| Titel: | Ueber die Fabrikation des reinen Ammoniums in Frankreich und über dessen verschiedene Verwendung . | 
| Fundstelle: | Band 11, Jahrgang 1823, Nr. LIII., S. 319 | 
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                        LIII.
                        Ueber die Fabrikation des reinen Ammoniums in
                           Frankreich und über dessen verschiedene Verwendung Wir verweisen hiebei auch auf die nachfolgende Abhandlung „Bereitung
                                    des Salmiaks etc.“. 
                        Aus dem Dictionaire Technologique. In Gill's technic.
                                 Repository September 1812. S. 90.
                        Ueber die Fabrikation des reinen Ammoniums in
                           Frankreich.
                        
                     
                        
                           Ammonium ist eines der aͤltesten bekannten Alkalien.
                              Wegen seiner Fluͤchtigkeit nannte man es fluͤchtigen Geist,
                              fluͤchtiges Alkali, fluͤssiges fluͤchtiges Alkali,
                              fluͤchtigen Salmiak-Geist, und in neuern Zeiten, weil man dasselbe
                              vorzuͤglich aus dem Salmiak oder Sal ammoniacum bereitet, Ammonium.
                           Dieses Alkali gleicht in seinen Bestandtheilen durchaus keinem der uͤbrigen:
                              es ist so weit von den Metall-Oxiden entfernt, unter welche man die
                              uͤbrigen Alkalien rechnet, daß es bloß als eine Verbindung von Stikstoff und
                              Wasserstoff betrachtet werden kann. Einige der ausgezeichnetsten Chemiker haben
                              behauptet, daß Ammonium Sauerstoff enthalte, und haben selbst das Verhaͤltniß
                              desselben wie 20 zu 100, nach der Saͤttigungs-Capacitaͤt
                              desselben berechnet; es war indessen, bis auf die neuesten Zeiten,
                              unmoͤglich, diese Behauptung geradezu und durch positive Beweise zu
                              begruͤnden. Man erhielt, als Resultat der Analyse, nur Stiksstoff und
                              Sauerstoff im Verhaͤltnisse von einem Maße des ersteren zu drei Maßen des
                              lezteren. Da man bisher aber nur erwiesen hat, daß das eine oder das andere dieser
                              Gasarten, oder vielleicht beide zugleich, Oxide sind, so wird man gestehen
                              muͤssen, daß die Zusammensezung des Ammoniums von jener der uͤbrigen
                              Alkalien ganz verschieden ist.
                           
