| Titel: | Durch Forschung zum Licht. | 
| Fundstelle: | Band 346, Jahrgang 1931, S. 85 | 
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                        Durch Forschung zum Licht.
                        Aus „Forschung tut not“. 2. Heft.
                           								VDI.-Verlag.
                        Durch Forschung zum Licht.
                        
                     
                        
                           
                              
                              „Während die vergangene Zeit die exakte und kritische Beobachtung nicht nur nicht
                                 										schätzte, sondern sie vielfach sogar als für die Erweiterung der Erkenntnisse
                                 										entbehrlich und durch die Spekulation ersetzbar ansah, stützt sich die neuere
                                 										Naturforschung so gut wie ausschließlich auf Beobachtung und macht darüber
                                 										hinaus die größten Anstrengungen, die Beobachtung dadurch zu veredeln, daß sie
                                 										unter tunlichster Ausschaltung erwarteter oder zu befürchtender oder selbst nur
                                 										vorstellbarer Fehlerquellen angestellt wird, – das nach allen Richtungen
                                 										durchdachte Experiment tritt an die Stelle naiver Beobachtung.
                              
                           
                              Die ungewöhnlich große Bedeutung, die dem Forschungswesen für die Industrie der
                                 										elektrischen Lampe zukommt, ist auf die relative Jugend dieser Industrie und auf
                                 										den Umstand, daß sie nicht aus einem Gewerbe erwachsen ist, zurückzuführen. Hier
                                 										ist sogar die Forschung älter als das Gewerbe.“
                              
                           Diese wenigen Sätze aus einer Veröffentlichung von Dr. Fritz Blau, dem 1929
                              									verstorbenen Senior der Wissenschaftler des Osram-Konzerns, kennzeichnen
                              									schlaglichtartig den entscheidenden Wert wissenschaftlicher Forscherarbeit in der
                              									Glühlampenindustrie. Ungezählte Beispiele gerade aus diesem umfassenden Gebiet
                              									können zum Beweise dafür dienen, daß die im Laboratorium gewonnenen Erkenntnisse
                              									schon reicher wirtschaftlichen Nutzen gebracht haben. Im Rahmen dieser Darstellungen
                              									kann nur ein kleiner Ausschnitt aus der Entwicklung einer der heute meist
                              									gebrauchten Lampensorten, der Nitralampe 40 Watt 220 Volt, gegeben werden. Er zeigt
                              									eindrucksvoll, wie sich subtilste Kleinarbeit des Wissenschaftlers im großen
                              									auszuwirken vermag. Dr. Blau äußert sich hierüber folgendermaßen:
                           
                              „Rein äußerlich betrachtet, sehen wir einen birnenförmigen Glaskörper, einen mit
                                 										angesetztem Stabe versehenen Glasfuß, durch den zwei eingeschmolzene Drähte dem
                                 										Leuchtkörper den Strom vom Messingsockel aus zuleiten. Die Birne ist mit einem
                                 										Gas gefüllt, welches ausnahezu 90 v. H. reinem Argon und etwas über 10 v.
                                 										H. Stickstoff besteht.
                              
                           
                              Der wichtigste Teil der Lampe, der Leuchtkörper, besteht aus einer ungemein
                                 										feinen Schraube (jetzt allgemein Wendel genannt) aus Wolframmetalldraht, die
                                 										durch eine Anzahl von Stützen aus dünnem Molybdändraht gehalten wird.
                              
