| Titel: | Elektrotagung. | 
| Fundstelle: | Band 346, Jahrgang 1931, S. 98 | 
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                        Elektrotagung.
                        Elektrotagung.
                        
                     
                        
                           In Frankfurt am Main tagte am 22. Juni 1931 die deutsche Elektrotechnik.
                           Der Verband Deutscher Elektrotechniker, (VDE.), der, wie bekannt, die
                              									Sicherheitsbestimmungen für die Errichtung elektrischer Anlagen und die Herstellung
                              									elektrischer Geräte herausgibt, hatte gemeinsam mit der Vereinigung der
                              									Elektrizitätswerke zu einer Elektrotagung in Frankfurt am Main aufgerufen. Zu
                              									gleicher Zeit tagten ferner in Frankfurt der Zentralverband der Deutschen
                              									Elektrotechnischen Fabriken, die Vereinigung der Elt-Fabriken und die Vereinigung
                              									der Elektrotechnischen Spezialfabriken, um nicht nur das 50jährige Bestehen der
                              									Elektrotechnischen Gesellschaft in Frankfurt am Main, die bedeutende Leistungen auf
                              									dem Gebiet der Entwicklung der Elektrotechnik aufzuweisen hat, sondern auch die
                              									Erinnerung an die vor 40 Jahren in Frankfurt am Main erfolgte Eröffnung der
                              									Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung zu feiern.
                           Frankfurt hat in den 50 Jahren der Entwicklung der elektro-technischen Industrie
                              									einen besonders hervorragenden Anteil an den gemachten Fortschritten gehabt. Die
                              									Tagung war daher zu einem großen Teil einem historischen Rückblick gewidmet, da die
                              									deutsche Elektrotechnik allen Grund hat, mit Stolz auf die vergangenen 50 Jahre zu
                              									blicken. Daß dies der Fall ist, erweist besonders die umfangreiche, von Professor
                              										Ruppel, gemeinsam mit der Elektrotechnischen
                              									Gesellschaft in Frankfurt am Main verfaßte historische Denkschrift, die in einem
                              									starken Band von 120 Seiten so recht den Fortschritt erkennen läßt, den die
                              									Elektrotechnik in den vergangenen Jahrzehnten gemacht hat. Besonders lehrreich ist
                              									hierbei die von Professor Ruppel mit großer Sorgfalt
                              									gemachte Gegenüberstellung gleichartiger Erzeugnisse aus den Jahren 1891 und 1931,
                              									die er auf 24 Tafeln seiner historischen Denkschrift über die Geschichte der
                              									Elektrotechnik beifügt.
                           Der Vorsitzende des VDE., Professor Dr. Petersen, AEG.,
                              									konnte daher mit Recht in seiner Begrüßungsansprache zum Ausdruck bringen, daß die
                              									gesamte deutsche Elektrotechnik mit besonderer Genugtuung auf ihre Entwicklung
                              									zurückblickt.
