| Titel: | Ueber Gärberei. Von Hrn. Burridge. | 
| Fundstelle: | Band 16, Jahrgang 1825, Nr. LXXVIII., S. 356 | 
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                        LXXVIII.
                        Ueber Gärberei. Von Hrn. Burridge.
                        Aus dem London Journal of Arts and Sciences. Jan.
                              1825. S. 27.
                        Burridge, über Gärberei.
                        
                     
                        
                           Geschichte und Erfahrung lehrt, daß das Menschengeschlecht
                              mehr dem Zufalle als der Weisheit zu danken hat: ersterem gehoͤren die
                              meisten Erfindungen und Verbesserungen. Man gelangt oft auf dem einfachsten Wege zur
                              Vollendung derselben; ein Beispiel ist der Compaß.Andere Beispiele sind Schießpulver, Scharlach, Berlinerblau, Dampf-Maschinen,
                                    die Entdekung aller Bergwerke, die meisten direct wirkenden Mittel in der
                                    Medicin etc. A. d. Ueb.
                              
                           Zufaͤllig entdekte auch ich ein Mittel, den Grad der Staͤrke an
                              Eichenrinden Aufguͤßen zu bestimmen, und diese auf die einfachste und
                              regelmaͤßigste Weise zur Gaͤrbung der Haͤute anzuwenden, so daß
                              leztere, nach ihrer verhaͤltnißmaͤßigen Dike, in drei bis vier Monaten
                              Sohlen-Leder werden, wenn man die Aufguͤsse anders gradweise, in 3
                              verschiedenen Graden, anwendet, drei Mahl in der Woche bis zu 15, bis 20°
                              verstaͤrkt, und Acht gibt, daß nicht ehe, als bis das Leder beinahe gar ist,
                              starke Aufguͤsse angewendet werden.
                           Man kann durch keine Theorie mit Genauigkeit die Zeit bestimmen, wann die Haute mit
                              Vortheil getrieben werden koͤnnen; Erfahrung allein kann diesen delicaten
                              Punct mit Meister-Hand bezeichnen. Das einfache Instrument, dessen ich mich bediene,
                              ist ein Hydrometer (das ich Barkometer
                              Ein hoͤchst ungluͤklich gebildeter Name, gerade, als ob man im
                                    Deutschen ein Lohometer, statt Lohemesser sagen wollte, um griechisch reden zu
                                    scheinen. A. d. Ueb.nenne), ohne welches ich noch mehr im Finsteren tappen wuͤrde, als
                              Brauer ohne Saccharometer und Thermometer.Wir laͤugnen nicht, daß die Brauerei durch Thermometer und
                                    Saccharometer viel gewinnen kann; wir wissen aber auch, daß unsere
                                    baierischen Brauer ohne diese Instrumente weit besseres Bier brauen, als man
                                    in England mit Beihuͤlfe dieser Instrumente nicht braut. Usus facit artisicem. A. d. Ueb.
                              
                           
                           Durch anhaltenden Gebrauch der Pumpen ward es mir moͤglich, innerhalb 10 Tagen
                              alle Kraft aus der Eichenrinde auszuziehen, waͤhrend sie in den
                              gewoͤhnlichen Lohgruben 2 bis 3 Jahre lang liegen bleibt. Mein Hydrometer
                              beweist mir, daß ich keinen Gaͤrbestoff umsonst wegwerfe.
                           Mein Verfahren, unter taͤglicher Aufsicht sorgfaͤltig angewendet,
                              vermehrt das Gewicht der Haͤute uͤber das Gewoͤhnliche.
                              Waͤhrend die Gaͤrber 12 Monate zu ihren Haͤuten noͤthig
                              haben, gaͤrbe ich nach meiner Methode dieselben sehr leicht in dreien. Die
                              Gaͤrber sind froh, wenn ihre Haͤute 40 Pfund wiegen, wo diese roh
                              deren 80 gewogen haben; die meinigen wiegen unter diesen Verhaͤltnissen 48
                              Pfund; d.h., ich erzeuge in einem Viertel der gewoͤhnlichen Zeit um 1/5 mehr
                              Leder. Ist es nicht ein Beweis, daß die Haͤute nach 4 Monaten mehr faulen,
                              als gegaͤrbt werden, da die Schwere des Leders das Kennzeichen der
                              Guͤte desselben ist, und die Haͤute desto leichter werden, je
                              laͤnger sie liegen?
                           Viele Gaͤrber legen geschnittene Haͤute (crop
                                 hides) zwei bis drei Monate lange in die Lohe, waͤhrend welcher Zeit
                              ich die staͤrksten Haͤute in England gaͤrbe, ohne mehr als die
                              gewoͤhnliche Menge Lohe darauf zu verwenden, indem man allgemein weiß, daß 4
                              bis 5 Pfund Eichenrinde (je nachdem sie naͤmlich gut ist) Ein Pfund Leder
                              gaͤrben.
                           Ich wuͤnschte herzlich ein sicheres Mittel gegen den trokenen Moder (dry rot) auf der k. Flotte sowohl, als auf den
                              Kaufmanns-Schissen zu finden, und suchte nach Mitteln gegen denselben. Ich war
                              uͤberzeugt, daß er dadurch entsteht, daß man das Schiffbauholz zur Zeit der
                              Rinden-Ernte aufspeichert, statt im Winter, wie es die
                              Alten thaten, wo ein Karren voll Rinde noch 2 Shill. kostete, waͤhrend man
                              jezt 150 Shill. dafuͤr bezahlen muß.
                           Ich suchte nach Surrogaten fuͤr die Lohe, und fand mehrere, die viel
                              wohlfeiler zu stehen kamen, als Eichen-Rinde, und die eben so gute Dienste
                              leisteten, nur gaben sie dem Leder nicht die
                                 gewoͤhnliche Farbe; sie faͤrbten es vielmehr dunkler. Wo man
                              gute Schwaͤrze anwendet, kommt es aber nicht
                              auf die Farbe an.
                           
