| Titel: | Die Zubereitung des Juftenleders (der Juchten) in Rußland. Von Professor Dr. J. C. Petri in Erfurt. | 
| Autor: | Prof. Johann Christoph Petri [GND] | 
| Fundstelle: | Band 7, Jahrgang 1822, Nr. XXIII., S. 179 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XXIII.
                        Die Zubereitung des Juftenleders (der Juchten) in Rußland. Von Professor Dr. J. C. Petri in Erfurt.
                        Petri über die Bereitung des Juftenleder.
                        
                     
                        
                           Nirgends in der Welt wird bekanntlich das Juftenleder so gut verfertiget als in RußlandMan
                                    vergleiche die Preisaufgaben hierauf im vorigen Hefte S. 116. D.. Schon von alten
                              Zeiten her waren die Russen durch dieses Fabrikat bekannt, und der Markt fuͤr
                              dasselbe war eine geraume Zeit bloß in Rußland. Zwar wurde auch welches in Polen und
                              Oesterreich, so wie spaͤterhin in England, gemacht, aber nicht in solcher
                              Guͤte, Dauer und Festigkeit. In ungeheurer Menge ward daher dieses Leder von
                              jeher aus dem russischen Reiche in fremde Laͤnder gebracht. Die Versuche,
                              Juften von einer solchen Guͤte zu liefern, wie die russischen sind, mißlangen
                              mehr, als daß sie denselben den Vorzug haͤtten streitig machen
                              koͤnnen, obgleich die Zubereitung derselben, die man in mehreren Schriften
                              russischer GelehrtenBesonders in
                                    den Reisen mehrerer Akademiker, Gmelins, Pallas,
                                    Georgi's, Lepechins u.a.m. auch in Herrmanns statistischer Schilderung von
                                    Rußland. angezeigt findet, kein Geheimniß mehr ist. Der Grund
                              dieses groͤßeren Vorzugs mag also wohl in Localursachen zu suchen seyn, im
                              Klima, in den eigenthuͤmlichen Zuthaten und der Beschaffenheit der
                              Ingredienzien.
                           Es giebt zweierley Arten von Juften, rothe und schwarze, und unter diesen wieder ganz feine, ordinaͤr feine, feine Mittelsorten,
                                 ordinaͤre Mittelsorten und Ausschuß. Alle
                              kommen in den Handel und werden sehr gesucht; alle zeichnen sich aber auch durch
                              einen ganz eigenthuͤmlichen Geruch, durch Staͤrke und Geschmeidigkeit
                              aus. Vorzuͤglich sind die ganz feinen uͤberaus geschmeidig, weich,
                              sanft, hoch- und karmoisinroth und inwendig hellbraun; ihre Narben sind
                              erhaben, fein und spiegelnd. Auf der Zunge haben alle Juften einen verbrannten
                              Ledergeschmak. Sie werden nicht allein aus groͤßeren Rinderhaͤuten,
                              sondern auch aus Roßhaͤuten, aus Kalb-, Bok- und Ziegenfellen
                              verfertiget. Die lezteren, besonders von ein- und zweijaͤhrigen
                              Thieren, werden gemeiniglich zu rothen Juften genommen und sind vorzuͤglich fein, weich
                              und sanft anzufuͤhlen, werden auch in Vergleichung mit den andern am
                              theuersten bezahlt.
                           Der dem Juftenleder so ganz eigenthuͤmliche Geruch ruͤhrt vom Birkenoͤl (Birkentheer,
                              russ. Daͤggut) her, in welchem die Haͤute
                              getraͤnkt werden. Es war dieses lange Zeit in dem uͤbrigen Europa ein
                              Geheimniß. Man rieth hin und her und machte diesen und jenen Versuch, um denselben
                              Geruch hervorzubringen. Es wollte immer nicht gelingen, bis man endlich das Mittel
                              fand, oder erfuhr, und jezt weiß man bestimmt, daß der Grund davon die
                              Traͤnkung des Leders in dem reinsten Birkenoͤl ist. Dieses gewinnt man am besten von alten,
                              voͤllig ausgewachsenen und auf sandigen Boden stehenden Birken, welche so
                              weit verfault sind, daß bloß noch die aͤußere oͤlige Rinde
                              uͤbrig geblieben ist. Das Oelbrennen aus der Birkenrinde geschehet durch das
                              unterwaͤrts vorgenommene Destilliren.
