| Titel: | Einige Worte über Perkins Dampfmaschine, von Joh-Andr. Uthe, K. S. Hof-Orgelbaumeister in Dresden. | 
| Autor: | Johann Andreas Uthe [GND] | 
| Fundstelle: | Band 15, Jahrgang 1824, Nr. CIV. CIII. , S. 449 | 
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                              CIV.
                              CIII.
                              
                           
                        Einige Worte über Perkins Dampfmaschine, von Joh-Andr. Uthe, K. S.
                           Hof-Orgelbaumeister in Dresden.
                        Uthe, einige Worte über Perkins Dampfmaschine.
                        
                     
                        
                           Schon fruͤher waͤre es meine Pflicht gewesen,
                              uͤber die so viel und mannigfaltig besprochene Structur der Perkinsschen
                              Dampfmaschine meine Ansicht laut werden zu lassen, haͤtte ich nicht geglaubt, daß die Sache
                              sich fruͤh genuͤg ohne mein Zuthun aufhellen wuͤrde; dazu
                              verpflichtet hielt ich mich aus dem Grunde, weil ich schon im Jahre 1918 denselben
                              Weg, welchen Perkins jezt eingeschlagen, verfolgte; wie ich Hrn. Perkins in vorigem
                              Jahre auch berichtet habe. Obgleich ich eine weit vortheilhaftere Structur
                              fuͤr meine Dampferzeugung, als der Perkinssche Generador ist, gewaͤhlt
                              hatte, so konnte ich mich dock, troz der Voraussezung, daß (nach Laplace) bei hoher
                              Temperatur die Expansion wie die Quadratzahl der Temperatur zunehmen soll, nicht
                              uͤberzeugen, daß auf diesem Wege fuͤr die Oeconomie des Feuermaterials
                              Vortheil hervorgehen koͤnne; und die deßhalb angestellten Versuche
                              uͤberzeugten mich bald, daß meine Vermuthungen gegruͤndet waren. Die
                              Structur meines Dampferzeugers, wich von den Perkins'schen auch noch dadurch ab, daß
                              das Ein- und Ausbringen der Fluͤßigkeit in den Dampferzeuger, durch
                              Haͤhne bezwekt wurde, welche mit Kammern versehen waren, die eben soviel und
                              nicht mehr aufnehmen konnten, als zu jedem Kolbenspiel noͤthig war; diese
                              Vorrichtung hatte vor der Perkins'schen Ventileinrichtung das voraus, daß deren
                              Direktion weniger Kraft wegnahm, als die Wasserpumpe des Hrn. Perkins, welche gegen einen so hohen Druk zu
                              arbeiten hat. Der bereits angefuͤhrte Umstand, daß bei dieser Anordnung,
                              mittelst sehr hoher Temperatur zu arbeiten, nur der kleinere Theil der freien Hize
                              des aufgewendeten Brennmaterials fuͤr die Dampfbildung benuͤzt werden
                              koͤnne, waͤre allein schon hinreichend gewesen, mich von dieser Bahn
                              abzubringen; allein es schien mir noch ein zweiter Umstand bedenklich, und meines
                              Dafuͤrhaltens unuͤberwindlich: Aus der Erfahrung hat sich ergeben, daß
                              zu diesen und aͤhnlichen Apparaten das Eisen das brauchbarste Metall ist; nun
                              wissen wir aber; daß dieses Metall bei hoher Temperatur in Beruͤhrung mit
                              Wasser und Wasserdampf Wasserstoff-Gas erzeugt; da ich nun bei meiner Maschine einen
                              moͤglichst luftleeren Raum bezwekte, fuͤr die Wirkung der
                              Atmosphaͤre, so erschien mir die Gasbildung als unwillkommener Gast, und ich
                              wuͤrde offenbar meinen Zwek verfehlt haben.