                           Geheimrat Dr. Oskar von Miller berichtete auf Grund
                              									persönlicher Erinnerungen über die geschichtliche Entwicklung der Kraftübertragung
                              									auf weite Entfernung. Die erste dieser Kraftübertragungen wurde zwischen Miesbach
                              									und München (57 km) von dem Franzosen Marcel Deprez ausgeführt. Es war dem damaligen
                              									Stande der Technik entsprechend eine Gleichstromübertragungmit einer Spannung
                              									von 1500–2000 Volt, deren technisches Gelingen eine außerordentliche Begeisterung
                              									hervorrief, wenngleich ihr Nutzeffekt nur ein sehr geringer war. Die Versuche wurden
                              									in größerem Maßstabe zwischen Creil und Paris mit Spannungen bis 6000 Volt
                              									wiederholt. Der Schweizer Thury erzielte die für einen Transport größerer Kräfte auf
                              									weite Entfernung nötige hohe Spannung durch Hintereinanderschalten mehrerer
                              									Maschinen, die Abnahme der Kraft erfolgte in ähnlicher Weise durch mehrere
                              									hintereinandergeschaltete Motore. Eine neue Entwicklung setzte ein mit den von
                              									Goulard erfundenen und von Zipernowsky, Déri und Blathy verbesserten
                              									Transformatoren, wobei Wechselströme von niedriger Spannung zwecks Uebertragung auf
                              									hohe Spannung transformiert und am Ende der Fernleitung wieder in die niedrige
                              									Gebrauchsspannung zurückverwandelt wurden. Aber immer noch war die
                              									Wirtschaftlichkeit der Stromübertragung auf weite Entfernung nicht erwiesen und von Miller benützte deshalb die unter seiner Leitung
                              									durchgeführte Frankfurter Ausstellung im Jahre 1891, um einen durchschlagenden
                              									Kraftübertragungsversuch seitens der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft und der
                              									Firma Oerlikon in die Wege zu leiten. Dieser Versuch hatte einen vollen Erfolg. Es
                              									wurde eine Kraft von 235 PS vom Elektrizitätswerke Lauffen nach Frankfurt auf 178 km
                              									mit einer Spannung von 25000 Volt und mit einem Nutzeffekt von 75 % übertragen.
                           Die praktische Auswirkung erfolgte alsbald durch Ausbau billiger Wasserkräfte und
                              									Verwendung minderwertiger Zechenkohlen, deren Kraftleistung in vielen Kilometer
                              									Entfernung ausgenützt werden konnte. In der Folge haben Amerika und Deutschland
                              									immer höhere Spannungen für den Transport, immer größere Kräfte auf immer weitere
                              									Entfernung miteinander gewetteifert. In Deutschland fand die erste Uebertragung mit
                              									50000 Volt Drehstrom vom Uppenbornwerk nach München statt. Die erste 100000
                              									Volt-Uebertragung in Europa war diejenige von Lauchhammer nach Riesa. Die ersten
                              									Anlagen mit 220000 Volt errichtete das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk im
                              									Jahre 1922 zwischen Ronsdorf und Lethmate. Das gleiche Unternehmen hat die erste
                              									Leitung der Welt für eine Spannung von 380000 Volt zur Uebertragung der Vorarlberger
                              									Wasserkräfte nach den Industriegebieten des Rheinlandes erbaut.
                           Von gleicher Wichtigkeit wie die Kraftübertragung ist die Kraftverteilung. Der
                              									Vortragende erinnerte an die großen Schwierigkeiten, die bei den ersten
                              									Elektrizitätswerken zu überwinden waren, weil die Gebrauchsspannung der Glühlampen
                              									damals die Spannung in den Leitungsnetzen auf 100 Volt beschränkte, womit von einer
                              									Zentrale nur ein Aktionsradius von einigen hundert Metern erreicht werden konnte.
                              									Die Entwicklung ging über das Dreileiter- und Fünfleitersystem für
                              									Gleichstrom-Anlagen zu den Wechselstromzentralen mit Transformatoren, die endlich
                              									gestatteten, selbst große Städte von einer günstig gelegenen Zentrale aus mit Strom
                              									zu versorgen.
                           Aus dem reichen Schatz seiner Erinnerung schilderte der Vortragende die Kämpfe, die
                              									nunmehr zwischen den Vertretern des Gleichstrom- und des Wechselstrom-Systems
                              									entstanden, bis auf der Frankfurter Ausstellung auch diese Frage dahin entschieden
                              									wurde, daß jedes der beiden Systeme Vorteile besitzt und je nach den gegebenen
                              									örtlichen Verhältnissen Anwendung zu finden habe. Die Entwicklung blieb bei der
                              									Versorgung einzelner Städte nicht stehen. Das neue Wechsel- bezw. Drehstromsystem
                              									gestattete vielmehr, nicht nur einzelne Städte, sondern eine ganze Anzahl von
                              									Städten und Gemeinden von einer Zentrale aus mit Strom zu versorgen; es entstanden
                              									die Ueberlandzentralen, die allerdings nicht immer nach rein technischen und
                              									wirtschaftlichen Gesichtspunkten, sondern häufig auf Grund von Zufälligkeiten sich
                              									entwickelten.
