| Titel: | Kleinere Mitteilungen. | 
| Fundstelle: | Band 313, Jahrgang 1899, Miszellen, S. 175 | 
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                        Kleinere Mitteilungen.
                        Kleinere Mitteilungen.
                        
                     
                        
                           Das Vorkommen und die Gewinnung des Platins in
                              									Russland.
                           Nach einer Mitteilung von H. Louis in der Berg- und hüttenmännischen Zeitung stammen 95% des auf
                              									der ganzen Erde gewonnenen Platinmetalles aus dem Ural. Das Vorkommen des Metalles
                              									wurde im Jahre 1819 in den Seifen von Werch-Isetsk entdeckt. Sechs Jahre später
                              									wurden die bedeutenden Platinseifen von Goroblagodatsk und Nischni-Tagilsk entdeckt.
                              									Vom Jahre 1828 bis 1845 wurde das Platin von der russischen Regierung als Münzmetall
                              									verwendet und zu 3-, 6- und 12-Rubelstücken ausgeprägt. In dieser Zeit wurden 950000
                              									Unzen Platin (1 Unze = 31,103 g) ausgemünzt. Die Gesamtmenge des Platins, welche
                              									seit seiner Entdeckung bis zum Jahre 1896 gewonnen worden ist, wird auf 4250000
                              									Unzen geschätzt. Die sämtlichen Platindistrikte Russlands, von welchen der von
                              									Goroblagodatsk und der von Nischni-Tagilsk die wichtigsten sind, liegen auf einer
                              									Länge von 80 engl. Meilen in der Zentralkette des Uralgebirges im Gouvernement Perm
                              									und im Bezirke der Bergverwaltung von Jekaterinburg. Die Seifen befinden sich in
                              									kleinen Flussthälern; die Betten der grösseren Flüsse sind nur selten platinführend.
                              									Die Seifen des Distriktes von Goroblagodatsk liegen ausschliesslich auf der
                              									asiatischen Seite des Ural in dem Flussbette des Iss und seiner Nebenflüsse und
                              									Bäche. Sie gehören dem Grafen Schuwaloff und einer
                              									Anzahl von Gesellschaften, in welchen letzteren die Herren Burdakoff eine bedeutende Rolle spielen. Die Seifen des Distriktes von
                              									Nischni-Tagilsk liegen zum grössten Teile auf der europäischen Seite des Ural in dem
                              									Gebiete der Flüsse Vissim und Martian. Sie gehören ausschliesslich der Familie Demidoff. Die durchschnittliche Mächtigkeit der
                              									eigentlichen Seifen beträgt 1,066 m, während die über denselben liegende Decke im
                              									Durchschnitt 4,87 m dick ist. Die Geschiebe der Seifen bestehen aus Diorit, Gabbro,
                              									Diallag und Olivenit, welcher letztere mehr oder weniger in Serpentin verwandelt
                              									ist. Die Seifen, welche ausser Platin noch Gold enthalten, führen auch
                              									Quarzgeschiebe, während die Goldseifen, welche eine geringe Menge Platin führen,
                              									stets Serpentingeschiebe enthalten. Das Platin stammt aus basischen Gesteinen,
                              									welche reich an Magnesia sind. So wurde dasselbe im Jahr 1892 von Inostransef fein eingesprengt in anstehendem
                              									Serpentinfels gefunden. Das Platin wird durch Verwaschen des platinhaltigen Sandes
                              									gewonnen. Der Platingehalt desselben hat in der neueren Zeit stark abgenommen. Im
                              									Bezirke von Goroblagodatsk enthielten im Jahre 1870 die reicheren Sande noch 1 Unze
                              									Platin per Tonne, in dem Zeitraum vom Jahre 1870 bis 1880 durchschnittlich ½ Unze,
                              									in den Jahren 1882 und 1883 gegen 9 dwts. (1 Unze = 20 dwts.), im Jahre 1884 7 dwts.