                           Auf diesen Umstand achtete Hr. Perkins freilich nicht, und bei seiner Struktur der
                              Maschine, brauchte er es auch nicht, und haͤtte er auch darauf
                              Ruͤksicht nehmen wollen, so waͤre dieses bei dem kleinen
                              Kolbendurchmesser, doch ganz nuzlos ausgefallen; er hoffte vielmehr sein Heil einzig
                              und allein in der Expansion zu finden. Sollte Hr. Perkins bis jezt noch nicht im
                              Klaren seyn, uͤber seine bezwekte Kohlen-Oeconomie, so koͤnnte er sich
                              aus der so gruͤndlichen Auseinandersezung des Hrn. Dir. Prechtl in Gilb. Ann. 2 St. von d. Jahre,
                              Raths erholen; und ich wuͤßte dieser so klaren Auseinandersezung nichts
                              hinzuzufuͤgen, wenn ich nicht glaubte dort einen Rechnungsfehler (offenbar
                              aus Versehen) bemerkt zu haben; und wenn nicht, sowohl von Hrn. Dir. Prechtl als von
                              Hrn. Prof. Schmid, (in demselben Journ.) ein Glied in der Rechnung ganz
                              uͤbersehen worden waͤre; welches zwar bei anderen Maschinen keiner
                              Erwaͤhnung verdient, wohl aber bei dem geringen Kolbendurchmesser, und dem
                              hohen Druke der Perkins'schen Maschine ein Object wird, welches nicht
                              uͤbersehen werden darf: ich meine die Kolbenstange.
                           Wenn Hr. Perkins eine so große Kraft voraussezte, oder wirklich erhielt, wozu die
                              Moͤglichkeit vorhanden ist, wie Hr. Dir. Prechtl am angefuͤhrten Orte
                              gezeigt, so konnte er diese Stange nicht fuͤglich unter 9''' Diam. annehmen,
                              und diese gibt 63,45 □''; fuͤr den Querschnitt, welche von der
                              Grundflaͤche des Kolbens abzuziehen sind; da aber nur auf einer Seite des
                              Kolbens, oder auf 1/2 Kolbenspiel dieser Abzug gelten kann, so ist es dasselbe, wenn
                              fuͤr das ganze Kolbenspiel die Haͤlfte in Rechnung = gesezt wird; es
                              bleibt daher fuͤr die Grundflaͤche des Kolbens = 2,8...
                              □''.
                           Hr. Dir. Prechtl fand aus der □ Flaͤche des Dampferzeugers das Maximum
                              des erzeugten Dampfes = 1 1/10 Cub.' zu 80° R., a
                              Sec.; er hat aber aus Versehen 1900 Cub.'' in Rechnung gebracht, und daher die
                              Expansion auf den Kolben = 15 Atmosphaͤren gefunden; sezt man aber die
                              gefundenen 1 1/10 Cub'. an, so ergibt sich nur eine Expans. von 9 Atm. und die
                              Rechnung wird daher folgendermaaßen ausfallen:
                           2,8 × 14,6 × 9 × 200 = 72000 fuͤr die ganze Kraft a Min. Die von Hrn. Prechtl gefundene Summe war =
                              136500.
                           Was Hr. Perkins durch die eigenthuͤmliche Structur des Condensators hat
                              bezweken wollen, laͤßt sich nicht wohl begreifen; und es verdient diese
                              Vorrichtung mehr Tadel als Lob. – Es wird aber auch die Natur sich an Hm.
                              Perkins dafuͤr zu raͤchen wissen, daß er deren Freigebigkeit in
                              Hinsicht der atmosphaͤrischen Kraft so ganz verschmaͤhte; wie wir
                              weiter unten sehen werden.
                           Ist es nun wahr, daß seiner eignen Angabe zufolge, in diesem Werkzeuge ein Gegendruk
                              von 5 Atmosph. vorhanden war, so wuͤrde seine angegebene Kraft sich gar sehr
                              reduciren. Ob nun gleich, sowohl uͤber diesen als jeden anderen Punct alle
                              Angaben so unbestimmt sind, so gehet doch aus allem hervor, daß ein sehr bedeutender
                              Gegendruk vorhanden ist; und ich will daher zu seinem Vortheil nur einen Gegendruk
                              von 3 Atmosphaͤren annehmen, und alsdann ist die Kraft nur = 48000. Ist nun
                              ferner die Angabe richtig, daß diese Maschine taͤglich zwei Bushel Kohlen
                              konsumirt, so ist die erhaltene Kraft von 1 Schfl. = 17280000. Es hat daher der Hr.
