| Titel: | Die Eigenschaft der rostfreien Stahle und ihre Verarbeitung. | 
| Autor: | Paul Wießner | 
| Fundstelle: | Band 346, Jahrgang 1931, S. 154 | 
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                        Die Eigenschaft der rostfreien Stahle und ihre
                           								Verarbeitung.
                        Von Dipl.-Ing. Paul Wießner,
                           									Essen.
                        Die Eigenschaft der rostfreien Stahle.
                        
                     
                        
                           Man unterscheidet die rostfreien Stahle nach verschiedenen Gesichtspunkten.
                              									Maßgebend hierfür ist nicht nur die Zusammensetzung, sondern auch das Gefüge. Die
                              									Art des Gefüges übt einen starken Einfluß auf die Verwendbarkeit und
                              									Widerstandsfähigkeit der einzelnen Stahlmarken aus. Für die Widerstandsfähigkeit
                              									gegen chemischen Angriff hat man verschiedene Beständigkeitsgradefestgelegt.
                              									Diese ergeben sich aus der Gewichtsabnahme in g/Stde auf 1 qm Oberfläche. Man
                              									bezeichnet ein Material als
                           
                              
                                 vollkommen
                                 bestand.
                                 b. ein.
                                 Gewichtsabnahme v.  0,1 g/qm/Std.
                                 
                              
                                 genügend
                                 „
                                 „   „
                                              „   v.  0,1 bis 1,0  „  „  „
                                 
                              
                                 ziemlich
                                 „
                                 „   „
                                              „   „   1,0   „   3,0  „  „  „
                                 
                              
                                 wenig
                                 „
                                 „   „
                                              „   „   3,0   „ 10,0  „  „  „
                                 
                              
                                 unbeständig
                                 
                                 „   „
                                              „   „ 10,0              „  „  „
                                 
                              
                           
