| Titel: | Ueber das Prinzip der englischen Gesezgebung hinsichtlich der Erfindungs-Patente; über den Einfluß dieser Patenten-Ertheilung auf Polytechnik, und über die Anwendung dieses Systems auf deutsche Staaten. | 
| Autor: | Dr. Ludwig Wirschinger [GND] | 
| Fundstelle: | Band 2, Jahrgang 1820, Nr. XI., S. 78 | 
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                        XI.
                        Ueber das Prinzip der englischen Gesezgebung hinsichtlich der Erfindungs-Patente; über den Einfluß dieser Patenten-Ertheilung
                           auf Polytechnik, und über die Anwendung dieses Systems auf deutsche Staaten.
                        Von Dr. Wirschinger, k. b. Regierungs-Rath und Kommissär der Stadt Augsburg.
                        Wirschinger über die gesetzlichen englischen Erfindungs-Patente.
                        
                     
                        
                           England, dessen graͤnzenlose Industrie eben so sehr
                              Gegenstand der Bewunderung als der Nachahmung und Eifersucht der uͤbrigen
                              kultivirten Welt geworden ist, verdankt vorzuͤglich der
                                 Gesezgebung des XVII. Jahrhunderts einen Theil
                              jener Fortschritte, welche seinen Erzeugnissen fortwaͤhrend das Praͤdikat der Vortrefflichkeit sichern. Es duͤrfte demnach
                              unsern Lesern nicht unangenehm seyn, wenn folgende gedraͤngte Darstellung sie mit der englischen Gesezgebung, welche
                              durch Begruͤndung der Erfindungs-Patente
                              (Patents of invention) eine so denkwuͤrdige
                              Epoche fuͤr den Kunstfleiß in allen Zweigen eroͤffnet hat,
                              naͤher bekannt macht, sodann das Prinzip derselben nebst den Folgen
                              gewuͤrdiget, und selbst die Anwendbarkeit dieses Systemes auf unsere Staaten
                              gepruͤft wird.
                           Das Druͤckende, der vor dieser Zeit an Individuen sowohl als an Korporationen
                              verliehenen Monopolen erregte in der thaͤtigen Arbeiterklasse
                              Unzufriedenheit; sie sahe sich in ihren Versuchen gelaͤhmt, und klagte laut,
                              daß ihren Verbesserungen – der Frucht des Nachsinnens und der
                              verdoppelten Anstrengung – vom Monopolisten widernatuͤrlich die
                              Schranke des bisher und nicht weiter entgegengestellt
                              werde. – Wer moͤchte es jezt zu schildern wagen, auf welcher tiefen Stufe bei der Fortdauer dieses Systemes die Industrie des naͤmlichen Landes darnieder
                              gehalten worden waͤre, welches in den spaͤtern Jahrhunderten die
                              Gewerbtreibenden aller Staaten uͤberfluͤgelt hat? –
                           Es war unter der Regierung Jakobs I., daß dieser
                              Gegenstand ernstlicher zur Sprache kam; man wollte in Betrachtung der nachtheiligen
                              Folgen restringiren; diese Restriktion der Monopole
                              geschah im J. 1623; in dem Statute selbst ist das Grundgesez fuͤr die
                              Erfindungs-Patente als Ausnahmsgesez enthalten; es war am 2. November 1624,
                              als dieses Gesez die foͤrmliche Sanktion erlangte.
                           Die Bestimmungen uͤber die Restriktion der Monopole und uͤber die
                              legalen Ausnahmen sind im dritten Kapitel in vierzehn Artikeln
                              ausgedruͤckt.
                           Der erste Artikel erklaͤrt fuͤr nichtig und ohne Folge, als den
                              Fundamentalgesezen des Reiches zuwider, alle Monopole, Privilegien, Lizenzen und
                              Patente, von welcher Art sie immer sind, und sie moͤgen bereits verliehen
                              seyn, oder erst verliehen werden. – Der zweite Artikel sezt fest, daß
                              alles, was diese Monopole etc. und deren Guͤltigkeit beruͤhrt, nach
                              den gemeinen Reichsgesezen behandelt und entschieden werden soll. Der dritte
                              erklaͤret alle Personen und Korporationen fuͤr unfaͤhig irgend
                              ein Monopol zu besizen oder auszuuͤben. Der vierte Artikel verbietet, unter
                              dem Vorwande eines Monopols-Besizes Jemanden in Ausuͤbung seiner
                              Geschaͤfte hinderlich oder laͤstig zu seyn, und spricht zugleich die
                              Strafe der Kontravenienten aus. Der fuͤnfte nimmt von diesen
                              Verfuͤgungen die Privilegien aus, welche bereits vor Emanirung dieses Gesezes
                              auf, neue und nuͤzliche Erfindungen fuͤr die Dauer von 21 Jahren oder
                              darunter ertheilt worden sind. Der sechste giebt die Normen fuͤr die
                              kuͤnftige Ertheilung der Erfindungs-Privilegien; er lautet
                              woͤrtlich also: »gleichfalls sey ausgenommen und mit
                                 Gegenwaͤrtigem erklaͤrt und verordnet, daß oben
                                 erwaͤhnte Bestimmungen (I-V.) sich nicht erstrecken auf Patente
                                 und Privilegien fuͤr die Zeit von vierzehn
                                 Jahren und darunter, welche in Zukunft verliehen werden – auf
                                 ausschließende Herstellung und Bereitung irgend eines neuen Erzeugnisses
                                 innerhalb den Graͤnzen des Koͤnigreiches an den oder an die wahren
                                 Erfinder solcher Manufakte, die zur Zeit der Patent-Fertigung und
                                 Verleihung von Andern nicht bereits gebraucht worden, und weder den Gesezen
                                 entgegen, noch dem Staate schaͤdlich sind – durch Steigerung der
                                 Viktualien-Preise, Beeintraͤchtigung des Handels, oder
                                 Belaͤstigung im Allgemeinen. – Die bemerkten vierzehn Jahre
                                 beginnen mit dem Tage der Ausfertigung der Patente oder der Ertheilung der
                                 kuͤnftig noch zu gewaͤhrenden Privilegien; auch sollen dieselben
                                 so weit verpflichtend seyn, als sie seyn wuͤrden, wenn dieser Akt oder
                                 ein anderer nicht bestuͤnde. –
                           
