| Titel: | Bemerkung über einige Erscheinungen bei dem Brennen des gemeinen und künstlichen Kalkes. Von Hr. Vicat. Ingenieur des Brüken- und Straßenbaues. | 
| Fundstelle: | Band 12, Jahrgang 1823, Nr. LXXIX., S. 429 | 
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                        LXXIX.
                        Bemerkung über einige Erscheinungen bei dem
                           								Brennen des gemeinen und künstlichen KalkesMan vergleiche hiemit die Abhandlungen uͤber Kalk, Kalk und Moͤrtel
                                 										u.s.w. Bd. 4. S. 282–290. Bd. 7. S. 502. Bd. 11 S. 350 und S. 363. Bd. 12. S. D.. Von Hr. Vicat. Ingenieur des Brüken- und Straßenbaues.
                        Aus den Annales de Chime. Août 1823. S.
                              									425.
                        Vicat's Bemerkungen beim Kalkbrennen.
                        
                     
                        
                           Als ich in einem sehr kleinen Ofen, Stuͤke von reinem
                              									Kalksteine, mit Holz- und Sinkohlen gemengt, bereits vor 10 Jahren brennen wollte
                              									ward ich, als ich den Ofen mehrere Mahle mit denselben Stuͤken in dem
                              									Verhaͤltnisse fuͤllte, als sie in den Aschenherd hinabfielen, und
                              									immer neues Brenn-Material zusezte, gewahr, daß ich nur todtgebrannten Kalt erhielt,
                              									der sich nicht loͤschen wollte, der aber die sonderbare Eigenschaft besaß,
                              									daß er, zerrieben und mit Wasser angemacht, wie Gips, mit dem Wasser
                              									erhaͤrtete.
                           Diese Erscheinung scheint eine alte, und bei allen Kalkbrennern angenommene, Meinung
                              									zu bestaͤtigen, naͤmlich diese, daß es, und wenn man auch einen ganzen
                              									Wald verbrennen wollte, unmoͤglich ist, einen Kalkstein gar zu brennen, der
                              									sich vor dem Augenblike des Garbrennens erkuͤhlt hat. Mein todtgebrannten
                              									Kalk befindet sich wirklich in diesem Falle; die noch nicht abgebrannten
                              									Kalkstuͤke erkuͤhlten sich notwendig, da sie in den Aschenherd fielen,
                              									und dann in den oberen Raum des kleinen Ofens hinauf kamen.
                           Aus Diesem scheint zu erhellen, daß ein beinahe reiner Kalkstein, wie Kreide oder
                              									Marmor, durch das Feuer in einen mittleren Zustand versezt werden kann, der weder
                              									jener des gebrannten noch der des kohlensauren Kalkes ist, und in diesem Zustande
                              									die Eigenschaft, sich im Wasser zusammenzuziehen, besizen kann, nachdem man ihn
                              									vorlaͤufig gepulvert und in einen Teig verwandelt hat, und dann in Wasser
                              									taucht.
                           