                              									8 grains (1 dwt. = 24 grains), im Jahre 1885 6 dwts. 5 grains, im Jahre 1886 4½
                              									dwts., im Jahre 1895 nur noch 1½ dwts. per Tonne. Im Bezirk von Nischni-Tagilsk war
                              									der Platingehalt von 1 t Sand in den Jahren 1825 bis 1829 48 dwts., in den Jahren
                              									1829 bis 1838 ½ Unze, im Jahre 1849 15 dwts., in den Jahren 1850 bis 1883 7 dwts.,
                              									im Jahre 1884 3½ dwts., im Jahre 1895 gleichfalls nur noch 1½ dwts.
                           Diese Verarmung hat ihren Grund in dem Umstände, dass man zuerst die reicheren Seifen
                              									in dem Oberlaufe der kleineren Flüsse ausbeutete, während man zur Zeit auf die
                              									Seifen in den breiteren Thälern und auf die Abgänge von dem Verwaschen der reichen
                              									Seifen angewiesen ist.
                           Durch das Verwaschen des aus den Seifen gewonnenen platinhaltigen Materials erhält
                              									man das Metall in der Gestalt von feinen Körnern und Schuppen. Dann und wann werden
                              									auch Klumpen (nuggets) gefunden. Der grösste in dem Bezirke von Goroblagodatsk
                              									gefundene Klumpen wog 72½ Unzen, während das Gewicht des grössten Klumpens aus dem
                              									Bezirke von Nischni-Tagilsk 310 Unzen beträgt.
                           Von allem gewonnenen Platin erhebt der Staat eine Abgabe in natura. Dieselbe beträgt
                              									bei dem auf fiskalischen Ländereien gewonnenen Metall 4½% von dem Gewicht desselben,
                              									bei dem auf dem Grund und Boden von Privaten gewonnenen Metall 3% von dem Gewicht
                              									desselben. Zum Zweck der Erhebung derselben muss das gesamte gewonnene Platin dem
                              									Staatslaboratorium der Bergverwaltung in Jekaterinburg eingesandt werden. Hier wird es auf
                              									die Feinheit von Gold geprüft, gewogen und nach Abzug des an den Staat zu
                              									entrichtenden Anteils den betreffenden Eigentümern zurückgeschickt.
                           Das Verwaschen des platinhaltigen Sandes geschieht in geneigten Gerinnen und auf
                              									geneigten Herden durch Handarbeit oder Maschinenkraft, bei thonigen Geschicken auch
                              									in mit Rührwerken versehenen cylindrischen Gefässen mit Hilfe von Maschinenkraft.
                              									Man erhält angereicherte Schliche, welche zum Schluss auf einem geneigten Herde
                              									durch Handarbeit konzentriert werden.
                           Die konzentrierten Schliche werden zuerst mit Quecksilber behandelt, um das Gold aus
                              									denselben auszuziehen und gehen dann als Rohplatin in den Handel. Sie enthalten dann
                              									75 bis 85% reines Platin, ferner Chromit, eine kleine mit dem Platin legierte Menge
                              									von Eisen, Osmium und Iridium in Mengen bis zu 5% und andere Platinmetalle, wie
                              									Palladium und Ruthenium.
                           Die bei weitem grösste Menge des Rohplatins geht in das Ausland, besonders an die
                              									Firmen Johnson, Matthey und Co. in London, Desmontis, Lemaire und Cie. in Paris und Heraeus und Co. in Hanau. Das in Russland verbleibende
                              									Rohplatin wird durch Kolbe und Lindfors und durch die
                              										Tentelef'sche chemische Fabrik, beide in St.
                              									Petersburg, raffiniert. Die Menge des von denselben raffinierten Metalles dürfte zur
                              									Zeit nicht viel über 5000 Unzen jährlich betragen.