                              Dir Prechtl vollkommen recht, wenn er behauptet, daß diese Maschine weniger leiste
                              als die gewoͤhnliche Watt'sche-Maschine, indem diese im Durchschnitte von 1
                              Schfl. Kohlen eine Kraft = 20000000 liefert; und gegen die verbesserten Kessel- und
                              Hochdruk-Maschinen von Woolfe, Edwards, Trevidhick etc.
                              verhaͤlt sie sich nur wie 1: 3.
                           Das hier erhaltene Resultat, muß allerdings denen, welche sich noch nicht die
                              Muͤhe nahmen, die Sache bis auf den Grund zu beleuchten, oder denen, welche
                              dafuͤr sich einnehmen ließen, unglaublich erscheinen; es kann ein jeder sich
                              durch einige Versuche aber leicht uͤberzeugen, daß die freie Hize von einem
                              Geblaͤsefeuer, von Eisen oder jeden anderem Metalle, in groͤßt
                              moͤglichster Summe absorbirt werden kann, sich zu der freien Hize, welche von
                              dem Metalle nicht absorbirt werden kann nahe wie 2 : 3 verhaͤlt. Hieraus wird
                              es sogleich anschaulich, wie der Generador des Hrn. Perkins nichts weniger als
                              vollkommen zu nennen ist; und diese Ansicht war es vorzuͤglich, welche mich
                              von jenem Wege ablenkte.
                           Jezt kann ich nun nicht fuͤglich umgehen meiner spaͤteren
                              Bemuͤhungen in dieser Hinsicht zu gedenken.
                           Der Gegenstand erschien mir zu wichtig, als daß er nicht meine ganze Aufmerksamkeit
                              haͤtte fesseln sollen; und indem ich 6 Jahre lang diesen Gegenstand unablaͤßig
                              verfolgte, gelangte ich zu den Resultaten, wie sie hier folgen:
                           
                              1) War ich bemuͤhet eine Structur zu finden, welche jede
                                 denkbare Gefahr einer Explosion, auch bei der hoͤhsten Expansion,
                                 unmoͤglich macht, und daß
                              2) die groͤßt moͤglichste Summe der freien Hize
                                 fuͤr die Dampfbildung benuzt werde.
                              
                           Schon vor 3 Jahren hatte ich einen Kessel konstruirt, welcher mehr, als alle die mir
                              bekannt gewordene, leistete; aber erst mit Anfang dieses Jahres brachte ich einen
                              Kessel zu Stande, welcher meinen Anforderungen Genuͤge leistete; und seine
                              Wirkung hat sich bereits durch die Erfahrung bestaͤtigt, indem ich seit
                              Anfang dieses Jahres eine Knochenmuͤhle durch ihn dirigiren lasse. Dieser
                              Kessel liefert in jeder Min. 60 Cub.' Dampf unter einem Druke von 2
                              Atmosphaͤren oder: 2 × 14/5 ℔ a
                              □'', bei einem Kohlen-Aufwande von 12 Loth. Wird nun dieser Dampf durch eine
                              zwekmaͤßige Maschine vortheilhaft benuzt, so erhalte ich einen mechanischen
                              Effect = 520000 fuͤr 1 Minute und durch 80 Pfund Kohlen, welche gleich sind 1
                              engl. Schfl., eine Kraft = 109200000. Diese Wirkung uͤbersteigt die der
                              besten Kessel und Hochdruk-Maschinen von Woolfe, Trevidhick, Edwards etc., um mehr als das Doppelte und die des Hrn.
                              Perkins um 5–6 Mahl.
