| Titel: | Ueber Verfertigung der Strohhüte und anderer Strohwaaren. | 
| Fundstelle: | Band 7, Jahrgang 1822, Nr. XLVI., S. 320 | 
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                        XLVI.
                        Ueber Verfertigung der Strohhüte und anderer Strohwaaren.
                        Ueber Verfertigung der Strohhüte und anderer Strohwaaren.
                        
                     
                        
                           Das Stroh leistet nicht bloß bei der Landwirthschaft vorzuͤglichenvorzuͤzlichen Nuzen, sondern liefert auch zu groben und feinen Flechtwaaren, ja selbst
                              zu manchen Luxusartikeln das Materiale, und es laͤßt sich sogar erwarten, daß
                              solches, wenn man erst in der Verfeinerung und Faͤrbung desselben weitere
                              Fortschritte gemacht haben wird, noch zu Stikereien und andern Produkten der
                              zeichnenden Kuͤnste gebraucht werden duͤrfte. Schon jezt
                              beschaͤftigen die Stroharbeiten in England, Frankreich, ItalienBesonders in
                                    dem Großherzogthum Toskana und in der Lombardei zu Asiago in der Delegation Verona werden jaͤhrlich
                                    fuͤr 3 Mill. Lire Strohhuͤte und Strohbaͤnder
                                    verfertiget., Schweiz, besonders im Kanton ArgauDie
                                    bedeutendste Versendung macht Niederlenz nach Rußland. D.,
                              SachsenDie
                                    Strohmanufaktur beschaͤftiget in 50 Ortschaften des
                                    Koͤnigreichs Sachsen gegen 5000 Menschen, und ertragt
                                    jaͤhrlich wenigstens 130,000 Thlr., BaadenMan rechnet,
                                    nach einem nur beilaͤufigen Anschlage, daß sich in dem Bezirksamt
                                    Teyberg wenigstens 1500 Personen mit Verfertigung des groben, und 250
                                    Personen mit dem feinen Geflechte beschaͤftigen und sich dadurch
                                    jaͤhrlich 85000 fl. erwerben s. v. Fahnenbergs Magazin fuͤr die Handlung etc. B. IV. S. 31.
                                    f., BoͤhmenBesonders in
                                    dem Leitmerizer Kreis. und Tyrol viele Haͤnde; auch den
                              Einwohnern des Landgerichts Weiler im koͤn. baierischen Oberdonaukreise
                              sichert die Verfertigung und der Handel mit Strohhuͤten eine
                              jaͤhrliche Einnahme von 40–50000 fl.S. Dingler's
                                    Bericht von der vierten Industrie-Ausstellung zu Augsburg im Oktbr.
                                    1821. S. 13. zu.
                           Da die Stroharbeit von Kindern und Weibspersonen gefertiget werden kann, und das
                              Material dazu fast in jedem Lande leicht zu erhalten ist, so glaube ich die
                              Vorsteher von Industrieschulen und Arbeitsanstalten, unter Hinweisung auf eine in
                              Hermbstaͤdts Bulletin des Neuesten und
                              Wissenswuͤrdigsten etc. B. VIII. S. 97. f. befindliche vortrefliche
                              Abhandlung uͤber das Strohflechten uͤberhaupt, und uͤber das
                              Spalten des Strohes zur Anfertigung des feinen Geflechts ins Besondere von Hrn.
                              Fabrikenkommissaͤr May auf diesen Industriezweig
                              aufmerksam machen, und bloß mit einigen Nachrichten von der Vorbereitung und von dem
                              Faͤrben des Strohes begleiten zu duͤrfen, um demselben auch in jenen
                              Gegenden, wo man bisher noch nichts davon wußte, Eingang zu verschaffen. Zum
                              Erzeugniß dieses Strohes wird ein dazu schikliches Erdreich, ein guter Saame und ein
                              gehoͤriger Grad von Reife erfordert. Ein bergigtes Land schikt sich am besten zum Anbau
                              desselben. Vor der Aussaat muß der Boden von allem Unkraut gereiniget werden, damit
                              die Sonnenstrahlen von allen Seiten zugleich das junge Gesaͤme bescheinen
                              koͤnnen. Auch duͤrfen auf einem solchen Felde keine Baͤume
                              stehen, weil sonst der Schnee flekweise zu lange liegen bleiben, und die Saat
                              verderben wuͤrde.