                           Das in Russland angewandte Raffinierverfahren ist das nachstehende. Das Rohplatin
                              									wird in Porzellanschüsseln von 0,609 m Durchmesser, welche auf einem Sandbade
                              									stehen, mit Königswasser behandelt. Die so erhaltene Lösung wird zur Trockne
                              									gedampft, der Rückstand wird mit Salzsäure aufgenommen, die erhaltene Lösung wird
                              									wieder eingedampft, der Rückstand wird wieder mit Salzsäure behandelt, die Lösung
                              									wieder eingedampft und diese Behandlung wird so lange fortgesetzt, bis man eine von
                              									Salpetersäure vollständig freie Lösung erhält. Die letztere wird nun von dem aus
                              									Sand, Chromit, verschiedenen Platinmetallen u.s.w. bestehenden Rückstand
                              									abfiltriert. Dieser Rückstand wird an deutsche chemische Fabriken verkauft, welche
                              									denselben auf Platinmetalle verarbeiten. Aus der Lösung wird in Glasgefässen mit
                              									Chlorammonium das Platin als Ammoniumplatinchlorid (Platinsalmiak) in der Gestalt
                              									eines gelben Niederschlages ausgefällt. Derselbe wird nach dem Abdekantieren der
                              									verbliebenen Flüssigkeit auf ein schüsselförmiges Filter gebracht und ausgewaschen,
                              									wobei zur Beschleunigung des Filtrierens eine Filterpumpe angewendet wird. Man
                              									erhält so den Niederschlag in Gestalt eines ziemlich festen Kuchens von 0,381 m
                              									Durchmesser und 0,076 m Dicke. Derselbe wird langsam getrocknet und dann in einer
                              									Muffel auf einem Platinblech zur Rotglut erhitzt. Hierbei werden Chlorammonium und
                              									Chlor ausgetrieben und es bleibt ein grauer Kuchen von schwammförmigem Platin
                              									zurück. Der Platinschwamm wird zerkleinert, in einem Mörser durch einen stählernen
                              									Stempel zusammengepresst und dann mit Hilfe des Knallgasgebläses in einem Deville'schen Ofen zusammengeschmolzen. Der Ofen wird
                              									aus gesägten Blöcken eines Kalktuffs hergestellt, welche durch Eisenreifen
                              									zusammengehalten werden. Ein kleiner Ofen, welcher 100 bis 150 Unzen Platin
                              									aufnimmt, wird aus einem Blocke von 0,203 m im Quadrat und 0,252 m Höhe hergestellt
                              									und erhält nur eine Gasflamme. Die grösseren Oefen nehmen 500 bis 600 Unzen Platin
                              									auf und erhalten zwei oder drei Gasflammen. Der Ofen ruht auf einer Eisenplatte und
                              									kann so gekippt werden, dass das geschmolzene Metall in Formen gegossen werden kann.
                              									Dieselben bestehen aus dem nämlichen Material wie der Ofen. Die Barren erhalten in
                              									ihnen eine Stärke bis 0,050 m. Jeder Ofen hält nur eine Schmelzung aus. Die Oefen
                              									sind indes leicht und billig herzustellen.
                           Die von dem Ammoniumplatinchloridniederschlage abfiltrierte Losung hält noch Platin
                              									zurück. Das letztere wird aus derselben durch Eisen ausgefällt. Man erhält ein
                              									unreines Platin, welches m der nämlichen Weise wie das Rohplatin raffiniert
                              									wird.
                           Die Barren werden auf Rotglut erhitzt und dann zu Platten von 0,012 m Dicke
                              									ausgeschmiedet. (The Mineral Industry, 1898 S.
                              									539.)
                           
                        
                           Die Erfinder der Grundwasserleitungen.
                           Wir entnehmen darüber einem in der Frankfurter Zeitung
                              									veröffentlichten Aufsatze von Dr. W. Belck das
                              									Nachstehende:
                           Frankfurt a. M. ist vielleicht die erste Stadt gewesen, die es versucht hat, ihren
                              									Wasserbedarf durch Anlage einer Grund-Wasserleitung zu decken. Es ist mir auch nicht
                              									genau erinnerlich, wer den Ruhm, der Entdecker dieser Methode der Wasserbeschaffung
                              									zu sein, für sich in Anspruch nimmt, glaube aber, dass die Propagierung und
                              									Verwirklichung dieser neuen Idee zu hinein sehr erheblichen Teil dem Verdienst des
                              									rühmlichst bekannten Baurat Lindley zuzuschreiben
                              									ist.