                           Der Ofen, welcher solch einen Kessel enthaͤlt, ist nur 4' lang und 3' breit,
                              und reicht fuͤr eine Maschine von 12–16 Pferden vollkommen aus. Wie
                              vollkommen die Hize von dem Kessel absorbirt wird, beweist der Umstand, daß man an
                              einem kalten Tage in dessen Naͤhe, sich kaum etwas zu erwaͤrmen im
                              Stande ist; und da, wo der Feuerzug den Kessel verlaͤßt und in die Esse geht,
                              kann man die Hand hinein halten, ohne Gefahr dieselbe zu verbrennen; wo man bei den
                              mehresten Kesseln hier noch Metalle schmelzen kann; und vorzuͤglich bei den
                              des Hrn. Perkins. Der oben genannte in Beziehung auf Perkins Dampferzeuger
                              angefuͤhrte direkte Versuch, wird durch meinen Kessel vollkommen
                              bestaͤtigt. Bei allem dem ist seine Sicherheit so groß, daß auch die aufs
                              hoͤchste gesteigerte Expansion seine Dauer nicht zu erschuͤttern
                              vermag; wie dieses bei der naturgemaͤßen Structur, auch nicht wohl anders
                              seyn kann. Mir
                              wuͤrde es selbst unglaublich duͤnken, wie eine so kleine unbedeutende
                              Maschine von 6–8 Zentner schwer, sich mit den jezt uͤblichen Kesseln
                              von hundert und mehr Zentner messen koͤnne, haͤtte nicht die Erfahrung
                              seit nun uͤber 3/4 Jahr mir den Beweis in die Haͤnde gegeben.
                           Da, wo Schiff-Fahrt durch Dampfmaschinen bezwekt wird, kann wohl nichts willkommener
                              seyn als dieser Kessel 1) wegen seines geringen Gewichtes; 2) wegen seines kleinen
                              Volumens; 3) wegen des unbedeutenden Kohlen-Bedarfs, und 4) wegen der großen
                              Sicherheit. Nicht allein bei Dampfmaschinen, sondern fuͤr die mehresten
                              Kuͤnste und Gewerbe wird dieser Kessel die groͤßten Vortheile
                              gewaͤhrenWir finden die Bemerkungen des Hrn. Uthe uͤber die Dampfmaschine,
                                    oder eigentlich den Dampf-Erzeugungs-Apparat des Herrn Perkins (denn an dem Baue der Maschine
                                    selbst hat dieser Ingenieur nichts verbessert) so wie auch seine
                                    Berichtigung der Berechnung, des Hrn. Directors Prechtl uͤber die Kraft
                                    und Wirkung der Perkins'schen Vorrichtung allerdings gegruͤndet.
                                    Ueberhaupt scheint diese mit so großem Laͤrmen angekuͤndete
                                    neue Erfindung den hohen Erwartungen nicht zu entsprechen, welche sie
                                    allgemein erregt hatte, und wir haben, bis jezt wenigstens, nur immer von
                                    Versuchen im Kleinen, welche Hr. Perkins in seiner Werkstaͤtte zu London angestellt
                                    hat, aber noch von keiner einzigen im Großen nach seinem Princip
                                    ausgefuͤhrten Maschine gehoͤrt. – In einer
                                    unlaͤngst zu Paris erschienenen sehr gehaltvollen Schrift: (Réflexions sur la Puissance motrice du Feu et
                                       sur les Machines propres à développer cette Puissance, par
                                       S. Carnot, ancien Elève de l'Ecole polytechnique. Paris chez
                                       Bachelier. 1824.) wird das Princip des Hrn. Perkins als mangelhaft getadelt, und der
                                    Verfasser sagt (S. 99.) unter andern Folgendes: „Aussi la machine de M. Perkins ne
                                          parâit-elle pas réaliser les espérances qu'elle
                                          avait d'abord fait concevoir. On avait prétendu que
                                          l'éconemie de charbon produite par cette machine était
                                          de 9/10 sur les bonnes machines de Watt,
                                          ét qu'on y rencontrait encoure d'autres avantages. Ces
                                          assertions ne se sont pas vérifieés.“
                                    u.s.w.Wenn nun Hr. Uthe einen
                                    Dampf-Erzeugungs-Apparat erfunden hat, welcher von den Fehlern des
                                    Perkins'schen Apparates frei ist, und wirklich alles dasjenige leistet, was
                                    er hier davon behauptet, so hat er sich um die Vervollkommnung der
                                    wichtigsten und nuͤzlichsten aller Maschinen ein unsterbliches
                                    Verdienst erworben, und es ist nur zu wuͤnschen, daß er diese seine
                                    Erfindung bald oͤffentlich bekannt machen wolle. J. v. B.. Dresden im November 1824.