| Titel: | Beitrag zur genaueren Kenntniß des Stahles. | 
| Fundstelle: | Band 5, Jahrgang 1821, Nr. IX., S. 65 | 
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                        IX.
                        Beitrag zur genaueren Kenntniß des Stahles.
                        Aus einem Aufsaze des Hrn. J. B. Boussingault, Bergbauzoͤgling, uͤber eine Verbindung des Silicium mit der Platina, und uͤber die Gegenwart desselben im Stahle, in den Annales de Chimie et de Physique. Jaͤner 1821. S. 1.Note sur la Combinaison du silicium avec le platine et
                                       sur sa présence dans l'acier. Expériences faites
                                    au laboratoire de l'Ecole des mineurs de St. Etienne. Par M. J. B.Boussingault, Eléve-Mineur. Wir lassen
                                 das, was die Platina betrifft, hier weg, weil es mehr fuͤr Chemiker als
                                 fuͤr Techniker interessant ist. frey uͤbersezt.
                        Boussingault Beitrag zur genaueren Kenntniß des Stahles.
                        
                     
                        
                           Man schreibt dem Kohlenstoffe allein die Eigenschaft zu, Eisen
                              in Stahl zu verwandeln, und diese von den Herrn Monge, Berthollet und Vandermonde
                              ausgesprochene Meinung wird durch die Arbeiten der Chymiker unterstuͤzt, die
                              sich mit dem Stahle beschaͤftigten. Immer wurde in dem bisher untersuchten
                              Stahle Kohlenstoff gefunden; ein anderes Produkt aber, welches man gleichfalls stets
                              und immer gefunden und doch immer als etwas Zufaͤlliges betrachtet hat, ist
                              die Kieselerde, deren Menge zuweilen dem Kohlenstoffe gleich kam. Um dieser
                              Kieselerde mit Aufmerksamkeit nachzuspuͤren, habe ich mehrere Produkte aus
                              dem Eisenwerke des Herrn La Beradiere untersucht, als: Nageleisen (Fer de Rive); geschmideten Caͤmentstahl, Gußstahl
                              in Bloͤken (lingots).
                           
                           Ueberdieß untersuchte ich auch noch Huͤhnerstall (acier
                                 poule) von dem Stahlwerke zu Monkland bei Glasgow, der aus schwedischem
                              Eisen von Danamora verfertigt wurde.
                           Mein Verfahren bestand darin, daß ich den Stahl in Schwefelsaͤure, welche mit
                              sechs mal soviel Wasser, als sie selbst wog, verduͤnnt war,
                              aufloͤßte.
                           Der Ruͤkstand wurde gehoͤrig getroknet, dann gewogen, und verbrannt:
                              der Kohlenstoff wurde nach dem Verluste bemessenIch
                                    glaube, daß der Ruͤkstand vom Stahle sowohl als vom Gußeisen Silicium
                                    enthaͤlt. Dieß ist die Meinung des Herrn Daniel. Da das Silicium
                                    einige Analogie mit dem Borium und dem Kohlenstoffe zu haben scheint, so
                                    waͤre es vielleicht moͤglich, daß es in den
                                    Ruͤkstaͤnden des Stahles im Zustande eines
                                    Eisenpersiliciuͤres, wie der Kohlenstoff im Reißbleye, vorkommt.
                                    Anmerk. d. Orig..
                           Es verdient bemerkt zu werden, daß der Ruͤkstand, welchen kohlenstoffiger
                              Stahl bei seiner Aufloͤsung in verduͤnnter Schwefelsaͤure
                              zuruͤk laͤßt, sich weit fruͤher entzuͤndet, als der
                              Platintiegel, in welchem man ihn schmilzt, roth wird; zuweilen entzuͤndet er
                              sich sogar schon, wenn der Tiegel noch so wenig heiß ist, daß man ihn in der Hand
                              erleiden kann.
                           Der Ruͤkstand der nach dem Verbrennen uͤbrig blieb, wurde mit
                              verduͤnnter Hydrochlorsaͤure digerirt, welche die Metalloxide
                              aufloͤste, und die Kieselerde so ziemlich rein zuruͤkließ. Man
                              calcinirte diese, und wog sie noch heiß.
                           Man sah bei diesem Verfahren weniger darauf die Menge Kohlenstoffes mit aller Strenge
                              zu bestimmen, als die Menge Kieselerde, die hier der Hauptgegenstand war.
                           Die hier untersuchten Produkte gaben folgende Bestandtheile:
                           
                           
                              
                                 
                                 Eisen:
                                 Kohlenstoff:
                                 Silicium:
                                 Braunst. u. Kupf.
                                 
                              
                                 Nageleisen (Fer de Rive)
                                 99, 825
                                 Spuren.
                                 0, 175
                                 Spuren.
                                 
                              
                                 Caͤmentstahl
                                 99, 325
                                 0, 450
                                 0, 225
                                 detto.
                                 
                              
                                 Gußstahl
                                 99, 442
                                 0, 333
                                 0, 225
                                 detto.
                                 