                           Um so überraschender dürfte es daher wohl sein, zu hören, dass diese „neue“
                              									Idee, wie so viele andere „neue“ Ideen für unsere gebildeten Westeuropäer
                              									nichts weiter bedeutet, als eine Wiederauffindung einer alten, im Laufe der Zeiten
                              									dort verloren gegangenen und vergessenen Methode, dass schon vor etwa 3000
                              									Jahren die Völker bestrebt waren, und zwar mit grossartigstem Erfolge bestrebt
                              									waren, sich die Wasserquantitäten, deren sie bedurften, auf diesem einfachen und
                              									bequemen Wege zu beschaffen, ja dass sogar in gewissen Teilen der Erde diese Methode
                              									bis heute in ununterbrochener praktischer Anwendung geblieben ist.
                           In grossen Teilen Asiens fängt man das Grundwasser noch heute auf und leitet es in
                              									Kanälen nach den verschiedenen Verbrauchsorten hin. Freilich geschieht das in viel
                              									einfacherer Weise als in Frankfurt: man wendet nicht viele Hunderte von kleinen
                              									Röhren an, um das Wasser aufzusaugen, braucht auch keinerlei Pumpen u.s.w., da man
                              									keine Druckwasserleitung herstellen will, aber das Resultat ist das gleiche:
                              									mächtige Quantitäten Grundwasser werden auf diese Weise aufgeschlossen und dem
                              									Dienste des Menschen nutzbar gemacht.
                           Das hierbei angewendete Verfahren ist folgendes: Man gräbt an Orten, die genügend
                              									natürliches Gefälle bis zur Verbrauchsstelle aufweisen und an denen die
                              									Konfiguration des Bodens hoffen lässt, Grundwasser anzutreffen, so namentlich am
                              									Fusse grösserer Bergkomplexe oder Gebirge, einen brunnenartigen Schacht in die
                              									Tiefe, bis man auf die wasserführende Schiebt stösst. Auch diese, in der Regel aus
                              									Kies und Sand bestehende Schicht wird zum Teil entfernt, und der Schacht so weit
                              									hinabgeteuft, bis man im tiefen Wasser steht. Nunmehr wird im Erdreich nach der
                              									Richtung hin, in der man das angetroffene Wasser fortleiten will, ein
                              									tunnelähnlicher Kanal ausgegraben, wobei man darauf bedacht ist, das zwischen dem
                              									Anfangspunkte der Grundwasserleitung und dem Verbrauchsorte vorhandene Gefälle
                              									möglichst zu schonen und keinen Dezimeter unnötig zu verlieren. In Entfernungen von
                              									jeweils 18 bis 20 m wird abermals ein Brunnenschacht bis zu ungefähr derselben Tiefe
                              									wie der erste niedergetrieben, der Kanal bis zu diesem Schachte und nun von
                              									letzterem aus weiter fortgeführt bis zum nächsten Brunnen und so fort, bis man zur
                              									Verbrauchsstelle gelangt. Der Tunnelkanal selbst wird nicht weiter gesichert,
                              									wenigstens habe ich niemals bemerkt, dass er ausgemauert oder auch nur mit Steinen
                              									ausgesetzt gewesen sei. Von allen Seiten her strömt nun das Grundwasser in den
                              									Tunnel hinein, in welchem das Wasser leichter abfliessen kann als in der Widerstand
                              									bietenden wasserführenden Schicht, und mit jedem Meter, den der Tunnel in dem
                              									grundwasserführenden Terrain weiter fortgeführt wird, vergrössert sich entsprechend
                              									auch das abfliessen de Wasserquantum. Hat man eine dem Bedarf entsprechende
                              									Wassermenge in dieser Weise aufgeschlossen, so wird der Tunnel an einer geeigneten
                              									Stelle an die Oberfläche geführt und das Wasser in nunmehr oberirdischen, offenen
                              									Kanälen weiter fortgeleitet auf die zu berieselnden Felder u.s.w. Gewöhnlich sind
                              									die Asiaten bestrebt, die oberirdische Kanalleitung so kurz wie möglich zu machen,
                              									den unterirdischen Tunnel so nahe wie möglich bis an ihre Felder und Gärten
                              									heranzuleiten. Ich möchte nicht gerade behaupten, dass das aus übergrosser Liebe zur
                              									Arbeit geschieht, sondern um die unvermeidlichen Wasserverluste nach Möglichkeit
                              									herabzudrücken, denn die Erfahrung hat ihnen gezeigt, dass in den oberirdischen
                              									Kanalleitungen sehr grosse Wassermengen infolge von Verdunstung, Durchlässigkeit des
                              									Bodens u.s.w. verloren gehen.