                           Die Natur des Ammoniums zeigt, daß bloß Stikstoffhaltige Substanzen zur
                              urspruͤnglichen Bildung desselben beitragen, und dieses Alkali ist auch
                              wirklich bloß ein Product der Zersezung thierischer Stoffe, wie wir taͤglich
                              uns uͤberzeugen koͤnnen: wo thierische Stoffe angehaͤuft sind,
                              dort findet sich auch Ammonium. Und selbst das gegenwaͤrtig
                              gebraͤuchliche Verfahren bei Erzeugung des Ammoniums ist eine unmittelbare
                              Folge dieser Beobachtung: sobald man thierische Stoffe der Einwirkung der
                              Waͤrme aussezt, zersezen sich dieselben, und liefern, nebst anderen
                              Producten, auch eine bedeutende Menge fluͤchtiges Alkali.
                           Wasserfreies Ammonium ist ein bestaͤndig gasfoͤrmig bleibender
                              Koͤrper von starkem und durchdringendem Geruͤche, der das Wasser
                              reichlich aus den Augen laufen macht. Dieses im Wasser hoͤchst
                              aufloͤsbare alkalische Gas ist ein maͤchtiges Aezmittel, und erzeugt,
                              wo es, selbst in Wasser aufgeloͤst, auf die Haut gebracht wird, in kurzer
                              Zeit Blaͤtterchen auf derselben: Eigenschaften wegen welcher es auch in der
                              Medicin angewendet wird; z.B. als Wiederbelebungs-Mittel bei Ohnmachten, wo
                              der heftige Reiz auf die Schleimhaut der Nase, wenn man Ammonium unter dieselbe
                              haͤlt, die Lebensgeister neu belebt Nichts kann verderblicher seyn, als wenn Nichtaͤrztliche uͤber
                                    aͤrztliche Gegenstaͤnde sprechen. Alle Aerzte sind
                                    uͤberzeugt, daß durch unbedingte Anwendung des Ammoniums bei
                                    Ohnmachten, wo nicht mehr Unheil als Nuzen, doch gewiß eben soviel
                                    entstanden ist. Tausende, denen man in unverstaͤndiger
                                    Geschaͤftigkeit das Ammonium unter die Nase hielt, sind, statt
                                    dadurch wieder belebt zu werden, erst vollkommen getoͤdtet worden,
                                    weil sie davon uͤberreizt wurden. Wo der Arzt lang ansteht, ehe er
                                    sich zu der Anwendung eines bestimmten Mittels bequemt, darf man es nicht
                                    den Laien uͤberlassen, davon unbedingt Gebrauch zu machen. A. d.
                                    Ueb. ; als rothmachendes oder selbst als Aezmittel, wenn es in damit befeuchteten
                              Leinwand-Laͤppchen auf die Haut gelegt, oder, was besser ist, mit Fett
                              oder Oel zu einer Seife verbunden, und so auf die Haut angewendet wird. Es wirkt auf
                              diese Weise schneller als Zugpflaster. Es dient ferner bei dem Bisse
                              wuͤthender Thiere, um jene Theile, welche dadurch verlezt wurden, gewisser
                              Massen zu brennen, und zu zerstoͤren, und dadurch der Einsaugung des Giftes
                              vorzubeugen Diese Erklaͤrungs-Art ist ganz falsch. Alle kaustischen
                                    Alkalien haben, nach den vielfaͤltigen widerholten Erfahrungen von
                                    Redi, Fontana, Mederer von Wuthwehr etc. die
                                    Eigenschaft, das Gift der Schlangen, und selbst das Hundswuth-Gift,
                                    zu neutralisiren, und ganz unschaͤdlich zu machen. Es ist so wahr,
                                    daß kaustische Alkalien diese Gifte unschaͤdlich machen, daß man sich
                                    mit einer Lancette, welche man in eine Mischung von diesen Giften mit einem
                                    kaustischen Alkali taucht, ohne allen Nachtheil stechen oder schneiden kann,
                                    und es ist falsch, daß das Ammonium durch ein Brennen der Wunde die
                                    Einsaugung des Giftes hindert oder unmoͤglich macht, daß vielmehr
                                    jedes kaustische Alkali, wenn es sehr concentrirt und nicht reichlich mit
                                    Wasser verduͤnnt ist, die wohlthaͤtige Wirkung des Alkali
                                    gaͤnzlich vereitelt. Die Lauge, mit welcher man die vergiftete Wunde