                           Gebrannte, d.h. in Kalk verwandelte, Kreide, gibt auf die gewoͤhnliche Weise
                              									geloͤscht, wie bekannt, einen geloͤschten Kalk (Kalk-Hydrat)der im
                              									Wasser nicht erhaͤrtet. Wenn man aber diesen Kalt durch langes Aussezen an
                              									die Luft an einem bedekten Orte von selbst in Staub zerfallen laͤßt, und dann
                              									mit etwas Wasser zu einem festen Teige anmacht, so wird dieser Teig, nachdem man ihn
                              									unter Wasser gebracht hat, auf eine sehr merkliche Weise erhaͤrten. Die
                              									Einwirkung der Luft veranlaßt also hier eine neue Verbindung, die derjenigen analog
                              									ist, welche in der unvollkommen gebrannten Kreide Statt hat, und darin mit derselben
                              									uͤbereinkommt, daß sie, wie diese, weder vollkommen gebrannter noch
                              									vollkommen kohlensaurer Kalk ist, und dieselben hydraulischen Eigenschaften
                              									besizt
                           Als ich neulich versuchte dem gepulterten Kalksteine jenen Grad von Brennung zu
                              									geben, den ich zur Erzeugung kuͤnstlicher Puzzolanen vorgeschlagen habe,
                              									gelangte ich auf Resultate, die noch mehr Licht uͤber obige Phaͤnomene
                              									verbreiten. Ich theilte eine gewisse Menge sehr fein gepuͤlverte Kreide in
                              									zehn gleiche Theile. Der erste Theil wurde auf eine roth gluͤhende
                              									Gußeisen-Platte geworfen, und drei Minuten lang calcinirt; der zweite blieb sechs
                              									Minuten lang darauf; der dritte neun Minuten, und so fort die uͤbrigen, so
                              									daß der lezte Theil folglich eine halbe Stunde darauf liegen blieb. Waͤhrend
                              									jeder Operationen wurde der Staub fleißig nach allen Richtungen umgeruͤhrt um
                              									die Hize soviel moͤglich gleichfoͤrmig zu vertheilen. Diese zehn
                              									Portionen wurden, nach dieser Brennung, jede einzeln, mit sehr wenig Wasser zu einem
                              									festen Teige von gleichfoͤrmiger Dichtigkeit abgeknetet. Waͤhrend
                              									dieser Arbeit zeigte sich keine Spur von Aufbrausen oder Aufschwellen; die ersteren
                              									derselben gaben keinen anderen Geruch, als den der angefeuchteten Kreide; die
                              									lezteren hatten aber, ausser dem dem Kalke eigenen alkalischen Geruche, sehr
                              									deutliche Spuren einer ausgezeichneten Kausticitaͤt.
                           Nachdem alle diese Portionen 24 Stunden lang unter Wasser waren, erhaͤrteten
                              									sie, die erste ausgenommen, wie die hydraulischen Kalke. Nach vier Tagen senkte sich
                              									eine Striknadel von einem Millimeter im Durchmesser und zugespizt, mit einem Klumpen
                              										Bley von °,
                              									181 Kilogramm beschwert, nur 3–5 Millimeter tief ein, und, nach 12 Tagen, war
                              									der mittlere Niederdruk, 0,0008. Die Portion N. 1. (d.h. nur 3 Minuten lang
                              									gebrannte Kreide) blieb bestaͤndig weich.
                           Ich werde spaͤter die einzelnen Haͤrten zu messen suchen, zu welchen
                              									diese Proben gelangen koͤnnen, gegenwaͤrtig beschraͤnke ich
                              									mich bloß auf die Bemerkung, daß von N. 2, nach 6 Minuten Brennung, bis zu N. 10,
                              									das eine halbe Stunde lang brannte, die Probier-Nadel keinen merklichen Unterschied
                              									gegeben hat. Der Anfang der Erhaͤrtung ist uͤbrigens an diesen Proben
                              									so sehr den hydraulischen Kalken aͤhnlich, daß ich glaubte, die
                              									Administration des Bruͤken- und Straßenbaues davon benachrichtigen zu
                              									muͤssen, damit man bei den verschiedenen Probebraͤnden, die man jezt
                              									in Frankreich anstellt, sich vor jedem Versuche im Kleinen huͤthet.
                           Wenn man die unvollkommen gebrannte geloͤschte Kreide und den reinen von
                              									selbst geloͤschten Kalk als Mischungen von Kalktheilen und kohlensauren
                              									Kalktheilen in verschiedenem Verhaͤltnisse betrachtet, so wird man geneigt zu
                              									vermuthen, daß es moͤglich ist, diese Mischungen genau nachzuahmen, indem man
                              									dem Kreidenpulver eine gewisse Menge Kalkes geradezu zusezt. Indessen hat keine von
                              									allen den Mischungen, die ich auf diese Weise mit 100 die 500 Theilen Kreide auf 100
                              									Theile frisch geloͤschten Kalk machte, nachdem sie unter Wasser kam, auch nur
                              									das mindeste Zeichen von Erhaͤrtung gegeben; woher kommt diese
                              									Abweichung?
                           Ein Ingenieur des Bruͤken- und Straßenbaues, gegenwaͤrtig in russischen
                              									Diensten, Hr. Raucourt de Charleville, hat, als er an den nordischen Kalksteinen
                              									aͤhnliche Versuche, wie ich an den franzoͤsischen, anstellte,
                              									Resultate erhalten, die den oben angefuͤhrten sehr aͤhnlich sind. Er
                              									mengte reinen Kalk mit einer gehoͤrigen Menge Thones, und zerstieß die
                              									getroknete Mischung in erbsengroße Stuͤke, theilte sie in drei Theile, und
                              									jeden derselben wieder in vier andere, und brannte jeden Theil einzeln. Die
                              									Resultate seiner Versuche finden sich in folgender Tabelle.
                           
                        
                           
                           I. Reihe.
                              									Proben auf einer roth gluͤhenden Eisenplatte
                                 										gebrannt.
                           
                              
                                   Numer
                                    											der    Proben:
                                   Dauer
                                    											des  Brennens:
                                   Farbe nach
                                    											dem      Brennen:
                                   Zusammenhang:
                                   Hize während
                                    											des     Löschens
                                     Zeit während
                                    											welcher  sie im Wasser erhärtete:
                                 
                              
                                        1
                                   0    25
                                   Ziegelroth.
                                   Zerreiblich
                                   keine
                                     3 Tage.
                                 