                              
                                 Huͤhnerstahl (acier poule)
                                 99, 375
                                 0, 500
                                 0, 125
                                 detto.
                                 
                              
                           Es sollte, diesen Versuchen zu Folge, scheinen, daß das Eisen bei der
                              Caͤmentation, waͤhrend es sich mit dem Kohlenstoffe verbindet,
                              zugleich eine geringe Menge Silicium absorbirt. Wenn dieß, was ich hier nur noch als
                              zweifelhaft aufstelle, durch eine Reihe von Analysen des Eisens vor und nach der
                              Caͤmentation desselben erwiesen waͤre, so koͤnnte man den Nuzen
                              gewisser Substanzen, welche man der Kohle in den Caͤmentbuͤchsen
                              zusezt, begreifen.
                           Die Verbindung des Eisens mit dem Silicium wurde schon vor langer Zeit von Herrn Clouet wahrgenommen; er sagte: das Eisen verbindet sich
                              mit dem Glase; und unter allen erdenklichen Versuchen durch welche man beweisen
                              koͤnnte, daß das Silicium die Eigenschaft hat das Eisen in Stahl zu
                              verwandeln, duͤrfte es keine entscheidenderen geben als jene, welche dieser
                              geschikte Chemiker angestellt hat: allein, so maͤchtig ist die Allmacht
                              angenommener Meinungen, daß er seine Resultate zu Gunsten des Kohlenstoffes
                              auslegte.
                           Man weiß, daß Clouet Gußstahl aus weichem Eisen erzeugte,
                              welches er mit einem Gemenge von Thon und kohlensauren. Kalke schmolz:
                              uͤberzeugt, daß Kohlenstoff dem Stahle wesentlich zukomme, nahm er an, daß
                              auch sein Stahl solchen enthielte, ohne die Gegenwart desselben zu erweisen. Er
                              erklaͤrte die Bildung seines Stahles auf folgende Weise: das Eisen entzieht,
                              bei hoher Temperatur, sagt er, der Kohlensaͤure der Kalkerde ihren
                              Sauerstoff; das dadurch entstandene Eisenoxid verbindet sich mit den Erden, und der
                              frei gewordene Kohlenstoff verbindet sich mit dem noch uͤbrigen Eisen zu
                              Stahl: alles dieß geschieht durch praͤdisponirende Affinitaͤt.
                           
                           Diese Theorie findet sich in allen Werken uͤber den Stahl.
                           Wenn man indessen uͤber diese Operation nachdenkt, st hat man Muͤhe
                              diese Zersezung der Kohlensaͤure zu begreifen, und man findet in dem
                              beigesezten Zuschlage nur den zur Bildung eines Glases mit dem Thone nothwendigen
                              KalkMan macht sehr guten
                                    Stahl à la Clouet, wenn man statt des
                                    kohlensauren Kalkes reine Kalkerde nimmt. Anmerk. d. Orig..
                           Um mich zu uͤberzeugen, ob in dem Clouet'schen Stahle Kohlenstoff vorhanden
                              ist, bereitete ich mir solchen, indem ich buchstaͤblich dem in dem Berichte
                              an das Institut (Journ. des Mines XVIII.) angegebenen
                              Verfahren folgte. Das angewendete Eisen ließ keinen bemerkbaren Ruͤkstand
                              nach seiner Aufloͤsung in verduͤnnter Schwefelsaͤure.
                           Der Tiegel wurde um 7 Uhr eingesezt. Um 8 Uhr war alles in vollkommenem Flusse, und
                              ich goß: der Tiegel war im guten Zustand, und konnte noch ein mal angewendet werden.
                              Nachdem ich mir auf diese Weise eine hinlaͤngliche Menge Clouet'schen Stahl
                              bereitet hatte, untersuchte ich seine Eigenschaften und seine Mischung.
                           Er feilt und schmiedet sich schwerer als der Gußstahl des Herrn La Berardiere.
                           Polirt flekt er nicht mit Salpetersaͤure.
                           In verduͤnnter Schwefelsaͤure loͤßt er sich schwer auf und
                              behaͤlt, waͤhrend er sich aufloͤßt, seinen Metallglanz. Der
                              Ruͤkstand den er gab, war sehr bedeutend, und vollkommen weiße
                              Kieselerde.
                           Clouet'scher Stahl bestand aus
                            99, 20 Eisen;
                             0, 80 Silicium, oder 1, 60 Kieselerde;
                             0, 0 Kohlenstoff.
                           –––––––––––
                           100, 0
                           