                           Die beste Getreideart, deren Stroh zu den Huͤten taugt, ist der Sommerweizen,
                              weil er den duͤnnesten, feinsten und laͤngsten Halm bildet, und eine
                              groͤßere Menge von Halmen hervortreibt, als jede andere Gattung aus dem
                              Geschlechte der Graͤser. Der Winterweizen liefert, weil er dikere
                              Koͤrner hat, ein staͤrkeres, aber eben deswegen nicht so brauchbares
                              Stroh. Die Aussaat geschieht im Monat November oder December. Der Saemann muß eine
                              sichere und geschikte Hand haben, damit die Koͤrner weder in zu großer Menge
                              noch zu karg ausgestreut werden. Denn im ersten Falle wuͤrden die Halmen beim
                              Aufkommen erstiken, und im zweiten zu fest und voll, und dadurch zum Geflechte
                              fuͤr die Huͤte ganz unbrauchbar werden.
                           Das Schwierigste bei dem ganzen Geschaͤfte ist die Kunst, den rechten Grad der
                              Reife des Strohes zu treffen, welche kein Unterricht geben kann, sodern den die
                              Erfahrung lehren muß. Gewoͤhnlich faͤllt dieser Zeitpunkt in die
                              Aerndte, wenn das Korn in den Aehren beinahe ausgewachsen ist, ungefaͤhr
                              gegen das Ende des Juni, kurz zuvor, ehe die Aerndte der uͤbrigen
                              Getreidearten beginnt. Laͤßt man es laͤnger stehen, so bekommt das
                              Stroh Fleken, und kann alsdann nur hoͤchstens zu solchen Huͤten
                              gebraucht werden, die gefaͤrbt werden sollen. Hat nun das Stroh die
                              gehoͤrige Reife erlangt, so darf es weder mit der Sense noch mit der Sichel
                              abgeschnitten, sondern es muß, samt der Wurzel ausgerissen werden. Sodann
                              laͤßt man es drei bis vier Tage auf Haufen liegen, damit es troken und fest
                              wird, weil es sich sonst nicht behandeln laͤßt, indem eine große Menge von den Halmen zerkniken
                              wuͤrde. Alsdann erst schneidet man die Wurzeln ab, und schreitet zum
                              Dreschen, wobei wieder große Behutsamkeit angewendet werden muß, damit das Stroh
                              nicht zerquetscht oder zerknikt werde. Die aus den Aehren gewonnenen Koͤrner
                              lassen sich zum Baken sehr gut gebrauchen, und die italienischen Baͤker
                              moͤgen das Mehl von diesen Koͤrnern sehr gern zu den feinern
                              Gebaͤken haben, weil es nur wenig gaͤhrt.
                           Die Halme des ausgedroschenen Strohes werden ausgesucht, und die brauchbaren von den
                              unbrauchbaren durch die RuͤffelEin
                                    rechenaͤhnliches Instrument mit dicht neben einanderstehenden
                                    eisernen Zaͤhnen. gesondert. In mehreren Gegenden wird das
                              Getreide nicht mit dem Stroh gedroschen, sondern die Aehren von den Halmen
                              geschnitten. Die schlechtern bekommt das Vieh, die taugbaren hingegen sammlet man in
                              kleine Gebunde (in Sachsen Schoͤben genannt), welche nun wieder 6 bis 8 Tage
                              zum voͤlligen Austroknen an die Sonne auf trokne Stellen gelegt werden.
