| Titel: | Hochdruckhydrierung von Kohle und Erdöl, 90 v. H. Benzin aus Erdöl. | 
| Autor: | Ernst Trebesius | 
| Fundstelle: | Band 346, Jahrgang 1931, S. 183 | 
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                        Hochdruckhydrierung von Kohle und Erdöl, 90 v. H.
                           								Benzin aus Erdöl.
                        Von Ernst Trebesius.
                        Hochdruckhydrierung von Kohle und Erdöl.
                        
                     
                        
                           Als Hydrierung der Kohle bezeichnet der Chemiker ein von Professor Dr. F.
                                 									Bergius schon 1913 erfundenes Verfahren, bei dem feingemahlene Steinkohle oder
                              									Braunkohle mit Wasserstoff unter hohem Druck und hoher Temperatur zur chemischen
                              									Reaktion gebracht wird, wobei Benzin, Gasöl und andere Oelsorten nebeneinander
                              									entstehen. Schon ehe dies gelang, waren andere Verfahren ausgearbeitet worden, um
                              									Oel aus Kohlen zu gewinnen, und es sind außerordentlich umfangreiche Arbeiten
                              									wissenschaftlicher, technischer und industrieller Art geleistet worden, um den
                              									Kohledestillationsprozeß zwecks Verbesserung der Oelgewinnung aus Kohle zu
                              									verändern. In dieses Gebiet gehören die vielen Verfahren der Schwelung oder
                              									Tieftemperaturverkokung. Sie beruhen auf der Entdeckung, daß die Teerausbeute aus
                              									geeigneten Kohlen gesteigert werden kann, wenn man die Kohlendestillation bei tiefen
                              									Temperaturen vornimmt. Wenn auch bei diesen Prozessen das prozentuale Ausbringen an
                              									Oel etwas größer ist als bei der Kokerei, so liegt genau dieselbe wirtschaftliche
                              									Schwierigkeit vor, daß nämlich der Hauptteil der Kohle in Form von Halbkoks
                              									entsteht, der zu günstigen Preisen abgesetzt werden muß, wenn das ganze Verfahren
                              									wirtschaftlich sein soll. Wenn sehr bedeutende Mengen Oel auf diese Weise gewonnen
                              									werden sollen, dann würden auch entsprechend große Mengen von Halbkoks anfallen, und
                              									diese könnten nicht mehr zu entsprechendem Preis abgesetzt werden.
                           In langjähriger Arbeit hat nun die I. G. Farbenindustrie A.-G., die die Rechte
                              									zur praktischen Ausnutzung der von Bergius erfundenen Hydrierung der Kohle erworben
                              									hat, das Verfahren weiter entwickelt, und sie ist jetzt in der Lage, je nach der
                              									Wirtschaftslage Kohle, Teer oder Erdöl als Grundstoffe für die Benzinsynthese zu
                              									verwenden. Da die neuen Erdölbohrungen in Hannover und im Kaliwerk Volkenroda ein
                              									ziemliches Angebot an deutschen Erdöl brachten, so ist gegenwärtig die
                              									Kohlenhydrierung vor der Hydrierung von Teeren und deutschem Erdöl in den
                              									Hintergrund gerückt.
                           Entsprechend ihren reichen wissenschaftlichen und praktischen Erfahrungen auf dem
                              									Gebiete der künstlichen Stickstoffgewinnung hat die I. G. das ganze Verfahren sehr
                              									vervollkommnet. Während Bergius ohne Katalysatoren arbeitet, spielen diese bei ihrem
                              									Hydrierungsverfahren eine Hauptrolle. In der Chemie versteht man unter Katalysatoren
                              									solche Stoffe, deren Anwesenheit chemische Reaktionen sehr beschleunigt, ohne daß
                              									sie selbst dabei aufgebraucht werden. Mengenmäßig selbst äußerst gering, vermögen
                              									sie lediglich durch ihre Gegenwart bei manchen chemischen Umsetzungen
                              									Riesenwirkungen hervorzubringen. Mit Hilfe geeigneter Katalysatoren ist man in der
                              									Lage, den Umsetzungsvorgang nicht nur bedeutend zu beschleunigen, sondern vor allem
                              									so zu leiten, daß fast ausschließlich die jenigen Kohlenwasserstoffe entstehen, die
                              									erwünscht sind.