                           Die uͤbrigen Artikel dieses Statutes machen Ausnahme fuͤr einige
                              Privilegien, welche durch Parlaments-Akten an eine Stadt, Korporation,
                              Innung, Handelsgesellschaft und an einige Individuen ertheilt worden sind.
                           Ein solcher Parlaments-Akt beurkundet uͤbrigens mehr das Bestreben nach
                              Beschraͤnkung der souveraͤnen Macht als fuͤr Begruͤndung
                              eines Gesezes uͤber die Erfindungs-Privilegien; wie denn auch nie ein
                              wirkliches zusammenhaͤngendes Gesez gegeben worden ist. Doch hat, wie ehehin
                              der Praͤtor beim Roͤmer, – wie beim Franzosen die
                              Jurisprudence, so hier das Leben dem Geseze nachgeholfen, wie Davies Collection of cases respecting patents of invention and the rights of
                                 patentees, London 1818 anschaulich macht. Vortrefflich ist die
                              Zusammenstellung, welche Prechtl, Direktor des
                              polytechnischen Institutes in Wien, hinsichtlich der Hauptpunkte, die in Frage
                              kommen, mit ziemlicher Ausfuͤhrlichkeit, Acerbi aber im Auszuge giebt.
                           Wer in England ein Erfindungs-Patent erhaͤlt, muß eine genaue
                              Beschreibung seiner Erfindung zur Einregistrirung uͤberreichen, damit nach
                              Ablauf der Zeit des Privilegs Jederman diese Erfindung in Anwendung bringen kann;
                              eine Bedingung, welche so wesentlich ist, daß Jeder dabei vorfallende Fehler
                              den Verlust des Patentes selbst zur Folge hat.
                           Gegenstand des Patentes.
                           Dieser bestehet in einer neuen Bereitung (new manufacture) in einem neuen
                                 Erzeugnisse; es kann folglich auch ein verkaͤuflicher Gegenstand
                              seyn; uͤbrigens gehoͤren dahin nicht blos Sachen, sondern auch die Bereitungs- und
                              Verfahrungs-Art. – Solche Patente
                              erhaͤlt man fuͤr alle neuen Erzeugnisse, fuͤr jeden neuen
                              Mechanismus, aber auch fuͤr einen schon bekannten, welcher einen neuen Effekt hervorbringt. Auch Ersparung an Zeit und
                              Aufwand, nicht minder
                              eine neue Zusammensezung schon bekannter Maschinen zur Erzielung eines neuen
                              Effektes, geben Anspruͤche auf ein Patent.
                           Wenn es dieser Effekt, nicht aber eine Sache oder eine neue saͤchliche
                              Zusammensezung ist, worauf sich das Patent bezieht, dann gilt dieses allein
                              fuͤr den Mechanismus oder das Verfahren, falls demselben der Charakter der
                              Neuheit zukommt. So erhielt David Hartley ein
                              Erfindungs-Patent, weil er mittelst einer neuen Anordnung von Eisenplatten
                              die Gebaͤude gegen Feuers-Gefahr sicher stellte. –
                           So kann derjenige, welcher einer bereits bekannten Maschine verbesserte Einrichtungen
                              hinzufuͤgt, ein Patent erlangen; es muß aber der Kaͤufer
                              leztere allein an sich zu bringen vermoͤgen.
                           Als neu ist durch das Statut eine Erfindung oder Verbesserung erklaͤrt, welche
                              zur Zeit der Patentfertigung noch nicht im Koͤnigreiche eingefuͤhrt
                              war. Ist eine Erfindung vor diesem Zeitpunkte durch den Erfinder oder durch Andere
                              bereits bekannt gemacht worden, so wird sie nicht mehr als neu betrachtet. Hingegen
                              finden Patente auch fuͤr solche Erfindungen statt, welche ausserhalb England
                              schon vorhanden und im Gebrauche sind; selbst alte Erfindungen koͤnnen
                              fuͤr neu gelten, wofern sie noch nicht Anwendung erhalten haben. So
                              behauptete Dollond das Patent fuͤr seine
                              Objectivglaͤser, obgleich diese von Hall schon
                              fruͤher, jedoch ohne Mittheilung seiner Erfindung an das Publikum,
                              verfertiget worden waren. Zu einem Patent-Gegenstand eignet sich bloß
                              ein verkaͤufliches Produkt; es kann daher kein Patent uͤber allgemeine Anwendungen irgend eines Prinzipes erlangt
                              werden.
                           Ertheilung des Patentes.
                           Bei der Ertheilung eines Patentes hat uͤber Neuheit oder Nuͤzlichkeit
                              der Erfindung oder Verbesserung, sowie uͤber alle zur Giltigkeit des Patentes
                              erforderlichen Punkte, keine Untersuchung statt; vielmehr erfolgt diese erst dann,
                              wenn in Hinsicht der Giltigkeit des Patentes ein Streit entstehet.
                           Wer ein Patent zu haben wuͤnscht, reicht an den Koͤnig eine Vorstellung
                              ein, in welcher die Erfindung auseinander gesezt, und die Bitte um die
                              Patent-Ertheilung ausgedruckt ist; zugleich beschwoͤrt derselbe,
                              daß die Erfindung seinem Wissen nach wirklich neu sey. Die Supplike gelangt
                              mit der unterzeichneten Eidesformel durch den Staats-Sekretaͤr des
                              Innern weiter in die Haͤnde des Generalanwaldes, auf dessen Antrag der
                              Koͤnig das Patent gewaͤhrt; nun erfolgt die Ausfertigung desselben im
                              Namen des Koͤnigs unter dem großen Sigill.
                           Das Patent beginnt mit Anfuͤhrung der Bitte, bezeichnet dann die Natur der
                              Erfindung oder Verbesserung, und fuͤgt zulezt das Verbot hinzu, die
                              Befugnisse des Patentes nicht zu verlezen, und deren Ausuͤbung nicht zu
                              hindern. Fuͤr nichtig wird aber das Patent erklaͤrt, wenn sich zeigen
                              sollte, daß die Ertheilung den Gesezen zuwider oder den Unterthanen
                              schaͤdlich ist; wenn der Patenttraͤger nicht der Erfinder
                              waͤre; wenn das neue Patent mit einem schon fruͤher ertheilten in
                              Kollision kaͤme; wenn es auf mehr als fuͤnf Personen, oder auf eine
                              Korporation uͤbertragen, und endlich wenn die Erfindung nicht
                              vollstaͤndig beschrieben, oder nicht innerhalb zweier Monaten nach der
                              Ausfertigung registrirt worden waͤre.
                           Fuͤr England, Irland, und Schottland werden besondere Patente gefertiget. In
                              einem Patente fuͤr England kann man mittelst eines etwas
                              groͤßern Erlages auch noch die Wirkung des Privilegs fuͤr die
                              Kolonien erlangen.
                           Das Patent gilt fuͤr den Empfaͤnger selbst sowohl, als fuͤr alle
                              diejenigen Personen, welche derselbe dazu anstellt, gebraucht, oder
                              bevollmaͤchtiget; es erlaubt ihm vierzehn Jahre lang im Lande den
