| Titel: | Ueber die Cultur, Eigenschaften, und verhältnißmäßige Stärke des Hanfes und anderer vegetabilischen Fasern, von dem sel. Dr. Wilh. Roxburgh, weil. Oberaufseher des botanischen Gartens der Ost-Indischen Compagnie zu Calcutta. | 
| Fundstelle: | Band 15, Jahrgang 1824, Nr. C. XCIX. , S. 426 | 
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                              C.
                              XCIX.
                              
                           
                        Ueber die Cultur, Eigenschaften, und
                           verhältnißmäßige Stärke des Hanfes und anderer vegetabilischen Fasern, von dem sel. Dr.
                           Wilh. Roxburgh,
                           weil. Oberaufseher des botanischen Gartens der Ost-Indischen Compagnie zu
                           Calcutta.
                        Aus den Transactions of the Society for the Encouragement of
                                 Arts, XXII. B. in Gill's technical Repository. Sept. 1824. S.
                              184. October 1824. S. 243. (Im Auszuge uͤbersezt.)
                        Roxburgh, über die Cultur, Eigenschaften, und Stärke des Hanfes und
                           anderer vegetabilischen Fasern.
                        
                     
                        
                           Der sel. Dr. Roxburgs fand bei
                              seiner Ruͤkkehr nach Bengalen im Jahre 1799 einen Hrn. Sinclair in Auftrag der Direktoren der Compagnie
                              mit der Cultur des Hanfes beschaͤftigt die er selbst schon 10–12 Jahre fruͤher auf
                              der Kuͤste von Coromandel, und spaͤter in Bengalen mit Erfolg versucht
                              hatte. Nach Hrn. Sinclair's
                              Tode sezte das Gubernium die Versuche fort; da aber alles, was Regierungen auf ihre
                              Kosten unternehmen, in Ost-Indien wie in Europa, ungeheuere unnuͤze Auslagen
                              verursacht, so kamen dem Gubernium in Ost-Indien, achtzig Pfund Hanf bald auf
                              10,000, bald auf 20,000 RupieenD.i. fl. 432091 kr. 32 im 24 fl. Fuß. stehen, und jeder weitere Versuch mußte natuͤrlich aufgegeben
                              werden.
                           Dr. Roxburgh empfahl, statt des Hanfes, indische
                              Gewaͤchse; seinen Bogenschnur-Flachs, (Bowstring-Flax) den er fuͤr die staͤrkste ihm bekannte
                              vegetabilische Faser haͤlt; den Sagurus
                              Rumphii, dessen Fasern aͤußerst biegsam, stark
                              und dauerhaft sind, und von der Natur selbst zubereitet werden; dessen Frucht den
                              Palmenwein gibt, aus welchem Zuker und Wein-Geist gewonnen wird, und dessen Mark,
                              wenn der Stamm dieser Palme alt wird, den Sago liefert: (er hatte in dem ungeheuren
                              botanischen Garten zu Calcutta an 100,000 dieser Palmen gezogen); die Sun der Hindus
                              (Crotalaria
                              pencea L.), die in ganz Indien statt des Hanfes gebaut
                              wird, und wovon die Tonne, (2000 Pfund) 10 Pf. Sterl. (120 fl.) kostet (die Fracht
                              nach Europa wuͤrde auf 16 Pfund zu stehen kommen) etc.
                           Man kennt in Ost-Indien den Hanfbau noch nicht, und er wird hoͤchstens im
                              Inneren von Bengalen und Bahar betrieben werden koͤnnen: die Einwohner
                              muͤssen denselben erst lernen! Das Roͤsten des Hanfes in dem heißen
                              Klima unterliegt vielen Schwierigkeiten, und die Hize Indiens ist den
                              Gewaͤchsen eben so nachtheilig, als der Winterfrost in Europa. Eine Stunde
                              zulang verdirbt dort ebensoviel, als ein Tag.
                           
