| Titel: | Ueber Stärkfabrikation. | 
| Autor: | Prof. Dr. med. Johann Andreas Buchner [GND] | 
| Fundstelle: | Band 1, Jahrgang 1820, Nr. XVII., S. 191 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XVII.
                        Ueber Stärkfabrikation.
                        Von Dr. J. A. Buchner. 
                        Buchner über Stärkfabrikation.
                        
                     
                        
                           Obgleich das Staͤrkmehl wegen seiner
                              Unaufloͤslichkeit im kalten Wasser und wegen seiner pulverigen Gestalt aus
                              vielen vegetabilischen Koͤrpern, z.B. aus den Kartoffeln sehr leicht durch
                              eine einfache mechanische Operation abgeschieden werden kann, so haben doch die
                              meisten Staͤrkfabrikanten auch einen chemischen Prozeß, naͤmlich die
                              Gaͤhrung, zu Huͤlfe genommen, um aus dem Waizen alles Amylon
                              (Staͤrke) zu gewinnen, weil die Kleinheit der Getreidkoͤrner, ihre
                              Haͤrte um die Verbindung des Staͤrkmehls mit Kleber in denselben der
                              blos mechanischen Ausscheidung bedeutende Schwierigkeiten in den Weg legen. Man kann
                              zwar auch aus dem Waizenmehle, wenn man es zu einem Teig macht, und unter Wasser
                              knetet, das Amylon abscheiden, so zwar, daß nur der Kleber zuruͤck bleibt,
                              allein diese Operation ist langwierig, und kann nur mit zwei oder drei Pfund auf
                              einmal verrichtet werden. Daher nimmt man gewoͤhnlich die Gaͤhrung zu
                              Huͤlfe, um den Kleber zu zerstoͤren, und in dieser Gaͤhrung,
                              welche anfangs die Zucker-, dann die Essig- und endlich die faule
                              Gaͤhrung ist, auf eine große Masse angewendet, besteht hauptsaͤchlich
                              die Kunst des Staͤrkfabrikanten. Bei dieser Gaͤhrung aber entwickeln sich
                              vorzuͤglich in der lezten Periode so stinkende Ausfluͤsse, daß die
                              franzoͤsische Regierung dadurch veranlaßt wurde, die Ausuͤbung der
                              Staͤrkfabrikation in den Staͤdten gaͤnzlich zu verbieten. (Ordonnance du roi du 14 Janvier 1815.)
                           Daher haben schon lange mehrere Staͤrkfabrikanten daran gedacht, die
                              Manipulation, welche wir im Kleinen mit gutem Erfolge anwenden, um alles
                              Staͤrkmehl aus dem Waizen durch bloßes Kneten unter Wasser ohne
                              Gaͤhrung zu scheiden, auch durch eine Vorrichtung im Großen nachzuahmen; und
                              es ist dem Herrn Guin, Staͤrkfabrikanten in
                              Marseille, wirklich gelungen, ein Verfahren auszumitteln, welches dieser Absicht
                              vollkommen entspricht.
                           Herr Guin weicht zuerst den Waizen in Wasser von einer
                              maͤßigen Temperatur ein, und erneuert das Wasser oͤfters, um die
                              Gaͤhrung zu vermeiden. Diese Operation dauert im Winter ungefaͤhr
                              sechs, und im Sommer vier Tage. Die Getreidkoͤrner schwellen dabei auf, und
                              sobald sie so sehr erweicht sind, daß sie sich beim Druͤcken zwischen den
                              Fingern leicht abhaͤuten lassen, werden sie in eine
                              Staͤrkmuͤhle von einer eigenen Construktion gebracht. Diese
                              Muͤhle hat eine hinreichend tiefe Zarge, um die noͤthige Menge Waizen
                              aufnehmen zu koͤnnen, und darin dreht sich ein vertikaler Muͤhlstein,
                              um den eingeweichten Waizen zu zerquetschen und zu zerreißen, waͤhrend
                              zufließendes Wasser das Amylon nach und nach aufnimmt; dieses Wasser wird milchig
                              und fließt, nachdem es hoch genug gestiegen ist, durch eine nahe am Rande
                              angebrachte Ableitungsroͤhre in einen Trog, worin sich das Amylon zu Boden
                              senkt. Sobald das Wasser in der Zarge aufhoͤrt, milchig zu werden,
                              laͤßt man die Muͤhle stille stehen, um den Kleber, welcher sich am
                              Boden als ein grauer elastischer Teig findet, heraus zu nehmen. Das auf diese Weise erhaltene Amylon
                              wird noch einmal gewaschen, und wie gewoͤhnlich an der Luft getrocknet.
                           Diese Fabrikationsmethode hat wesentliche Vorzuͤge vor der
                              gewoͤhnlichen durch Gaͤhrung; Herr Guin
                              arbeitet weit schneller, und bekoͤmmt eben so viel und eben so
                              schoͤnes Staͤrkmehl; auch bemerkt man keine stinkende
                              Ausduͤnstung. Nur unter dem Microscop zeigt sich das durch einfaches
                              Auswaschen gewonnene Amylon etwas verschieden, es ist naͤmlich
                              glaͤnzender und krystallinischer als das gewoͤhnliche, auf dem Wege
                              der Gaͤhrung dargestellte Staͤrkmehl, welches matt und koͤrnig
                              ist.