| Titel: | [Kleinere Mitteilungen.] | 
| Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 822 | 
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                        [Kleinere Mitteilungen.]
                        [Kleinere Mitteilungen.]
                        
                     
                        
                           Bücherschau.
                           Als Arbeiter in Amerika. Von
                              										Alfred Kolbe, Regierungsrat. Berlin, 1904. Karl
                              
                              									Siegismund. 142 S.
                           Als ich vor Monaten dieses Buch im Schaufenster sah, kaufte ich es sofort; ich begann
                              									jedoch das Lesen mit Misstrauen: Würde der Inhalt den Titel rechtfertigen? Meine
                              									Voreingenommenheit hielt aber nicht lange an, und als ich das Buch beendigt hatte,
                              									stand ich unter einem starken Eindruck, dem ich nicht besser Ausdruck geben kann als
                              									mit den Worten: „Hut ab vor diesem Mann“.
                           Ein Regierungsrat, der ein halbes Menschenleben lang am grünen Tisch gesessen und
                              									dort allmählich stark von der Voreingenommenheit des Bürokraten gegen die
                              									Bestrebungen des Arbeitertums, ihre Lebensbedingungen zu verbessern, beeinflusst
                              									worden ist, lässt sich ein Jahr Urlaub geben, um in Amerika Land und Leute aus
                              									eigener Anschauung kennen zu lernen. Zuerst wandert er die Wege des
                              										„Globetrotters“, wohnt in Hotels, macht Besuche bei leitenden
                              									Persönlichkeiten und lässt sich im Laufe von Unterhaltungen Auskunft geben über
                              									alles, was ihn interessiert. Aber schon nach zwei Monaten genügt ihm diese Art nicht
                              									mehr. Er ist ein Mann von ehrlichem Ernst, und als er erkennt, dass der Weg des
                              										„Globetrotters“ ihm in die Arbeiterverhättnisse, die ihn besonders
                              									interessieren, nur oberflächlichen Einblick gewähren kann, da – legt er seinen
                              									Gesellschaftsanzug beiseite, um monatelang den schmierigen Anzug eines einfachen
                              									Handlangers zu tragen und so zu leben und zu wohnen und – so arbeiten wie er. So
                              									fand er Gelegenheit, aus dem praktischen Leben und aus eigner Erfahrung heraus diese
                              									Volksschichten kennen zu lernen und Einblick zu erlangen, nicht nur in ihre
                              									materiellen und sozialen Verhältnisse, sondern auch in ihr Denken und Fühlen und in
                              									ihre Lebensauffassung.
                           Und nachdem er heimgekehrt ist, zieht er, der Regierungsrat, mit ehrlichem Mut aus
                              									dem, was er in jenen Monaten im Arbeiteranzug lernte, das Fazit mit den Worten: „Ich fand Probleme, wo ich Axiome wähnte. Manche Wünsche
                                    											unserer Arbeiterschaft, die ich vordem verständnislos überhörte, halte ich
                                    											heute für ernstlich diskutabel.“
                           In diesem Bekenntnis liegt der Wert des Kolbeschen
                              									Buches. Was es an positiven Mitteilungen bietet, würde dagegen nicht ausreichen, um
                              									ihm eine erste Stelle zu sichern. Man würde darin
                              									vergebens nach neuen grossen Wahrheiten oder Erkenntnissen suchen. Das Wertvolle des
                              
                              									Buches liegt darin, dass der Verfasser in einfacher Weise und in einer eigenartigen,
                              									fesselnden Sprache getreu die Erlebnisse und Erfahrungen schildert, die ihn aus
                              									einem Saulus zu einem Paulus machten; diese lebenswahren und fesselnden
                              									Schilderungen eines ungewöhnlichen Unternehmens werden jeden packen. Es ist zu
                              									wünschen, dass das Kolbesche Buch die weiteste
                              									Verbreitung findet, ganz besonders in den Kreisen unserer Regierungsbeamten, denn es
                              									zeigt, dass man in den ernstesten und allgemeinsten Fragen des praktischen und
                              									sozialen Lebens dahin kommen kann, seine Auffassung und sein Urteil vollständig zu
                              									ändern, wenn man ernsthaft danach strebt, die in Betracht kommenden Verhältnisse gründlich kennen zu lernen.
                           
                              Jul. H. West.
                              
