| Titel: | Ueber Tret-Mühlen. | 
| Fundstelle: | Band 10, Jahrgang 1823, Nr. III., S. 32 | 
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                        III.
                        Ueber Tret-Mühlen.
                        Aus einer Broschüre des Ausschusses der Gesellschaft zur Verbesserung der StrafhäuserTextseite nicht im Druckexemplar vorhanden, wurde aus Google Books Exemplar ergänztWir glauben, den Dank unserer Leser für diese Uebersezung um so mehr zu verdienen, als unsere sogenannten Juristen, die auf
                                 den Universitäten über Künste und Gewerbe und über Bürgerrechte in der Regel nicht viel lernen, wenn sie auch über diese Gegenstände
                                 etwas herab kanzeln hören, sich jährlich mehr und mehr erlauben, den rechtschaffenen, seine Pflichten gegen Gott, den König
                                 und den Staat treue erfüllenden, Bürger dadurch in feinen Bürgerrechten zu beeinträchtigen, daß sie mit dem gewaltigen Vermögen des Staates durch die Hände von Auswürflingen der Gesellschaft Wucher
                                 treiben, und Producte erzeugen, für deren Erzeugungsrecht der rechtliche Bürger schwere Abgaben bezahlen muß. So läßt man
                                 Züchtlinge mit einem Kapital-Aufwande, den nur wenige Private aufzubringen vermögen, Tücher verfertigen, um Hunderte von Tuchmachern,
                                 die für das Recht, Tuch verfertigen zu dürfen, hohe Steuern bezahlen müßen, vollends zu Grunde zu richten, und der polytechnische
                                 Verwaltungs-Ausschuß beehrt sogar den Vorstand einer solchen, die National-Industrie zerstörenden Anstalt mit der goldenen
                                 Medaille, fuͤr die bei der Landes-Industrie-Ausstellung ausgestellten Erzeugnisse dieses Pseudo-Kunstfleißes!! Waͤre es nicht
                                 unendlich gemeinnuͤziger, unsere Zuͤchtlinge zum Mahlen mittelst Tret-Muͤhlen anzuhalten, wodurch nicht nur die Moͤglichkeit gegeben waͤre, so viele Hindernisse, welche einige Muͤhlen,
                                 an Stroͤmen hingebaut, der freien Fluß-Schifffahrt entgegen sezen, zu beseitigen und der Nothwendigkeit kostbarer und vergeblicher
                                 Wasserbauten vorzubeugen, sondern auch die sogenannte, hoͤchst laͤstige Muͤhlentheurung beim Einfrieren der Fluͤße und Baͤche
                                 abgestellt werden koͤnnte. Die alten Roͤmer verdammten ihre Verbrecher zur Muͤhlenarbeit: sie hatten das Gluͤk unsere Wasser-Muͤhlen,
                                 oder vielmehr unsere Wasser-Muͤller, nicht zu kennen. Wuͤrden unsere Verbrecher, more romano, ad molendinas geschikt, wie viel wuͤrde die Regierung auch nur an Krankengeld allein (denn in der Muͤhle spazieren gehen auf dem Rade ist
                                 eine sehr gesunde Promenade, waͤhrend ein großer Theil der Straͤflinge in Gefaͤngnissen theils physisch und moralisch verfault,
                                 theils uͤbermaͤstet wird), und die Masse der Buͤrger an Uebervortheilung und Last von Seite der Muͤller und Muͤhlen gewinnen!
                                 32,184 Verbrecher (dieß ist die gegenwaͤrtige Zahl der Verbrecher in Frankreich; – vor den Missionaͤren, im Jahr 1812, waren
                                 ein guter Theil weniger) wuͤrden mehr als zureichen, um ohne alle Dampf-, Wasser- und Wind-Muͤhlen fuͤr ganz Frankreich gutes
                                 und feines Mehl zu mahlen. A. d. Ueb. im London Journal of Arts. N. XXI. S. 142.
                        Mit Abbildungen auf Tab. II.
                        Ueber Tret-Mühlen.
                        
                     
                        
                           Obschon wir nicht unter diejenigen gehören, die da glauben, daß Arbeit an und für sich, und besonders harte Arbeit, die bösartigen Neigungen eines Criminal-Verbrechers kräftig und vollkommen bessern wird (denn dazu gehören, nach unserer
                              Ansicht, hoͤhere und mehr intellektuelle Kraͤfte, ehe man eine
                              Besserung bewirken kann, so glauben wir doch, daß die hier beschriebene und
                              abgebildete Tret-Muͤhle ein mehr humanes Mittel, als manches andere in der
                              Criminal-Justiz ist, und betrachten sie als einen Schritt vorwaͤrts zu
                              wohlthaͤtigeren Besserungs-Anstalten.
