| Titel: | [Kleinere Mittheilungen.] | 
| Fundstelle: | Band 258, Jahrgang 1885, Miszellen, S. 332 | 
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                        [Kleinere Mittheilungen.]
                        Kleinere Mittheilungen.
                        
                     
                        
                           Elektrische Kraftübertragung zwischen Creil und Paris.
                           In der Sitzung der französischen Akademie der Wissenschaften am 26. Oktober wurde
                              									nach der Revue industrielle, 1885 S. 442 berichtet,
                              									daſs Deprez seit dem 17. Oktober d. J. die ersten
                              									Versuche elektrischer Kraftübertragung in Creil vor Collignon und den Ingenieuren der französischen Nordbahn gemacht habe und
                              									zwar, wie auch andere französische Berichte melden, mit vollem Erfolge: Von 78e konnten 40e,
                              									also etwas über 51 Proc., auf 58km Entfernung
                              									übertragen werden. Der Strom hatte eine Stärke von 7 Ampère bei einer
                              									elektromotorischen Kraft von 6000 Volt. Die den Strom liefernde Maschine machte nur
                              									175 Umdrehungen in der Minute. Die Strom empfangenden Maschinen waren auch in Creil
                              									aufgestellt und das übertragende Kupferkabel hatte, wie die Annales industrielles, 1885 Bd. 2 S. 546 sich ausdrücken,
                              										„Kleinfinger“-Dicke. Zwischen Paris und Creil wird man erst mit einer den Strom aufnehmenden Maschine Versuche machen,
                              									dann, wie es in dem Programme festgesetzt ist, mit drei
                              									Maschinen. Die Kosten der Versuche, welche das Haus Rothschild trägt, sollen sich bereits auf etwa 650000 M. belaufen; das
                              									kupferne Uebertragungskabel kostet allein 120000 M.
                           Die mit der Ueberwachung der Versuche beauftragten Ingenieure der
                              									Nordbahngesellschaft haben von Deprez verlangt: 1) die
                              									technische Möglichkeit der gefahrlosen Uebertragung einer groſsen Kraft auf eine
                              									groſse Entfernung nachzuweisen; 2) darzuthun, daſs die Maschinen mehrere Monate
                              									hindurch täglich 20 Stunden ununterbrochen arbeiten können, ohne dienstuntauglich zu
                              									werden; 3) zu zeigen, daſs der Strom an der Ankunftsstelle unter mehrere wesentlich
                              									verschiedenen Zwecken dienende, empfangende Maschinen vertheilt werden könne und
                              									zwar trotz plötzlicher Aenderungen in der Arbeit dieser Maschinen; 4) die Apparate
                              									so einzurichten, daſs der Wirkungsgrad der Maschinen hinreichend groſs ist, ohne
                              									daſs die Kosten der ersten Anlage zu hoch steigen.
                           Deprez, wollte 500e
                              									übertragen, die Commission begnügte sich mit 200, ausnahmsweise 300e. Für den Betrieb der in Creil aufgestellten
                              									Stromerzeuger leiht die Nordbahngesellschaft 2 Locomotiven, jede mit einer Leistung
                              									von 100 bis 150e. Diese sollen mittels Riemen eine
                              									Welle mit einer minutlichen Umlaufszahl, welche zwischen 50 und 150, wie bei
                              									Wasserrädern und Turbinen, verschieden sein kann, treiben. Von dieser Welle aus
                              									erhalten die Dynamomaschinen ihre Bewegung, wobei deren Geschwindigkeit von Deprez auf 200 bis 300 Umdrehungen in der Minute
                              									festgesetzt wurde. Die drei in Paris aufgestellten empfangenden Maschinen sollen
                              									treiben: 1) die Lichtmaschinen, welche täglich 10 bis 14 Stunden im Gange sind und
                              									15 bis 20e verbrauchen; 2) die Pumpen der
                              									Wasserhaltung; 20 Stunden täglich, 35 bis 40e, mit
                              									groſsen Schwankungen in der Leistung, die durch Armstrong'sche Accumulatoren gemildert werden; 3) einen Theil der
                              									Werkzeugmaschinen in den Bahn Werkstätten in La Chapelle; 8 bis 10 Stunden täglich,
                              									12 bis. 15e, mit starken und plötzlichen
                              									Schwankungen.
                           Nachtrag: Die von Deprez an
                              									die Akademie gerichtete Mittheilung, welche u.a. in den Annales industrielles, 1885 Bd. 2 S. 609 abgedruckt ist, bestätigt im
                              									Allgemeinen vorstehende Angaben. Deprez betont, daſs es
                              									ihm gelungen sei, wirklich 40e nützlich zu
                              									übertragen, bei einem Nutzeffecte von 50 Proc. und bei der geringen Geschwindigkeit
                              									von 170 Umgängen der Strom erzeugenden Dynamomaschine, deren Ringanker 780mm Durchmesser hat. Zur Uebertragung auf die 56km betragende Entfernung dient, weil die
                              									Rückleitung nicht durch die Erde geht, ein 112km
                              									langes Kabel, dessen Leitungsquerschnitt einem Kupferdrahte von 5mm Dicke gleichkommt. Die Strom erhaltende
                              									Dynamomaschine mit einem Anker von 580mm
                              									Durchmesser macht rund 277 Umgänge in der Minute.
                           