                           Dr. Roxburgh ließ demnach eine Reihe von Versuchen mit
                              indischen Gewaͤchsen, deren sich die Einwohner als Surrogate unseres Hanfes
                              bedienen, anstellen, und Seile aus denselben verfertigen, so gut dieß indische
                              Seilermeister aus 2 Litten zu thun vermochten. Er sorgte dafuͤr, daß die
                              Seile nicht uͤber, dreht wurden, allein er konnte dieß nicht immer
                              vermeidenRèaumuͤre's, Sir Charles
                                       Knowle's und Du Hamel's Versuche
                                    beweisen einstimmig, daß, wenn haͤnfene Seile in gewoͤhnlicher
                                    Haͤrte gesponnen werden, naͤmlich in jener, in welcher sie
                                    sich um zwei Drittel der Laͤnge ihrer Lizen verkuͤrzen, ihre
                                    Staͤrke beinahe um ein Viertel vermindert wird, verglichen
                                    naͤmlich mit Seilen aus eben so vielen Lizen, die um 3 Viertel
                                    verkuͤrzt wurden. Dieß laͤßt sich leicht aus dem Umstande
                                    erklaͤren, daß eine Straͤhne Fasern so hart gedreht werden
                                    kann, daß sie bricht, sobald man sie haͤrter drehen will, wo dann die
                                    Fasern keine Spannung mehr ertragen. A. d. O.. Aus jeder Pflanze ließ er sechs verschiedene Arten von Leinen verfertigen:
                              drei so dik, wie eine Log-Leine, drei so dik, wie eine Peitschen-Schnur, und
                              versuchte, unter welchem Gewichte, im Durchschnitte, sie zerrissen, sowohl
                              gegaͤrbtDie Seile wurden mit den Fruͤchten von Embryopteris
                                    glutinifera
                                    Roxb. Coromand.i. t. 70, bengalisch Gaub, gegaͤrbt. Die Idee, die Seile zu
                                    gaͤrben, ist nichts weniger als neu: die Fischer Asiens
                                    gaͤrben, so wie die europaͤischen Fischer, nicht bloß ihre
                                    Seile und Neze, sondern auch ihre Segel, um sie staͤrker und
                                    dauerhafter zu machen. A. d. O., als getheert, und ohne alle Zubereitung.
                           Die Wirkung des Gaͤrbestoffes auf die Pflanzen-Faser ist nicht so
                              gleichfoͤrmig, als auf die thierische. Dr.
                                 Roxburgh meint, daß man in dieser Hinsicht in Indien, wo
                              Gaͤrbe-Materialien so haͤufig sind, interessante Versuche anstellen
                              koͤnnte.
                           
                              „Ein anderer aͤußerst wichtiger Punct, der untersucht werden muß,
                                 ist, ob gegaͤrbte Seile auch durch den Gaͤrbestoff, welchen sie
                                 eingezogen haben, erhalten werden, wenn sie naß aufgewunden werden, so wie
                                 betheerte Seile durch den Theer. Es ist eine bekannte Thatsache, daß neu
                                 betheerte Seile schwaͤcher sind, als weiße, und daß sie mit dem Alter
                                 staͤrker werden. Theer hilft also bloß die Seile erhalten, ohne daß er
                                 dieselben staͤrker macht. Wuͤrde demnach der Gaͤrbestoff die Seile
                                 staͤrker machen, oder wenigstens nicht schwaͤchen, und sie
                                 zugleich erhalten, so wuͤrde dieß ein nicht zu berechnender Vortheil
                                 seynAm besten erreicht man diesen Zwek, wenn die Pflanzenfaser mit Fischthran
                                       getraͤnkt, gut getroknet, dann warm in einem starken Loh- oder
                                       Gallusauszug durchgenommen wird. So erstarkt die Structur der
                                       Pflanzenfaser, und widersteht dem Verderben durch Feuchtigkeit und
                                       Naͤsse am laͤngsten. D..“
                              
                           
                        
                           Vergleichung der angestellten Versuche.
                           