                                    eines tollen Hundbisses auswaschen muß, um den Biß unschaͤdlich zu
                                    machen, darf nicht staͤrker seyn, als daß man sie im Munde halten
                                    kann; wenn man sie staͤrker anwendet, zieht sie, durch den Schmerz,
                                    den sie an den Wundraͤndern erregt, dieselben zusammen, und hindert
                                    die Lauge zwischen dieselben und in die Tiefe der Wunde einzudringen, und
                                    dort das Gift zu neutralisiren und zu zerstoͤren. Es ist unglaublich,
                                    daß die herrlichen Versuche des Freiburger Professors Mederer von Wuthwehr (eines
                                    urspruͤnglichen Baiers, der zu Wien als General-Feldstabsarzt
                                    der k. k. oͤsterr. Armee starb), durch welche es so klar, als irgend
                                    etwas in der Medicin klar seyn kann, erwiesen ist, daß das schnelle, wo
                                    moͤglich augenblikliche, Auswaschen der von einem tollen Hunde
                                    erhaltenen Wunde mit gemeiner Lauge, so wie man sie bei jedem Seifensieder
                                    und auf den meisten Herden immer vorraͤthig findet, in
                                    obenangegebener Staͤrke, das einzige sichere Mittel ist, wodurch
                                    diese gefahrvollen Bisse gaͤnzlich unschaͤdlich gemacht werden
                                    koͤnnen, wenn uͤberdieß noch die ausgewaschene Wunde
                                    gehoͤrige Zeit uͤber in erfoderlicher Eiterung gehalten wird,
                                    so wenig bekannt und benuͤzt bleiben konnten. Wuͤrden die
                                    Pfarrer in den Schulen dieses Mittel gegen den tollen Hundsbiß, statt des
                                    Hubertus-Sluͤssel, der Schuljugend empfehlen, und in den
                                    Schulen zur allgemeine Kenntniß bringen, so wuͤrde manches Todesopfer
                                    dem Grabe entrissen. Wir wuͤrden uns keine medicinische Bemerkung in
                                    unserem Journale erlaubt haben, wenn nicht der Hr. Verfasser durch seine
                                    irrigen Ansichten in einer hoͤchst wichtigen Sache uns dazu,
                                    gezwungen haͤtte. A. d. Ueb. , und wenn es mit vielem Wasser verduͤnnt ist, auch die Schmerzen,
                              die von dem Stiche der Insecten entstehen, zu lindern.
                           Auch in den Kuͤnsten wird Ammonium angewendet. Es dient zur Aufloͤsung
                              des Carmines, und zieht aus den Schuppen des Weißfisches einen Stoff aus, den man zur Verfertigung
                              kuͤnstlicher, sogenannter falscher Perlen verwenden kann. In der Chemie wird
                              es sowohl als Aufloͤsungs-Mittel, als auch als
                              Faͤllungs-Mittel gewisser Stoffe, deren Daseyn es beurkundet,
                              haͤufig verwendet. Sehr viele Metall-Oxide sind in Ammonium
                              aufloͤsbar, und koͤnnen dadurch von andern nicht aufloͤsbaren
                              geschieden werden. Alle Silbersalze, mit Ausnahme des blausauren Silbers, sind in
                              diesem Alkali aufloͤsbar: das chlorsaure Silber loͤst sich mit solcher
                              Leichtigkeit in demselben auf, daß man bereits an gewissen Silberbergwerken,
                              vorzuͤglich an jenen in Mexico und Peru, ernstlich damit umging, sich des
                              Ammoniums statt des Queksilbers zu bedienen, und die Amalgamation aufzugeben, indem
                              man, theils wegen der Langsamkeit derselben, theils wegen Mangels an
                              kraͤftigem Brennmateriale, wodurch das Roͤsten unmoͤglich und
                              man gezwungen wurde, auf eine groͤßere Masse von Eisen, oder wenigstens auf
                              aͤrmere Erze zu wirken, sehr großen Verlust an Queksilber erlitt. Man wird
                              jezt den Versuch machen, und das chlorsaure Silber in Ammonium aufloͤsen,
                              wodurch zugleich durch Eintauchung von Kupferplatten in diese Aufloͤsung, das
                              Silber im metallischen Zustande niedergeschlagen werden kann.
                           Da das Ammonium keine besonders starke Verwandtschaft zu den Saͤuren besizt,