                        
                           Versuche mit Maginot's Schraubenpumpe.
                           Bei Versuchen, welche nach dem Génie civil, 1885 Bd. 7 *
                              									S. 55 im Juni 1884 mit einer von Pinette gebauten Maginot'schen Schraubenpumpe von nicht näher
                              									angegebenen Abmessungen und einer Anordnung gleich der in D.
                                 										p. J. 1880 235 * 331 beschriebenen Quiri'schen Pumpe, vorgenommen wurden, ergab sich bei
                              									einem Austrittswinkel der Schaufeln von 15 bis 18° der beste Wirkungsgrad zu 0,71,
                              									wenn das Rad 764 Umgänge in der Minute machte, wobei sekundlich 62l auf 7m,28
                              									gehoben wurden. Dieser Wirkungsgrad ergab sich aber auch noch bei 888 Umgängen und
                              									einer Leistung von 93l auf 7m,35 Hubhöhe und betrug bei 945 Umgängen, wobei
                              										107l auf 7m,19 gehoben wurden, immer noch 0,65. Die Pumpe begann zu arbeiten bei etwa
                              									640 Umgängen in der Minute und zeigte bei 668 Umläufen schon einen Wirkungsgrad von
                              									0,485, indem 22l,4 auf 7m,12 gehoben wurden. Hiernach würde diese Pumpe
                              									allerdings den gewöhnlichen Centrifugalpumpen, deren Wirkungsgrad auch bei bester
                              									Geschwindigkeit 0,6 nicht übersteigt und dabei rasch abnimmt, wenn die günstigste
                              									Geschwindigkeit nicht eingehalten wird, beträchtlich überlegen sein. Uebrigens soll
                              									sich der Wirkungsgrad durch Anbringung fester Leitschaufeln an der Austrittseite des
                              									Rades noch weiter erhöhen lassen.
                           
                        
                           Th. Zimmermann's Ueberzug der Innenwand von
                              									Dampfkesseln.
                           Um die Innenwand von Dampfkesseln und deren Röhren gegen Rost zu schützen und
                              									gleichzeitig das Festsetzen von Kesselstein zu verhüten, bringt Th.
                                    											Zimmermann in Breslau (* D. R. P. Kl. 13 Nr. 33045 vom 18. Februar 1885) das
                              									folgende Verfahren in Vorschlag: Die Wandung erhält, nachdem sie gehörig gereinigt
                              									ist, zunächst einen Anstrich von in Firniſs abgeriebener Mennige und wird dann mit
                              									Schleiflack, dem etwa 10 Proc. Holzmehl beigemischt sind, überzogen. Eine Erneuerung
                              									des sehr zähen Ueberzuges soll etwa alle 2 Jahr erforderlich sein. (Vgl. 1883 247 456.)
                           