                           
                              Die erwähnten Stromzuleitungsdrähte wurden früher aus Platin hergestellt, dem
                                 										einzigen Metall, das sich absolut luftdicht in Glas einschmelzen ließ, da seine
                                 										Ausdehnung mit der des Glases übereinstimmt. Die Stromzuleitungsdrähte unserer
                                 										Lampen sind frei von Platin. Man bemerkt, daß sie aus drei Teilen bestehen, von
                                 										denen der mittlere in die Fußquetschung eingeschmolzene seinerseits aus zwei
                                 										Schichten, nämlich aus einem etwa ⅙ mm dicken Kern aus einer Legierung von
                                 										Nickel und Eisen und einer damit verlöteten Rohrhülle aus Kupfer besteht. Die
                                 										Wärmeausdehnung des Glases ist nahezu 9 Millionstel für je ein Grad
                                 										Temperaturdifferenz, die des Kupfers 18 Millionstel, die der
                                 										Eisennickellegierung liegt je nach der chemischen Zusammensetzung zwischen 15
                                 										Millionstel und weniger als 1 Millionstel. Die Zusammensetzung des Kerns mußte
                                 										so gewählt werden, daß die Ausdehnung der Kombination von Kern und Hülle mit der
                                 										das Glases genügend übereinstimmt. Unterschiede von weniger als 1 Millionstel
                                 										machen den Einschmelzdraht unzuverlässig.
                              
                           
                              Für die derzeitige Glühlampenproduktion würden, wenn, wie noch kurz vor dem
                                 										Kriege, Platin verwendet würde, jährlich gegen 3000 Kilogramm verbraucht werden.
                                 										Dieses Quantum wäre, abgesehen davon, daß es etwa 30 Millionen Mark kosten
                                 										würde, überhaupt nicht aufzutreiben. Die Ausgaben für die Forschung, welche
                                 										übrigens in einem Zwischenstadium zu einem mit Platin bloß überzogenen
                                 										Eisennickeldraht führte, haben sich also reichlich bezahlt gemacht.
                              
                           
                              Der Glühlampenfuß besteht aus Bleiglas. Für die Birne, die früher ebenfalls aus
                                 										Bleiglas bestand, wird jetzt ein Kalk-Magnesiaglas von solcher Zusammensetzung
                                 										verwendet, daß es sich mit dem Bleiglasfuß ohne Sprünge zusammenschmelzen läßt. Es
                                 										verträgt, ohne weich zu werden, etwas höhere Erhitzung als Bleiglas und läßt
                                 										sich daher auch leichter von der sogenannten Wasserhaut befreien. Es ist auch
                                 										billiger. Durch seine Verwendung in der Glühlampenindustrie werden jährlich etwa
                                 										8 Millionen Kilogramm Blei erspart. Endlich läßt es sich in Glas wannen
                                 										schmelzen, während Bleiglas sich bisher nur in Glashäfen verarbeiten läßt, so
                                 										daß mit der Einführung des Kalk-Magnesiaglases auch die Grundlage für die
                                 										kontinuierliche maschinelle Herstellung von Glühlampenkolben geschaffen wurde.
                                 										Dieses Glas ließ sich bei der Auswahl der reinsten Rohmaterialien auch für
                                 										ultraviolette Strahlung gut durchlässig herstellen, der für hygienische Zwecke
                                 										Bedeutung zukommt.“
                              
                           In den vorstehenden Ausführungen ist ein kleiner Teil jener Forschungsarbeiten
                              									umrissen,auf denen fußend die Technik schließlich die heutigen Einheitslampen
                              									für allgemeine Beleuchtungszwecke schaffen konnte, womit die fortschritthemmende
                              									Vielgestaltigkeit der bis dahin vorhandenen Typen beseitigt wurde. Nur so waren die
                              									lampenerzeugenden Firmen in die Lage versetzt, ihr Produkt wirtschaftlich zu
                              									fertigen und damit den Verbrauchern Lichtquellen zu liefern, die, gemessen an den
                              									Lampen der Vorkriegszeit, bei Verbilligung des Anschaffungspreises um fast die
                              									Hälfte ein Vielfaches an Leistung erzielen. Verfolgt man die Entwicklung noch über
                              									größere Zeiträume, so erkennt man, daß die Lichtausbeute innerhalb der letzten 50
                              									Jahre, seit den Anfängern der Kohlenfadenlampe bis zu den heutigen Formen der
                              									Wolframdrahtlampe für Sonderzwecke auf rund das Sechzehnfache gestiegen ist.