                           In der Regel beginnen die Bauern diese Grundwasserleitungen so nahe wie möglich bei
                              									ihren Feldern; zeigt sich dann, dass das resultierende Wasserquantum unzureichend
                              									ist, oder dass in späteren Jahrzehnten der Wasserzufluss aus irgendwelchen Gründen
                              									nachlässt bezw. infolge Vergrösserung der zu bewässernden Kulturstufe eine
                              									Vermehrung der Wassermenge erforderlich ist, so kann ohne Schwierigkeit das
                              									Kanalsystem im Grundwassergebiet mit dem Gehänge aufwärts fortschreitend verlängert
                              									und dadurch die Wasserzuflussmenge entsprechend vergrössert werden. Gelangt man
                              									hierbei schliesslich an die Grenze des Grundwassergebiets, ohne genügend Wasseradern
                              									aufgeschlossen zu haben, so werden häufig Zweigkanäle angelegt, so dass man es mit
                              									einem vollständigen unterirdischen Kanalnetz zu thun hat.
                           Alljährlich, zu Beginn des Sommers, nach den grossen Frühjahrsregen muss das ganze
                              									Kanalsystem gereinigt werden, was genau in derselben Weise wie bei uns die Reinigung
                              									des Kanalisationssystems ausgeführt wird. Ein Brunnenschacht nach dem anderen wird
                              									geöffnet; die Arbeiter steigen hinunter und schaffen mit Winden und Eimern die im
                              									Laufe des Jahres in den Kanälen sich ansammelnden schlammigen Erdmassen heraus. Ohne
                              									diese Reinigung würde sich sehr bald schon der Tunnel mehr und mehr verstopfen, der
                              									Wasserabfluss einem ständig wachsenden Widerstand begegnen und infolgedessen die
                              									resultierende Wassermenge schnell abnehmen. Das gewonnene Wasser ist meist von ganz
                              									vorzüglicher Qualität, kühl, klar und rein (nur bei sehr starkem Regen infolge des
                              									sehr primitiven Verschlusses der Brunnenköpfe trübe) und infolge seiner Filtration
                              									durch eine mehrere Meter dicke Erdschicht in hohem Grade bazillenfrei, deshalb auch
                              									in hervorragender Weise als Trinkwasser zu empfehlen und verwendet. Die Hauptmasse
                              									freilich wird zur Bewässerung der Gärten und Felder verwendet, und Millionen von
                              									Hektaren Land, die heute in flussarmen Gegenden reichsten Ertrag an Korn und Früchten
                              									liefern, würden ohne dieses Hilfsmittel wüstes Oedland sein.