                        
                           Ermittelung des Wasserbedarfes.
                           Zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit von Wasserleitungen hat die Jahresversammlung
                              									des Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachmännern in Wiesbaden 1884 folgende im
                              										Journal für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung,
                              									1884 S. 543 veröffentlichte Normen aufgestellt. Es ist unrichtig, eine gewisse
                              									Wassermenge (etwa 1501) für den Kopf der Bevölkerung zu Grunde zu legen, da Klima,
                              									Bauart, Beschäftigung und Vermögensstand der Bevölkerung ebenso maſsgebend sind, wie
                              									auch die Art der Entwässerungsanlagen, die Beschaffenheit, der Preis des Wassers u.
                              									dgl. Die nachstehenden Ziffern bedeuten Liter.
                           A) Privatgebrauch.
                           Gebrauchwasser in Wohnhäusern für 1 Kopf der Bewohner und 1 Tag:
                           
                              
                                             a) zum Trinken, Kochen, Reinigen
                                 20 bis 30
                                 
                              
                                             b) zur Wäsche
                                 10 bis 15
                                 
                              
                                 Abtrittspülung
                                 5 bis 6
                                 
                              
                                 Pissoirspülung, für 1m
                                    											Spritzrohr und 1 Stunde
                                 200
                                 
                              
                                 Bäder: a) ein Wannenbad
                                 350
                                 
                              
                                             b) ein Sturzbad
                                 20 bis 30
                                 
                              
                                 Gartenbesprengung für jeden heiſsen Tag und je 1qm ein-    mal besprengter
                                    											Fläche
                                 1,5
                                 
                              
                                 Hofbesprengung desgl.
                                 1,5
                                 
                              
                                 Fuſswegbesprengung desgl.
                                 1,5
                                 
                              
                                 1 Pferd oder sonstiges Groſsvieh
                                 50
                                 
                              
                                 1 Kleinvieh
                                 10
                                 
                              
                                 Reinigung eines Wagens für Personenbeförderung,
                                    											täglich
                                 200
                                 
                              
                           B) Oeffentliche Anstalten.
                           
                              
                                 Schulen, für 1 Schüler und 1 Schultag
                                 2
                                 
                              
                                 Kasernen: a) für 1 Mann
                                 20
                                 
                              
                                                  b) für 1 Pferd
                                 40
                                 
                              
                                 Krankenhäuser, für 1 Person
                                 100 bis 150
                                 
                              
                                 Gasthöfe, für 1 Person
                                 100
                                 
                              
                                 Badeanstalten, für jedes Wannen- und Sturzbad durch-    
                                    											     schnittlich (einschl. Reinigung u. dgl.)
                                 500
                                 
                              
                                 Waschanstalten, für 100k
                                    											Wäsche
                                 400
                                 
                              
                                 Schlachthäuser, für jedes geschlachtete Vieh
                                 300 bis 400
                                 
                              
                                 Markthallen, für 1qm Fläche
                                    											und 1 Markttag
                                 5
                                 
                              
                                 Bahnhöfe, Speisewasser für jede Locomotive
                                 6000 bis 8000
                                 
                              
                           
                           C) Straſsenanlagen.
                           