                              Gegenstand der Erfindung zu bereiten, zu gebrauchen und zu verkaufen, wie ihm
                              dieß beliebt. Doch verbietet es die Uebertragung auf mehr als fuͤnf
                              Personen bei Strafe des Verlustes.
                           Korporationen oder Kompagnien koͤnnen anders nicht als mit Zustimmung des
                              Parlamentes sich Patente verschaffen, auch kommt es allein dem Parlamente zu, die
                              Giltigkeit eines Patents uͤber 14 Jahre zu verlaͤngern.
                           Die Einruͤckung von Klauseln und besondern Verbindlichkeiten haͤngt vom
                              Generalanwalde ab.
                           Anfangs war der Patenttraͤger nicht verpflichtet innerhalb zwei Monate die
                              Beschreibung seiner Erfindung registriren zu lassen; die Erfahrung mag bewiesen
                              haben, daß es fuͤr den Erfinder eine gefaͤhrliche Sache sey,
                              das Ganze der Erfindung in das Patent einruͤcken zu lassen, weswegen es gegen
                              das Ende der Regierung der Koͤnigin Anna zum Gesez gemacht wurde, daß
                              die Registrirung des Patents innerhalb 4 Monate zu geschehen habe. Bald aber
                              schraͤnkte man diesen Zeitraum auf einen Monat ein; zulezt wurden zwei Monate
                              vorgeschrieben. Der Generalanwald kann jedoch auf Verlangen des Supplikanten diesen
                              Termin auf sechs Monate ausdehnen, wenn der Supplikant die Registrirung und die
                              Ausuͤbung seiner Erfindung auch fuͤr Schottland und Irland
                              nachsucht.
                           Die Beschreibungen oder Aufzaͤhlungen der Erfindungen werden im
                              Lord-Kanzleramte hinterlegt, wo man sie lesen und kopiren kann; auch gelangen
                              sie durch das Repertory of Arts, Manufactures and
                                 Agriculture und durch andere Journale, wenn es die Patenttraͤger
                              wuͤnschen und begehren, zur oͤffentlichen Kunde. Die Registrirung der
                              vollstaͤndigen Angabe der Erfindung und die sodann folgende Bekanntmachung
                              wird Niemanden nachgelassen; es sey denn, daß in ausserordentlichen
                              Faͤllen der Supplikant besonders wichtige Beweggruͤnde dafuͤr
                              anfuͤhren und sie hinlaͤnglich beweisen koͤnne; und dann kann
                              es nur mittelst einer
                              Parlaments Akte geschehen. Geheimhaltung der Erfindungen wird fuͤr
                              unnuͤz und schaͤdlich geachtet.
                           Das Patent wird ungiltig, wenn erwiesen ist, daß Sachverstaͤndige mit
                              den in der Erfindungs-Darstellung angegebenen Mitteln nicht im Stande sind,
                              das Resultat der Erfindung zu bewirken.
                           So muß auch bei der Darstellung der Erfindung genau unterschieden werden, was
                              daran neu und was schon bekannt ist. Ist die Darstellung ganz erschoͤpfend
                              und genau, so bedarf es nicht der Mittheilung einer Zeichnung oder eines
                              Modelles.
                           Um die Prioritaͤt der Erfindung zu sichern in Sachen, welche zu ihrer
                              Ausfuͤhrung viele Zeit fordern, ist das sogenannte Caveat eingefuͤhrt; es bestehet in einer von dem Erfinder an den
                              Generalanwald gerichteten Bitte, und schuͤzt ein Jahr hindurch gegen die
                              Anspruͤche eines Andern in Beziehung auf die naͤmliche Erfindung; auch
                              kann es erneuert werden. Gewoͤhnlich wird die Erfindung, fuͤr welche
                              das Caveat gegeben ist, nur in allgemeinen Ausdruͤcken erwaͤhnt,
                              theils zur Vermeidung des Bekanntwerdens, theils zu moͤglichster Erweiterung
                              des Gegenstandes der Erfindung.
                           Wenn nun der durch ein Caveat Geschuͤzte sich gegen die Fertigung eines
                              Patentes fuͤr eine gleichartige Erfindung erklaͤrt, so vernimmt der
                              Generalanwald beide Partheien besonders, und untersucht, worinn ihre Erfindungen
                              einander wesentlich aͤhnlich sind, worauf entweder die Verwerfung des
                              Gesuches oder der Antrag der Gewaͤhrung an den Koͤnig erfolgt. Nicht
                              selten schlichter den Streit eine freundschaftliche Uebereinkunft, oder die
                              Abloͤsung der Erfindungsrechte mittelst einer Summe Geldes.
                           Mit diesem Caveat treten manche Mißbraͤuche ein. Es finden sich
                              Speculanten, welche ganze Listen von Caveat auf Erfindungen oder allgemeine
                              Erfindungs-Prinzipien eintragen lassen, um alsdann wenn eine Erfindung hervortritt, mit
                              den wirklichen Urhebern derselben in Konkurrenz zu seyn, und diesen fuͤr das
                              Aufgeben der gemachten Anspruͤche Summen abzulocken.
                           Entfernung oder doch Minderung dieses Uebels moͤchte erfolgen, wenn der
                              Erfinder bei Registrirung des Caveat zugleich auf einem versigelten Blatte die
                              Beschreibung der Erfindung abgeben muͤßte; die Eroͤffnung
                              dieses Blattes wuͤrde dann in Streitfaͤllen die Entscheidung
                              erleichtern. Das Caveat verwirrt, wie Einzelne behaupten,
                              das einfache System der Patente, daher es gerathener seyn duͤrfte, dem
                              Erfinder selbst die Bewahrung des Geheimnisses seiner Erfindung zu
                              uͤberlassen bis zur Ausfertigung des Patentes, da zwischen dieser und der
                              pflichtmaͤßigen Registrirung der Erfindungs-Darstellung ein
                              bedeutender Zeitraum gestattet ist.
                           Erloͤschung des Patentes.
                           Alle Streitigkeiten uͤber Erfindungspatente werden von den ordentlichen
                              Gerichten behandelt und entschieden. Wer einem Patenttraͤger durch Eingriffe
                              in dessen Befugnisse Schaden verursacht, muß Ersaz leisten.
                           Da es die Neuheit der Erfindung ist, worauf die Giltigkeit des Patentes beruhet, so
                              wird dieses ungiltig, wenn das Patent entweder ganz oder zum Theile einen Gegenstand
                              betrift, welcher schon vom Publikum benuͤzt wurde; denn in jedem Patente wird
                              ausdruͤcklich gesagt, daß zur Giltigkeit desselben die
                              Nichtbeeintraͤchtigung schon bestehender Befugnisse Anderer
                              gehoͤre.
                           Die Giltigkeit geht auch dann verloren, wenn es sich zeigt, daß die Erfindung
                              nicht vom Patenttraͤger allein komme. Irrthuͤmer in der Darstellung
                              der Erfindung haben dieselbe Folge, und eben so verhaͤlt es sich, wenn der
                              Gegenstand des Patentes wider die Geseze ist.
                           