                           Eine Zusammenfassung der Ueberlandzentralen zu größeren Gebilden erwies sich sehr
                              									bald als nötig, wie dies im Bayernwerk geschah, das unter Benützung der besonders
                              									günstigen Walchenseekraft das ganze rechtsrheinische Bayern durch eine alle Kreise
                              									berührende Landes-Sammelschiene in einheitlicher Weise mit Strom versorgt.
                           Aehnliche Zusammenschlüsse erfolgten in Baden, in Württemberg, in Sachsen und
                              									Thüringen sowie in verschiedenen preußischen Provinzen, das größte dieser Werke ist
                              									das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk, welches eine Zentralleistung von
                              									etwa 1 ½ Millionen Kilowatt und eine Jahresstrommenge von 3 ½ Milliarden
                              									Kilowattstunden über ein industriell hochentwickeltes Gebiet verteilt.
                           Die wirtschaftlichen Zusammenschlüsse dieser Art erschienen so vorteilhaft, daß man
                              									daran dachte, nicht nur in den einzelnen deutschen Ländern, sondern für das ganze
                              									Reich eine einheitliche Stromversorgung unter Benützung der günstigsten Wasserkräfte
                              									und Kohlenkräfte herbeizuführen.
                           Der Vortragende erläuterte in Kürze das von ihm im Auftrage des
                              									Reichswirtschaftsministerium verfaßte Gutachten über die einheitliche
                              									Elektrizitätsversorgung des Reiches. Die Schwierigkeit liegt nicht darin, ob die
                              									eine oder die andere Kraftquelle, die eine oder andere Leitung ausgeführt werden
                              									soll, sondern sie liegt in der Schaffung einer Organisation, in der die Interessen
                              									der Unternehmer und die Interessen der Abnehmer, d. s. die verschiedenen Provinzen
                              									und Kreise des Deutschen Reiches, in gerechter Weise gegeneinander abgeglichen
                              									werden können, um hierdurch zu erreichen, daß die günstigsten Kraftquellen des
                              									Reiches unter Verwendung einer einheitlichen Reichssammelschiene allen
                              									Provinzen,auch den zurzeit weniger begünstigten, zugute kommen.
                           Professor Matthias, Direktor der Studiengesellschaft für Höchstspannungsanlagen,
                              									Berlin, führte in seinem Vortrag über „Die heutigen Probleme der
                                 										Hochspannungskraftübertragung“ folgendes aus:
                           Alle technischen Entwicklungen sollten das klare Endziel haben, mit einem Minimum an
                              									Aufwendungen ein Maximum an Wirkung im Rahmen der Problemstellung zu erreichen. Der
                              									Weg zum Ziel ist aber kein schnurgerader. Auf den einzelnen Teilgebieten setzten
                              									Entwicklungsphasen ruckweise mit dem Auftreten neuer Leitgedanken ein; sie
                              									beeinflussen infolge innerer Verbundenheit benachbarte Teilgebiete. Dieser Wechsel
                              									in den technischen Vorbedingungen hängt eng zusammen mit den wechselvollen
                              									wirtschaftlichen Bedürfnissen und Tendenzen. So entstehen Zickzackwege auf den
                              									Einzelgebieten und es lohnt, von Zeit zu Zeit Umschau zu halten und die
                              									Entwicklungen der Vergangenheit mit dem derzeitigen Stande der Technik und den
                              									wirtschaftlichen Anforderungen an die Zukunft zu vergleichen.