                              
                                 Straſsenbesprengung, für 1qm einmal besprengter Fläche:
                                 
                                 
                              
                                          a) gepflasterte Flächen
                                 1
                                 
                              
                                          b) Steinschlagflächen
                                 1,5
                                 
                              
                                 Gartenanlagen, für 1qm bei
                                    											einmaliger Sprengung und jeden    heiſsen Tag
                                 1,5
                                 
                              
                                 Oeffentliche Laufbrunnen mit unterbrochenem Abflüsse,  
                                    											täglich
                                 3000
                                 
                              
                                 Pissoirs, für 1m Spritzrohr
                                    											und 1 Stunde
                                 200
                                 
                              
                           
                        
                           Boyle's Lüftung von Eisenbahnwagen.
                           Von dem bekannten Lüftungstechniker R. Boyle in London
                              									ist neuerdings ein Lüftungssystem für Eisenbahnwagen angegeben worden, welches im
                              										Engineering, 1885 Bd. 40 * S. 313 mitgetheilt ist
                              									und darin besteht, daſs durch zwei nicht näher angegebene, im Untergestelle
                              									angebrachte Strahlapparate mit Hilfe der bei der Bewegung des Wagens durch den
                              									Apparat strömenden Auſsenluft die Luft aus den Wagenräumen abgesaugt und zugleich an
                              									der Decke Frischluft eingeführt wird. Die Luftstrahlapparate haben 350mm Durchmesser; zu denselben wird die Abluft durch
                              									je 2 Röhren von 200mm Durchmesser geführt. Diese
                              									Röhren liegen im Untergestelle und stehen mit jeder Wagenabtheilung durch je eine
                              									Düse in Verbindung, welche 100mm über dem
                              									Fuſsboden unter den Sitzen münden und mit Drahtgitter bedeckt sind. Zur Einführung
                              									der Frischluft ist auf der Wagendecke für jedes Coupé ein Aufsatz angebracht,
                              									welcher bei der Bewegung des Wagens Auſsenluft auffängt und in gelochte Röhren von
                              										75mm Durchmesser leitet, welche unterhalb der
                              									Decke angeordnet sind. Aus diesen Röhren flieſst die Frischluft ohne Zugbelästigung
                              									in die Räume und die beschriebene Art der Abführung wird auch keinen unangenehmen
                              									Zug erzeugen; nur eine häufige Reinigung der Röhren dürfte nothwendig und auch wohl
                              									die Möglichkeit einer Regelung des Luftzuges vorzusehen sein.
                           
                        
                           Ueber Nahrungsmittel (Patentklasse 53).
                           Um Butter haltbar zu machen, wird nach O.
                                    											Rudolphi in Leipzig (D. R. P. Nr. 33828 vom 1. März 1885) der zum Verbuttern
                              									bestimmte Rahm zunächst unter Umrühren erhitzt, dann rasch abgekühlt.
                           G.
                                    											Ripberger in Dresden (D. R. P. Nr. 33092 vom 12. Februar 1885) will die
                              									namentlich zur Versorgung von Militär und Schiffen bestimmten Nahrungsmittel in Säcke oder Kisten packen, die mit
                              									einem aus Baumwolle gebildeten und mit Bitterstoffen und Salz getränkten Filter
                              									ausgekleidet sind.
                           Nach H. Ketelsen und C. Grothe in
                              										Lübeck (D. R. P. Nr. 33227 vom 13.
                                 										Januar 1885) werden die Nahrungsmittel durch
                              									Berieseln mit Wasser unter gleichzeitiger Einwirkung von Kälte mit einer Eiskruste überzogen und in kalten Räumen aufbewahrt. (Vgl.
                              										Mignon 1885 255
                              									215.)
                           Zur Gewinnung eines Futtermittels aus den bei der
                              									Herstellung von Zellstoff erhaltenen alkalischen Laugen
                              									werden diese nach C. H. Voigt in
                              										Pegau (D. R. P. Nr. 33235 vom 24.
                                 										März 1885) mit Schwefelsäure neutralisirt, wobei sich unter Bildung von
                              									Natriumsulfat die organischen Stoffe als höchst fein zertheilter Niederschlag
                              									ausscheiden, welche, durch Pressen von der Sulfatlösung getrennt, hierauf noch mit
                              									Wasser ausgewaschen wird, um dann nochmals gepreſst und in Kuchenform gebracht zu
                              									werden.
                           