                           Bei Einspruͤchen gegen das Patent liegt dem Patenttraͤger der Beweis
                              der Neuheit, so wie der Nuͤzlichkeit der Erfindung ob; nicht minder
                              muß er darthun, daß er seine Erfindung richtig bezeichnet und das Neue
                              an derselben von dem schon Bekannten scharf getrennt habe.
                           In einigen Faͤllen werden ex officio die Patente
                              fuͤr ungiltig erklaͤrt und zuruͤckgenommen, mittelst des so
                              genannten Scire facias (a
                                 writ of scire facias): diese Faͤlle treten ein, wenn uͤber
                              eine und die naͤmliche Sache mehrere Personen das Privilegium sich verschafft
                              haben sollten, alsdann erhaͤlt der Erste auf sein Ansuchen ein scire facias gegen den Zweiten, und es wird hiedurch das
                              Patent desselben, und zwar im Namen des Koͤnigs, widerrufen;
                           2) wenn das Patent auf den Grund falscher Angaben ertheilt wurde, d.h., wenn das
                              gegebene Privilegium der Krone, dem Staate oder dem Kommerz nachtheilig ist;
                           3) Wenn das Patent die Verleihung eines Privilegiums enthaͤlt, das mit den
                              Landesgesezen streitet, z.B. mit den Monopols-Restriktions-Gesezen,
                              welche das Statut Jakobs I. festgestellt hat.
                           In Großbrittanien sind seit dem Jahre 1675 bis 1815 Erfindungspatente ertheilt
                              worden.
                           