                           Die vornehmsten Oerter, wo naͤchst Moskau und St.
                              Petersburg die meisten und besten Juften verfertiget
                              werden, sind: Iaroslaw, Wolodimer, Plaͤkow, Kostrana,
                                 Kasan, Wologde, Arsamas, Nischegorod und Katharinenburg. Aber auch zu Pinsko in
                              Lithauen, in Twer, Tambow, Orlow und Irkuzk, wird sehr gutes Juftenleder
                              zubereitet. Die Verfahrungsart dabei aber selbst ist folgende:
                           Fuͤrs erste werden die rohen Haͤute und Felle in Flußwasser erweicht,
                              oder, woferne kein Fluß in der Naͤhe seyn sollte, in große zu dem Ende in die
                              Erde gegrabene Kufen voll Wasser gelegt, zum Durchnezen, eine ganze Woche lang, im
                              Sommer aber etwas kuͤrzer. Waͤhrend dieser Zeit nimmt man sie
                              taͤglich aus dem Wasser und bricht sie auf einer gewoͤhnlichen
                              hoͤlzernen Breche. Sind sie auf diese Art gehoͤrig durchgeweicht, so
                              bringt man sie ein paar Wochen lang (bei warmer Witterung eine kuͤrzere Zeit)
                              zum Enthaaren in eine Kalk- und Aschenlauge, spuͤlt sie wieder rein
                              ab, weicht sie dann abermals ein, stampft sie, spuͤlt sie nochmals ab, bringt
                              sie durch Schwizen in eine leichte Gaͤhrung und schabt sie endlich mit einem
                              Schabeeisen wohl ab. Das Merkmal, ob sie lange genug in der Lauge gewesen sind, ist,
                              wenn man das Haar ohne Muͤhe mit der Hand ausrupfen kann, so daß nichts
                              zuruͤke bleibt.
                           Nach dieser Vorrichtung werden die Haute getreten, tuͤchtig durchgearbeitet,
                              aufs neue im Wasser gereiniget und auf der Fleischseite sorgfaͤltig
                              abgeschabet und geebnet. Die kleinen jungen Rindshaͤute aber bekommen eine
                              Bereitung, welche die Juftengaͤrber Kakscha
                              nennen. Diese Bereitung wird mit trokenem weißen Enzian (Hunde-Exkrementen)
                              gegeben, den man in siedendem Wasser zergehen laͤßt, und auf 100
                              Haͤute etwa 4 Eimer voll Enzian rechnet. Man versaͤume hierbei aber ja
                              niemals das richtige Verhaͤltniß mit dem Wasser, weil sonst die Haͤute
                              in dieser Jauche, deren Endzwek die voͤllige Befreiung der Felle von dem
                              darin stekenden Laugensalz ist, verderben. Sie muͤssen 48 Stunden darin
                              bleiben.
                           Nunmehr kommen die Felle in ein mit Hafermehl zubereitetes Sauerwasser zum
                              Aufschwellen. Man rechnet gewoͤhnlich auf 10 Haͤute 40 Pfund Mehl.
                              Nach 3–4 Tagen werden sie wieder gewaschen und rein abgespuͤlt. Jezt
                              bringt man sie in eine andere Kufe in eine starke Lohebruͤhe, die aus dem mit
                              guter Gerberlohe, z.B. aus der Sandweidenrinde, oder aus der Schwarz- und
                              Sandweidenrinde, scharf abgekochtem Wasser besteht, laͤßt sie 2–3 Tage
                              darin liegen und wohl durchziehen. Alsbald nimmt man sie heraus, waͤscht sie,
                              zerarbeitet sie tuͤchtig und tritt sie sodann in derselben Lohebruͤhe
                              eine halbe Stunde lang unaufhoͤrlich. Ungefaͤhr nach 8 Tagen
                              verstaͤrkt man diese Bruͤhe durch neue Lohe, und nach Verlauf einer
                              Woche werden die Haͤute herausgenommen und mit umgekehrter Fleischseite
                              getroknet. Sobald sie etwas abgetroknet sind, uͤbergiebt man sie denjenigen
                              Arbeitern oder Gesellen, welche in besonderen Werkstaͤtten das
                              Faͤrben, Aufpuzen und Einschmieren der Juften besorgen und die Waare fertig
                              abliefern.