                           Ein Beispiel ist die Frage nach der zweckmäßigsten Stromart, die schon zur Zeit der
                              									berühmten Frankfurter Ausstellung, deren Wiederkehr jetzt gefeiert wird, heiß
                              									umstritten war. Heute hat sich der 50periodige Drehstrom für die Energieübertragung
                              									von der Erzeugungsstelle bis zum letzten Konsumenten durchgesetzt, soweit nicht
                              									Sonderzwecke in Betracht kommen. Im letzteren Falle wird die Umformung auf
                              									Gleichstrom oder Wechselstrom anderer Frequenz, die keine technischen
                              									Schwierigkeiten macht, kurz vor der Verwendungsstelle vorgenommen. Aber auch um den
                              									hochgespannten Gleichstrom zur Kraftübertragung ist es nie ganz still geworden, und
                              									besonders in neuester Zeit beschäftigt man sich wieder eifrig mit ihm. Wenn auch die
                              									Drehstromtechnik schon heute so weit entwickelt ist, daß sie die größten
                              									Entfernungen beherrschen kann, die in absehbarer Zeit in Betracht kommen, so ist es
                              									gar nicht ausgeschlossen, daß der Gleichstrom gerade für die Ueberbrückung weitester
                              									Strecken in nicht zu ferner Zeit wieder in Frage kommt. Allerdings würden auch dann
                              									die heutigen Drehstromnetze nicht überflüssig, sondern nur durch Gleichstromstränge
                              									miteinander verkoppelt werden.
                           Vorbedingung für die ständige Steigerung der Uebertragungsspannung war die
                              									Verbesserung der Isolation. Besonders an dem Studium des elektrischen Durchschlags
                              									wird seit einiger Zeit erfolgreich wissenschaftlich gearbeitet. Das Ziel der
                              									Isolationstechnik wird in erster Linie sein, die Betriebssicherheit weiter zu
                              									erhöhen und die Abmessungen der Isolation zu verkleinern. Dadurch werden nicht nur
                              									weniger Isolierstoffe gebraucht, sondern auch an anderen Stellen Werkstoff und Raum
                              									gespart und es kann in den metallenen Stromwegen entstehende Wärme besser abgeleitet
                              									werden. Die Einzelprobleme sind also miteinander verbunden.
                           Die Leistungseinheiten, die man im Generatoren- und Transformatorenbau in letzter
                              									Zeit zu bauen
                              									verstanden hat, sind erstaunlich hoch. Generatoren und Transformatoren für 100000
                              									Kilowatt sind in Deutschland schon mehrfach in Betracht gekommen. Neben dem
                              									wirtschaftlichen Bedürfnis bestimmt die Grenze der Transportfähigkeit ihre Größe. Um
                              									die Abmessungen nicht noch weiter wachsen zu lassen, muß schärfste künstliche
                              									Kühlung mit umlaufenden Kühlmitteln, Luft bezw. Oel, angewendet werden. Solche
                              									großen Einheiten stellen die höchsten Anforderungen an die Werkstoffestigkeit. Die
                              									technisch schwierig aufgebauten Rotationskörper haben Umfangsgeschwindigkeiten von
                              									120–150 Meter in der Sekunde. Bei den großen Abmessungen müssen auch bereits die
                              									verschiedenen Wärmedehnungen der einzelnen Baustoffe beachtet werden.
                           Die Fortleitung geschieht bei den höchsten Spannungen zurzeit durch Freileitungen,
                              									deren Bau bis zu Betriebsspannungen von 400000 Volt der heutigen Technik möglich
                              									ist. Wichtige Hauptstrecken mit 200000 Volt sind bereits seit einiger Zeit in
                              									Deutschland in Betrieb. Die Hauptaufgaben sind: Aeußerste mechanische Festigkeit,
                              									Vermeidung zusätzlicher Verluste durch Glimmererscheinungen und Kompensationen der
                              									Ladeströme.
                           Aber auch die Kabeltechnik hat große Fortschritte gemacht. Kabel für 100000 Volt
                              									speisen bereits wichtige Stadtgebiete. Nur ist ihre Anwendung für große Strecken
                              									noch schwierig und kostspielig wegen der hohen Ladeströme und der
                              									Verlegungskosten.