                           
                              
                                 1676
                                 bis
                                 1685 unter Karl II.
                                 46
                                 
                              
                                 1686
                                 bis
                                 1689 unter Jakob II.
                                 13
                                 
                              
                                 1689
                                 bis
                                 1702 unter Wilhelm und Maria
                                 102
                                 
                              
                                 1702
                                 bis
                                 1714 unter Anna
                                 30
                                 
                              
                                 1715
                                 bis
                                 1727 unter Georg I.
                                 95
                                 
                              
                                 1727
                                 bis
                                 1766 unter Georg II.
                                 258
                                 
                              
                                 1761
                                 bis
                                 1770 unter Georg III.
                                 215
                                 
                              
                                 –
                                 
                                 1780 –
                                 299
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 1058
                                 
                              
                              
                                 –
                                 
                                 1790 –
                                 566
                                 
                              
                                 –
                                 
                                 1800 –
                                 692
                                 
                              
                                 –
                                 
                                 1810 –
                                 943
                                 
                              
                                 –
                                 
                                 1815 –
                                 551
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 3810
                                 
                              
                           
                           Das Prinzip dieser Gesezgebung ist offenbar die Erhoͤhung und Vervollkommnung der
                                 National-Industrie, und daß Mittel hiezu ist die ehrende
                                 Anerkennung der Bestrebungen des Einzelnen und die Sicherung des Genußes
                                 aus diesen Bestrebungen, durch die Dazwischenkunft des Staates auf eine Weise,
                                 welche auf Alle sowol als auf das industrioͤse Individuum gleich billige
                                 Ruͤcksicht nimmt.
                           Das wahre Augenmerk bei dieser Gesezgebung in England ist der
                                 Vortheil fuͤr die Nation; man hat es dort anerkannt und praktisch
                              ausgesprochen, daß die Nation, daß der Staat selbst – in seinen
                              Buͤrgern fortschreite; es darf daher der Einzelne sich nur melden fuͤr
                              ein Bestreben, bei welchem es auf Neuheit und Nuͤzlichkeit angesehen ist,
                              – was ihm vorerst auf sein bloßes Wort geglaubt wird, – und er
                              erhaͤlt sogleich durch das Gouvernement einen offenen
                                 Brief, mit dem großen Siegel, wodurch eben so sehr sein Bestreben
                              geehrt, als die Theilnahme an demselben allgemein beurkundet wird; dieß ist
                              aber kein Monopol, das dem egoistischen Duͤnkel des Besizers ein ganzes
                              Publikum in Betreff eines bestimmten Beduͤrfnisses zinsbar macht; –
                              kein Privilegium, welches dem Geseze Wunden schlaͤgt; keine Licenz, welche
                              durch Opfer erworben werden muß; – ein oͤffentlicher Schuzbrief ist es, welcher der Industrie fuͤr
                              die billig abgemessene
                              Zeit von vierzehn Jahren den Genuß ihrer geistigen
                              Produktion, (so mag wohl mit Recht jeder Schritt zur Vervollkommnung auf dem
                              begluͤckenden Felde schoͤpferischer Industrie genannt werden) zur
                              Belohnung und Ermunterung sichert, in der Voraussezung, daß bei
                              Einspruͤchen die Neuheit und Nuͤzlichkeit des
                              Erfindungs-Gegenstandes werde wirklich erwiesen werden, und daß die
                              Erfindung selbst gemeinnuͤzig, nicht gemeinschaͤdlich sey, indem sich
                              die nothwendige Folge ergiebt, daß bei Entdeckung der Nichtigkeit dieser
                              Voraussezung jener offene Brief seine Bedeutung verliere, und widerrufen werden
                              muͤsse. Die Registrirung der Erfindung nach der genauen Angabe derselben,
                              verbunden mit der offenen Behandlung und Verkuͤndung, bildet eine herrliche
                              Kontrolle gegen Anmassungen, und bewahret der Nation ihren Anspruch auf die nach
                              verflossener Patentzeit freigegebene Erfindung, als auf ein Gemeingut – und
                              die Benuͤzung der beguͤnstigten Sache. –
                           Mag auch von Manchen das Caveat und Scire facias als uͤberfluͤßig
                              getadelt werden; mir scheint beides eine Anordnung, welche von der belehrenden
                              Erfahrung, als zur Fuͤllung der erkannten Luͤcken nothwendig, in Schuz
                              genommen wird; dagegen finde ich die fruͤhere Hinterlegung der
                              Erfindungs-Anzeigen oder Details einer Erfindung mit jenen Voraussezungen,
                              welche erst nach der Patenterlangung die Einregistrirung verlangen, nicht so ganz
                              vereinbar.
                           Indem also der Staat die Beschuͤzung des Bestrebens der Einzelnen im offenen
                              Briefe gegen Jedermann verkuͤndet, wird der Gesammtzweck selbst erreicht, und
                              jeder Schatten von verhaßter Monopolschaft verschwindet, wenn man die
                              einfache, aber weise Berechnung in Hinsicht des Verfahrens bei Streitfaͤllen
                              vergleicht. Nach den gemeinen Gesezen und vor den gewoͤhnlichen
                              Tribunaͤlen werden die Streitfaͤlle behandelt und entschieden,
                              folglich von keiner besondern Administrativ-Justiz, weil man den
                              Patenttraͤger ein eigentliches jus quaesitum aus
                              dem Patente – nach der Dauer des Patentes – bis zur Erweisung des
                              Nichtbestehens der begruͤndenden Voraussezung – einraͤumt, und
                              eine solche Befugniß so gut unter die bona, quae beant, wie
                              der Roͤmer sich ausdruͤckt, juridisch gezaͤhlt werden
                              muß, als ein Haus oder eine Werkstaͤtte.
                           Daß endlich eine solche Befugniß in der Regel nur an Individuen verliehen wird, vollendet die Weisheit der
                              Gesezgebung; wie leicht wuͤrde es der Kraftvereinigung einer Korporation oder
                              Gemeinde werden, die Bestrebungen wahrer Industrie zu uͤberfluͤgeln,