                              
                                 Namen der Pflanzen, und kurze
                                    Bemerkungen uͤber die verschiedenen, bei den Versuchen angewendeten
                                    Materialien
                                 Durchschnits-Gewicht, bei welchem jede Art
                                    von Leine abgerissen ist
                                 
                              
                                 
                                 
                                 weiß:
                                 gegaͤrbt:
                                 getheert:
                                 
                              
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                                 dikere:
                                 duͤnne:
                                 dikere:
                                 duͤnne:
                                 dikere:
                                 duͤnne:
                                 
                              
                                   1.
                                 Englischer Hanf: ein Stuͤk neue Straͤnge,
                                    (new tiller-rope) geoͤffnet und zu
                                    Leinen, wie die folgenden gemacht
                                 105
                                 63
                                  –
                                  –
                                  –
                                  –
                                 
                              
                                   2.
                                 Indischer Hanf von diesem Jahre, in der Naͤhe
                                    von Calcutta auf dem Hanf-Pachtgute der Compagnie gezogen
                                   74
                                 50
                                 139
                                 60
                                 45
                                 46 
                                 
                              
                                   3.
                                 Coir: Fasern der Huͤlle der Kokos-Nuß, die man
                                    in ganz Asien zu Seilen und Leinen verarbeitet
                                   87
                                 60
                                  –
                                  –
                                  –
                                  –
                                 
                              
                                   4.
                                 Ejoo (Sagurus
                                    Rumphii) die schwarzen, Roßhaar
                                    aͤhnlichen Fasern, die um den Stamm dieser Art von Sagopalme
                                    wachsen
                                   96
                                 79
                                  –
                                  –
                                  –
                                  –
                                 
                              
                                   5.
                                 Robiniacannabina (bengalisch Danska): die Fasern der Rinde diese Pflanze durch
                                    Wasserroͤstung zur Zeit der Samenreisederselben erhalten; sie
                                    sind dann schmuzig grau und rauh
                                   88
                                 64
                                 101
                                 55
                                 84
                                 39
                                 
                              
                                   6.
                                 Fasern der vorigen Pflanze, N. 5, in der Bluͤthe derselben geroͤstet; sie sind
                                    dann weiß, weich und glaͤnzend
                                   46
                                 20
                                   61
                                 35
                                 48
                                 30
                                 
                              
                                   7.
                                 Crotalariajuncea (bengalisch Sun)Eine Leine, etwas staͤrker als eine Log-Leine, aus Segel-Lizen
                                          (sail-twine) brach im trokenen
                                          Zustande bei 148 ℔; eingeweicht in kaltem Wasser durch 24
                                          Stunden, und naß, trug sie 222 ℔; ein Unterschied, der
                                          fernere Untersuchung verdient. A. d. O.: die Fasern der Rinde; in ganz Indien bekannt
                                   68
                                 47
                                   69
                                 55
                                 60
                                 37
                                 
                              
                                   8.
                                 Corchorusolitorius (bengalisch Bunghi-paat, auch Jute): die Fasern
                                    der Rinde
                                   68
                                 47
                                   69
                                 59
                                 61
                                 36
                                 
                              
                                   9.
                                 Corchorus capsularis (bengalisch Ihimalta-paat, auch
                                    Nalta Jute): die Fasern der Rinde
                                   67
                                 47
                                    –
                                  –
                                  –
                                  –
                                 
                              
                                 10.
                                 Flachs (Linum
                                    usitatissimum) ebendaher, woher N. 2.
                                   39
                                 37
                                    –
                                  –
                                  –
                                  –
                                 
                              
                                 11.
                                 Agaveamericana: die Fasern der Blaͤtter: sie
                                    sind grob, rauh und weiß
                                 110
                                 71
                                   79
                                 78
                                 78
                                 38
                                 
                              
                                 12.
                                 Aletrisnervosa (in Sanskrit: Murva; bengalisch Murga) die Fasern
                                    der Blaͤtter zu Leinen gesponnen, nachdem sie ein Jahr lang
                                    aufbewahrt wurden
                                 120
                                 52
                                   73
                                 42
                                 48
                                 43
                                 