                           Solche unterirdische Grundwasserleitung sah ich zum erstenmal vor etwa 10 Jahren bei
                              									der deutschen Kolonie Annenfeld, nahe dem Siemens'schen
                              									Kupferwerk Kedabeg in Transkaukasien, wo sie aber ebenso wie beim Kloster
                              									Etschmiadzin, dem Sitze des armenischen Papstes, als ein ganz vereinzeltes
                              									Vorkommen, eine erst vor wenigen Jahrzehnten aus anderen Gebieten importierte
                              									Einrichtung zu betrachten ist. In der That ist in ganz Transkaukasien diese Methode
                              									der Wassergewinnung so gut wie unbekannt, und es scheint, dass der Araxes,
                              									wenigstens so weit die neuere Zeit in Betracht kommt, die nördliche
                              									Verbreitungsgrenze derselben darstellt. Um so häufiger dagegen habe ich solche
                              									Kanalanlagen auf meinen späteren Reisen in der asiatischen Türkei und in Persien
                              									angetroffen. Man braucht nur den Araxes bei der russisch-persischen Grenzstation
                              									Dschulfa zu überschreiten, um sofort auf solche Grundwasserleitungen zu stossen, und
                              									während auf der russischen Seite grosse Terrainstrecken infolge Mangels an
                              									Berieselungswasser unkultiviert liegen bleiben müssen, haben auf der viel
                              									wasserärmeren persischen Seite die Aderbeidschaner Tataren mit Hilfe dieser Methode
                              									dem Boden an Kulturland abgerungen, was sich bei dem gegebenen Wasserquantum nur
                              									irgend abringen liess.
                           Wer aber waren wohl die Erfinder dieser Methode der Wasserbeschaffung und bis in
                              									welches Zeitalter zurück lässt sich mit Sicherheit die Anwendung dieser Methode
                              									verfolgen?
                           Die deutschen Bauern in Annenfeld bezeichneten mir ihre unterirdische Kanalleitung
                              									als „persische Wasserleitung“, aber der Schluss, es sei also eine Erfindung
                              									der Perser, würde voreilig sein, da ja diese Benennung schon lediglich daraus
                              									hervorgegangen sein kann, dass es Perser, Aderbeidschaner Tataren waren, die den
                              									Deutschen diese Leitung anlegten. Zur Erläuterung dieses Punktes will ich nur kurz
                              									bemerken, dass in dem nahen Kedabeg ständig wohl an 1000 und mehr dieser Tataren als
                              									Arbeiter beschäftigt sind. Die Armenier in Van dagegen bezeichneten diese Leitungen
                              									als eine alte armenische Erfindung, sie waren der Ansicht, dass solche nur in und
                              									bei der Stadt Van existierten und führten als Beweis die Thatsache an, dass, als.
                              									der Katholikus die Leitung für Etschmiadzin habe anlegen wollen, er gezwungen
                              									gewesen sei, sich Meister und Arbeiter aus Van kommen zu lassen, da in
                              									Transkaukasien keine Leute zu finden gewesen seien, die diese Kunst verstanden
                              									hätten. Meine Mitteilung, dass ich viele derartige Anlagen in Persien gesehen hätte,
                              									verblüffte sie einigermassen und die Frage, ob und inwieweit die Annahme der
                              									Armenier auf Wahrheit beruht, wird noch einer kritischen Untersuchung zu unterziehen
                              									sein.
                           Für diesen Zweck aber ist es unerlässlich, die ungefähre Grenze des
                              									Verbreiterungsgebietes dieser Art von Wasserleitungen zu bestimmen.
                           Wie weit sich diese Grenze östlich nach Persien hinein erstreckt, kann ich mit
                              									Sicherheit nicht sagen, wahrscheinlich aber nicht viel über die Ufergebiete des
                              									Urmia-Sees hinaus. Keinesfalls ist es eine bei den Persern bezw. Tataren allgemein
                              									bekannte und angewandte Methode der Wassergewinnung, denn sonst hätten sie dieses
                              									Verfahren sicher auch in denjenigen Teilen Transkaukasiens, die ihnen
                              									jahrhundertelang unterworfen gewesen sind, und die infolge Mangels an Bewässerung
                              									zum Teil auch heute noch Oedland darstellen, zur Anwendung gebracht. Dies gilt
                              									namentlich von der Eriwanschen Ebene.