                           Die beigefuͤgte Abbildung stellt eine Abtheilung von Gefangenen dar, wie sie
                              an einem der Tret-Raͤder an den von Herrn Cubitt
                              zu Ipswich erfundenen, und neuerlich in dem Corrections-Hause fuͤr die
                              Grafschaft Surrey zu Brixton erbauten, Straf-Muͤhlen in Thaͤtigkeit
                              sind. Die Ansicht ist von einer Eke eines der zehn Hoͤfe, welche von dem
                              Hause des Inspektors, wie Halbmesser aus einem Mittelpuncte, auslaufen; so daß der
                              Inspector von seinen Fenstern aus alle 10 Hoͤfe uͤbersehen kann.
                              Hinter dem Tret-Rade ist das Muͤhlgebaͤude mit der noͤthigen
                              Einrichtung zum Mahlen des Kornes und zur Zubereitung und Aufbewahrung des Mehles.
                              Auf der rechten Seite dieses Gebaͤudes steigt eine Roͤhre unter das Dach, unter welchem
                              sich ein Behaͤlter aus Gußeisen fuͤr mehrere tausend Gallonen Wasser
                              zum Gebrauche der Gefangenen befindet. Dieser Behaͤlter wird von Unten auf
                              mittelst einer Drukpumpe gefuͤllt, welche mit dem Wellbaume, der die
                              Muͤhle treibt, in Verbindung steht. Dieser Wellbaum laͤuft unter dem
                              Pflaster der verschiedenen Hoͤfe hin, und steht, indem er nach allgemeiner
                              Verbindung eingerichtet ist (universal joints), mit dem
                              Tretrade jeder Classe in Verbindung.
                           Das hier dargestellte Rad ist einem gewoͤhnlichen Wasserrade vollkommen
                              aͤhnlich; die Tretbretter auf seinem Umfange sind indessen von bedeutender
                              Laͤnge, so daß sie hinlaͤnglichen Raum fuͤr 10 bis 20 Personen
                              halten, die darauf zu stehen kommen. Das Gewicht derselben, das hier die
                              Haupttriebkraft des Rades bildet, bringt die staͤrkste Wirkung hervor, wenn
                              es auf den Umfang des Rades, oder so nahe als moͤglich auf die Ebene der
                              Achse desselben, wirkt. Um diesen Vortheil zu erhalten, ist uͤber dem Rade
                              ein Schirm von Brettern in schiefer Lage befestigt, welcher die Arbeiter hindert,
                              hoͤher auf dem Rade hinaufzusteigen, als es das Niveau der Achse fodert. Auf
                              diesem Schirme ist eine Handstange angebracht, an welcher die Arbeiter sich halten,
                              und dadurch, wenn das Rad sich dreht, in aufrechter Stellung bleiben koͤnnen.
                              Um den Schirm deutlicher darstellen zu koͤnnen, ist hier bloß die
                              schmaͤlere Seite gezeichnet: an dem Rade selbst sind indessen beide Seiten
                              mit demselben bedekt, so daß die Gefangenen nicht zu dem Inneren des Rades gelangen
                              koͤnnen, und alle Unfaͤlle dadurch beseitigt werden.
                           Die Abtheilung der Gefangenen, welche jezt die Reihe zur Arbeit trifft, steigt an dem
                              einen Ende uͤber Stufen auf das Rad hinauf, und wenn die gehoͤrige
                              Anzahl derselben sich auf dem Rade aufgestellt hat, beginnt dieses seine Umdrehung.
                              Jedes Individuum der Gefangenen hat also hier nichts anderes zu thun, als eine
                              Treppe ohne Ende hinanzusteigen, wo dann das Gewicht aller zusammen genommen auf
                              jede Stufe dieser Treppe wie ein Strom auf die Schaufeln eines Wasserrades
                              wirkt.
                           Waͤhrend dieses Tretens ruͤkt jeder Arbeiter allmaͤhlich von dem
                              Ende, auf welches er hinanstieg, gegen das gegenuͤberstehende Ende des Rades
                              hin, wo sodann der lezte Mann an demselben, wenn ihn die Reihe trift, zum Ausruhen
                              hinabsteigt, und alsogleich, um die gehoͤrige Anzahl von Arbeitern zu
                              ergaͤnzen, an dem anderen Ende ein anderer Arbeiter, ohne daß das Rad still
                              zu stehen braucht, hinansteigt. Die Laͤnge der Ruhezeit fuͤr jeden
                              Arbeiter richtet sich nach der Zahl der zum Umtreiben des Rades noͤthigen
                              Arbeiter und der Zahl der Koͤpfe der Abtheilung der Gefangenen. Wenn also von
                              einer Abtheilung von 24 Koͤpfen 20 zum Treten des Rades noͤthig sind,
                              so hat jeder Arbeiter waͤhrend einer Stunde zwoͤlf Minuten Ruhe.