                        
                           Zur Frage der Thomasschlacke als Wiesendünger.
                           Eine von mir untersuchte Thomasschlacke enthielt u.a.:
                           
                              
                                 Phosphorsäure
                                 18,7 Proc.
                                 
                              
                                 Kohlensäure
                                   3,5
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                   4,0
                                 
                              
                           Da nun diese Schlacke in gemahlenem Zustande neuerdings sehr
                              									für Wiesen empfohlen wird, so möchte ich darauf hinweisen, daſs in der Schlacke
                              									nicht allein die Phosphorsäure, sondern auch die völlig im löslichen Zustande befindliche Kieselsäure
                              									auf den Graswuchs günstig einwirkt.
                           Löhne, November 1885.
                           Hugo Bornträger.
                           
                        
                           
                           Ueber die Geschichte des Ammoniaksodaprozesses.
                           Als Erfinder des Ammoniaksodaprozesses werden gewöhnlich die beiden englischen
                              									Chemiker H. G. Dyar und J.
                                 										Hemming anerkannt. Dieselben erhielten zuerst am 30. Juni 1838 ein
                              									englisches Patent für dieses Verfahren (vgl. 1839 74
                              									129). 16 Jahre später (1854) erhielt der französische Chemiker Schloesing ein Patent in Frankreich für ein auf der
                              									gleichen Reaction beruhendes Verfahren. Diesem folgte ein weiteres französisches
                              									Patent von Schloesing und Rolland im J. 1858. Gestützt hierauf haben verschiedene französische
                              									Schriftsteller versucht, die Ehre der ersten Erfindung des Ammoniaksodaprozesses den
                              									beiden Landsleuten Schloesing und Rolland zuzuwenden.Vgl. Frémy: Presidental Adress to the French
                                       												Association for the Advancement of Science, 1878. Bouley (vgl. Comptes
                                       												rendus, 1885 Bd. 100 S. 926). Scheurer-Kestner: Conférence à la Société d'Encouragement sur Nicolas
                                       												Leblanc, 28. März 1885. Da diese irrthümliche Angabe von
                              									drei bedeutenden französischen Schriftstellern ausgeht, fühlte sich L. Mond zur Richtigstellung derselben im Journal of the Society of Chemical Industry, 1885 S.
                              									524 veranlaſst.
                           Schloesing und Rolland
                              									geben selbst in mehreren Veröffentlichungen zu, daſs die chemischen Vorgänge des
                              									Prozesses, welchen sie zu verbessern suchen, schon in einem französischen Patente
                              									von Delaunay (27. März 1839) beschrieben sind; dieses
                              									Patent ist aber nur eine genaue Uebersetzung des englischen Patentes von Dyar und Hemming und es
                              									unterliegt keinem Zweifel, daſs Delaunay nur
                              									Patentagent von Dyar und Hemming war. Vom 18. Mai 1840 datirt ein zweites französisches Patent von
                              										Delaunay, welches sehr viele wichtige
                              									Verbesserungen enthält. Ein ähnliches englisches Patent findet sich nicht vor,
                              									jedenfalls weil nach dem damaligen englischen Gesetze die Erlangung eines Patentes
                              									mit bedeutenden Kosten verbunden war. Der ursprüngliche von Dyar und Hemming in ihrem englischen Patente
                              									beschriebene Prozeſs ist so roh und unvollkommen, daſs seine Anwendung in dieser
                              									Form nie von technischem Erfolge begleitet gewesen wäre. Erst durch die im zweiten
                              									französischen Patente von Delaunay im J. 1840
                              									beschriebenen Verbesserungen wurden Dyar und Hemming zur Ehre der ersten Erfindung des
                              									Ammoniaksodaprozesses vollkommen berechtigt. Das zweite Patent von Delaunay enthält eine genaue Beschreibung aller
                              									Arbeiten, wie sie heutzutage im Groſsen ausgeführt werden, und es muſs der Aussage
                              									von Schloesing und Rolland, daſs die Chemie des Ammoniaksodaprozesses in Dyar und Hemming's Händen