                              so kann es beinahe aus allen seinen salzigen Verbindungen durch die meisten Basen
                              geschieden werden: einige derselben, wie z.B. jene mit der Bittererde, werden nur
                              zum Theile zersezt, und verbinden sich mit demselben, die Natur der Saͤure
                              beibehaltend, zu einem Doppelsalze; dieß ist indessen ein seltener Fall, und
                              gewoͤhnlich geschieht die Zersezung vollkommen. So scheidet nicht bloß
                              Pottasche und Soda, sondern auch Kalk, Schwererde und Strontian, und selbst die
                              meisten Metalloxide, das Ammonium aus den Salzen, deren Basis dasselbe bildet. Es
                              gibt also Mittel genug, um dieses fluͤchtige Alkali sich zu verschaffen, und
                              es handelt sich bei der Wahl derselben bloß um ihre Wohlfeilheit. In Laboratorien
                              und auch in Fabriken bedient man sich zur Bereitung desselben einer Mischung aus
                              frisch gebranntem, mit Wasser geloͤschtem Kalke und gepuͤlvertem
                              Salmiak. Will man es in gasfoͤrmigem Zustande, so nimmt man kaustischen
                              wasserfreien Kalk, und wendet, so wie bei anderen im Wasser aufloͤsbaren Fluͤssigkeiten,
                              Queksilber an. Um es in fluͤssigem Zustande zu erhallen, bedient man sich
                              eines gewoͤhnlichen Woulfe'schen Apparates aus einer irdenen Retorte und drei
                              bis vier Flaschen mit Verbindungs-Roͤhren und
                              Sicherheits-Roͤhren. Wo eine große Menge auf einmal bereitet wird,
                              nimmt man statt einer Retorte einen Topf oder einen Cylinder aus Gußeisen, an
                              welchem ein hinlaͤnglich geraͤumiger Apparat angebracht wird: zuweilen
                              bedient man sich bloß steinerner Flaschen, die auf dieselbe Weise, wie bei Bereitung
                              der Hydrochlorsaͤure angewendet werden. Man beginnt die Operation durch
                              Zerkleinung des Kalkes mit etwas Wasser, und bringt in dieser Hinsicht kleine
                              Stuͤke Kalkes in eine irdene Pfanne oder in ein hoͤlzernes Faß, und
                              besprengt sie nach und nach auf allen Seiten mit Wasser solang, bis aller Kalk
                              geloͤscht ist, wo man ihn dann abkuͤhlen laͤßt, und durch ein
                              Sieb treibt. Einige Fabrikanten empfehlen die Anwendung des wasserfreien Kalkes, den
                              sie bloß in einem Moͤrser stoßen: diese Methode hat jedoch ihre Nachtheile:
                              die Arbeit wird bedeutend vermehrt, und die Operation selbst ist viel
                              laͤstiger; der Kalk wird uͤberdieß nicht gehoͤrig und
                              gleichfoͤrmig zertheilt. Ein Hauptgrund gegen obige Methode ist endlich die
                              Gegenwart des Wassers in dem Kalke, wodurch die Zersezung ohne Vergleich leichter
                              wird: das Wasser dient als Vehikel fuͤr das Gas, und wird mit
                              groͤßerer Schnelligkeit losgerissen. Der Salmiak wird auf die
                              gewoͤhnliche Weise gepulvert. Man macht dann eine Mischung aus gleichen
                              Theilen dieser beiden Substanzen, bringt sie in eine Retorte oder in einen Cylinder,
                              je nachdem die Menge groß ist, und gibt Acht, daß das Gefaͤß nicht ganz voll
                              wird. Gewoͤhnlich mischt man nicht alles auf einmal, um weniger von dem
                              Geruche, der sich dabei entwikelt, zu leiden zu haben.
                           Nachdem die Materialien auf diese Weise vorgerichtet wurden, wird die Retorte oder
                              der Cylinder mit dem Apparate verbunden, dessen Theile, vorher alle gehoͤrig
                              in einander gepaßt worden seyn muͤssen. Die erste Flasche, in welcher das Gas
                              gewaschen, d.h., von allen fremden Stoffen gereinigt wird, ist mit einer großen
                              krummen Roͤhre vorgerichtet. Mit dieser Flasche, in welche etwas Wasser
                              gegossen wird, und die mit einer Sicherheits-Roͤhre versehen ist, wird eine
                              zweite und dritte verbunden, wovon jede die Haͤfte des Wassers