                           Hilfsbuch für den Maschinenbau.
                              									Für Maschinentechniker sowie für den Unterricht an technischen Lehranstalten. Von
                              										Fr. Freytag, Professor, Lehrer an den technischen
                              									Staatslehranstalten in Chemnitz. Berlin, 1904. Julius Springer.
                           Der Verfasser stellte sich bei der Herausgabe seines Hilfsbuches die Aufgabe,
                              									sowohl den Studierenden technischer Lehranstalten bei ihren Konstruktionsübungen wie
                              									auch den in der Praxis stehenden Ingenieuren bei ihren Berufsarbeiten ein
                              									Nachschlagebuch an die Hand zu geben, das neben den auf wissenschaftlicher Grundlage
                              									aufgebauten Berechnungsmethoden zeitgemässe und einwandsfreie Konstruktionsvorbilder
                              									bieten soll. Dabei beschränkte sich der Verfasser nicht auf eine Zusammenstellung
                              									der gebräuchlichen Formeln, sondern fügte überall, wo angängig, eine elementare
                              									Ableitung derselben bei. Ungefähr die Hälfte des rund 1000 Seiten starken Buches ist
                              									dem für den Konstrukteur wichtigsten Kapitel der Maschinenelemente gewidmet. Die
                              									textlichen Ausführungen sind durch 867 Abbildungen veranschaulicht, welche als
                              									vorbildlich bezeichnet werden müssen; weniger ansprechend und weniger vollkommen in
                              									ihrer Ausführung sind die sechs beigefügten Tafeln, von welchen die drei ersten die
                              									graphische Berechnungsweise von Kurbelwellen darstellen. Ein Hinweis auf die
                              									bekannte Arbeit von M. Ensslin über mehrfach gelagerte
                              									Kurbelwellen wäre am Platze gewesen. Die Tafeln 4 und 6 hätten auch fortgelassen
                              									werden dürfen.
                           Das ausgesprochene Ziel des Verfassers war es, durch die Zusammenfassung der in einer
                              									Anzahl vortrefflicher Lehrbücher hervorragender Männer der Wissenschaft
                              									niedergelegten wissenschaftlichen Grundlagen und Abhandlungen einesteils dem
                              									Studierenden wie dem Konstrukteur die nicht unbedeutenden Anschaffungskosten für
                              									diese Werke zu ersparen und anderenteils die Benützung der wissenschaftlichen
                              									Forschungsergebnisse auch dem Maschinentechniker ohne Hochschulbildung zu
                              									ermöglichen. Von der Erlaubnis der Verfasser dieser grösseren Werke, den Inhalt
                              									dieser für das Hilfsbuch zu verwenden, hat der Verfasser des letzteren einen z. T.
                              
                              									recht ausgiebigen Gebrauch gemacht. Im Ganzen genommen hat der Verfasser die sich
                              									gestellte Aufgabe vortrefflich gelöst und neben emsigem Fleiss eine grosse
                              									Geschicklichkeit bewiesen. Wie ausserordentlich wenige mathemasisches Rüstzeug der
                              									Konstrukteur bedarf, ersieht man daraus, dass der Abschnitt über Arithmetik,
                              
                              									Trigonometrie, Stereometrie und die Konstruktion der drei wichtigsten Kurven auf
                              									drei Seiten Platz gefunden hat. Der Abschnitt über Elastizität und Festigkeit der
                              									Materialien umfasst nur 15 Seiten; die Berechnung der gekrümmten Stäbe hat bei
                              									derjenigen der Haken Erwähnung gefunden, wobei leider die von Tolle angegebene, praktisch brauchbare
                              									Bestimmungsmethode der Grösse von C nicht erwähnt ist.
                              									Sehr zu bedauern ist, dass der Verfasser den wichtigsten Gesetzen der Mechanik, der
                              									Bestimmung der Schwerpunktslage sowie der Trägheitsmomente von Querschnitten u.a.m.
                              									sein Buch verschlossen hat; dies ist der schwerwiegendste Mangel des Hilfsbuches.
                              									Ueberraschen muss auch das gänzliche Fehlen eines Abschnittes über die
                              									Elektrotechnik sowie eines solchen über Eisenhüttenkunde, Heizung, Lüftung und von
                              									einigen Angaben über einfache Brücken- und sonstige Eisenkonstruktionen. All dies
                              									greift in das Schaffensgebiet des Maschinentechnikers ebenso ein wie die auf 50
                              									Seiten behandelten wichtigsten Hochbaukonstruktionen. Bei den Lasthebemaschinen
                              									hätten die hydraulischen Hebezeuge nicht fortgelassen werden dürfen, sie stehen noch
                              									nicht auf dem Aussterbeetat und können mit mancher der im Hilfsbuch abgebildeten
                              									Konstruktionen den Vergleich aushalten. Das von Ingenieur Gerlach bearbeitete Kapitel über Wassermotoren zeichnet sich durch seine
                              									Gründlichkeit vorteilhaft aus. – Im allgemeinen ist die Zusammenstellung und
                              									Stoffverteilung eine geschickte und übersichtliche, die Ausstattung bei einem
                              									billigen Preis eine vortreffliche.
                           
                              Pickersgill.