                           Die Unterschiede im Gefüge zeigen sich in der Form, Art der Lagerung und Größe
                              									der Körner. Diese Struktur ändert sich meistens unter Einwirkung der
                              									Wärmebehandlung. Beispielsweise zeigen die VM-Stahle weichgeglüht ein anderes Gefüge
                              									als in gehärtetem Zustande. Geglüht sind diese Stahle troostitisch und gehärtet
                              									martensitisch. Sie enthalten 13 bis 14 % Chrom und ½ bis 2 % Nickel. Dieses Material
                              									hat stark lufthärtende Eigenschaften. Es läßt sich autogen schweißen, an der
                              									Schweißnaht tritt jedoch nach der hohen Erhitzung eine Härtung ein, die
                              									Spannungsrisse zur Folge haben kann. Aus diesem Grunde muß nach dem Schweißen
                              									geglüht und vergütet werden. Nach dem Schmieden läßt man die Schmiedestücke langsam
                              									unter heißer Asche erkalten. Die Beständigkeit gegen chemischen Angriff ist bei
                              									diesen Stahlen nicht sehr groß. Einige Marken sind nur in feingeschliffenem Zustande
                              									rostsicher, die Marke V3M nur, wenn sie poliert ist. Sie werden deshalb in
                              									geringerem Umfange für die chemische Industrie benutzt. V3M-Stahl verwendet man für
                              									Gegenstände, die eine vollkommene Härtung notwendig machen, wie Messerwaren,
                              									Sägeblätter, Kugellager und dergl., die übrigen Marken für andere Teile, die eine
                              									gewisse Rostsicherheit verlangen, wie Wellen, Kolbenstangen. Ventilspindeln usw.
                           Die Warmbehandlung nach dem Schweißen, wie sie bei den VM-Stahlen vorgenommen wird,
                              									hat bei den RS-Stahlen (werden neuerdings mit VF-Stahl bezeichnet) nicht denselben
                              									Erfolg. Diese Stahle haben halbferritisches Gefüge. Wenn sie geschweißt werden,
                              									tritt bei ihnen neben der Schweißnaht in besonders starkem Umfange eine
                              									Kornvergrößerung auf. Während sich nun die nichtferritischen Bestandteile des
                              									Gefüges durch die Warmbehandlung beeinflussen lassen, ist das bei den ferritischen
                              									Bestandteilen nicht möglich. Die Schweißnaht bleibt infolgedessen bei diesem
                              									Material spröde und ist nicht genügend betriebssicher. Diese Stahle enthalten 13 bis
                              									18 % Chrom und sind in vielen Fällen gegen chemischen Angriff genügend
                              									korrosionsbeständig. Bei Konstruktionen, die chemischem Angriff ausgesetzt sind,
                              									läßt sich infolgedessen häufig dadurch eine Verbilligung erzielen, daß man Teile,
                              									die nicht geschweißt zu werden brauchen, aus RS-Stahl ausführt, der billiger als
                              									VA-Stahl ist.
                           Die VA-Stahle haben austenitisches Gefüge, zwischen dessen Körnern Karbide
                              									eingelagert sind. Diese Karbide lösen sich durch die Warmbehandlung, die bei 1050
                              									bis 1200° erfolgen muß. Ein Ausglühen zwischen 500 und 900° verringert die
                              									Korrosionsbeständigkeit dieser Stahle und ist deshalb zu vermeiden. Rostsicherheit
                              									und Säurebeständigkeit ist bei den VA-Stahlen in warm behandeltem und blank
                              									gebeiztem Zustande in hohem Maße vorhanden; durch Erhitzen und nachheriges
                              									Abschrecken werden sie weicher. Eine größere Härte kann nur durch Hämmern oder
                              									Walzen bei Zimmertemperatur erzielt werden. Nietverbindungen mit VA-Nieten bei
                              									Apparaten, die dicht sein sollen und einem chemischen Angriffsstoff ausgesetzt
                              									werden, sind nicht zu empfehlen. Durch das Glühen der Nieten überziehen sie sich mit
                              									einer dünnen Zunderschicht, die beimNieten haften bleibt. Sobald nun von innen
                              									Säure an den Niet kommt, wird diese Zunderschicht weggebeizt und der Niet wird
                              									undicht. Außerdem bietet der nicht blank gebeizte Niet eine Gelegenheit für
                              									chemischen Angriff. Mitunter muß es vermieden werden, daß an den Stellen des
                              									Materials, die von einem bestimmten Stoff bespült werden, Kaltdeformationen
                              									vorgenommen werden. Dies ist z.B. der Fall bei verdünnter Schwefelsäure, gegen die
                              									der VA-Stahl nur bei Zimmertemperatur beständig ist. Als Kaltdeformation ist schon
                              									das Einschlagen von Buchstaben, Verstemmen oder Wegschleifen anzusehen. Hierdurch
                              									werden die Körner des Gefüges teilweise zertrümmert, und es entstehen kleine
                              									Lokalelemente zwischen unversehrten und zertrümmerten Körnern, die galvanische
                              									Ströme und hierdurch elektrolytische Zerstörungen hervorrufen.
                           Die VA-Stahle enthalten 18 bis 25 % Chrom und 8 bis 9 % Nickel. In den meisten
                              									Fällen, die in der chemischen Industrie für diese Stahle in Frage kommen, genügt der
                              									V2A-Stahl. Durch Zusatz von Molybdän wurde jedoch noch ein Material von höherer
                              									Korrosionsbeständigkeit erzielt, der V4A-Stahl, der heute als V4A-Extra in den
                              									Handel kommt. Dieser Stahl wird besonders dann verwendet, wenn Beständigkeit gegen
                              									heiße schweflige Säure unter Druck notwendig ist. Häufig ist wegen der Größe mancher
                              									Konstruktionen eine Warmbehandlung nicht möglich, weil es an hinreichend großen
                              									Oefen fehlt, oder wenn es sich um geringe Wandstärke oder geradwandige Behälter
                              									handelt, die sich sonst verziehen würden. Für diese Zwecke verwendet man V2A-Extra
                              									bzw. V4A-Extra Material, die eine solche Warmbehandlung nach dem Schweißen nicht
                              									erforderlich machen. Diese Eigenschaften wurden erzielt durch eine Aenderung der
                              									Zusätze und eine Zugabe von Titan. Ein Material, das ebenfalls keine Warmbehandlung
                              									nach dem Schweißen benötigt, ist der V2AH-Stahl. Er ist etwas weniger
                              									korrosionsbeständig als die anderen Marken und findet deshalb mehr Verwendung für
                              									das Brauerei- und Molkereiwesen. V2AS-Stahl erfordert Warmbehandlung nach dem
                              									Schweißen und ist noch härter als die anderen Marken. Aus diesem Grunde verwendet
                              									man ihn für Teile, die stärkerem Verschleiß ausgesetzt sind, wie z.B. Wellen und
                              									dergl., außerdem auch für Rohrböden, Aufwalzbunde und in der Papierindustrie für
                              									Holländermesser.
                           Die Bearbeitung der VA-Stahle mit Werkzeugen aus gewöhnlichem Werkzeugstahl ist nicht
                              									möglich. Man bedient sich hierzu der Kruppschen Sonderschnell-Arbeitsstähle DFM und
                              									Widia-Werkzeugmetall. Hierbei muß auf scharfe Werkzeuge Wert gelegt werden, weil
                              									sonst eine Kalthärtung der Arbeitsfläche eintritt.
                           Beim Schmieden wird der VA-Stahl langsam auf 300° C vorgewärmt und dann die
                              									Temperatur rasch auf 1100 bis 1150° C erhöht. Wenn die Schmiedearbeit bei 900° noch
                              									nicht beendet ist, muß neu erhitzt werden.
                           Beim autogenen Schweißen ist darauf zu achten, daß Azetylen-Ueberschuß vermieden
                              									wird, damit die Schweißnaht keinen Kohlenstoff aufnimmt und hierdurch ein
                              									Sprödewerden der Schweißnaht verhindert wird. Das Zusatzmaterial darf erst zugegeben werden,
                              									wenn die Schweißstelle sich in einem teigigen Zustande befindet. Man beginnt beim
                              									Schweißen 50 bis 100 mm vom Rande an der Seite, wo der Abstand am schmälsten ist
                              									(die Schweißkanten sollen sich nicht berühren und nicht parallel zueinander liegen)
                              									und schweißt über die ganze Breite. Hierdurch wird das Reißen der Schweißnaht
                              									vermieden.Das freigelassene Stück von 50 bis 100 mm Breite wird erst zuletzt
                              									fertiggestellt.
                           Bei der elektrischen Lichtbogenschweißung werden umhüllte Sonderschweißstäbe
                              									verwendet. Im Gegensatz zum elektrischen Schweißen bei Flußeisen schließt man
                              									hierbei das Werkstück an den negativen und die Schweißzange an den positiven
                              									Pol.