                              Rasen- oder Grasplaͤze muß man vermeiden, weil hier die Halme Fleken
                              bekommen wuͤrden. Auch der Regen darf dieselben nicht treffen, da dieser sie
                              gaͤnzlich verderben wuͤrde. Man wendet sie waͤhrend des
                              Troknens fleißig um, damit sie nicht nur die Sonne bescheine, sondern auch der Thau
                              sie beruͤhre. Um den Halmen eine noch groͤßere Weiße zu geben, als sie
                              durch die bisher erwaͤhnte Behandlung erhalten, weicht man die kleinen
                              Buͤndel in einem Bache mit reinem Wasser ein, und bringt sie, nachdem sie
                              rein abgelaufen, und mit der Scheere nach Maasgabe der Knoten in 3 Theile
                              verschnitten worden sind, in eine Schwefelkammer. Diese KammerManche
                                    bedienen sich hiezu nur eines Schwefelfasses, das in der Mitte einen
                                    doppelten durchbrochenen Boden hat, unter dem das Gefaͤß mit
                                    brennendem Schwefel steht. besteht aus kleinen wohl verschlossenen
                              Kaͤsten, die keine andere OeffnungOefnung als eine kleine Thuͤre haben, worin aber mehrere Reihen von Leisten
                              angebracht sind, auf welchen die Buͤndelchen ganz duͤnne ausgebreitet
                              werden, daß der in einem Gefaͤß im Kasten hingestellte Schwefel sie von allen
                              Seiten durchdringen kann. Nach zwei Tagen wiederholt man dasselbe Verfahren, nimmt
                              dann die Buͤndel heraus, und sezt sie, weil sie feucht geworden sind,
                              abermals den Strahlen der Sonne ausViel
                                    zwekmaͤßiger geschieht das Blaichen des Strohs in liquidor
                                    schwefliger Saͤure, wozu Hr. v. Kurrer demnaͤchst im
                                    polytechnischen Journal eine Anleitung gibt. D.. Auf diese Weise
                              zubereitet, werden die Halme sortirt, und unter verschiedene Nummern gebracht, deren
                              eine immer feiner ist, als die Andere. Alle diese Sorten werden dann in Streifen
                              geflochten, und so lange aufbewahrt, bis man daraus Huͤte verfertigen will.
                              Soll das Stroh zu Blumen oder andern Sachen gefaͤrbt werden, welches nach
                              einigen vorHermbstaͤdts gemeinnuͤziger
                                    Rathgeber etc. 1. Samml. n. 44. nach
                              andern aber erst nach dem SpaltenKunstmappe
                                    eines Karthaͤusers S. 82. geschehen muß, so suche man dazu
                              das schoͤnste, dikste und laͤngste aus, lasse es zuerst in Alaunwasser
                              sieden, und dann wieder troknen. Die rothe Farbe erhaͤlt es, wenn man es mit
                              duͤnnen Fernambuk- oder Bresilienspaͤnen in Weinessig und Alaun
                              kocht; je laͤnger es gekocht wird, desto dunkler wird die Farbe, auch kann
                              man ein wenig Potasche hinzu thun.
                           Der Saft von Brombeeren faͤrbt das Stroh roth, legt man das so
                              gefaͤrbte Stroh in Alaunwasser, so wird's blau. Auch kann man mit Indigo, wie
                              ihn die Faͤrber zubereiten, das Stroh blau faͤrben. Zur gruͤnen
                              Farbe nimmt man destilirten Spangruͤn, den man zerstoßt und einige Tage in
                              scharfem Weinessig digerirt. In diesem essigsauren Kupfer nimmt das Stroh eine sehr
                              schoͤne gruͤne Farbe an. Um das Stroh gelb zu faͤrben, wird es
                              in einem Kessel mit Wasser mit etwas Kurkume gekocht, es darf aber nicht zuvor in
                              Alaun gesotten werden.
                           Um violete Farbe zu erhalten, werden rothe und blaue Farben untereinander
                              gemischt.
                           Um schwarz zu erhalten, laͤßt man Stroh in einem Kessel, mit Blau- oder
                              Campeschenholz und ein wenig Salz, mit der gehoͤrigen Quantitaͤt
                              Wasser kochen. Silberfarbe so wie helle und dunkelgraue Nuͤancen
                              erhaͤlt man, wenn man las Stroh nur eine kurze Zeit sieden laͤßtEine
                                    vollstaͤndige Anleitung Stroh zu faͤrben, werde ich in einiger
                                    Zeit in dem polytechnischen Journal mittheilen. D.. Soll das so
                              vorbereitete Stroh zu Blumen, zu Federbuͤschen etc verarbeitet werden, so
                              werden die Halme in sehr kleine Stuͤkchen zerschnitten; sollen hingegen
                              Huͤte oder Muͤzen daraus geflochten werden, dann wird es nur halb so
                              fein zertheilt. Um Rosen daraus zu fertigen, werden die Streifen auf einem
                              Nesseltuche gekniffet, uͤber welches zu dem Behuf
                              mit einer gekerbten Rolle hinweggefahren wird. Das Formen der Blumen geschieht
                              mittelst benezten Fingern, um das Zerkniken und Zerbrechen des Strohes zu vermeiden.