                              erhaͤlt, welche dem Gewichte des ganzen angewendeten Salzes ungefaͤhr
                              gleich ist: man sorgt uͤbrigens dafuͤr, daß jede Flasche wenigstens
                              bis auf zwei Drittel leer bleibt. Hierauf wird alles gehoͤrig verkittet, und
                              der Ofen mit seiner Kuppel bedekt. Die Cylinder aus Gußeisen, deren man sich bei
                              großen Operationen bedient, haben an dem einen ihrer Enden eine Roͤhre,
                              welche mit dem Woulfe'schen Apparate in Verbindung steht; das andere entgegengesezte
                              Ende, an welchem man die Cylinder fuͤllt, und den Ruͤkstand
                              herausnimmt, ist mit einem vierekigen Rahmen versehen, in welchem eine vierekige
                              Oeffnung paßt, die mit Schrauben und Schrauben-Nieten daran befestigt wird,
                              nachdem vorlaͤufig ein kleiner Ring von Filz zwischen beide gelegt wurde. Die
                              Fugen werden hierauf mit einem Gemenge aus feuchtem Ofen-Lehme, etwas
                              Kochsalz und zerschnittenen Striken, bedekt, und wieder uͤber diesem Kitte
                              mit feuchter Thonerde bedekt, um sie immer feucht zu halten, und das Abspringen zu
                              verhindern. Diese Operation fodert, selbst wenn sie im Großen vollbracht wird, mehr
                              Aufmerksamkeit, als andere aͤhnliche Operationen, indem der Druk, dem der
                              Kitt zu widerstehen hat, nicht wohl vermieden werden kann, was in anderen
                              Faͤllen nicht zu besorgen ist. Bei Bereitung der Kochsalzsaͤure z.B.
                              ist es genug, wenn das Gas an die Oberflaͤche des Wassers gelangt, indem die
                              Aufloͤsung derselben viel dichter als das Wasser ist, und alsogleich auf den
                              Boden des Gefaͤßes faͤllt, so daß, bis zur vollkommenen
                              Saͤttigung, das Wasser immer oben ist; waͤhrend hier bei dem
                              Ammonium-Gas gerade das Gegentheil Statt hat, indem seine Aufloͤsung
                              im Wasser leichter ist, als das Wasser selbst, und folglich immer an die
                              Oberflaͤche des Wassers emporsteigt, wo es bald mit einer gesaͤttigten
                              Schichte in Beruͤhrung kommt, welche die Saͤttigung der unteren
                              Schichten hindert. Es ist daher durchaus nothwendig, entweder die
                              Fluͤssigkeit sehr oft zu ruͤtteln, oder die Roͤhren, welche das
                              Gas leiten, recht tief einzutauchen, wo dann im lezteren Falle die verkitteten
                              Stellen einen sehr großen Druk zu erleiden haben, welchem sie oͤfters nicht
                              zu widerstehen im Stande sind. Nachdem nun der Apparat gehoͤrig vorgerichtet
                              ist, faͤngt man an Feuer zu geben, und man sieht alsogleich das Gas sich entwikeln: die
                              staͤrkere oder geringere Heftigkeit, mit welcher das Gas sich entwikelt,
                              dient als Maßstab, nach welchem das Feuer verstaͤrkt oder vermindert werden
                              muß. So wie das Gas sich entwikelt, nimmt die Fluͤssigkeit an Umfang zu, und
                              die Temperatur derselben erhoͤht sich in einem weit staͤrkerem
                              Verhaͤltnisse, als man nach der Menge des waͤhrend eines gewissen
                              Zeitraumes aufgeloͤsten Gases vermuthen sollte. Die Vermehrung des Umfanges
                              erklaͤrt sich von selbst, und man begreift auch, daß die Erhoͤhung der
                              Temperatur davon herruͤhrt, daß die elastische Fluͤssigkeit ihren
                              luftfoͤrmigen Zustand aufgibt, und in einen tropffoͤrmigen Zustand
                              uͤbergeht, und folglich jenen Theil von verborgenem Waͤrmestoffe
                              fahren laͤßt, welchen sie im gasfoͤrmigen Zustande enthielt.
                           Indessen kommt allmaͤhlig eine Periode, in welcher, obschon der Strom des
                              Gases immer gleich stark bleibt, die Fluͤssigkeit dessen ungeachtet
                              erkuͤhlt, weil sie naͤmlich dann ihrem
                              Saͤttigungs-Puncte nahe ist, und die Faͤhigkeit
