| Titel: | Bücherschau. | 
| Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 271 | 
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                        Bücherschau.
                        Bücherschau.
                        
                     
                        
                           Theorie der Elektrizität. 2.
                                 										Band: Elektromagnetische Theorie der Strahlung von M. Abraham. 2. Auflage mit. 6 Fig. im Text. XII und 404 Seiten. Leipzig
                              									und Berlin 1908. B.G. Teubner. Preis M. 10,–.
                           Die Fortschritte in der Naturerkenntnis beruhen zum guten Teil in dem
                              									nimmerrastenden Streben des menschlichen Geistes nach der Zusammenfassung der
                              									Naturerscheinungen in einem einheitlichen Weltbilde, als notwendige Folgerungen
                              									eines oder einiger wenigen großen Prinzipien. Lange Zeit hat man versucht, die
                              									Naturerscheinungen mechanisch zu begreifen; man hat aber auch bei den nicht
                              									mechanischen Vorgängen nach verborgnen Mechanismen gesucht. Die Einführung der Lagrangesche Koordinaten, die Hertzsche Mechanik, auch manche der Vorstellungen, von denen Maxwell bei der Begründung seiner Elektrodynamik
                              									ausgegangen ist, entspringen diesem Gedankenkreise. Hatte die Tatsache, daß eine
                              									Reihe elektromagnetischer und optischer Erscheinungen einer mechanischen Erklärung
                              									keine allzu großen Schwierigkeiten bietet, einen gewissen Zusammenhang zwischen der
                              									Mechanik einerseits und dem Gebiete der Optik und des Elektromagnetismus anderseits
                              									vermuten lassen, so hat sich doch die mechanische Erklärung nicht überall
                              									durchführen lassen und stellenweise (z.B. zur Erklärung der Transversalität der
                              									Aetherwellen) zu höcht bedenklichen neuen Hypothesen greifen müssen. Da tritt nun
                              									eine ganz neue Richtung auf den Plan: Sie will die Naturerscheinungen
                              									elektromagnetisch begreifen, das heißt sie auf die Wechselwirkungen zwischen
                              									elektromagnetischen Feldern und Elektronen zurückführen. Von der Erreichung dieses
                              									Ziels sind wir noch weit entfernt; immerhin hat die Verfolgung dieser Vorstellungen
                              									schon jetzt zu sehr bemerkenswerten Forschungsergebnissen geführt.
                           Das vorliegende Werk hat sich die Aufgabe gestellt, strenge wissenschaftliche
                              									Grundlagen für das elektromagnetische Weltbild zu geben. Wie stark das Bedürfnis
                              									nach einem solchen Buch gewesen, geht allein schon aus dem Umstände hervor, daß die
                              									erste Auflage schon nach drei Jahren vergriffen war. In der Anlage gleicht die neue
                              									Auflage im wesentlichen der ersten.
                           Zunächst werden die physikalischen und mathematischen Grundlagen der
                              									Elektronentheorie gegeben und der in der ganzen Strahlungstheorie so fruchtbare
                              									Begriff der elektromagnetischen Bewegungsgröße entwickelt. Dann werden die Fälle der
                              									Bewegung des Elektrons erledigt, in denen man dieses als punktförmige Ladung
                              									betrachten kann, wie z.B. in der Theorie der Lichtstrahlung einer ruhenden oder
                              									langsam bewegten Lichtquelle. Bei der Untersuchung beliebig schneller und beliebig
                              									stark beschleunigter Bewegungen müssen Gestalt und Abmessungen des Elektrons
                              									berücksichtigt werden; das geschieht im 3. Kapitel, in dem die Dynamik des Elektrons
                              									entwickelt wird. Die verschiedenen Hypothesen über die Gestalt des Elektrons werden
                              									in ihrer Beziehung zum elektromagnetischen Weltbilde einer Kritik unterzogen; es
                              									werden Formeln für die elektromagnetische Masse abgeleitet und die Folgerungen der
                              									Theorie mit den Messungsergebnissen an Kathoden- und Bequerelstrahlen verglichen.
                              									Die Röntgenstrahlen entsprechen den bei der plötzlichen Geschwindigkeitsänderung der
                              									Elektronen ausgestrahlten Wellenimpulsen.
                           Im zweiten Abschnitt des Buchs erfahren wir, wie sich die bekannten Grundgesetze des
                              									elektromagnetischen Feldes in wägbaren Körpern – zunächst für den Fall der Ruhe –
                              									aus den Gleichungen der Elektronentheorie ergeben; wir sehen auch, wie viel hier,
                              									insbesondere auf dem spröden Gebiet des Ferromagnetismus, noch zu erklären übrig
                              									bleibt. Ihre Stärke erweist die atomistische Theorie der Elektrizität wiederum bei
                              									der Behandlung der Dispersion der Lichtwellen, wo die mehr phänomenologische
                              									Behandlungsweise der Maxwellschen Theorie versagt hat.
                              									Das Kapitel schließt mit der Betrachtung des Feldes und der Wellenstrahlung
                              									hochfrequenter Ströme in linearen Leitern und der Anwendung der Ergebnisse dieser
                              									Untersuchung in der drahtlosen Telegraphie.
                           Bis hierher ist die neue Auflage, wenn wir von einzelnen Zusätzen absehen,
                              									gegenüber der früheren wenig geändert; stellenweise ist die mathematische Behandlung
                              									vereinfacht worden. Dagegen hat der letzte Teil, die Elektrodynamik bewegter Körper,
                              									eine größere Umarbeitung erfahren; sind doch gerade hier in den allerletzten Jahren
                              									wichtige Fortschritte gemacht worden. Zu den Theorien von H.
                                 										Hertz, von H.A. Lorentz und von E. Cohn hat sich die Theorie von H. Minkowski gesellt, der Satz von der den Relativität
                              									an die Spitze stellt. Von der Uebertragung seiner Ideen auf das Gebiet der
                              									analytischen Mechanik, wie er sie uns auf dem Naturforschertag 1908 skizzierte, hat
                              									den genialen Forscher ein jäher Tod allzufrühr abberufen. Das Gemeinsame der vier
                              									Theorien und das, worin sie sich wesentlich unterscheiden, ist im vorliegenden Werke
                              									klar herausgearbeitet; für das erste Studium dieser nicht ganz leichten und noch in
                              									der Entwicklung begriffenen Materie ein unschätzbarer Vorteil! Abraham zeigt auch, daß das Relalivitätspostulat einer
                              									rein elektromagnetischen Begründung der Dynamik des einzelnen Elektrons bisher nicht
                              									überwundene Schwierigkeiten entgegenstellt. – Durch die Anwendung der Gesetze der
                              									Thermodynamik auf die Wellenstrahlung ergeben sich sehr bemerkenswerte Folgerungen;
                              									man erhält die Gesetze für die Temperatur der Strahlung und für die Bewegung des
                              									strahlungserfüllten Hohlraumes; man findet die Existenz einer trägen Masse der
                              									Hohlraumstrahlung!
                           Diese kurze Uebersicht über den reichen Inhalt des Bandes mag genügen. Der Verfasser,
                              									der die Entwicklung dieser Wissenschaft durch eigene wichtige Arbeiten gefördert
                              									hat, hat in dem Buche ein Werk von bleibendem Werte geschaffen, das man allen den
                              									unnützen Weltgemälden entgegenhalten sollte, zu denen gerade die Elektronentheorie
                              									mehr phantastisch als wissenschaftlich denkende Gemüter veranlaßt hat. Der Weg der
                              									ernsten wissenschaftlichen Forschung ist ein mühsamerer; dafür aber enthüllen sich
                              									uns auf ihm Zusammenhänge und Perspektiven, von denen sich die kühnste Phantasie
                              									nichts träumen lassen.
                           Wer sich Klarheit über die Grundlagen der elektromagnetischen Theorie der Strahlung
                              									und einen Ueberblick über die bis jetzt erreichten Forschungsergebnisse verschaffen
                              									will, soll das Abrahamsche Buch zur Hand nehmen. Die
                              									außerordentlich klare Darstellung wird ihm das Studium erleichtern; die
                              									Durchsichtigkeit der mathematischen Entwicklungen ist nicht zum kleinsten Teil einer
                              									ausgiebigen Verwendung des Vektorkalküls zu verdanken, das der Verfasser mit
                              									Meisterschaft handhabt. Wir wünschen dem Buche im Interesse der Wissenschaft eine
                              									recht große Verbreitung.
                           Karl Willy Wagner.
                           Die edlen und die radioaktiven Gase.
                              									Von W. Ramsay. 8°. 39 S. mit 16 Abb. Leipzig 1908.
                              									Akadem. Verlagsgesellschaft m.b.H. Preis geb. M. 1,80.
                           In anmutigem Plauderton schildert der berühmte Verfasser, wie er, nachdem über 100
                              									Jahre lang Sauerstoff und Stickstoff schon bekannt waren, in den Jahren 1894–1898
                              									die selteneren Gase der Luft, Argon, Helium, Neon, Krypton und Xenon entdeckt hat.
                              									Er bespricht weiter die Umwandlung von Radiumemanation in Helium, erwähnt auch seine
                              									umstrittenen Versuche über die Umwandlung anderer Elemente und macht zum Schlusse
                              									Angaben über die ungeheuren Energiemengen, die in der Emanation verfügbar sind. Die
                              									Abbildungen sind teils gut, teils schlecht; trotzdem wird die nette kleine Schrift
                              									dem Leser Freude machen.
                           Arndt.
                           