                              
                                 13.
                                 Theobromaaugusta L. (AbramaaugustaHort. Kew. AbromaWhecleriKoen). Bengalisch woolleb-comal. Die Fasern der Rinde durch
                                    Wasserroͤstung etc., wie Hanf
                                   74
                                 61
                                   58
                                 51
                                 44
                                 29
                                 
                              
                                 14.
                                 TheobromaGuazuma, Bastard-Ceder; die Fasern der Rinde
                                    junger, gerader, geil aufschießender Pflanzen
                                   52
                                 48
                                    –
                                 47
                                 45
                                 30
                                 
                              
                                 15.
                                 Hibiscustiliaceus; bengalisch Bola; die Fasern der Rinde; von den Einwohnern der
                                    Suͤdsee-Inseln zu Tauwerk gebraucht
                                   41
                                  –
                                   62
                                 39
                                 61
                                  –
                                 
                              
                                 16.
                                 Hibiscusmanihot; eine schlanke weißbluͤhende
                                    Abart; die Fasern der Rinde, die wunderschoͤn weiß, glaͤnzend
                                    und weich sind
                                   61
                                  –
                                    –
                                  –
                                  –
                                  –
                                 
                              
                                 17.
                                 Hibiscusmutabilis; die Fasern der Rinde: sie sind rauh
                                    und von schlechter Farbe
                                    –
                                 45
                                   53
                                 46
                                  –
                                  –
                                 
                              
                                 18.
                                 Hibiscus; eine neue Art von Vorgebirge der
                                    guten Hoffnung; man sagt aus dem Kafferlande, wo die Fasern ihrer Rinde
                                    gesponnen werden
                                    –
                                 22
                                    –
                                  –
                                  –
                                  –
                                 
                              
                                 19.
                                 Bauhinia; eine große klimmende Art: die
                                    Fasern werden ohne Roͤstung gereinigt, und in Nepâl, wo sie
                                    gemein ist, zu Striken verbraucht
                                   69
                                 39
                                    –
                                  –
                                  –
                                  –
                                 
                              
                                 20.
                                 Die vorige N. 19, mittelst
                                    Roͤstung zubereitet, damit die Rinde leichter von den Zweigen
                                    abging
                                   56
                                 41
                                    –
                                  –
                                  –
                                  –
                                 
                              
                                 21.
                                 Sterculiavillosa. Die Fasern der Rinde. Die Einwohner an
                                    der oͤstlichen Graͤnze Bengalens verfertigen daraus Seile zum
                                    Binden der Elephanten, wenn diese zum ersten Mahle gefangen werden
                                   53
                                  –
                                    –
                                  –
                                  –
                                  –
                                 