                              fuͤr ihren Zweck eine Soͤldnerei gegen den bestrebsamen Einzelnen, und
                              gegen das kaufende abnehmende Publikum zu erschaffen, und
                              in dem neuen Gewande einer zweiten ostindischen Kompagnieschaft die Majorisirung
                              gegen die Industrie auf eine weit druͤckendere Art herzustellen, als bei dem
                              Daseyn einzelner Monopolisten gefuͤhlt wurde! – Wenn aber jede
                              Ausnahme in Hinsicht auf Dauer oder Person, (ruͤcksichtlich des Objektes ist keine Ausnahme
                              moͤglich, – keine Ausnahme denkbar) von der Einstimmung des
                              Parlamentes abhaͤngig bleibt, wenn nur allein eine Parlamentsakte, bei
                              ausserordentlichen und hoͤchst seltnen Umstaͤnden, eine solche
                              Befugniß-Erweiterung zu schaffen faͤhig ist, so kann man
                              unbesorgt seyn wegen Gefahren fuͤr das System selbst, wegen einer dem
                              Einzelnen wie dem Ganzen schaͤdlichen Aenderung.
                           Das unverruͤckte Festhalten dieses so einfachen,
                              und eben so wahren Systemes in England: welche Wunder hat
                              es hervorgerufen? – Ist es nicht dieses System, welches nun fast seit zwei
                              Jahrhunderten mit jedem Tage neue Erfinder oder Verbesserer geweckt, – die
                              kuͤhnsten Unternehmungen bewirkt, die reichsten Fonde zur Befruchtung des
                              Schooßes der Industrie dargeboten hat? – Man vergleiche die Anzahl der
                              Patente in den verschiedenen Perioden.
                           Vom Jahre 1676 bis 1685 wurden 46 Patente gegeben; vom Jahre 1780 bis 1790 aber 566,
                              und vom Jahre 1800 bis 1810 sogar 943; der Zeitraum von 1676 bis 1815 beurkundet
                              3810 solcher Patente; und jeder Monat liefert uns neue Verleihungen, als eben so
                              viele Belege uͤber die neuen Fortschritte.
                           Ob nun wohl dieses Beguͤnstigungs-System auf
                              Polytechnik gewirkt hat? – Ein gemeiner Toͤpfer in Stafford Wedgwood – hat sich erst vor Kurzem so gehoben,
                              daß seine Fabrikgebaͤude sich in eine kleine Stadt umgewandelt haben, daß seine Arbeiter ein besonderes
                              Gesezbuch nothwendig machten, und die zehen Meilen lange Straffe the Pottery durch seinen
                              Aufwand hergestellt wurde.
                           Die Jenny-Spinn-Maschine des Webers Jakob Hargrave, im Jahre 1767 erfunden, hat eine neue Epoche fuͤr die
                              Baumwollen-Manufakturen herbeigefuͤhrt; bald darauf erhielt diese
                              Manufaktur noch mehr Verbesserung durch Richard
                                 Arkwrighte, welcher im Jahre 1792, als Baronet
                              starb, auf einem fuͤrstlich eingerichteten Schlosse mit Hinterlassung von
                              mehr als eine halbe Million Pfund Sterlinge. Nach dem Aufhoͤren des dem
                              Arkwrighte verliehenen Patentes trat im Jahre 1776 Samuel
                                 Crompton mit seiner denkwuͤrdigen Mulmaschine auf.
                           Bei der sonstigen Notorietaͤt des hier behandelten Gegenstandes moͤgen
                              diese wenigen Daten genuͤgen, um die praktische Wichtigkeit desselben mit
                              einem Blicke ganz zu erfassen.
                           Nun sey es noch erlaubt zu bemerken, daß, waͤhrend England auf diesem
                              Wege schoͤpferisch im Innern wirkt, Restriktionsgeseze gegen fremde Importation schuͤzen, und zugleich die Ausfuhr-Praͤmien dazu dienen, um die
                              Prohibitivgeseze des
                              Auslands gegen Englands Industrie ohnmaͤchtig zu machen; – wieviel diese Praͤmie, die in der Regel 15 bis 20
                              Prozente gewaͤhrt, bewirken koͤnne, mag aus der Summe derselben, die
                              im Jahre 1797 im Ganzen 1'083,555 Pfund Sterling betrug, und oft noch hoͤher
                              steigen soll, so wie aus dem Erfolg erkannt werden, welcher vormals Napoleons
                              Kontinental-Sperre mit veranlaßte, und jezt die Klagvorstellungen des
                              deutschen Handels-Vereines motiviren hilft.
                           Wenn man nun ohne vorgefaßte Meinung diese glaͤnzenden Resultate mit
                              den vorzuͤglichen Mitteln vergleicht, durch welche sie so haͤufig
                              hervorgebracht werden, so findet man, daß des weisen Leopolds von Toskana nie
                              zu vergessende Maxime ut sit et ne noceat civitati auch
                              im englischen System der Erfindungs-Patente bereits anerkannt sey. Nicht das
                              unmittelbare Eingreifen der Staats-Regierung
                              in die Gegenstaͤnde der Technik, nicht hoheitlicher
                                 Zwang ist es, was die Industrie zur Selbstthaͤtigkeit fuͤr
                              Jahrhunderte erhebt, oder neue Staͤmme und Wurzeln zu schaffen die Kraft hat:
                              – von selbst treibt im wohl bereiteten und gut beschuͤzten Boden der
                              Baum in das Leben, und bringt Frucht, welche alle Muͤhe reichlich vergilt, wo
                              ihr der Markt und die Abnahme gesichert ist. Es bluͤhten weit entlegene
                              Preußische Provinzen, wohin die fiskalischen Maaßregeln nicht
                              gedrungen waren, waͤhrend aus Irland, wo die Regierung mit Gewalt die Leinwand-Manufakturen in
                              Thaͤtigkeit zu bringen gesucht hatte, und eine jaͤhrliche
                              Praͤmie von 40,000 Pfund verloren gieng, ganze Schaaren von Einwohnern in das
                              entfernteste Ausland zogen. Mit lebhaften Farben schildert Chaptal
                              De l'industrie française par M. le Comte
                                       Chaptal etc. Paris 1819. ein beruͤhmter und glaubhafter Gewaͤhrsmann, welche Nachtheile fuͤr die
                              Fortschritte der Kuͤnste und das Bluͤhen des Handels durch die meisten
                              Verordnungen uͤber das Fabrikwesen entstanden sind.
                           Wenn Frankreich politechnische Schulen,
                                 Aufmunterungs-Gesellschaften, eigene Abtheilungen in der
                                 Staats-Regierung fuͤr die Vervollkommnung der Industrie
                              stiftet, wenn es die im Jahre 1789 26 Millionen Franken betragende Einfuhr
                              baumwollener Zeuge schon im J. 1812 auf ein und eine halbe Million reduzirte; wenn
                              Ternaux Cachemirs nur noch von den indischen Cachemirs uͤbertroffen werden,
                              und der Bericht der Central-Jury uͤber die Beurtheilung der in Louvre
                              ausgestellten Industrie-Erzeugnisse im Jahre 1819 bereits fuͤnfhundert Seiten fuͤllen kann; wenn die
                              Bibliotheca italiana von Acerbi uͤber
                              Kuͤnste und Gewerbe aͤhnliche Resultate aus Italien liefert, dann
                              moͤchte wohl auch die Frage eine Wuͤrdigung
                              verdienen, ob nicht in deutschen Staaten, von denen so
                              haͤufig England, Frankreich, Italien etc. Maͤnner erhaͤlt,
                              welche als die ersten Erfinder nuͤzlicher Industriezweige glaͤnzen,
                              ins besondere Englands Patent-System recht bald in
                              Anwendung zu bringen waͤre. – Sollte nicht hierin ein Mittel zu finden
                              seyn, in Deutschland, das schon vor zwanzig Jahren 199 patriotische