                              aufzuloͤsen sich immer mehr und mehr vermindert, und ein Theil des Gases in
                              die folgende Flasche uͤbergeht, um dort aufgeloͤset zu werden, und,
                              wie wir oben erklaͤrten, wieder die Temperatur zu erhoͤhen und das
                              Volumen zu vergroͤßern. So geht die Operation fort, bis aller Salmiak
                              vollkommen zersezt und die Arbeit beinahe vollendet ist, wo dann die Roͤhre,
                              welche die Retorte mit der Flasche verbindet, außerordentlich heiß wird, und eine
                              Menge Fluͤssigkeit in der ersten Flasche anfaͤngt sich zu verdichten.
                              Diese Erscheinung ist der Feuchtigkeit in dem Kalke und Salze zuzuschreiben, welche
                              gegen das Ende ausgetrieben wird, und wahrscheinlich auch der Verbindung des
                              Wasserstoffes der Hydrochlorsaͤure mit dem Sauerstoffe des Gases. Zu dieser
                              Zeit entwikelt sich zuweilen auch etwas brennbares Gas, wie wenn eine Zersezung
                              eines Theiles des Ammonium-Gases bei einer sehr erhoͤhten Temperatur
                              Statt hat. Wenn die Operation bis auf diesen Punct vorgeschritten ist, laͤßt
                              man den Apparat kalt werden, und nimmt den Kitt ab.
                           Als Ruͤkstand findet man eine licht braͤunliche Masse, welche so dik
                              und hart ist, daß sie unter dem Hammer Funken gibt. Auf dem frischen Bruche ist sie
                              blaͤttrig und glaͤnzend, die Blaͤtter werden aber, der Luft ausgesezt, bald
                              matt, weil sie Feuchtigkeit anziehen. Mit Wasser behandelt loͤst sich dieser
                              Ruͤkstand nicht ganz auf, und ein Theil des unverbundenen Kalkes bleibt auf
                              dem Filtrum. Die, bis auf einen gewissen Grad von Concentration abgerauchte,
                              Fluͤssigkeit gibt, beim Abkuͤhlen, Krystalle, welche jenen der
                              Boraxsaͤure aͤhnlich sind, und welche man fuͤr basischen
                              hydrochlorsauren Kalk haͤlt, und die ich geneigt bin fuͤr
                              Calcium-Deuteroxid zu halten; wenigstens haben sie ganz die Charaktere
                              desselben. Da indessen diese Krystalle sich mitten in einer ausserordentlich
                              schleimigen Fluͤssigkeit bilden, und sich sehr leicht veraͤndern, so
                              konnte man sie nie vollkommen von dem kochsalzsauren Kalke, der sie umgibt,
                              gereinigt darstellen. Man glaubt indessen, daß sie eine gewisse Menge
                              Hydrochlorsaͤure in ihrer Mischung enthalten.
                           Was nun die erhaltenen fluͤssigen Producte betrifft, so muß das, was in der
                              ersten Flasche sich gesammelt hat, als gefaͤrbt, unrein und sehr schwach,
                              indem der Wasserdampf am Ende der Operation so kalt ist, daß er kaum das Gas
                              aufloͤst, weggeschuͤttet werden. Die Fluͤssigkeit in der
                              zweiten Flasche ist meistens am staͤrksten gesaͤttigt. Das Volumen des
                              Wassers, welches dieselbe anfangs enthielt, ist ungefaͤhr um ein Drittel
                              vergroͤßert, die Dichtigkeit desselben ist aber auf eine auffallende Weise
                              vermindert. Man bestimmt im Handel den Werth des Ammoniums nach der Dichtigkeit
                              desselben mittelst des Weingeist-Araͤometers. Gewoͤhnliches
                              fluͤssiges Ammonium zeigt gewoͤhnlich zwischen 20 und 22°; es
                              kann aber bis auf 24 und 25° erhoͤhet werden: indessen ist es sehr
                              schwer, vorzuͤglich im Sommer, dasselbe auf diesem Grade von Concentration zu
                              erhalten. Bei Versuchen, welche den hoͤchsten Grad von Genauigkeit erfodern,
                              muß die specifische Schwere sehr streng genommen werden. Sir Humphrey Davy hat folgende Tabelle berechnet, in welcher er das
                              Verhaͤltniß zwischen dem Wasser, zwischen dem darin aufgeloͤsten Gase,
                              und zwischen der specifischen Schwere der Aufloͤsung bestimmte, wie
                              folgt:
                           