                              
                           Diese Tabelle dient bloß als Versuch zur Bestimmung der Staͤrke, indem die
                              Leinen nicht alle gehoͤrig verfertigt wurden, und einige mehr, die anderen
                              weniger gedreht waren, woher es dann auch kam, daß die duͤnneren keinen
                              zuweilen mehr trugen, als die dikeren. Die Leinen waren alle 6 Monate alt, um die
                              Wirkungen des Theeres und der Lohe abzuwarten: leztere gab jeder Art von Leinen mehr
                              Staͤrke, waͤhrend Theer die entgegengesezte Wirkung hervorbrachte, was
                              an dem Bengalschen Hanfe sich am deutlichsten zeigte.
                           Auf den Ejoo und Coir ist weder Theer noch Lohe anwendbar. Dr.
                                 Roxburgh versprach noch Versuche mit der Rajemahl Bogenschnur-Faser
                              (Rajemahl-Bowstring) einer Art von Asclepias, die Wilh.
                              Roxburgh der juͤngere auf den Huͤgeln von Rajemahl entdekte; mit dem
                              neuseelaͤndschen Hanfe; mit Hibiscus
                              cannabinus und einigen anderen aus der
                              natuͤrlichen Ordnung der Columniferaͤ, die uͤberhaupt starke
                              Fasern haben, mit den Blaͤttern einer neuen Art von Andropogon etc.
                           Dr. Roxburgh bemerkt in einem Anhange, daß der Hanf, Cannabis-sativa (Banga in Sanskrit; bei den Hindus
                              Bunga, Bungh oder Bung; persisch Bang; arabisch Kinnut) auch in Indien zu Hause und
                              unserem europaͤischen Hanfe so aͤhnlich ist, daß man nicht den
                              mindesten Unterschied, selbst nicht die leichten Nuͤancen einer Abart daran
                              bemerken kann. Alle indischen Voͤlker des ganzen waͤrmeren Asiens
                              kennen denselben; aber keines benuzte ihn jemahls zu Gespinsten, Seilen etc. Er wird
                              uͤberall, aber nur in geringer Menge, als betaͤubendes Mittel gebaut:
                              man braucht in dieser Hinsicht vorzuͤglich die Blaͤtter der
                              maͤnnlichen, und die Bluͤthen der weiblichen Pflanze.
                           Ejoo (No. 4. d. Tabelle) ist eine sehr
                              schaͤzenswerthe Pflanze. Die Fasern wurden von den Baͤumen genommen,
                              die im botanischen Garten zu Calcutta gezogen werden. Sie sind nicht so elastisch,
                              als jene des Coir, daher weniger gut zu Seilen, aber desto besser zu anderen Zweken.
                              Coir ist das beste Materiale zu Seilen aller Art, sowohl der Staͤrke als der
                              Elasticitaͤt wegen.
                           No. 5 bis 9 hat Dr. Roxburgh
                              in einer durch den Governor-General dem Hrn. Court of
                                 Directors im Jahr 1795 uͤberreichten Abhandlung beschrieben und
                              abgebildet. Er erfuhr zeither, daß Sun oder Crotalaria
                                 junica beinahe allgemein in allen waͤrmeren Theilen Asiens zu Seilen
                              und Leinen verwendet wird. Auf der Kuͤste von Malabar wird diese Pflanze nach
                              den Provinzen genannt, in welchen sie gezogen wird: man braucht sie
                              vorzuͤglich zum Binden der Baumwollenballen, da die daraus verfertigten
                              Strike sehr stark sind. Dr
                              . Roxburgh erhielt von Dr.
                              Wilh. Hunter dreierlei Sorten: Malwan, Rajapore und Salsette.
                              „Es scheint mir“ sagt Dr.
                              Roxburgh, „daß zur Abloͤsung der Rinde
                                 von den Staͤngeln sowohl, als zur Reinigung der Fasern, wenig oder gar
                                 keine Maceration gebraucht wird, wodurch die Fasern vielleicht desto
                                 staͤrker werden; denn es ist gewiß, daß die Maceration,
                                 vorzuͤglich, wenn sie lang fortgesezt wird, frische vegetabilische Fasern
                                 sehr schwachen muß.“ In einigen Gegenden Bengalens baut man eine sehr
                              uͤppige Abart unmittelbar nach der Regenzeit, die oͤfters 12 bis 14
                              Fuß hoch wird, waͤhrend die gemeine, im Anfange der Regenzeit gebaute Art,
                              kaum die Haͤlfte dieser Hoͤhe erreicht. Die Fasern von No. 5 scheinen unter allen Gewaͤchsen Indiens die
                              tauglichsten zu Seilerarbeit. Die Pflanze wird gewoͤhnlich 6 bis 10 Fuß hoch;
                              die Fasern sind lang, aber groͤber als am Hanfe, wenn sie nicht zu
                              fruͤh abgeschnitten wird. Um Calcutta, wo sie allgemein waͤhrend des
                              Regens gebaut wird, liefert ein Acre Landes ungefaͤhr 600 Pfund Faserstoff im
                              halbgereinigten Zustande, und das Mahnd (Maund, = 80 Pfund) wird um 1 1/4 Rupien
                              verkauft.
                           No. 6, d. ist eigentlich No.
                              5, im Anfange der Bluͤthe abgeschnitten, gibt die schoͤnsten und
                              weitesten Fasern, die man sich denken kann; sie sind aber nach Roxburgh's Versuchen, schwaͤcher, als
                              wenn die Pflanze dann geschnitten wird, wann der Same beinahe reif istEs gilt also auch in Indien dasselbe, was wir in Europa an unserem Hanfe
                                    gewahr werden. Das Roͤsten ist, an und fuͤr sich, die
                                    nachtheiligste Operation, die man an Pflanzen vornehmen, kann, um ihren
                                    Faserstoff zu gewinnen, und jedes andere Verfahren, wodurch man die Faser
                                    eben so fein und eben so reichlich erhaͤlt, verdient den Vorzug vor
                                    der Roͤstung A. d. Ueb. Es ist in der That ein nie zu verzeihender
                                    Gleichmuth, wenn nicht Geringschaͤzung gegen Gewerbe und
                                    Manufakturen, daß noch in mehreren Staaten Deutschlands nichts zum besten
                                    derselben geschieht. Der Hanf- und Flachsbau und die weitere Veredlung und
                                    Verarbeitung ihrer Fasern, wuͤrden noch lange dem deutschen Landbau
                                    und Gewerbfleiß die ergiebigste Nahrungsquelle, und eben so dem Staate
                                    unversiegbare Finanzquellen darbieten, wenn man sich zur verjuͤngten
                                    Emporbringung desselben von Oben herab herbei ließe. Warum aber keine deutsche Regierung fuͤr die
                                    wesentliche Vervollkommnung dieses wichtigsten deutschen Erwerbzweiges etwas
                                    thut, bleibt uns unbegreiflich, um so mehr, da die Opfer die es erheischte,
                                    mit diesem Gegenstand durch Chemiker die durchs Leben, nicht durchs Lesen,
                                    damit innig vertraut sind, aufs klare zu kommen, nicht sehr groß seyn
                                    duͤrften. Der dadurch hervorgehende Nuzen koͤnnte durch keine,
                                    wenn auch noch so große, Geldsumme aufgewogen werden. D..
                           