                           
                           Auf Grund der günstigen Ergebnisse in den Versuchsanlagen in Ludwigshafen-Oppau,
                              									faßte die I. G. 1926 den Entschluß, dem Leuna Werk bei Merseburg eine Großanlage für
                              									die Herstellung synthetischen Benzins anzugliedern. Als Ausgangsmaterial für die
                              									Benzinsynthese dienten in Leuna ursprünglich Braunkohle und Braunkohlenschwelteere,
                              									während heute, wie bereits ausgeführt wurde, vorwiegend Teere und deutsches Erdöl
                              									als Grundstoffe verwendet werden. Die technische Durchführung des eigentlichen
                              									Hydrierverfahrens ist im, Prinzip bei den verschiedenen Rohstoffen gleich. Bei
                              									Verwendung fester Rohstoffe macht lediglich das Einbringen des Rohstoffes und das
                              									Austragen von Rückständen einige besondere Maßnahmen erforderlich.
                           Bei der Benzingewinnung aus Braunkohle wird ein Brei aus feingemahlener Kohle und Oel
                              									in einer Kohlenbreipresse auf 200 Atm. gebracht. Dieser Brei wird nach Vorwärmung in
                              									Hochdrucköfen, die sogen. „Kohleöfen“, gedrückt. Gleichzeitig wird auch
                              									Wasserstoff unter gleichem Druck in diese Oefen gepreßt. Die Oefen sind 18 m hohe,
                              									starkwandige Stahlzylinder. Durch die Einwirkung des Wasserstoffes auf die Kohle
                              									entstehen hauptsächlich schwere Kohlenwasserstoffe, die die Oefen im wesentlichen
                              									dampfförmig verlassen. Nachdem die Kohlenwasserstoffe einen Teil ihrer Wärme an
                              									Regeneratoren abgegeben haben, werden sie in Kühlern kondensiert, also verflüssigt.
                              									Da die entstandene Flüssigkeit noch Wasserstoff und andere Gase enthält, muß sie im
                              										„Kohlenabstreifer“ davon befreit werden. Alsdann kann die Flüssigkeit
                              									durch Destillation in Schweröl, Mittelöl und Benzin getrennt werden. Während das
                              									Benzin zur Benzinraffination und das Mittelöl in den sogen. „Benzinofen“
                              									geleitet wird, dient das Schweröl zur Herstellung des Kohlebreies.
                           Der im Kohleofen zurückgebliebene Schlamm enthält flüssige hochsiedende
                              									Kohlenwasserstoffe und Asche. Die Trennung dieser Bestandteile stellte an das Wissen
                              									und die Erfahrung der Chemiker und Ingenieure ganz außerordentliche Ansprüche. Durch
                              									Filtrieren und Schwelen gelang es, das Schweröl von der Asche zu befreien. Auch das
                              									aus dem Schlamm gewonnene Schweröl wird zur „Kohlenanreibung“, zur
                              									Herstellung des Kohlebreies, benutzt; es bleibt also ebenfalls im
                              									Kohleofenkreislauf.
                           Da das Hauptziel der Kohleverflüssigung die Gewinnung von Benzin ist, bei dem eben
                              									geschilderten Vorgang im Kohleofen jedoch als Haupterzeugnis Mittelöl anfällt, so
                              									muß dieses Mittelöl in einem Benzinofen bei 200 Atm. Druck nach vorheriger
                              									Vorwärmung nochmals hydriert werden. Hierbei gelangen die bereits erwähnten
                              									Katalysatoren zur Anwendung. Unter der Einwirkung der im Benzinofen herrschenden
                              									hohen Temperatur spalten sich die großen Moleküle. Der unter 200 Atm. Druck stehende
                              									Wasserstoff lagert sich den Bruchstücken der gespaltenen Moleküle an, und auf diese
                              									Weise entstehen aus hochsiedenden Kohlenwasserstoffen niedrigsiedende, die unter der
                              									Bezeichnung Benzin zusammengefaßtwerden. Je nach der Art der zur Anwendung
                              									gelangenden Katalysatoren werden ganz bestimmte Bindungen innerhalb des Moleküls
                              									gelockert. Der Chemiker hat es also in der Hand, die verschiedenen Mineralöle nach
                              									Belieben herzustellen.