                           Im Süden habe ich eine grosse derartige Kanalanlage in der Ebene von Arbela bemerkt,
                              									wo sie aber auch ein vereinzeltes Vorkommen repräsentiert, sich nicht nach Westen
                              									hin in die Ebenen des eigentlichen assyrischen Reiches hin erstreckt, somit also
                              									auch keine Erfindung der Assyrer (bezw. der Babylonier, von denen ersteren sie
                              									sofort, wie fast ihre ganze Kultur, übernommen hätten) sein kann. Nach Westen und
                              									Norden hin bilden der Araxes und die Ufergebiete des Van-Sees die
                              									Verbreitungsgrenze; jenseits der Ebenen von Musch und Melasgert und ebenso nördlich
                              									vom Araxes (hier abgesehen von den zwei bereits erwähnten sporadischen Vorkommen)
                              									habe ich derartige Anlagen nicht angetroffen. Das beweist zur Evidenz, dass auch die
                              									Armenier nicht die Erfinder dieser Methode sind, denn letztere haben vor ihrer gegen
                              									600 v. Chr. erfolgten Invasion in das heute Armenien genannte Gebiet sehr lange
                              									Zeit, wahrscheinlich mehrere jahrhundertelang, in Cappadocien mit Erzingion und
                              									Caesarea als dem ungefähren Mittelpunkte ihres Reiches gesiedelt; dort also müssten
                              									wir derartige Anlagen besonders zahlreich vorfinden, während thatsächlich unsere
                              									Methode dort absolut unbekannt ist.
                           Damit haben wir so ziemlich alle in der Geschichte bisher genannten grossen
                              									Völkerschaften aufgezählt, keiner von ihnen kommt der Ruhm und das Verdienst zu,
                              									diese Methode entdeckt zu haben. Wer aber waren dann die Erfinder derselben? Nun,
                              									ein Kulturvolk, von dem bisher in der landläufigen alten Geschichte nichts
                              									verlautete, über dessen Geschichte und Schicksale wir bis vor 20 Jahren nicht das
                              									Geringste wussten, eine Nation, die so spurlos verschwunden ist, dass selbst ihr
                              									Name sich kaum irgendwo erhalten vorfindet und deren einst so hoch entwickelte,
                              									glänzende Kultur mit der Invasion der Armenier ebenfalls bis auf einige wenige
                              									gewaltige Merksteine in der Kulturgeschichte der Menschheit zu Grabe gegangen
                              									ist.
                           Es sind die Bewohner jenes mächtigen Reiches, das in den assyrischen Keilinschriften
                              									so häufig als „Urartu“ – woraus in der Bibelübersetzung der Septuaginta durch
                              									Vokalumlautung „Ararat“ geworden ist – als ein gefürchteter Nachbar und
                              									Rivale erwähnt wird, ein Reich, das fast ein Jahrhundert lang mächtiger als Assyrien
                              									selbst dastand und ihm die Herrschaft der Welt mit Erfolg streitig machte.
                           „Chalder“ (Chaldini) nannten sich die Bewohner dieses Reiches, ein Name, der
                              									nicht, wie das von den griechischen und späteren Historikern leider regelmässig
                              									geschehen ist, mit dem der babylonischen „Chaldäer“ verwechselt werden darf,
                              									und „Chaldia“ (mitunter auch wohl mit der noch älteren Bezeichnung Biaina)
                              									war der einheimische Name ihres von den Assyrern Urartu (so nach einer kleinen
                              									Provinz) genannten Reiches, beide Benennungen abgeleitet von „Chaldis“, dem
                              									Namen des Hauptgottes dieses Volkes. Die Hauptstadt dieses grossen Reiches, dessen
                              									Grenzen sich vom Ostufer des Urmia-Sees bis über Erzerum und Malatia hinaus, von den
                              									kaukasischen Gebirgen im Süden von Tiflis bis nach Arbela und Mosul im Süden hinab
                              									erstreckten, war Van, deren alter Name Tospa sich in dem altlateinischen Namen des
                              									Van-Sees „Mare Thospitis“ erhalten vorfindet.
