| Titel: | Auszug aus einer Notiz über die Knollen der Grund- oder Erdbirnen (Topinambours, Helianthus tuberosus) und ihre Verwendung zum Branntweinbrennen. Von Hrn. Payen. | 
| Fundstelle: | Band 16, Jahrgang 1825, Nr. XXII., S. 61 | 
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                        XXII.
                        Auszug aus einer Notiz über die Knollen der
                           Grund- oder Erdbirnen (Topinambours, Helianthus tuberosus)Wir haben bereits den Anbau der Erdbirnen B.
                                    XV. S. 254 theils als Gemuͤse, theils zum Branntweinbrennen
                                 empfohlen, und wiederholen, gestuͤzt auf vieljaͤhrige
                                 Erfahrung, daß diese Pflanze ohne alle Cultur auf dem
                                    schlechtesten Boden, auch in unserem kalten Klima in Baiern sehr gut
                                    gedeiht, unsere Empfehlung. A. d. Ueb. und ihre Verwendung zum Branntweinbrennen. Von Hrn. Payen.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'Encouragement pour l'Industrie nationale. N. 242. S.
                              230.
                        Payen, über die Knollen der Grund- oder Erdbirnen, und ihre
                           Verwendung zum Branntweinbrennen.
                        
                     
                        
                           Die Knollen der Erdbirnen haben ein festes, weißes Fleisch und
                              ein braunes, violettes oder gelbliches Oberhaͤutchen. Ihre specifische Schwere ist (jene
                              des Wassers = 1000 gesezt) 1018, aber wechselnd nach Jahreszeit und Boden. In Wasser
                              gesotten werden sie bald so weich, daß man sie zwischen den Fingern
                              zerdruͤken kann; ihr Oberhaͤutchen schwillt auf, loͤst sich
                              leicht ab, und zeigt die Fasern, die sie durchziehen.
                           Wenn man sie in duͤnne Scheibchen schneidet, so bemerkt man an einigen, die
                              eine laͤngere Zeit uͤber außer der Erde waren, vorzuͤglich in
                              der Naͤhe des Mittelpunctes, kleine gelbliche runde Secretionen, die wie das
                              wesentliche Oehl der Georginen (Dahlien) riechen, und aus etwas Harz und
                              wesentlichem Oehle bestehen. Diese Scheibchen verlieren durch das Troknen 75 bis 77
                              Prozent, nach verschiedener Jahreszeit und nach verschiedenem Boden.
                           Die Knollen der Erdbirnen lassen sich, wenn die Oberhaut abgeschaben ist, zu einem
                              sehr feinen Brei zerreiben, ohne so lange Fasern zu geben, wie die Knollen der
                              Dahlien; sie zerreiben sich auch weit leichter als Erdaͤpfel oder
                              Runkelruͤben. Wenn man den Saft mittelst einer Presse mit eiserner Spindel
                              ausdruͤkt, so erhaͤlt man ungefaͤhr 9 Zehntel des Gewichtes der
                              Knollen. Die specifische Schwere dieses Saftes ist 1099; also groͤßer als die
                              des Saftes der Runkelruͤben, die in Frankreich nur zwischen 1040 und 1060
                              ist, und auch groͤßer als der des Saftes der Trauben, Aepfel, Birnen und
                              anderer Pflanzentheile.
                           Der Brei der Knollen der Erdbirnen gibt, eingeaͤschert, 0,0102 sehr
                              alkalischen Ruͤkstand, welcher 0,55 seines Gewichtes basische kohlensaure
                              Pottasche, oder, in Hinsicht auf das Gewicht der Knollen, 0,0051 hydrochlorsaure
                              Pottasche, 0,0012 basischen kohlensauren Kalk, 0,00095 phosphorsauren Kalk und
                              0,00022 Spuren von Eisenoxid vor dem Loͤthrohre enthaͤlt.