                              
                                 Specifische Schwere.
                                 Ammonium.
                                 Wasser
                                 
                              
                                 0,9054 –
                                 – 25,37
                                 – 74,63.
                                 
                              
                                 0,9166 –
                                 – 22,07
                                 – 77,93.
                                 
                              
                                 0,9255 –
                                 – 19,54
                                 – 80,46.
                                 
                              
                              
                                 0,9326 –
                                 – 17,52
                                 – 82,48.
                                 
                              
                                 0,9385 –
                                 – 15,83
                                 – 84,12.
                                 
                              
                                 0,9435 –
                                 – 14,53
                                 – 85,47.
                                 
                              
                                 0,9476 –
                                 – 13,46
                                 – 86,54.
                                 
                              
                                 0,9513 –
                                 – 12,40
                                 – 87,60.
                                 
                              
                                 0,9545 –
                                 – 11,56
                                 – 88,44.
                                 
                              
                                 0,9573 –
                                 – 10,82
                                 – 89,18.
                                 
                              
                                 0,9597 –
                                 – 10,17
                                 – 89,83.
                                 
                              
                                 0,9619 –
                                 – 9,60
                                 – 90,40.
                                 
                              
                                 0,9684 –
                                 – 9,50
                                 – 90,50.
                                 
                              
                                 0,9713 –
                                 – 7,17
                                 – 92,83.
                                 