                           Da alle Kohlenwasserstoffe den Benzinofen in Dampfform verlassen, so bleiben keine
                              									flüssigen Rückstände in ihm zurück. In Regeneratoren und Kühlern werden die Dämpfe
                              									verdichtet. Das gewonnene Oel wird durch Destillation in Benzin und Mittelöl
                              									zerlegt. Während das Benzin zur Raffination weiter geleitet wird, muß das Mittelöl
                              									wieder in den Kreislauf des Benzinofens zurück. Bei Verarbeitung von Braunkohlenteer
                              									und Erdöl werden diese zunächst durch Destillation in Schweröle, Mittelöle und das
                              									von Natur aus im Teer und Erdöl schon enthaltene Benzin getrennt. Während das Benzin
                              									der Raffination zugeführt wird, leitet man die Schweröle in den sogen.
                              										„Sumpfofen“, der dem „Kohleofen“ bei der Kohlenhydrierung
                              									entspricht, während das Mittelöl in den „Benzinofen“ geht. Im übrigen ist der
                              									Prozeß dem der Kohlenhydrierung ähnlich.
                           Die katalytische Hochdruckhydrierung hat nun nicht nur für das an Erdölvorkommen arme
                              									Deutschland große Bedeutung, sondern auch für Länder mit großem Erdölreichtum, also
                              									im Grunde genommen für die gesamte Weltwirtschaft. Insofern nämlich, als mit seiner
                              									Hilfe viel größere Mengen Benzin aus dem Erdöl gewonnen werden können, als dies
                              									bisher der Fall war. Trotzdem die bisherigen Verfahren zur Herstellung von Benzin
                              									aus hochsiedenden Erdölbestandteilen hochentwickelt sind, liefert heute eine Tonne
                              									Rohöl im Durchschnitt nur 36 v. H. Benzin, 7 v. H. Petroleum, 46 v. H. Gasöl und
                              									Heizöl und außerdem noch Schmieröle usw. Auch mit dem allerneuesten Krackverfahren
                              									läßt sich höchstens die Hälfte von einer Tonne Rohöl in Benzin verwandeln. Bestimmte
                              									Sorten Erdöl lassen sich außerdem im Wege des Krackverfahrens nur schlecht oder
                              									überhaupt nicht verarbeiten. Hier schafft das I.-G.-Verfahren mit einem Schlage
                              									Wandel, da man aus 100 Liter jeden Rohöls wunschweise nahezu 100 Liter Verkaufs
                              									fähige Erzeugnisse, also z.B. Benzin, Petroleum, Schmieröl usw. herstellen kann. Es
                              									lassen sich damit aber auch solche Rohöle auf Benzin oder auf Schmieröl verarbeiten,
                              									deren Nutzbarmachung bisher auf Schwierigkeiten stieß. Die Bedeutung dieser die
                              									gesamte Erdölveredelung auf eine neue Grundlage stellenden katalytischen
                              									Hochdruckhydrierung kann man daraus ermessen, daß Amerika, das erdölreichste Land
                              									der Welt, bereits die Nutzanwendung aus dieser genialen deutschen Erfindung gezogen
                              									hat. Eine von der I. G. Farbenindustrie A.-G. und der Standard-Oil-Company
                              									gegründete Gesellschaft hat in Amerika bereits seit drei Jahren eine Versuchsfabrik
                              									mit bestem Erfolg im Betriebe. Drei große Werke, in denen man das Rohöl nach dem I.
                              									G. Verfahren verarbeitet, wurden seitdem noch gebaut. –