                           Chemische Analyse zeigte in denselben folgende, in der Ordnung der Menge, in welcher
                              sie darin vorkommen, gereihte Stoffe: Wasser, nicht
                              krystallisirbaren Zuker, salpetersaure Pottasche, Dahline,
                                 gallertartigen, stikstoffhaltigen Stoff, Gummi, salpetersauren Kalk, 
                              stikstoffhaltigen Eyweißstoff, zwei fette Stoffe, wovon der eine die Consistenz des Fettes hat; der andere
                              (bei 16° am 100 gradigen Thermometer fluͤßig ist) Kieselerde, thierischen, dem Osmazom aͤhnlichen, Stoff, Holzfaser,
                                 wesentliches Oehl und Harz, phosphorsauren Kalk;
                                 Hydrochlor- und Citronensaure Pottasche, Spuren
                              von Gallaͤpfel und Phosphorsaͤure, die eine besondere, durch die Waͤrme
                              zerstoͤrte, Verbindung eingeht, Schwefel, Fungine,
                                 Eisen und Braunstein.
                           Merkwuͤrdig in Hinsicht auf Anwendbarkeit sind der Eyweißstoff, die
                              Laugensalze, die Dahline und der unkrystallisirbare Zuker: nach den beiden lezteren
                              zu urtheilen, ist der Saft der Erdbirnen einer geistigen Gaͤhrung
                              faͤhig.
                           Folgende Versuche wurden in Hinsicht auf leztere angestellt. Man gab in eine Flasche
                              sehr feinen nicht ausgepreßten Brey und mengte denselben kalt mit Bierhefen. In eine
                              andere Flasche gab man durch bloßes Abkochen geklaͤrten Saft, und sezte
                              demselben Bierhefen zu.
                           Beide Flaschen wurden zugestoͤpselt, mit Sicherheitsroͤhren versehen,
                              und einer gleichfoͤrmigen Temperatur von 25° (am hundertgradigen
                              Thermometer?) ausgesezt. Es zeigte sich sehr bald eine lebhafte Gaͤhrung; die
                              Entwikelung des kohlensauren Gases war in der Flasche, welche den Brei enthielt,
                              viel staͤrker, als in der anderen, und hoͤrte nach 48 Stunden
                              gaͤnzlich auf. Der Brei (dessen braͤunliche Farbe bei dem Zutritte der
                              Luft, so wie dessen Entfaͤrbung waͤhrend der Gaͤhrung von
                              gallaͤpfelsaurem Eisen herruͤhren kann) war ziemlich entfaͤrbt,
                              und der Saft, den man durch Auspressen aus demselben erhielt, war roͤthlich
                              braun, und dunkler als vor der Gaͤhrung. Seine specifische Schwere oder
                              Dichtigkeit fiel von beinahe 14 Graden oder 1,0995, welche er vor der
                              Gaͤhrung hatte, bis auf 1 Grad oder 1,0066; alle Klebrigkeit desselben war
                              verschwunden, und er lief leicht durch das Filtrum. Er roch, wie sehr starker Wein,
                              und schmekte etwas scharf. Destillirt gab er ein Drittel seines Gewichtes Alkohol
                              von 0,963 bei einer Temperatur von 16° am hundertgradigen Thermometer: also
                              0,09 des angewendeten Saftes an reinem Alkohol. Der Ruͤkstand nach der Destillation enthielt keine
                              Dahline, zum Beweise, daß diese in die geistige Gaͤhrung, deren sie
                              faͤhig ist, uͤberging.
                           Der, durch das Sieden geklaͤrte und mit den Hefen gemengte, Saft entwikelte
                              noch nach 72 stuͤndiger Gaͤhrung Blasen von Kohlensaͤure; er
                              war weniger gefaͤrbt, als der erste, sein Geschmak war aber beinahe derselbe.
                              Seine Dichtigkeit fiel bloß um 2° am Baumè'schen Araͤometer,
                              oder auf 1,0133 specifischer Schwere. Destillirt gab er 0,2 seines Gewichtes Alkohol
                              von 15° oder 0,966 Dichtigkeit. Der Ruͤkstand nach der Destillation
                              enthielt noch eine bemerkbare Menge Zukerstoff.