                           Die ganze Bedeutung der Chalder für die Kulturentwickelung der Menschheit lässt sich
                              									heute noch nicht überschauen, aber einige wenige Daten werden schon genügen, diese
                              									ins rechte Licht zu setzen. Es waren höchst wahrscheinlich die Chalder, welche die
                              									Eisenbereitung erfanden; Chalder waren, lange vor den nachhinkenden europäischen
                              									Ingenieuren, die Erfinder der Turbinenmühlen! Sie waren Meister in der Kunst,
                              									Gesteine zu bearbeiten, und die bei unseren Ausgrabungen auf Toprak Kaleh zu Tage
                              									geförderten Mosaikarbeiten zeichnen sich sämtlich durch Eleganz, Schönheit und ganz
                              									eigenartigen Stil aus.
                           Besonders bewundernswert waren ihre Kenntnisse und Fertigkeiten in der
                              									Wasserbaukunst, der Anlage von Kanälen und Staubecken, die seit nunmehr über 2600
                              									Jahren ununterbrochen im Dienste der Menschheit arbeiten, heute noch so
                              									funktionieren, wie zur Zeit ihrer Erbauung! Unter diesen Kanälen befindet sich einer
                              									von etwa 80 km Länge, der auf grosse Strecken hin im künstlich geschaffenen 7 bis 9
                              									m hohen Bette dahinströmt; einer dieser Stauseen besitzt eine Kapazität von
                              									reichlich 60 Millionen Kubikmeter, und alle diese Anlagen zeigen eine derartige
                              									technische Vollendung, dass es kaum für einen modernen erstklassigen Ingenieur
                              									möglich ist, etwas Besseres und Dauerhafteres herzustellen; so hervorragend waren
                              									die Fähigkeiten dieses jetzt spurlos verschwundenen Volkes.
                           Und zu den anderen, bereits genannten Verdiensten desselben ist auch die Erfindung
                              									der Methode der Grundwasserleitungen zu rechnen. Nicht allein, dass die vorhin
                              									angegebenen Verbreitungsgrenzen dieser Anlagen dem eigentlichen Zentrum und
                              									Stammland der Chalder entsprechen, nirgends auch finden sich diese Anlagen so
                              									zahlreich und bis in die kleinsten Details hinein subtil ausgearbeitet und
                              									entwickelt wie gerade hier in und um Van selbst herum.
                           Fast alle Gärten der Stadt – und thatsächlich ist die ganze Stadt nichts weiter wie
                              									ein einziger grosser Garten und Park, in dem man aus der Vogelperspektive eben nur
                              									hier und da die Dächer der Häuser hervorblicken sieht – werden durch solche Kanäle
                              									bewässert, die zugleich ein sehr gesundes, weil bazillenfreies Trinkwasser
                              									liefern.
                           Und so haben wir denn das Prototyp der berühmten Grundwasserleitung hier in Asien im
                              									fernentlegenen Van zu suchen.
                           
                        
                           Bücherschau.
                           Das Elektrotechnische Institut der
                                 										grossh. Technischen Hochschule zu Karlsruhe. Von Prof. E. Arnold. 59 S. mit 31 Textfiguren, 1 Titelblatt und 7
                              									Tafeln. Berlin, Jul. Springer und München, R. Oldenbourg.
                           Eine Anstalt, dazu bestimmt, einerseits den heranreifenden Techniker mit den
                              									Anforderungen seines Berufes bekannt und vertraut zu machen, andererseits der
                              									ausführenden Industrie durch Aichungen, Gutachten und Erprobung neuer Methoden an
                              									die Hand zu gehen, verdient so vielseitiges Interesse, dass eine Veröffentlichung
                              									ihrer gesamten Einrichtungen, wie dies im vorliegenden Werk geschieht, als höchst
                              									erwünscht mit Dank begrüsst werden muss. Die durch vorzügliche Abbildungen
                              									unterstützte Beschreibung des auf den Grundlagen praktischer Erfahrung erstandenen
                              									jüngsten elektrotechnischen Instituts wird somit allseitige Anerkennung finden.