                           Hier haͤtte man also einen Stahl, der ganz allein Silicium zur Basis hat. Man
                              kann ihm den Namen Stahl nicht versagen, weil er die charakteristische Eigenschaft
                              desselben, sich zu erhaͤrten bei dem Haͤrten, vollkommen besizt.
                           Man kann jezt also doch soviel behaupten, daß zur Um, Wandlung des Eisens in Stahl
                              Silicium wenigstens eben so nothwendig ist, als Kohlenstoff, weil es nicht scheint,
                              als ob es einen Stahl ohne Silicium gaͤbe, und es jedoch gewiß ist, daß es
                              einen Stahl ohne Kohlenstoff gibt. Man muß sich indessen, bei dem
                              gegenwaͤrtigen Zustande unserer Kenntnisse, wohl huͤthen, den
                              Kohlenstoff als etwas Unnuͤzes im Stahle zu betrachten. Dieser brennbare
                              Koͤrper ist vielleicht hoͤchst noͤthig um ihn leichter
                              verarbeiten zu lassen. Ein Umstand, der fuͤr diese Bearbeitung spricht, ist,
                              daß jeder bisher verarbeitete Stahl kohlenstoffhaltig ist, der Clouet'sche Stahl
                              aber bisher noch zu nichts verwendet wurde.
                           Nur ein geuͤbter Kuͤnstler, der diese beiden Arten von Stahl
                              vergleichen koͤnnte, koͤnnte uͤber diesen Gegenstand
                              absprechen.
                           
                        
                           Ueber Gußeisen.
                           Man pruͤft die Schmelzbarkeit des Eisens, indem man dasselbe in einem
                              hessischen Tiegel in den Fluß bringt: man erhaͤlt auf diese Weise einen Blok,
                              der bei dem Feuer unserer Schmieden schmelzbar ist.
                           Es handelt sich hier nur um die Beantwortung einer Frage: ist der durch das Schmelzen
                              erhaltene Metallblok reines Eisen?
                           10 Gramme Nadeleisen (Clous d'epingle) wurden in
                              Stuͤke geschnitten: 5 Gramme davon gaben, in verduͤnnter
                              Schwefelsaͤure aufgeloͤset, einen nur unbedeutenden Ruͤkstand.
                              Die 5 anderen Gramme wurden in einem hessischen Tiegel geschmolzen, und gaben einen
                              sehr gut geschmolzenen sehr glaͤnzenden Blok.
                           
                           Er war schwerer zu feilen und zu schmieden als das dazu angewendete Eisen; er
                              behielt, wie Clouet's Stahl, seinen Glanz in der verduͤnnten Saͤure,
                              und ließ einen sehr haͤufigen und sehr weißen Ruͤkstand in derselben,
                              der reine Kieselerde war.
                           
                              
                                 Der erhaltene Blok bestand aus
                                 99, 64 Eisen,
                                 
                              
                                 
                                  0, 54 Silicium, oder 1, 08 Kieselerde.
                                 
                              
                           Dieses geschmolzene Eisen hat, wie man sieht, große Aehnlichkeit mit Clouet's
                              Gußstahle; der Thon und Kalk, den man dem Eisen zusezt um Stahl à la Clouet zu erzeugen, bildet ein kieselartiges
                              Glas, welches das Metall wie ein Bad umgibt, das, durch Zersezung der Kieselerde
                              entstandene, Eisenoxid leicht aufloͤset, und dadurch die Operation sehr
                              erleichtert.
                           Bei dem Schmelzen des Eisens hingegen geschieht die Zersezung der Kieselerde nur mit
                              Muͤhe, indem die Kieselerde des Tiegels eine bedeutende
                              Cohaͤsionskraft aͤußert, und das hierdurch gebildete Eisenoxid sich in
                              den Tiegel einsintert, und endlich die Erde gegen die Beruͤhrung des Metalles
                              schuͤzt: dieß ist wahrscheinlich die Ursache, warum die Stahlbildung nie
                              vollendet wird, wenn man das Eisen ohne Glas behandelt.
                           Man kann also nie uͤber den Grad der Schmelzbarkeit des Eisens urtheilen, wenn
                              man diese Operation in einem hessischen Tiegel anstellt, indem es
                              hinlaͤnglich erwiesen scheint, daß bei einer hoͤheren Temperatur das
                              Eisen die Kieselerde reducirt, sich mit dem Silicium verbindet, und eine
                              schmelzbarere Mischung bildet, als das Metall selbst. Eben dieß hat auch bei der
                              Platina statt, wenn diese vollkommen reducirtes Silicium findet; und wenn sie nicht,
                              wie das Eisen, in einem hessischen Tiegel in den Fluß geraͤth, so kommt dieß
                              davon her, daß sie, bei ihrer geringeren Verwandtschaft zum Sauerstoffe, nicht, wie
                              das Eisen, die Eigenschaft besizt die Kieselerde zu zersezen. Wenn man den Schmelzungsgrad
                              des Eisens eben so wenig mit Genauigkeit kennt, als jenen der Platina und des
                              Braunsteins, so glaube ich daß man folgende Ordnungsreihe festsezen kann, in welcher
                              diese Metalle, in Verbindung mit Kohlenstoff oder mit Silicium, oder mit beiden
                              zugleich, in Fluß gerathen: Eisen schmilzt am leichtesten in einem
                              gefuͤtterten Tiegel (creuset brasqué);
                              dann kommt Platina, endlich Braunstein; wenn diese Metalle, wie es sehr
                              wahrscheinlich ist, im reinen Zustande dasselbe Verhaͤltniß des
                              Schmelzungsgrades beobachten, so muͤßte man schließen, daß Braunstein weniger
                              schmelzbar ist als Platina.