                           Der in diesen beiden Versuchen erhaltene Alkohol hatte einen besonderen Geschmak,
                              welchen man demselben durch Filtriren uͤber gepuͤlverte Pflanzenkohle
                              und neue Destillation entzog. Die Aehnlichkeit zwischen dem Topinambour-Weine und
                              dem Biere veranlaßte Hrn. Payen, den Saft derselben auf
                              Bier zu benuͤzen.
                           Man mischte gleiche Theile des Breies derselben mit einer Hopfen-Abkochung in einem
                              Moste aus licht gedarrtem Gerstenmalze. Dieses Gemenge wurde unter einer Temperatur
                              von 20°, 36 Stunden lang mit Hefen in Gaͤhrung gehalten, und gab bei
                              dem Auspressen ein starkes, braunes, schaͤumendes, gut geklaͤrtes
                              Bier. Man mengte, in demselben Verhaͤltnisse, den durch Sieden
                              geklaͤrten Saft mit Gersten-Most, und kochte diese Mischung mit Hopfen; nach
                              der Gaͤhrung gab er ein gelblich braunes, starkes, noch angenehmer
                              schmekendes Bier, das sich sehr leicht klaͤrteWir wollen gern Gold aus den Erdbirnen gemacht sehen, und Diamanten und das
                                    Paradies selbst; aber Bier, baier'sches Bier
                                    (denn „es ist kein Gott außer Gott“, wie die
                                    deistischen Tuͤrken sagen, und „kein Bier außer dem
                                       baierischen Vier“, wie die Baiern sagen) macht man gewiß aus
                                    Erdbirnen nicht.. Nach einem Monate wurden diese Viere truͤbe, und sezten einen
                              weißlichen Stoff ab: eine Veraͤnderung, die sich durch Untersuchung des
                              abgeschiedenen Stoffes,
                              welcher vielleicht Braconnot's Grundstoff der schleimigen Gaͤhrung ist, leicht vermeiden
                              laͤßt, und die weder am Geschmake, noch an der Staͤrke des Bieres
                              etwas aͤndert.
                           Hier und da wurden die Erdbirnen als Viehfutter mit Vortheil gebaut, denn diese
                              Pflanze waͤchst auch in einem Boden, in welchem kein anderes Futter gedeiht,
                              und man sieht, daß man auch andere Vortheile aus denselben erhalten kann.
                           Wenn man Branntwein aus denselben gewinnen will, muß der Brei sehr fein seyn;
                              mittelst der Reibmaschine fuͤr Erdaͤpfel, z.B. der Burette, erhaͤlt man denselben hinlaͤnglich
                              fein: es ist nicht noͤthig, daß die wenige Holzfaser weggeschaft wirdEine hierzu geeignete Maschine ist im Bd.
                                       XIII. S. 381. in diesem polyt. Journ. beschrieben und abgebildet.
                                    D..
                           Die Staͤngel lassen sich auf Pottasche benuͤzen, woran die Asche
                              derselben sehr reich ist.
                           Mit dem Eyweißstoffe des Saftes kann man, durch Aufsieden, sechs bis acht Mahl soviel
                              Pflanzensaͤfte, dem Gewichte nach, klaͤren. Hr. Payen hat damit Gersten-Most geklaͤrt, den er mit 0,02 thierischer
                              Kohle behandelte, und den er zu Syrup verdiken wollte. Vielleicht koͤnnte man
                              diesen Saft auch dort brauchen, wo man den Eyweißstoff des Blutes noͤthig
                              hat, und denselben bei der Zukerbildung aus gewissen Getreide- und
                              Staͤrkmehl-Arten benuͤzen, ohne daß man noͤthig haͤtte,
                              die Koͤrner keimen zu lassen.
                           Diese lezteren Ideen sind vielleicht noch zu sehr gewagt: die Benuͤzung der
                              Knollen zur Branntweinbrennerei, der Blaͤtter und des Ruͤkstandes nach
                              dem Auspressen, und der Staͤngel zur Gewinnung der Pottasche ist
                              erwiesen.
                           Die Gesellschaft fordert zu Versuchen auf.