                              Ferner kann man, durch Abwechslung der Zahl der Arbeiter auf dem Rade und der Arbeit
                              in der Muͤhle, und folglich durch Beschleunigung oder Bewegung des Rades, den
                              Grad der Haͤrte der Arbeit oder der bloßen koͤrperlichen Uebung
                              fuͤr den Gefangenen nach Belieben bestimmen. Zu Brixton, wo der Durchmesser
                              des Rades 5 Fuß betraͤgt, und dieses zweimal in einer Minute umlaͤuft,
                              tritt jeder Gefangene waͤhrend einer Stunde uͤber eine Streke von 731
                              Yards oder 2193 Fuß (engl.) hin.
                           Die am Corrections-Hause zu Coldbath-fields erbauten Raͤder koͤnnen
                              jedes 40 und mehr Koͤpfe tragen, und die vereinte Kraft derselben treibt ein
                              regulirendes Flugrad, welches, da es sich in dem Verhaͤltnisse der
                              angewendeten Kraft ausdehnt, jede Zahl von Arbeitern von 20 bis 320 bei demselben
                              Grade von harter Arbeit erhalten kann.
                           Straͤflinge, welche zu harter Arbeit verdammt sind, regelmaͤßig und
                              zwekmaͤßig zu beschaͤftigen, hat bekanntlich nicht unbedeutende
                              Schwierigkeiten, welche indessen eine solche Zwang-Muͤhle vollkommen zu
                              beseitigen im Stande ist. Es laͤßt sich erwarten, daß, wenn man die Vortheile
                              und trefflichen Wirkungen solcher Straf-Muͤhlen einsehen wird, dieselben
                              allgemein in unseren Corrections-Haͤusern werden eingefuͤhrt werden.
                              Die Arbeit ist so einfach als moͤglich; sie erfordert keinen
                              vorlaͤufigen Unterricht und keinen Aufseher, der die Arbeit der Gefangenen zu
                              inspiciren hat; keine Materialien oder Instrumente, die in den Haͤnden der
                              Gefangenen verwuͤstet oder verdorben werden koͤnnten: denn das Innere
                              der Muͤhle, in welcher keiner der Gefangenen gelassen wird, steht unter der
                              Aufsicht eigener geschikter Personen, und ein oder zwei Menschen reichen hin, um 100
                              bis 200 Gefangene auf einmal in ununterbrochener Arbeit zu erhalten. Diese Arbeit kann
                              so oft unterbrochen und wieder frisch begonnen werden, als die uͤbrige
                              Einrichtung des Arbeitshauses es erfordert, und sie ist fuͤr jedes Individuum
                              dieselbe, da keines von denen, die sich auf dem Tretrade befinden, muͤssig
                              bleiben kannVollkommen gleich ist die Arbeit, oder vielmehr die Anstrengung bei dieser
                                    gleichfoͤrmigen Arbeit, hier nicht. Ein Individuum, das schwache
                                    Brust hat, oder schwach auf den Beinen ist, leidet hier mehr, als ein
                                    anderes, bei welchem dieß nicht der Fall ist. A. d. Ueb..
                           Da der Mechanismus einer solchen Tret-Muͤhle hoͤchst einfach ist, so
                              wird diese nur hoͤchst selten wegen noͤthiger Ausbesserung still
                              stehen duͤrfen; und selbst, wenn es an Getreide zum Mahlen fehlen sollte,
                              kann das Treibrad fortgehen; denn die Arbeiter brauchen nichts von diesem Umstande
                              zu wissen. Die erste Auslage fuͤr diese Maschinen ist allerdings, man muß es
                              gestehen, etwas stark; die spaͤteren Vortheile, die man von derselben zieht,
                              sind aber nicht unbedeutend, zumal wenn man bedenkt, daß, wie die Berichte
                              uͤber dieselben bisher lauten, sie die Zahl der zum Gefaͤngnisse
                              verdammten vermindert.
                           Als Strafe selbst hat diese Tret-Muͤhle die heilsame Wirkung auf die
                              Straͤflinge, daß sie ihrem Gedaͤchtnisse nicht so leicht
                              entfaͤllt, und keine der uͤbrigen moralischen und religioͤsen
                              Besserungs-Anstalten fuͤr dieselben hindert.
                           Man hat an dieser Tret-Muͤhle eine einfache Vorrichtung angebracht, durch
                              welche alsogleich eine Gloke gezogen wird, wenn das Rad zu langsam geht; durch
                              dieses Laͤuten wird der Inspektor oder der Gefangenwaͤrter auch in
                              weiter Entfernung alsogleich in Kenntniß der unerfuͤllten Pflicht von Seite
                              der Straͤflinge gesezt, und diese wissen, daß jeder ihrer Tritte auch dann
                              beobachtet ist, wo man sie nicht sieht.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