                              
                           Wo Ammonium als Pruͤfungs-Mittel, als Reagens, angewendet wird, muß es
                              von der hoͤchsten Reinheit seyn, welche das im Handel vorkommende und
                              fabrikmaͤßig erzeugte Ammonium nie besizt. Viele Umstaͤnde sind hieran
                              Schuld. Man nimmt erstlich kein destillirtes Wasser und laͤßt auch
                              oͤfters, um einen zu starken Druk auf den Apparat zu vermeiden, die Flasche
                              weg, in welcher das Gas gewaschen wird. Ueberdieß sind auch die Materialien, die man
                              zur Erzeugung des Ammoniums anwendet, nicht immer von der beßten Beschaffenheit: man
                              nimmt in den Ammonium-Fabriken oͤfters den Salmiak, der weggeworfen
                              wird, und Stuͤke von den Salmiak-Leiben: etc. Daher haͤlt das
                              im Handel vorkommende Ammonium immer Salmiak oder andere Salze in dem Wasser, das
                              man dabei anwendet, und zugleich auch eine unbestimmte Menge empyreumatischen Oeles.
                              Durch die bekannten Pruͤfungs-Mittel lassen sich alle diese
                              fremdartigen Koͤrper in dem Ammoium leicht entdeken, wie z.B. durch
                              Barytsalze die schwefelsauren, und durch salpetersaures Silber die kochsalzsauren
                              Salze: im lezteren Falle muß man aber die Vorsicht brauchen, und, ehe man
                              salpetersaures Silber dem Ammonium zusezt, lezteres mit reiner Salpetersaͤure
                              saͤttigen; denn sonst erhaͤlt man keinen Niederschlag, selbst wenn das
                              Ammonium viele Hydrochlorsaͤure enthielte, weil das Ammonium die Eigenschaft
                              besizt, hydrochlorsaures Silber aufzuloͤsen. Was das empyreumatische Oel
                              betrifft, so muß man, wenn man dasselbe nicht durch den Geruch erkennt, das Alkali
                              mit Wasser verduͤnnen, um den Geruch desselben zu schwaͤchen, und dann
                              jenen des empyreumatischen Oeles dadurch leichter wahrnehmen zu koͤnnen. Man
                              kann auch ein gleiches Volumen concentrirter Schwefelsaͤure zusezen, wodurch dann das Oel
                              verkohlt, und die Mischung schwarz wird.
                           Ammonium besizt sowohl im tropfbar fluͤssigen als im gasfoͤrmigen
                              Zustande, mehrere Eigenschaften, deren wir hier nicht erwaͤhnten, weil sie
                              nicht geradezu hierher gehoͤren; wir koͤnnen jedoch diese Abhandlung
                              nicht schließen, ohne die Mittel anzugeben, durch welche man sich von der
                              Zusammensezung dieses Alkalis uͤbezeugen kann. Scheele war der Erste, welcher bemerkte, daß es Stikstoff enthielt, und
                              nach ihm entdekte Priestley Wasserstoff in demselben,
                              indem er es der Einwirkung der Elektricitaͤt bloß stellte. Im J. 1785
                              bestimmte Graf Berthollet, durch genaue Untersuchung, die
                              Verhaͤltnisse, in welchen diese Bestandtheile in demselben vorkommen. Er
                              brachte ein gewisses Volumen Ammonium-Gas, und eben so viel Wasserstoffgas,
                              in einem Eudiometer uͤber Queksilber, und ließ das Wasserstoffgas mittelst
                              des elektrischen Funkens verknallen, wo dann das Stikstoffgas, mit dem
                              uͤberschuͤssigen Sauerstoffe verbunden, den Ruͤkstand bildete.
                              Nimmt man zwei Drittel der bei der Wasserbildung Statt gefundenen Absorption als die
                              Menge des Wasserstoffes an, so gibt das uͤbrige Drittel den verbundenen
                              Sauerstoff. Dieses Drittel, von dem halben angewendeten Volumen abgezogen, gibt
                              genau den Sauerstoff, welcher einen Theil des Ruͤkstandes bildet. Und dieser,
                              wieder abgezogen von dem ganzen Ruͤkstande, gibt die Menge Stikstoffes.
                              Hiernach erhellt, daß 100 Maßtheile Ammonium aus 150 Maßtheilen Wasserstoff und 50
                              Maßtheilen Stikstoff bestehen, oder, in Hinsicht auf die specifische Schwere dieser
                              beiden Elemente, aus 12,15 des ersteren und 100 des lezteren.
                           Da nun die Bestandtheile des Ammoniums bekannt sind, so laͤßt es sich leicht
                              erklaͤren, wie es den Sauerstoff aus gewissen leicht reducirbaren Oxiden an
                              sich zieht, und wie es auf gewisse Koͤrper wirken muß, welche eine
                              ausgezeichnete Verwandtschaft mit dem Wasserstoffe besizen, wie Chlorine, Jodine
                              etc.