                           Die Frage der Schaltung großer Leistungen hat die Elektrotechnik lange beunruhigt.
                              									Seit man aber in der Lage ist, in einigen großzügigen Versuchsanstalten
                              									Entwicklungsversuche im großen Ausmaße systematisch durchzuführen, sind erhebliche
                              									Fortschritte gemacht worden. Sie gehen zunächst dahin, das Oel aus dem Schalter zu
                              									verdrängen und die Lichtbogenlöschung entweder durch Preßluft oder durch
                              									expandierende Dämpfe zu bewirken. Bereits heute sind große Erfolge mit beiden
                              									Mitteln erzielt worden. Aber auch die Oelschalter haben sich als sehr
                              									verbesserungsfähig erwiesen.
                           Unter den Ueberspannungserscheinungen sind die atmosphärischen Einflüsse am meisten
                              									gefürchtet. Die Erforschung der elektrischen Gewittereinflüsse ist seit einigen
                              									Jahren in vollem Gang und hat schon wichtige Erkenntnisse gebracht. Die Bekämpfung
                              									der Gewitterstörungen kann in erheblichem Maße bereits durch geeigneten Aufbau der
                              									Uebertragungsanlagen erfolgen. Daneben spielen Blitzschutzapparate neuerdings wieder
                              									eine größere Rolle. Nach Erkenntnis der Unzulänglichkeit bisheriger Typen hat man in
                              									den letzten Jahren erfolgreich neue Wege beschritten.
                           Kurzschlüsse beanspruchen die Anlageteile durch stoßweise Erwärmung und mechanische
                              									Kraftwirkungen; das Wärmeproblem muß durch geeignete Dimensionierung, das
                              									Kraftproblem durch konstruktive Abstützungsmaßnahmen gelöst werden. Zur Herabsetzung
                              									der Beanspruchung dienen kurzschlußbegrenzende Drosselspulen, Sicherungsmaßnahmen,
                              									welche schnellste Abschaltung von Fehlerstellen bewirken, und geeignete
                              									Netzschaltung. Hier wachsen die Aufgaben mit der Größe der im Netz vereinigten
                              									Leistungen.
                           Erdschlüsse sind anders zu behandeln als Kurzschlüsse. Oft handelt es sich nur um
                              									Lichtbögen, die durch irgendwelche äußeren Einflüsse, z.B. Blitzschläge, eingeleitet
                              									werden, die aber nach Aufhören der Ursache keine bleibende Störung abzugeben
                              									brauchen, wenn beim Bau der Anlagen entsprechend vorgegangen wird. Das trifft aber
                              									nur zu, wenn der Nullpunkt der An läge nicht starr geerdet wird, wie man es in
                              									Amerika zu machen pflegt. In Deutschland hat sich das System der Nullpunktserdung
                              									über Kompensationsdrosselspulen nach Petersen allgemein
                              									durchgesetzt. Es bewirkt eine überspannungsfreie Lichtbogenlöschung ohne Abschaltung
                              									der betreffenden Leitung. Daher wäre auch für die höchsten Spannungen der Zukunft
                              									seine Anwendung technisch vorzuziehen; es könnten aber die etwas geringeren
                              									Aufwendungen für die Isolation der Leitungen bei den höchsten Spannungen doch auch
                              									bei uns zu starren Nullpunktserdungen führen. Somit sollte man sich auch weiter mit
                              									der Frage beschäftigen, ob diese Betriebsweise höhere Rückwirkungen auf
                              									Fernmeldeanlagen hat, und wie diese gegebenenfalls zu bekämpfen wären.