                           No. 10. Flachs wird waͤhrend der kalten
                              Jahreszeit im Inneren von Bengalen und Bihar allgemein, aber nur wegen des Oeles
                              gebaut; die Stengel werden weggeworfen, weil man die Fasern nicht kennt, die die
                              Rinde liefert. Wenn der indische Flachs in England Beifall findet, so koͤnnte
                              man ungeheuere Quantitaͤten desselben aus Indien dahin senden, indem in
                              Indien diese Pflanze schon durch ihre Samen allein den Landmann hinlaͤnglich
                              fuͤr die Baukosten entschaͤdigt.
                           No. 11. Diese Agave wichst langsam, und es ist daher
                              zweifelhaft, ob sie mit Vortheil gebaut werden kann; wo sie aber wild im Ueberflusse
                              vorkommt, kann sie mit unbedeutenden Auslagen verarbeitet werden, indem die
                              Staͤrke ihrer Fasern alle Aufmerksamkeit verdient. Die Fasern sind grob, und
                              daher fuͤhlen sich die daraus verfertigten Seile rauh an.
                           No. 12. Aletris
                              nervosa. Dr. Roxburgh hat diese Pflanze abgebildet und
                              beschrieben, dem Court of Governors gesendet, und auch
                              die Methode angegeben, wie man die Faser daraus gewinne. Er hat 1/3 Acre im
                              botanischen Garten zu Calcutta damit bestellen lassen, um Versuche mit derselben
                              etwas im Großen anzustellen.
                           No. 13. Theobroma
                              augusta. Dr. Roxburgh fand nirgendwo eine Notiz, daß man
                              die Fasern dieser in verschiedenen Gegenden Indiens, auf Neu-Suͤd-Wallis und
                              den Philippinen, gemeinen Pflanze jemahls benuzt haͤtte, obschon dieselben
                              sehr schoͤn, fein und stark sind. Sie ist ausdauernd, waͤchst
                              uͤppig in dem botanischen Garten, und wurde waͤhrend 6 bis 7 Monaten
                              zweimal geschnitten, so daß man jaͤhrlich wenigstens 2 bis 3 Erndten an den
                              Schoͤßlingen machen kann. Dr. Roxburgh
                              schaͤzt den Ertrag derselben: eben so hoch, als jenen der Dancha, Jute, Sun,
                              des Hanfes oder Flachses. Um diese Rinde von den halbholzartigen Schoͤßlingen
                              zu loͤsen, welche sie bedekt, um das Oberhaͤutchen derselben und die
                              schwammige Substanz, die die Fasern in ihrem natuͤrlichen Zustande fest
                              zusammen haͤlt, zu erweichen, reicht waͤhrend der warmen Zeit, eine
                              Roͤstung von 4 bis 8 Tagen hin, waͤhrend der kalten Zeit wird man
                              dreimal so viel Zeit brauchen, und dann ist die Roͤstung kaum
                              moͤglich; uͤberdies leiden die Fasern durch langes Roͤsten gar
                              sehr. Sobald die Schoͤßlinge aus dem Wasser, in welchem sie geroͤstet
                              wurden, herausgenommen
                              werden, werden sie noch naß, einzeln in die Hand genommen, und mit irgend einem
                              rauhen Materiale, etwas Heu u. dgl. abgerieben, um das aͤußere fleischige
                              Oberhaͤutchen, das keine Fasern enthaͤlt, abzusondern. Diese Arbeit
                              ist sehr leicht gethan, und nachdem sie geschehen ist, werden die gereinigten
                              Schoͤßlinge in Buͤndel gebunden, und in der Mitte und an dem oberen
                              Ende mit Steinen beschwert, und wieder in das Wasser versenkt; oder außer demselben
                              gehalten. Die faserigen Theile werden dann mittelst der Finger von einem kleinen
                              Theile des unteren Endes des Schoͤßlinges oder Staͤngels
                              abgeloͤset, indem man dieselben mir einem Mahle abzieht. Nach der Abnahme
                              derselben wird das Parenchym, welches die Zwischenraͤume zwischen denselben
                              ausfuͤllt, und in der lebenden Pflanze jenen Theil der Rinde bildet, welchen
                              man die innere Platte derselben nennen kann, unmittelbar in kaltem Wasser gewaschen,
                              und die gereinigten Fasern werden ausgebreitet, und in der Sonne getroknet. Auf
                              diese einfache Weiße wird der indische Hanf bereitet. Roxburgh hat 1/3 Acre im
                              botanischen Garten zu diesen Versuchen bestimmt.
                           