                              Sozietaͤten zur Belebung der Industrie hatte, den Vorwurf zu verbannen,
                              »daß die Schwierigkeit fuͤr den industrioͤsen
                                 Mann, wie die fortwaͤhrende Ausbildung der Industrie, immer im gleichen
                                 Verhaͤltnisse gewachsen sey, oder daß der Deutsche, um als
                                 Erfinder in seine Heimath zuruͤckgerufen zu werden, erst im Auslande
                                 seine Erfindung versuchen, und sich durch das Ausland empfehlen lassen
                                 muͤße?« – Nicht unbekannt ist uns, daß
                              Friedrich Wilhelm im J. 1734 Fabrikanten und
                              Handwerker unter Anbietung des Buͤrgerrechts und aller moͤglichen
                              Exemtionen in seine
                              Staaten zu ziehen, eingeladen, – daß Carl Alexander von
                              Wuͤrtemberg im J. 1735, und die Kaiserin Therese von Oesterreich im J. 1774
                              Aehnliches gethan hat; daß schon vor vielen Jahren Englands nun verstorbener
                              Koͤnig Georg fuͤr Hannover ein Kommerz-Kollegium, Landgraf Ludwig von Hessen im J. 1777 eine
                              musterhaft gestaltete Landes-Kommission schuf,
                              – daß Hessen-Kassel sich schon im J. 1771 einer Handlungs-Kompagnie erfreute; in Oesterreich unter
                              dem Schuze der Kaiserin Therese eine organisirte oͤkonomische Gesellschaft
                              erstund, Mainz und Erfurt
                              eigene Kommerzien-Deputationen erhielten, waͤhrend Weilburg Praͤmien, Wuͤrtemberg
                              Steuerfreiheiten gab, Halberstadt jaͤhrlich die Listen gekroͤnter
                              Industriemaͤnner der Welt bekannt machte, und der bekannte Wurmb in Hamburg eine wenig uͤbertroffene
                              Handlungs-Akademie gruͤndete. Und wer kennt nicht die neuesten
                              Bemuͤhungen der fuͤr Oesterreich unterm 11. Juli 1816 geschaffenen
                              Hofkommerzkommissionen, die in Oesterreich auf 2, 3, 10 etc. Jahre uͤblichen
                              Erfindungs-Privilegien, – die ausgezeichneten Fortschritte, und
                              Beguͤnstigungen der Industrie in Baiern? Was der Deutsche hinsichtlich der
                              Vollkommenheit seiner Erzeugnisse errungen habe,
                              bedarf nicht erst des Beweises, wenn man erwaͤgt, daß schon vor zwei
                              Dezennien der englische Industrie-Senat die Abnahme einzelner Gewerbe in
                              England dem Aufbluͤhen mehrerer deutschen
                                 Kuͤnstler zuschrieb, welche viele der englischen Kunstarbeit sehr
                                 aͤhnliche Stuͤcke liefern; und daß die Kaufleute der
                              City von London, wohl einsehend, wie schwer es sey, auch beim Bestehen ihres
                              Systemes, ferner noch der Industrie des Auslandes im lebhaften Ehrenkampfe mit
                              Sicherheit zu begegnen, im J. 1820 die Vorstellung um Handelsfreiheit so unerwartet der Vorstellung des deutschen
                              Handels-Vereins um Beschraͤnkung gegen die hochbeguͤnstigte Industrie Englands
                              entgegensezen.In Detailanfuͤhrungen koͤnnte freilich ein siegender Beweis der
                                    Eminenz deutscher Industrie beinahe fuͤr alle Zweige gefuͤhrt
                                    werden. Schon vor vielen Jahrzehnten erklaͤrte Frankreich, allein das
                                    vollkommenste Porzellan zu haben; und doch wurde dieses in einer Berliner
                                    Tasse zu gruͤnem Glas geschmolzen; – Augsburger
                                    Kattunfabrikanten stellten ihre vollendeten Erzeugnisse auf dem Markte neben
                                    englisches Gut, und hatten sich des Vorzuges zu erfreuen; viele
                                    Kunstarbeiten der Residenzstadt Muͤnchen verdrangen selbst im
                                    Auslande Englands fuͤr unuͤbertrefflich geachteten Erzeugnisse
                                    etc. Wie empfaͤnglich man uͤbrigens in Baiern fuͤr jede
                                    Bestrebung zum Besten der Industrie sey, beweisen die Fortschritte des
                                    polytechnischen Vereins, die Resultate der Industrie-Ausstellung in
                                    Muͤnchen und Augsburg.
                           Mir scheint demnach – bei der Ueberzeugung (welche wohl Mancher nach ruhiger
                              Wuͤrdigung mit mir theilen moͤchte), daß, auch bei den nach
                              geographischen und sonstigen Verhaͤltnissen ausfuͤhrbaren
                              Restriktionen zum Vortheile der Bundesstaaten gegen das fabrizirende und handelnde
                              Ausland, doch die Haupthilfe in der innern Ausbildung fortwaͤhrend zu suchen
                              sey, und daß bei der gluͤcklichen Wirkung des Landbaues und der
                              Industrie immer wieder fruͤher oder spaͤter ein guͤnstiger
                              Impuls fuͤr den Kommerz erfolgen muͤsse, – die Annahme und Einfuͤhrung des englischen Systemes
                                 uͤber Erfindungs-Patente so zweckmaͤßig als
                                 erwuͤnschlich, und die Ausfuͤhrung nicht von der komplizirten
                              Frage abhaͤngig zu seyn, ob gleichzeitig dasselbe
                              in allen deutschen Bundesstaaten geschehensolle oder
                              werde. Unter den Motiven muß ich eines angeben, welches vielleicht Mancher
                              gerade fuͤr die Opposition gebrauchen duͤrfte, naͤmlich,
                              daß ein solches Patentsystem selbst da, wo eine vernuͤnftige
                              Werthschaͤzung der Zunft-Institute bestehet und ferner bewahrt werden
                              soll, nur wohlthaͤtig und empfehlend wirken koͤnne, da einerseits auch
                              bei Handwerksstreitigkeiten nur nach dem wirklich Bestehenden geurtheilt werden
                              kann, das Neue aber ausser diesem Kreise liegt, anderer
                              Seits das Erfindungs-Patent das Weiterschreiten ermuntert und gegen kleinlich
                              vermehrte Innungs-Schlagbaͤume oder gegen
                              zollvisitationaͤhnliche Examinirungen in Schuz nimmt, waͤhrend
                              gleicher Lohn jeder gleichen Bestrebung bleibt, und die Vortheile neuer nuͤzlicher Erfindungen nach Ablauf der
                              Patent-Zeit als Gemeingut freigegeben sind. – Ich wuͤrde
                              demnach vorschlagen:
                           1) Auch in deutschen Staaten soll auf Anmeldung ein Erfindungs-Patent gegeben
                              werden;
                           2) Die Vorbedingung Neuheit u. Nuͤzlichkeit seyn;
                           3) Die Ertheilung auf den Zeitraum von zehen Jahren
                              geschehen,Dieser Zeitraum moͤchte gleichfoͤrmig, da jede Abstufung von
                                    Willkuͤhrlichkeit der Beurtheilung abhaͤngig bleibt,
                                    anzunehmen, auch entsprechend seyn.
                           4) die Registrirung bei der hoͤchsten Staats-Behoͤrde
                              besorgt,
                           5) die Widerrufung unter eben den Voraussezungen, welche dieselbe in England zur
                              Folge haben, ausgesprochen,
                           6) die Bekanntmachung der Verleihung, so wie der Widerrufung, in hiezu geeigneten
                              oͤffentlichen Blaͤttern veranstaltet,Solche Verkuͤndungen koͤnnten fuͤr Baiern in dem
                                    Kunst- und Gewerbblatt, und auch in diesem polytechnischen Journale
                                    geschehen.
                           