                           Hierbei ist zu bemerken, daß die russischen Juftengaͤrber sich der Eichenlohe
                              selten und nicht gern bedienen. Die gesuchteste und von ihnen in der Regel
                              angewandte Lohe ist die von Schwarzweiden abgeschaͤlte junge Rinde, welche
                              von den Bauern gesammelt, in Buͤndeln getroknet und Fuderweise zu Markte
                              gebracht wird. Auf 10 Haͤute rechnen die Gaͤrber ungefaͤhr
                              anderthalb aufgesezte Klafter solcher in Buͤndel gebundener Weidenrinde durch
                              alle Lohen. Man darf aber nicht glauben, als wenn hierauf die Guͤte der
                              Juften allein beruhe; denn in Sibirien, wo keine Eichen und nur wenige Schwarzweiden
                              wachsen, gaͤrbt man die Juften mit bloßer Birkenrinde, und dennoch sind sie
                              nicht viel schlechter als die russischen. In Irkuzk kennt man gar keine andere Art
                              zu gaͤrben, als die mit der Rinde von Birken.
                           Das Faͤrben der Juften geschiehet auf zweierlei Art und in zweierlei Farben,
                              naͤmlich roth und schwarz. Zu beiden bedient man sich des Brasilienholzes (Sandels). Die rothe Farbe wird auf folgende Weise gegeben: Man
                              laͤßt das Brasilienholz in der Stampfmuͤhle oder mit
                              Handstaͤmpeln sehr fein zerstoßen und kocht es in Kesseln, worein man etwas
                              Alaun wirft. Man kann auch die Haͤute vor der Farbe mit Alaunwasser
                              traͤnken. Auf eine kleine Juftenhaut wird ein halb Pfund, auf eine groͤßere aber drei
                              Viertel bis ein Pfund Sandelholz gerechnet. Die leztern aber werden meistentheils
                              schwarz gefaͤrbt. Auf die rothen Juften ist zu 100 Stuͤk 4 Pfund Alaun
                              hinreichend.
                           Zur schwarzen Farbe gebraucht man, wie gesagt, ebenfalls
                              das Brasilienholz; man loͤset aber in der rothen Farbe auf 100 Haͤute
                              3 Pfund guten Eisenvitriol auf. Andere thun bloß Vitrioloͤl hinzu.
                           Die Russen pflegen die Felle mit duͤnnen Riemen oder mit starkem Bast paarweiß
                              zusammen zu naͤhen, wovon das Leder auch den Namen Juften (russisch Iufti, ein Paar) erhalten hat. Die Narbenseiten kommen
                              gegen einander und nur eine Oeffnung bleibt uͤbrig, in welche sie die Farbe
                              eingießen. Hernach knuͤpfen sie die Haͤute gut zu, ruͤtteln und
                              schuͤtteln, rollen und waͤlzen sie, so lange, bis die Farbe recht
                              eindringt, worauf sie die uͤberfluͤßige Farbe auslaufen lassen und die
                              Haͤute troknen.
                           Nach dieser ersten Farbe werden die Haͤute noch einmal durch Anstreichen
                              gefaͤrbt, indem man jede Haut uͤber einen Bok haͤngt, so daß
                              sich die Haarseite, welche gefaͤrbt werden muß, auswaͤrts zeigt.
                              Bisweilen geschieht dieses Nachfaͤrben noch zum Drittenmal, um die Farbe wohl
                              zu erhoͤhen. Sind dann die Haͤute ziemlich troken geworden, so
                              faͤngt man an, sie auf der Fleischseite mit dem reinsten und duͤnsten
                              Birkenoͤle (oder Birkentheer, russisch Doͤggut) uͤberall einzuschmieren. Faͤngt das Oel an,
                              einzutroknen, so werden die Haͤute mit einem besonderen Kerbholze nach der
                              Laͤnge und Queere genarbet, wodurch uͤberall kleine Furchen
                              entstehen.
