, beträchtliche Vorteile, wenn bei einer Steigerung von 4,64 : 1
                              									auf 6,1 : 1 eine Leistungssteigerung von 33% erreicht wird. Im ganzen ergaben sich
                              									allerdings beim Gasbetrieb noch beträchtliche Störungen; trotzdem wurden außer mit
                              									Traktoren diese Versuche auch mit Straßenwalzen, Booten und ortsfesten Anlagen
                              									durchgeführt. Es ist nicht gesagt, daß sie, im Anschluß an ältere französische
                              									Versuche, nicht auch einmal für den Lastwagen-Betrieb, von Bedeutung werden
                              									können.
                           Wie in erdölarmen Ländern die Versorgung mit eingeführten Treibstoffen ergänzt wird
                              									durch Benzol in Ländern mit hochentwickelten Kokereibetrieben und ausgedehnter
                              									Eisen-Industrie oder durch Spiritus in Agrarländern oder in Ländern mit ausgedehnter
                              									Zellulose-Industrie, so wird auch in steigendem Maße der Gehalt bituminöser Gesteine
                              									zur Gewinnung von Erdöl und damit von Kraftfahrzeug-Betriebsstoffen ausgenutzt. In
                              									einem italienischen Bericht wird behauptet, daß noch bei einer Ausbeute von weniger
                              									als 4% des Gewichts die Oelerzeugung wirtschaftlich sei, jedenfalls bei den
                              									Asphalt-Kalksteinen von Ragusa. Doch wird wahrscheinlich in diesem Falle die
                              									italienische Regierung ihre Hand schützend über diese neue Industrie halten, die
                              									übrigens in diesem Fall nur zur Gewinnung von Schmieröl, nicht von Benzin führt.
                              									Aehnliche Berichte lagen der Weltkraftkonferenz aus Japan und Estland vor.
                           Das Diesel-Verfahren ist ja heute technisch für den Fahrzeug- und Flugzeug-Betrieb
                              									noch nicht so weit entwickelt wie das Vergasermotor-Verfahren, das nach 3
                              									Jahrzehnten annähernd zum Abschluß gekommen ist. Wirtschaftlich bietet es, da heute noch
                              									die Schweröl-Kalorie verhältnismäßig billig ist, manche Vorteile, aber es darf nicht
                              									vergessen werden, und darauf ist auf der Weltkraftkonferenz mehrfach hingewiesen
                              									worden, daß bei erhöhter Nachfrage auch der Preis der Schwerölkalorie steigen dürfte
                              									und sich vielleicht dem der Benzin- und Benzol-Kalorie gefährlich angleichen könnte.
                              									Vielleicht ist das neue „Niederdruck-Verfahren“ des Schweden Hesselmann, das
                              									im wesentlichen mit den Elementen des Vergasermotors arbeitet, aber an Stelle des
                              									Vergasers eine Pumpe anwendet, die den Treibstoff unter mäßigem Druck unmittelbar in
                              									den Zylinder spritzt, geeignet, das Diesel-Verfahren bei der motorischen Verbrennung
                              									von Schwerölen abzulösen. Der Verdichtungsdruck beim Niederdruck-Verfahren liegt nur
                              									bei 7-9 at Ueberdruck, also in der Nähe der bei hochverdichtenden Vergasermotoren
                              									auftretenden Drücke, die in keiner Weise das Triebwerk schädigen. Die Nachteile des
                              									Dieselmotors im Fahrzeug-Betrieb, wie die Schwierigkeiten des Anlassens und die
                              									mangelhafte Elastizität sollen beim Hesselmann-Verfahren überwunden sein. Vielleicht
                              									ist das Hesselmann'sche Niederdruck-Verfahren das Verfahren der Zukunft, wenn es
                              									sich darum handelt, Schweröle in Fahrzeug-Motoren ohne Hochdruck zu verbrennen. Die
                              									Entwicklung des Kraftfahrzeuges und die Automobilisierung der Welt ist ja durchaus
                              									noch nicht beendet, auch wenn heute bereits über 30 Millionen Kraftwagen mit etwa
                              									600 Millionen PS laufen, und es ist wohl möglich, daß zukünftig eine Reihe ganz
                              									verschiedener Motorarten sich nebeneinander entwickelt, die jeweils für verschiedene
                              									Kraftstoffe geeignet sind, derart, daß in jedem Fall in der Zusammenwirkung von
                              									Motor und Kraftstoff ein Optimum auftritt, im Sinne der eingangs genannten Formel:
                              										„Für jeden Motor der Kraftstoff, der für ihn gerade gut genug, aber auch
                                 										nicht zu gut ist.“
                           Dipl.-Ing. A. Lion, Berlin.