                           Eichenreifer geben vortrefflichen Gaͤrbestoff. Ich trug mehrere Jahre lang
                              Stiefel, die bloß mit Saͤgespaͤnen gegaͤrbt wurden: doch dieses
                              ist nichts Neues.
                           Weder der Mangel an Lohe, noch der hohe Preis derselben konnte die Vorurtheile gegen
                              diese Surrogate besiegen. Der trokene Moder wuͤthet uͤber alle Massen
                              und gegen alle Versuche in den Haͤfen und auf den Werften fort, und ich
                              versuchte auslaͤndische Mittel gegen dieses National-Ungluͤk, um
                              England zu retten. Ich fand, daß wir aus Holland etc. ungefaͤhr 100,000
                              Tonnen (nicht 10,000, wie es im Repertory of Arts heißt)
                              Lohe einfuͤhren, und daß wir (nach der bekannten Thatsache, daß 5 Pfund Lohe
                              1 Pfund Leder geben) nur 117. 000 Tonnen brauchten, und nach den Accise-Tabellen
                              23,403 Tonnen Leder erzeugten, oder 655000 Pfund im Jahre 1821 Ertrag hatten.
                           Nichts beweist deutlicher, daß wir keine Eichen zum Schiffbaue
                                 mehr besizen, und in dieser Hinsicht vom Auslande abhaͤngen. Reine
                              Thatsachen beweisen mehr als Baͤnde von leeren Argumenten!! Man kennt diese
                              Thatsachen nicht, oder man achtet sie nicht, und sie verdienen doch in die ernsteste
                              Ueberlegung genommen zu werden. Ich wurde dadurch bloß angespornt in dem Kampfe mit
                              unzaͤhligen Schwierigkeiten auszuhalten, und nicht in Verzweiflung die
                              muͤhevollsten und laͤstigsten Versuche aufzugeben. Ich sah mich daher
                              um auslaͤndischen Gaͤrbestoff um, und meine Bemuͤhungen wurden
                              mit einem Erfolge gekroͤnt, der meine sanguinischsten Erwartungen
                              uͤbertraf. Ich fand, daß die sogenannte Terra
                                 japonica mehr und staͤrkeren Garbestoff besizt, als irgend ein
                              anderes Gaͤrbe-Mittel.
                           Der sel. Sir Joseph Banks machte die ostindische Compagnie
                              schon im Jahre 1802. aufmerksam, daß Terra japonica zehn
                              Mahl staͤrker ist, als Eichen-Rinde, und diese Compagnie that, soviel sie
                              konnte, um zu Versuchen und zur Einfuhr aufzumuntern: allein alle ihre
                              Bemuͤhungen waren vergebens. Nach einem Schreiben, womit die ostindische
                              Compagnie mich beehrte, ist die Einfuhr der Terra
                                 japonica auch nach Banks's Ermunterungen jaͤhrlich nicht hoͤher als aus
                              10 Tonnen gebracht worden, welche Chemiker und Aerzte brauchen.Eine vorzuͤgliche Anwendung findet die Terra Japonica (Catechu) in der
                                    Druk- und Faͤrberei, mit welcher man Bronze, Kaffeebraune und
                                    Mordore-Gruͤnde von einer besondern Intensitaͤt darstellen
                                    kann, welche die mit Krapp erzeugten bei weitem uͤbertreffen. Man
                                    vergleiche meine Abhandlung: „Ueber das Catechu in
                                       naturhistorischer und chemischer Hinsicht, und uͤber dessen
                                       Anwendung in der Kattun und Leinendrukerei. Nebst einem
                                       natuͤrlichen Zeugmuster“ in Dingler's neuem Journale
                                    fuͤr die Druk-, Faͤrbe- und Bleichkunde. Bd. 2. S. 2.
                                    D.
                              