                              									schon einen solchen Grad von Vollkommenheit erreichte, daſs späteren Erfindern nicht
                              									mehr viel überlassen wurde, vollkommen beigestimmt werden. Aber trotzdem schlugen
                              									alle vom J. 1840 bis 1865 angestellten Versuche, den Prozeſs auch in pekuniärer und
                              									technischer Hinsicht erfolgreich zu machen, vollkommen fehl (vgl. R. Wagner 1876 222 77).
                           Es war schon lange vor Dyar und Hemming's Untersuchungen bekannt, daſs durch Mischung von Kochsalz- und
                              									Ammoniumcarbonatlösungen Natriumbicarbonat erhalten wird, aber die Thatsache war nie
                              									vorher veröffentlicht. A. Vogel (Chemisches
                                 										Centralblatt, 1874 S. 98) erwähnt, daſs er die Reaction schon in einem
                              									Notizbuche seines Vaters vom J. 1822 vorfand. A. Smith
                              									theilte L. Mond mit, daſs ihm J. Thom den Versuch im J. 1838 zeigte. Aus Briefen von J. Thom geht hervor, daſs er wirklich in der Fabrik von
                              										Turnbull und Ramsay in
                              									Camlochie schon im J. 1836 Soda aus Ammoniumcarbonat und Kochsalz darstellte, Das
                              									Natriumbicarbonat verwendete er zur Darstellung von Sodakrystallen (täglich 100k). Nach einjähriger Arbeit wurde diese
                              									Darstellung aufgegeben. Es war dies aber jedenfalls der erste ernstliche Versuch,
                              									das Verfahren technisch zu verwenden. Die Arbeitsweise war aber so roh und
                              									unvollkommen, daſs die Ehre der Erfindung des Arbeitsverfahrens für den
                              									Ammoniaksodaprozeſs, wie er heutzutage ausgeführt wird, ungeschmälert Dyar und Hemming
                              									zugeschrieben werden muſs. Nach Mittheilungen, welche L.
                                 										Mond von R. Muspratt zukamen, errichteten Dyar und Hemming bald nach
                              									Herausnahme des Patentes eine kleine Fabrik in Whitechapel. Im J. 1840 baute J. Muspratt in seiner Fabrik in Newton eine Anlage
                              									unter Leitung von J. Joung. Er arbeitete nach dem Verfahren ungefähr 2
                              									Jahre. Aber auch hier wurde es, nachdem etwa 160000 M. geopfert worden waren, wieder
                              									aufgegeben.
                           Zu gleicher Zeit wurden von Kunheim in Berlin, von Seybel in Wien und einige Jahre später von Bowker in Leeds Versuche angestellt, die
                              									Schwierigkeiten des Prozesses zu überwinden. Im J. 1854 erhielten W. Gossage, Türck (26. Mai), Schloesing (21. Juni), H. Deacon (8. Juli)
                              									Patente auf bestimmte Arbeitsverfahren. H. Deacon
                              									beschäftigte sich mit dem Prozesse wärend 2 Jahren im Groſsen und stellte täglich
                              									mehrere Tonnen Soda dar. Aber auch hier hatte das Verfahren das gleiche Schicksal
                              									und nach Opferung von etwa 100000 M. wurde es aufgegeben und eine Leblanc-Sodafabrik
                              									erbaut.
                           Schloesing und Rolland
                              									begannen im J. 1858 mit dem Baue einer Ammoniaksodafabrik in Puteaux bei Paris; sie
                              									erzeugten im Ganzen 316t Soda im Laufe von 2
                              									Jahren und waren dann ebenfalls genöthigt, die Versuche einzustellen. Als Hauptgrund
                              									des Miſslingens erwähnen sie in den Annales de Chimie et
                                 										Physique, Bd. 14 die hohen Salzpreise in Frankreich. Wie aber aus ihren
                              									eigenen Zahlen hervorgeht, ist es wahrscheinlicher, daſs der Grund nicht hierin,
                              									sondern wie bei ihren Vorgängern in der Unvollkommenheit ihrer Apparate lag.
                           Vom J. 1858 bis 1863 wurden keine ernstlichen Anstrengungen mehr gemacht, die
                              									technischen Schwierigkeiten des Prozesses zu überwinden. Erst der Energie Solvoy's war es vergönnt, die von Dyar und Hemming schon
                              									lange beschriebenen Versuchsweisen technisch erfolgreich zu gestalten. Letzteren
                              									gebührt die Ehre der Erfindung des Prozesses, Solvay
                              									aber der Erfindung der nöthigen Apparate, um dieselben technisch auszuführen.
                           