                              Soll das Stroh durch lebhafte Blumen gehoben werden, so wird fuͤr die
                              Sommerblumen Kammertuch, welches mit dem Pinsel colorirt wird, zu den Winterblumen
                              aber Atlas oder Sammt angewendet.
                           Ich komme nun wieder zur Verfertigung der Strohhuͤte zuruͤk. Bei der
                              Verfertigung des Hutes faͤngt man bei dem Rande zuerst an, wozu man das
                              Strohgeflecht einzeln und zwar so zusammen naͤht, daß die Nadel ringsherum
                              unter den Maschen hinfaͤhrt. Der Kopf wird, wie bei dem Hutmacher
                              uͤber hoͤlzernen Modellen gearbeitet, und dann an dem fertigen Rand,
                              vermoͤge eines eigenen Instruments befestigetVon der
                                    Maschine des Hern. Mégniès zum Platten der Strohhuͤte. S.
                                    polytechn. Journ. H. 18. S. 254.
                                    f.. Die weißen Huͤte werden nochmals geschwefelt.
                           Die zur Zeit der Revolution nach England ausgewanderten Franzosen, haben sich um die
                              Strohhuͤte große Verdienste erworben. Sie wußten diesen Huͤten alle
                              Faͤrben und Gestalten mitzutheilen, und verkauften sie zu den wohlfeilsten
                              und theuersten Preisen, von einem Schilling bis zu einer Guinee und hoͤher
                              hinauf. Die Strohhalme spalteten sie so fein, wie ein Haar, und brachten dadurch
                              Federbuͤsche hervor, die den Huͤten zu einer besondern Zierde dienten.
                              Um das Stroh zu spalten, erfanden sie eine eigene Maschine, welche einem Brennglase
                              glich, und Zeit und Muͤhe ersparte. Ein englischer
                              Strohwaarenhaͤndler, Namens Hole, trieb die Sache
                              noch weiter, indem er einen Strohspalter erdachte, der sieben Halme zugleich
                              zerlegte. Von den Franzosen wurden englische junge Frauenzimmer, die zu dieser
                              Arbeit Lust und Geschik zeigten, unterrichtet, und so beschaͤftigen sich
                              Tausende von Haͤnden, um ein Fabrikat zu Stande zu bringen, das so
                              haͤufige Kaͤufer und Abnehmer fand. Das Weben der Strohhuͤte,
                              wobei das Stroh mit Seide gemeinschaftlich verwebt wird, ist eine englische
                              ErfindungVon dem
                                    Strohweben, einer nur in Paris und Dresden uͤblichen Arbeit, bei
                                    welcher ein Kind taͤglich 10 Groschen verdienen kann, hoffen wir in
                                    einem kuͤnftigen Hefte des polytechn. Journ. naͤhere Nachricht
                                    geben zu koͤnnen..
                           Auch Deutschland hat Strohhutmanufakturen. Unter denselben zeichnen sich die
                              saͤchsischen, und namentlich die im Meißnischen gelegenen besonders aus.
                              Unter den vorzuͤglichsten, nennt man die zu Kreischa im Dresdner Amtsbezirke,
                              welche wahrscheinlich seit einem Jahrhundert der Muttersiz aller uͤbrigen ist. Man
                              schaͤzt die saͤchsischen Strohhuͤte nicht allein in ihrm
                              Vaterlande, sondern sie gehen auch haͤufig außerhalb Landes nach
                              Boͤhmen, Schlesien, Suͤdpreußen, Daͤnemark, Schweden, Rußland
                              und selbst nach Italien, weil sie zwar die italienischen an Feinheit und Dauer,
                              nicht aber an Weiße, geschmakvoller Form und Wohlfeilheit uͤbertreffen.
                              Leider fuͤhrt man aber auch von hier, wie aus Italien mehr das rohe
                              Geflechte, als fertige Huͤte aus, welches in der Folge leicht den
                              Manufakturen nachtheilig werden kann! Im Oesterreichischen liefert das Kirchspiel
                              Jauchen in Kraiu, eingleichen Franken und Schwaben eine große Menge
                              Strohhuͤte. Eine Vorzuͤglich ruͤhmliche Erwaͤhnung
                              verdienen besonders die Strohhutmanufakturen in Berlin. (R. R. Dr. H–k.)