                           Je ausgedehnter die Netze werden, um so mehr treten die Regelungsprobleme in den
                              									Vordergrund. Nicht nur die Anforderungen des Verbrauchers an die Gleichmäßigkeit der
                              									Spannung und der Periodenzahl sind zu erfüllen; es müssen auch Schwierigkeiten,
                              									welche sich unter besonderen Bedingungen dem stabilen Zusammenarbeiten entfernter
                              									Kraftwerke entgegenstellen, überwunden werden. Bei langen Uebertragungsentfernungen
                              									kommt hinzu, daß der Kompensationszustand der Leitung fortlaufend dem
                              									Belastungszustand der Leitung angepaßt werden muß.
                           Mit der schnellen Ausdehnung der Konzentration der Energieerzeugung ist das Problem
                              									der Fernmessung vor einigen Jahren plötzlich in den
                              									Vordergrund getreten und hat eine erstaunlich schnelle Entwicklung auf diesem Gebiet
                              									hervorgerufen. Es ist von großer wirtschaftlicher Bedeutung, daß für die schnelle
                              									Disposition über die Lastverteilung von zentraler Stelle aus die meßtechnischen
                              									Unterlagen aus dem ganzen Netz verzögerungsfrei auf die Kommandostelle übertragen
                              									werden können. Weitere Betriebsverbesserungen sind auch von der schnellen
                              									Registrierung und Fernübertragung störender Einflüsse zu erwarten. Es darf aber
                              									nicht außer acht gelassen werden, daß solche Hilfseinrichtungen so einfach wie
                              									möglich gehalten werden müssen. Die betriebsmäßige Messung bei höchsten Spannungen
                              									erfordert an sich schon kostspielige Einrichtungen von großen Abmessungen. Aber auch
                              									hier sind große Fortschritte in letzter Zeit gemacht worden und noch weitere zu
                              									erwarten. Als einer der hervorragendsten Fortschritte auf dem Gebiet der Meßtechnik
                              									im Zusammenhang mit Hochspannungsanlagen ist noch der Kathodenstrahloszillograph zu
                              									erwähnen, mit dem es gelingt, Vorgänge zu analysieren, die sich in Milliotelsekunden
                              										abspielen. Er
                              									ist bereits zu einem brauchbaren Meßgerät geworden; seine Anwendung liegt aber noch
                              									in der Hand weniger Forschungsstätten. Seine weitere Verbreitung in der Praxis wäre
                              									zu wünschen.
                           Abschließend kann gesagt werden, daß die Wissenschaft sich im letzten Jahrzehnt in
                              									ständigem Maße mit den Problemen der Kraftübertragung befaßt hat und daß ihr engeres
                              									Zusammenarbeiten mit der Praxis nach allen Richtungen hin große Fortschritte
                              									gebracht hat. Derartige Entwicklungsarbeiten lassen sich aufteilen in Neuerungen die
                              									zwar neue Effekte oder neue Sicherheitsmaßnahmen bringen, aber die Anlagen
                              									verwickelter machen, und solche, welche primär durch Erhöhung der Betriebssicherheit
                              									und bessere Materialausnutzung die Anlagen verbilligen und vereinfachen, indem sie
                              									die früher notwendigen Schutzmaßnahmen entbehrlich werden lassen. Die
                              									Entwicklungsarbeiten für die letztere Gruppe mögen wohl weniger reizvoll erscheinen,
                              									liefen aber im Sinne eines richtig verstandenen Kulturfortschritts und sollten die
                              									größte Beachtung der Ingenieure und Techniker finden.
                           Generaldirektor Prof. Dr. Haas sprach dann in seinem
                              									Vortrag über „Die Auswirkung der Lauffener Kraftübertragung auf die
                                 										Elektrizitätswirtschaft“ wie folgt:
                           Nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten ist die Energie ein Handelsgut genau wie
                              									irgendwelche Waren. Eine noch wesentlich weittragendere Bedeutung als die Erfindung
                              									der Eisenbahn hatte die elektrische Kraftübertragung für die Verteilung von Energie.