                        
                           
                              Anhang zu
                              
                           No. 7. Sun. Einiges gegaͤrbte Segelgarn aus
                              dieser Pflanze wurde vor vier Jahren zu einem Seile aus drei Lizen gesponnen, deren
                              jede aus 4 Faden Segelgarn bestand. Noch etwas von diesem Segelgarne, daß vor 12
                              Monathen gegaͤrbt wurde, wurde zu einem aͤhnlichen Seile gesponnen,
                              und ein anderes wurde aus weißem ungegaͤrbten Garne verfertigt. Elfteres
                              brach, troken, mit 110 Pfund, und, nachdem es 24 Stunden in Wasser getaucht war, mit
                              130 Pfund. Das zweite brach, troken, mit 123 Pfund, und, nachdem es 24 Stunden in
                              Wasser getaucht war, mit 140 Pfund. Das dritte brach troken, mit 143 Pfund, und,
                              nachdem es 24 Stunden in Wasser getaucht war, mit 222 PfundEs waͤre sehr zu wuͤnschen, daß man unsere europaͤischen
                                    Spinn-Materialien, die der fleißige Boͤhmer in seiner technischen Geschichte der Pflanzen, J.
                                    H. S. 490–606 verzeichnete, aͤhnlichem Versuchen
                                    unterzoͤge, wie Dr.
                                    Roxburgh mit den indischen vorgenommen hat. Seit
                                    Boͤhmer hat die Technik Fortschritte
                                    gethan, die jezt dasjenige moͤglich machen, was vor 50 Jahren noch
                                    unter die Unmoͤglichkeiten gehoͤrte. A. d. Ueb..