                              
                                        2
                                   0    50
                                   do dunkel.
                                   do.
                                   wenig merkliche
                                   12 Stunden.
                                 
                              
                                        3
                                   0    75
                                   do dunkel.
                                   do.
                                   do
                                   24 Stunden.
                                 
                              
                                        4
                                   1    00
                                   schwarzroth.
                                   do.
                                   do
                                     4 Tage.
                                 
                              
                           
                        
                           II. Reihe.
                              									Proben im Ofen gebrannt.
                           
                              
                                   [Numer
                                    											der    Proben:]
                                   [Dauer
                                    											des  Brennens:]
                                   [Farbe nach
                                    											dem      Brennen:]
                                   [Zusammenhang:]
                                   [Hize während
                                    											des     Löschens]
                                     [Zeit während
                                    											welcher  sie im Wasser erhärtete:]
                                 
                              
                                          5
                                   0    25
                                   gelblich.
                                   zerreiblich
                                   sehr merklich.
                                     2 Tage.
                                 
                              
                                          6
                                   0    50
                                   do.
                                   do.
                                   weniger.
                                   15 Stunden.
                                 
                              
                                          7
                                   0    75
                                   röthlich.
                                   weniger.
                                   sehr merklich.
                                   10 Tage.
                                 
                              
                                          8
                                   1    00
                                   hellgelb.
                                   do.
                                   wenig.
                                   15 Tage.
                                 
                              
                           
                        
                           III. Reihe.
                              									Proben in Beruͤhrung mit Kohlen gebrannt.
                           
                              
                                   [Numer
                                    											der    Proben:]
                                   [Dauer
                                    											des  Brennens:]
                                   [Farbe nach
                                    											dem      Brennen:]
                                   [Zusammenhang:]
                                   [Hize während
                                    											des     Löschens]
                                     [Zeit während
                                    											welcher  sie im Wasser erhärtete:]
                                 
                              
                                          9
                                   0    25
                                   hellgelb.
                                   zerreiblich
                                   viel.
                                   ein Monat.
                                 
                              
                                        10
                                   0    50
                                   do dunkel.
                                   hart.
                                   wenig.
                                   nie.
                                 
                              
                                        11
                                   0    75
                                   do grünlich.
                                   sehr hart.
                                   do.
                                   do.
                                 
                              
                                        12
                                   1    00
                                   do.
                                   verglas't.
                                   unmerklich.
                                   do.
                                 
                              
                           N. 2 der ersten und N. 6 der zweiten Reihe biethen die guͤnstigsten Resultate
                              									dar: sie unterscheiden sich aber wesentlich dadurch, daß der eine sich wie todt
                              									gebrannter Kalk, oder wie roͤmischer Moͤrtel, verhaͤlt,
                              									waͤhrend der andere alle Charaktere eines natuͤrlichen hydraulischen
                              									Kaltes an sich traͤgt, sowohl LP Hinficht seiner gelben Farbe, als seiner
                              									Erhizung mit Wasser. Die Versuche der dritten Reihe sind am merkwuͤrdigsten.
                              									Es iß offenbar, daß die Beruͤhrung der Kohle die Gegenwirkung, die bei dem
                              									gewoͤhnlichen Brennen zwischen Thon und Kalch Statt hat, stoͤrte, und
                              									diese Erscheinung laßt sich nicht so leicht Erklaͤrer. Welche Rolle soll man
                              									dem Sauerstoffe gegen den Lak, gegen die Kieselerde,
                              									gegen den Thon hier anweisen? Wenn es sich nur um Eisen bandelte, so koͤnnte man glauben, daß
                              									es in den Zustand eines Peroxides uͤbergehen muͤßte, ehe es sich mit
                              									dem Kalke vereinigen kann, und daß die Kohle sie daran hindert; das Eisen spielt
                              									aber hier nur eine beinahe leidende Rolle, wie es die Erfahrungen des Hrn. Berthier (Annales de Chimie
                              									T. XXII. p. 82, 83, (Polytechn. Journ. B. 11. S.
                                 										350.) er. wiesen haben.Es erscheint daß hier theils die groͤßere und ungleiche Hize, theils
                                    											der Kohlenstoff der Kohle Ursache dieser Erscheinungen ist. A. d. U.
                           Die theoretische Aufloͤsung dieser Schwierigkeiten scheint mir fuͤr die
                              									Specialgeschichte des Kalkes eben so wichtig, als fuͤr den Moͤrtel,
                              									und es waͤre sehr zu wuͤnschen, daß ein geuͤbterer Chemiker als
                              									ich, und der mehr Muße besizt, als ich nicht habe, die Erfahrungen, die der
                              									Gegenstand dieser Bemerkungen sind, wiederholen, und dadurch alle Zweifel
                              									loͤsen moͤchte, die noch hieruͤber obwalten.