                           7) fuͤr die Befugnisse des Patentes nach Maaßgabe dir Verleihung bei
                              jeder Staatsbehoͤrde der erhobenen Beschwerde Folge und dem Patente Vollzug
                              gegeben,Ohne den Vollzug ist das Patent wohl fuͤr Aktensammlungen, aber nicht
                                    fuͤr das Leben von Bedeutung.
                           8) das System selbst ohne Abaͤnderung aufrecht
                              erhalten,Jede Aenderung in diesem System erschuͤttert das Gebaͤude und
                                    beunruhiget den Spekulationsgeist.
                           9) im Ganzen hiebei das Prinzip Erhoͤhung und
                                 Vervollkommnung der Industrie ohne Anwendung von Zwang befolgt werden; auch
                              sollten die polytechnischen Institute vermehrt, und die Vereine fuͤr diese
                              Zwecke auch durch Dotationen – aus eigenen Beitraͤgen und Zuschuͤsse aus oͤffentlichen Kassen
                              – in den Stand gesezt werden, dem Erfinder Belohnungen zu votiren.Dieser Aufwand waͤre unbedeutend und doch hoͤchst lohnend ganz
                                    remuneratif; der Staat wirkt hiedurch sicher,
                                    und die Industrie bluͤhet unter der freundlichen Pflege; denn ihre
                                    Entwicklung ist stufenweise und natuͤrlich, – sie ist eine planta sensitiva; – ne moveatur! – Es bedarf bei einer
                                    solchen Ruͤcksichtnahme auch nicht der Versicherung, welche v. Moser,
                                    Praͤsident der Landes-Kommission, bei Eroͤfnung dieser
                                    Kommission vortrug: „Daß die Absicht der neuen Anstalt
                                       durchaus nicht sey, unter dem Vorwande von guten Rath und Verbesserungen
                                       in der Stille den Weg zu neuen Steuern zu bahnen u.s.w.“
                                    
                           Herrlich ist die Einwirkung des Staates, welche die
                              Hindernisse beseitiget, durch Institutionen Empfaͤnglichkeit fuͤr das
                              Gute mittheilt, der Industrie die Bahn bricht; zum ungestoͤrten
                              Weiterschreiten, die chinesische Douanen-Mauern moͤglichst entfernet, um die Markt-Linie fuͤr die
                              Erzeugnisse des einheimischen Fleißes zu verlaͤngern, freudige
                              Thaͤtigkeit uͤberall verbreitet, und durch innige Verbindung des
                              Landbaues, der Industrie und des Kommerzes das Bild wahrer Gluͤckseligkeit in
                              das Leben fuͤhrt. –