| Titel: | Ueber Treib-Betten aus den Abfällen bei der Flachs-Bereitung, die gewöhnlich weggeworfen werden. | 
| Fundstelle: | Band 1, Jahrgang 1820, Nr. XXXI., S. 345 | 
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                        XXXI.
                        Ueber Treib-Betten aus den Abfaͤllen bei der Flachs-Bereitung, die gewoͤhnlich weggeworfen werden.
                        Von Herrn Peter Barnet Aus dem Repertory
                                       of Arts, Manufactures et Agriculture. II. Series. N. CCXIII.
                                    Februar 1820. p. 183..
                        (Aus den Verhandlungen der kaledonischen Garten-Cultur-GesellschaftTransactions of the Caledonian
                                       Horticulture Society.)
                        Barnet über Treibbetten von Flachsagen.
                        
                     
                        
                           Die Hize, welche sich waͤhrend des
                              Gaͤhrungs-Prozesses der Pflanzen oder Pflanzenstoffe entwickelt, war
                              bisher das Hauptmittel, dessen man sich bediente, um die zum Treiben der Ananas,
                              Melonen und Fruͤhgurken in unserem Klima noͤthige Grundhize zu
                              erzeugen.
                           Wenn Pflanzen in gruͤnem Zustande in Gaͤhrung gerathen, so ist die
                              dadurch erzeugte Hize sehr groß, aber schnell voruͤbergehend; je trockener
                              und fester hingegen das Gewebe derjenigen Stoffe ist, die man diesem Prozesse
                              unterwirft, desto weniger heftig und desto mehr anhaltend ist die dadurch erzeugte
                              Hize. Daher hat man bisher immer Eichenrinde, nachdem der Gaͤrbestoff aus
                              derselben ausgezogen wurde, und trockenes Baumlaub als die schicklichsten
                              Materialien zu Ananas- und Melonen-Betten gefunden, wo es immer an
                              Fuͤtterung derselben fehlteDer beruͤhmte Garten-Direktor in Paris, Herr Thouir, hat zu
                                    Treib-Betten in Glas-Haͤusern
                                    Schmiede-Schlacken (in den Annales du
                                       Musée) vorgeschlagen, theils um die theuere Lohe zu
                                    ersparen, theils um den Nachtheilen zu entgehen, welche die Insekten in
                                    Lohe-Betten gewoͤhnlich anrichten. Mehrere deutsche
                                    Gaͤrtner bedienen sich bei ihren Ananas-Betten mit großem
                                    Vortheile des Mooses. Anm. d. Uebers..
                           
                           Pferdemist und Streu werden gewoͤhnlich zur Anlage der Melonen- und
                              Gurken-Bette genommen. Pferdemist erhaͤlt man aber selten ohne Zank
                              von den Aufsehern einer Wirthschaft, indem diese Leute meinen, daß sie ihren
                              Duͤnger mit mehr Vortheil auf ihre Erdapfel- und Brachfelder verwenden
                              koͤnnen. Auch der Gaͤrtner, obschon er weniger dagegen sagt, weiß, wie
                              viel der Duͤnger durch Aufloͤsung und Ausduͤnstung wahrend der
                              fortgesezten Gaͤhrung verliert, welche nothwendig durch Fuͤtterung
                              unterhalten werden muß, wenn man seiner Melonen sicher seyn will.
                           Da nun, wie man allgemein zugestehen wird, Duͤnger eine zu kostbare Sache ist,
                              als daß man sie muthwillig verderben duͤrfte; da Eichenrinde
                              (Gaͤrberlohe) zu sehr im Preise gestiegen ist, seit sie an vielen Orten zum
                              Compost
                              Compost (sprich Campaßt) nennen die
                                    Englaͤnder eine Mischung (Compositum) von
                                    allerlei faulenden animalischen und vegetabilischen Substanzen, deren sie
                                    sich als kuͤnstlichen Duͤngers zur Vermehrung des
                                    natuͤrlichen bedienen. Es scheint, daß wir diesem Worte das
                                    Buͤrgerrecht in der deutschen Sprache ertheilen koͤnnen, da
                                    wir kein deutsches Wort fuͤr Compost
                                    besizen. Anm. d. Uebers., zur Vermehrung des Duͤngers benuͤzt wird; so scheint es ein
                              Gegenstand von Wichtigkeit, wenigstens fuͤr diejenigen, deren
                              Verhaͤltnisse es gestatten, davon Gebrauch zu machen, wenn man etwas, das
                              bisher allgemein fuͤr unnuͤz angesehen und weggeworfen wurde, mit
                              Vortheile zum Treiben der Pflanzen anwenden kann.
                           
                           Und dieses Etwas ist das, was man Agen (bei uns im Provincial-Ausdrucke rolling shows) nennt, das Mark des Flachses, welches bei
                              dem Walzen desselben vor dem Schwingen (scutehingscutching) abfaͤllt. Diese Agen halten, wie ich aus Erfahrung weiß,
                              durch mehrere Monate fortwaͤhrend einen bestimmten und regelmaͤßigen
                              Grad von Hize, ohne viele Umstaͤnde zu machen. Ich uͤberzeugte mich
                              hievon auf das Genaueste bei oͤfterem Nachsehen in einer benachbarten
                              Flachs-Muͤhle, wo Haufen von Agen sorglos aufgethuͤrmt waren,
                              und 14 Monate lang an einer und derselben Stelle liegen blieben. Waͤhrend
                              dieser Zeit blieben sie nahe am Grunde so warm, daß Fahrenheit's Thermometer bis zu
                              64° stieg. Erdaͤpfel wuchsen oben am Gipfel dieser Haufen ohne alle
                              Erde; allein der Muͤller verlor den Ertrag derselben, da er die Agen um den
                              Stamm umher, wie man es mit der Erde zu thun pflegt, aufhaͤufeln wollte; er
                              erzeugte dadurch eine so heftige Hize, daß die Erdaͤpfel in einer Nacht davon
                              verbrannt wurden. Ich versuchte die Agen auch unter den gewoͤhnlichen
                              Glasfenstern. Die Gaͤhrung trat beinahe augenblicklich ein, und eine
                              regelmaͤßige Hize hielt lange Zeit uͤber an; und nach dieser
                              Laͤnge der Zeit, waͤhrend welcher ich die Agen bei mir in
                              Gaͤhrung sah, ehe sie gaͤnzlich zersezt wurden, glaube ich mit
                              Sicherheit schließen zu koͤnnen, daß ihre hizende Kraft laͤnger
                              anhaͤlt, als jene der meisten, bisher zum Treiben angewendeten Stoffe. Ich
                              kann noch hinzufuͤgen, daß diese Agen, nachdem sie durch die Gaͤhrung
                              zersezt wurden, sich als trefflicher Duͤnger bewiesen habenDa in denjenigen Gegenden Deutschlands, wo der Flachsbau stark betrieben
                                    wird, die Agen fast durchgaͤngig als unnuͤz auf die Straße
                                    geworfen werden, so verdienet diese Beobachtung auch bei uns alle
                                    Aufmerksamkeit. Dingler..