                           Die Gesezgebung hat sehr weise zur Einfuhr dieses Artikels dadurch ermuntert, daß sie
                              den Gaͤrbern den Gebrauch desselben unter Abgabe von 3 Shill. fuͤr den
                              Zentner gestattet, waͤhrend man bei jeder anderen Anwendung desselben 10
                              Pence fuͤr das Pfund bezahlen muß. Sie sieht und fuͤhlt den Mangel an
                              Eichenholz zum Schiffbaue, indem sie den Zoll von 6 Pfund Sterl. auf 2 Pfund 15
                              Shill. fuͤr die Last (load) herabsezte. Sie
                              haͤtte zur Erleichterung der Schiffsbau-Meister den ganzen Zoll aufheben
                              sollen, bis am Ende des naͤchsten Jahrhunderts die herrlichen Pflanzungen in
                              den koͤnigl. Foͤrsten (die fruͤher haͤtten angelegt
                              werden sollen, und schon damahls, als man uns unser gegenwaͤrtiges
                              Ungluͤk prophezeite) zur Erbauung von Kriegsschiffen brauchbares Eichenholz
                              liefern werden.
                           Unter diesen Verhaͤltnissen ist jedes Surrogat ein Mittel, von welchem unser
                              Leben abhaͤngt. Man kann es nicht entschuldigen, daß man dasselbe so lange
                              vernachlaͤßigte: es ging aber hier wie mit dem Dampfe und mit den Gasen. Der
                              Gaͤrber braucht ja nichts, wie Eichen-Rinde.
                           Es ist nicht mehr 1802. Damahls erneuerte sich der Krieg gegen Frankreich; die
                              helmischen Eichen fielen fuͤr die Flotte, und der Waldbesizer verkaufte die
                              Eichenrinde eben so gern, als der Gaͤrber sie kaufte. Die lange Dauer des
                              Krieges erzeugte Wirkungen, die wir eilen muͤssen unschaͤdlich zu
                              machen.
                           Wir werden Terra japonica aus Indien soviel erhalten, als
                              wir brauchen, sobald Nachfrage nach derselben kommen wird, wenn wir statt 10 Tonnen
                              10,000 Tonnen kommen lassen, so haben wir nur 20 Schiffe, jedes zu 500 Tonnen
                              noͤthig, um dadurch eben soviel, als in 100,000 Tonnen Eichenrinde aus
                              Holland zu bekommen.
                           
                           Sir Humphry Davy hat Terra
                                 japonica analysirt, und erklaͤrt sie (nach Ure's
                              chemical Dictionary) 8 1/2 Mahl so kraͤftig als
                              Eichen-Rinde.Davy unterscheidet zwei Arten, die von Bombay und
                                    Bengalen, erstere ist chokoladenbraun, und enthaͤlt nach ihm 54 1/2
                                    p. St., leztere ist weniger dunkel gefaͤrbt, und enthaͤlt 47
                                    1/2 p. St. Gaͤrbestoff. D.
                              
                           Terra japonica kostet gegenwaͤrtig, sammt der Mauth, 33 P. und Sterl. die Tonne, und
                              diese ist 8 1/2 Mahl so stark, als Eichenrinde zu 10 Pfund Sterl. die Tonne, die
                              also eigentlich 85 Pfund Sterl. kostet; sie ist also bedeutend wohlfeiler, kaum halb
                              so theuer, als Eichenrinde.
                           So koͤnnten unsere Flotten gerettet, die Gaͤrber erleichtert werden,
                              und jeder Buͤrger Englands koͤnnte seine Stiefeln und Schuhe um
                              billige Preise bekommen, waͤhrend unser ostindische Handel bluͤhender
                              wuͤrde, und Tausende armer Indianer nuͤzlich beschaͤftigt
                              werden koͤnnten.