                              									Schon vor der ersten Kraftübertragung Lauffen-Frankfurt bestanden
                              									Fernmeldeleitungen, mit denen aber ihrem Zweck entsprechend nur äußerst geringe
                              									Leistungen übertragen wurden. Einen besonderen Vorteil des elektrischen
                              									Krafttransportes bedeutet es, daß er nicht an Zeit gebunden ist, im Gegensatz zu dem
                              									Transport von Waren. Der Redner wies auf die gleiche Entwicklung bei dem Verbrauch
                              									von materiellen Gütern hin, wo anfangs die Erzeugung an den Verwendungsort gebunden
                              									ist, ein Handelsgut aber erst dann als Gemeingut angesprochen werden kann, wenn es
                              									transportfähig wird. Auf Grund dieser Tatsachen ist die elektrische Leistung als ein
                              									Handelsgut zu betrachten; ihr Wert bestimmt sich wie der jeder anderen Ware nach den
                              									volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten des Angebots und der Nachfrage.
                           Die größte Bedeutung hatte die Entwicklung der elektrischen Kraftübertragung für die
                              									Nutzbarmachung der Wasserkräfte. Während diese früher für Einzelverbraucher
                              									unwirtschaftlich verwertet wurden, konnte nunmehr Erzeugungs- und Verwendungsort
                              									getrennt werden. Die Vorteile hiervon treten klar zu Tage, da die abgelegenen
                              									Gebirgsgegenden, wo die günstigsten Wasserkräfte zur Verfügung stehen, für die
                              									Entwicklung von Industrie und für größere Bevölkerungsdichte nicht geeignet sind.
                              									Dadurch, daß nunmehr in diesen entlegenen Gebirgsgegenden die Wasserkräfte durch
                              									Kraftwerke wirtschaftlich ausgenutzt werden konnten und die gewonnene elektrische
                              									Leistung in günstig gelegene Gebiete transportiert wird, werden die bisher
                              									verlorenenWasserkräfte ausgenutzt und die erschöpflichen Kohlenvorräte können
                              									eingespart werden.
                           Eine weitere Ausnützung weniger wertvoller Energiequellen, die erst durch die
                              									Uebertragung der elektrischen Leistung ermöglicht wurde, ist die immer mehr an
                              									Ausbreitung gewinnende Nutzbarmachung der Braunkohle. Für diese ist ein
                              									Bahntransport über größere Entfernungen äußerst unwirtschaftlich. Es wurden daher
                              									Kraftwerke in unmittelbarer Nähe der Braunkohlenlagerstätten errichtet und die hier
                              									gewonnene Energie in die Konsumgebiete übertragen. Im Gegensatz zu den Wasserkräften
                              									haben die Braunkohlengebiete meist eine günstigere Lage für die Industrie und
                              									Ansiedlung. Trotzdem wird Energie aus diesen Gebieten in reichlichem Maße geliefert,
                              									da die Herstellungskosten außerordentlich niedrig liegen.
                           Abgesehen von diesen Betrachtungen über die wirtschaftliche Ausnutzung von
                              									Energiequellen besonderer Art wies der Redner noch auf folgendes hin. Die
                              									Möglichkeit, Energie auf weite Gebiete zu verteilen, hatte zur Folge, daß die
                              									Erzeugung der Energie an wenigen Stellen zusammengelegt wurde, die Einzelerzeuger
                              									verschwanden und der Entwicklung von Großkraftwerken die Wege geebnet wurden.
                              									Hierdurch wurde es möglich, die Leistungseinheit weit billiger herzustellen als
                              									vorher. Damit erst waren die Grundlagen für eine großzügige Versorgung auch
                              									kleinerer Städte, Dörfer sowie des flachen Landes gegeben, was wiederum die
                              									Landwirtschaft an dem „elektrischen Kraftmarkt“ beteiligte. Auch der
                              									elektrische Betrieb von Vollbahnen wurde durch diese Entwicklung erst
                              									ermöglicht.