                        
                           Bei der Redaktion eingegangene Bücher.
                           Degeners Leitfäden für Baugewerkschulen und verwandte
                                 										Lehranstalten XVIII. Leitfaden der Statik der Hochbau- und
                              									Tiefbaukonstruktionen. Anwendungen der Statik und Festigkeitslehre auf größere
                              									Konstruktionen. Von Dr. Heinr. Seipp, Ingenieur und
                              									Professor, Direktor der Königl. Baugewerkschule zu Kattowitz. Mit 63 Abb. Leipzig
                              									1909. H.A. Ludwig Degener. Preis geb. M. 2,20.
                           Die Elektrizität. Von L.
                                 										Poincare. Uebersetzt von Professor Dr. A.
                                 										Kalähne. 1909. Quelle u. Meyer. Leipzig. Preis geh. M. 3,80, geb. M.
                              									4,40.
                           Neuere Kraftanlagen. Eine technische und
                              									wirtschaftliche Studie auf Veranlassung der Jagorstiftung der Stadt Berlin.
                              									Bearbeitet von E. Josse, Prof. a.d. Kgl. Techn.
                              									Hochschule zu Berlin. Mit 55 Abb. München u. Berlin 1909. R. Oldenbourg. Preis geh.
                              									M. 4,–.
                           Vorlesungen über Technische Mechanik. Von Dr. August Föppl, Prof. a.d. Techn. Hochschule i. München.
                              									In 6 Bänden. Vierter Band: Dynamik. Mit 71 Abb. Dritte, stark veränderte Auflage.
                              									Leipzig 1909. B.G. Teubner. Preis geb. M. 10,–.