                           Nunmehr bringt man die Haͤute ins Puzhaus, wo geuͤbte Arbeiter zuerst
                              mit einem Schabeisen vollends alle Unreinigkeiten, Fasern u. d. gl. abpuzen, so daß
                              nur die reine glatte Oberflaͤche uͤbrig bleibt, und jene gegitterten
                              Streifen sich ganz sauber zeigen. Die Schaͤrfe der Schabeisen wird hierbei mit einem
                              glatten Stahle umgelegt erhalten. Endlich wird das nunmehr ganz fertige Leder auf
                              der Fleischseite noch einmal mit Birken- oder Hanfoͤl eingerieben, auf
                              einem hoͤlzernen Boke nochmal geglaͤttet und dann in den Handel
                              geliefert.
                           Die Juftenzubereitung ist nicht uͤberall ein- und dieselbe. In manchen
                              Gegenden werden die voͤllig rein geschabten, geglaͤtteten und schon
                              einmal mit Doͤggut eingetraͤnkten Haͤute abermals auf große
                              Strekbaͤnke oder Werktafeln gelegt, an der Fleischseite mit einem feinen
                              Staubregen von frischem Wasser aus dem Munde eingesprengt und aufgerollt eine
                              Zeitlang zum Durchfeuchten hingehaͤngt. Darauf wird eine Haut nach der andern
                              zusammengefaltet und mit den Haͤnden auf der Tafel in allen Richtungen
                              durchgearbeitet und gemangelt, um sie recht weich zu machen. Dann giebt man ihr erst
                              mit dem vorerwaͤhnten Kerbholze (wozu andere einen schweren eisernen
                              Cylinder, der eingekerbt ist, oder erhabene Streifen hat, nehmen) die
                              rautenfoͤrmigen Eindruͤke und bestreicht sie nochmals mit
                              Birkenoͤl.
                           Die Hauptsache bei aller verschiedenen Behandlung bleibt immer, daß das Juftenleder
                              den ihm gehoͤrigen eigenthuͤmlichen und unvertilgbaren Geruch, welchen
                              die Auslaͤnder so sehr als das wahre Kennzeichen beruͤksichtigen, eine
                              gute Farbe, eine fein genarbte oder gegitterte Oberflaͤche und eine
                              vollkommene Geschmeidigkeit erhalte. Das wiederholte Hindurchziehen des Leders durch
                              den sogenannten Brechring (welches jedoch nicht alle
                              Juftenbereiter beobachten), das nachmalige Aufhaͤngen auf Stangen und zulezt
                              nochmals ein Besprengen oder Bestreichen mit Birken- oder Hanfoͤl,
                              dessen sich die Russen auch sonst haͤufig bei ihrem Geschirre und Lederwerke
                              bedienen, ist es eigentlich, was die Juften so uͤberaus weich, gelinde und
                              geschmeidig und eben deswegen im Auslande so beliebt macht.
                           
                           Der Gebrauch des Birkentheers war ehedem eine Zeitlang, wegen Schonung der
                              Birkenwaͤlder, von der Regierung untersagt, und statt dessen das Delfin und Seehundsfett zum
                              Einschmieren zu nehmen befohlen worden. Allein das Verbot mußte bald wieder
                              zuruͤkgenommen werden, weil die Juften von dem empfohlnen Fette nicht nur
                              sproͤder wurden, sondern auch den eigenen Geruch nicht bekamen, welchen die
                              Auslaͤnder schaͤzen, und folglich der Absaz darunter zu leiden
                              anfieng. Dieser ist von jeher sehr stark gewesen. Schon im 17ten Jahrhunderte wurden
                              jaͤhrlich im Durchschnitte uͤber 200,000 Paar Juftenfelle
                              ausgefuͤhrt, und seit dieser Zeit hat sich der Absaz bis auf 250,000 Paar
                              vermehrt. Damals wurden die Haͤute dazu von den Juftenbereitern weit und
                              breit in Pedolien, in der Ukraͤne, in Lief- und Epstland, aufgesucht:
                              jezt liefert die einheimische Viehzucht deren genug, ohne daß man noͤthig
                              hat, sie aus andern Laͤndern zu holen.