                        
                           Einwirkung von Aceton auf Anilin.
                           C. Engler und P. Riehm (Berichte
                                 										der deutschen chemischen Gesellschaft, 1885 S. 2245) haben 1 Mol.
                              									salzsaures Anilin mit 2 Mol. Aceton etwa 3 Tage lang auf 180° erhitzt. Mit Wasser
                              									ausgekocht, erhält man durch fractionirte Fällung mit Natronlauge zunächst eine
                              									rothbraune Base, aus welcher Farbstoffe erhalten werden können, dann eine
                              									Abscheidung, welche die noch näher zu beschreibende Chinolinbase enthält, und
                              									schlieſslich noch unverändertes Anilin. Die in der mittleren Fraction enthaltene
                              									basische Substanz kann man entweder erst mit Wasserdämpfen übertreiben und so von
                              									den noch höher siedenden Basen trennen, oder einfach durch Aufnahme mit Aether und
                              									Verjagen des letzteren fractionirt destilliren. Aus dem von 250 bis 280°
                              									übergehenden Theile erhält man auf Zusatz von verdünnter Schwefelsäure eine
                              									Ausscheidung des schwefelsauren Salzes der neuen Chinolinbase, welches durch Umkrystallisation aus Alkohol zu reinigen ist.
                              									In der Voraussetzung, daſs das Aceton erst in Mesityloxyd übergehe, ehe es durch
                              									Einwirkung auf Anilin ein Chinolin bildet, wurde auch Mesityloxyd auf Anilin zur
                              									Einwirkung gebracht. In der That erhält man durch Erhitzen molekularer Mengen von
                              									Mesityloxyd und salzsaurem Anilin auf 130° die gesuchte Base.
                           Das saure chromsaure Salz., (C11H11N)2Cr2O7H2, krystallisirt in langen orangefarbenen Nadeln,
                              									das salzsaure Salz, C11H11NHCl, in flachen Nadeln. Die aus dem schwefelsauren Salz mittels
                              									Natronlauge ausgeschiedene freie Base bildet eine schwach gelblich gefärbte,
                              									verhältniſsmäſsig dünnflüssige, das Licht stark brechende Flüssigkeit, die einen dem
                              									Chinolin sehr ähnlichen Geruch besitzt und bei 263 bis 265° (uncorrigirt) siedet.
                              									Alle ihre Salze besitzen einen stark bitteren Geschmack. Beim Erwärmen des
                              									schwefelsauren Salzes mit dem 4fachen Gewichte 10procentiger rauchender
                              									Schwefelsäure bildet sich eine in Nadeln krystallisirende Sulfosäure. Die Bildung
                              									der neuen Base geht aller Wahrscheinlichkeit nach unter Einwirkung von 2 Mol. Aceton
                              									auf 1 Mol. Anilin vor sich: C6H5NH2 + 2C3H6O = C11H11N + CH4 + 2H2O. Demnach
                              									ist die Base voraussichtlich das α-γ-Dimethylchinolin.