                           Weitere Vorteile brachte die Verkupplung von Kraftwerken, da hierdurch eine
                              									gegenseitige Reserve bewirkt wurde. Es konnte eine wirtschaftliche Verteilung der
                              									Belastung auf Rund- und Spitzenwerke vorgenommen werden. Die Grundlast wird von
                              									modernen, wirtschaftlichen Werken, Laufwasserkraftwerken sowie
                              									Braunkohlenkraftwerken übernommen. Da die Spitzenbelastung nur kurzzeitig auftritt,
                              									kann die Erzeugung der Leistungseinheit der Spitzenbelastung teurer sein. Dieses
                              									ergibt eine wirtschaftliche Verwendung alter Werke, von Speicherwasserkraftwerken
                              									und Steinkohlenkraftwerken. Das wesentlichste Moment, das zur Kupplung der
                              									Kraftwerke führte, war der wirtschaftliche Ausgleich von hoch- und mittelwertigen
                              									Energiequellen und Speicherenergien entsprechend dem wechselnden Energiebedarf im
                              									Laufe des Tages oder eines Jahres, und der verschiedenen charakteristischen Arten
                              									von Verbrauchern. Vollständig unwirtschaftliche kleinere Werke wurden hierdurch
                              									überflüssig und konnten stillgelegt werden. Als weitere wirtschaftliche Vorteile der
                              									Kupplung ist anzusehen, daß der Gleichzeitigkeitsfaktor der Einzelverbraucher
                              									gesenkt, somit die Benutzungsdauer und damit die Ausnutzung der Kraftwerke erhöht
                              									wurde.
                           Die Auswirkung dieser Entwicklung auf die Industrie war natürlich sehr stark. Durch
                              									die Kraftübertragung wurde die weiteste Verbreitung der Elektrizität ermöglicht, was
                              									eine ungeheuere Steigerung des Energieverbrauches zur Folge hatte. Für den Verbrauch
                              									wurden Geräte und Apparate entwickelt, deren Herstellung eine große Industrie
                              									entstehen ließ; durch den gesteigerten Stromumsatz konnten die Kraftstrompreise
                              									gesenkt werden, was wiederum die Elektrizität als Kraftquelle für Großindustrie,
                              									Berg- und Hüttenwesen ermöglichte. Dieses alles brachte natürlich eine weitere
                              									Verbrauchssteigerung. Die elektrotechnische Industrie entwickelte sich zu hoher
                              									Blüte und lange Zeit stand Deutschland in der Ausfuhr elektrischer Maschinen und
                              									Geräte an erster Stelle.
                           Durch die Steigerung des Stromverbrauches war der Bau immer größerer Kraftwerke und
                              									Maschineneinheiten notwendig, die nun wieder zur wirtschaftlichen Ausnutzung mit den
                              									vorhandenen Netzen gekuppelt wurden.
                           Die Entwicklung geht heutzutage schon so weit, daß man in nächster Zeit von einer
                              									europäischenStromwirtschaft sprechen wird. Großzügige Pläne wurden entwickelt
                              									für ein einheitliches europäisches Versorgungsnetz zur Ausnutzung weiterer
                              									Wasserkräfte und billigerer Brennstoffvorkommen, sowie zur gegenseitigen
                              									Unterstützung und Reserve. Gerade der elektrischen Energie als einem wertvollen
                              									Handelsgut sollten in Zukunft Erleichterungen bei Aus- und Einfuhr zuteil
                              									werden.
                           So hat die Uebertragung der Energie erst zu dieser Entwicklung der
                              									Elektrizitätswirtschaft führen können. Während man früher nur von Einzel- oder
                              									Städtewirtschaften reden konnte, geht die heutige Entwicklung zur Länder- oder
                              									Erdteilstromwirtschaft. Durch die erste Lauffener Kraftübertragung haben Deutschland
                              									und die Schweiz den Weg zu dieser Entwicklung bereiten helfen.
                           VDE.