| Titel: | Ueber eine Verbesserung bei dem Härten des Stahles für schneidende Instrumente. Von Hrn. E. Rhodes, Messerschmid zu Sheffield. | 
| Fundstelle: | Band 17, Jahrgang 1825, Nr. XLV., S. 188 | 
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                        XLV.
                        Ueber eine Verbesserung bei dem Härten des
                           Stahles für schneidende Instrumente. Von Hrn. E. Rhodes, Messerschmid zu
                           Sheffield.
                        Aus dessen „Essay on
                                 the Manufacture, choice et Management of a Razor. 1824.“
                           in Gill's technical
                                 Repository. Jan. 1825. S. 47.
                        Rhodes, über eine Verbesserung bei dem Härten des Stahles für
                           schneidende Instrumente.
                        
                     
                        
                           
                              „Das Wichtigste, obgleich am wenigsten („bei Verfertigung des
                                    Barbier-Messers“) Beachtete, ist das Haͤrten und Temperiren des Stahles: ein an und fuͤr sich
                                 hoͤchst einfacher Proceß, der mehr Sorgfalt, als Geschiklichkeit
                                 erfordert; er wird daher auch, im Allgemeinen, nur von gewoͤhnlichen
                                 Arbeitern verrichtet, und sehr ungleich belohnt. Bei Verfertigung schneidender
                                 Instrumente haͤngt jedoch gar sehr viel von der Art ab, wie diese
                                 Operation durchgefuͤhrt wird, indem durch sie entweder das Instrument
                                 seinen Werth erhaͤlt, oder alle derselben vorausgegangene oder auf
                                 dieselbe folgende Arbeit an diesem vergeblich wird.“
                              
                           
                              „Ich beschaͤftige mich seit 40 Jahren mit Haͤrten des
                                 Stahles; und da ich diese Operation wiederholt an den feinsten und zartesten
                                 Messerschmid-Arbeiten, die jemahls verfertigt wurden, (an Scheren)
                                 vorzunehmen hatte; da ich diesen Gegenstand mit aller Aufmerksamkeit studirte,
                                 und die Resultate von Thatsachen, so wie sie sich darbothen, genau beobachtete
                                 und aufzeichnete, so glaube ich mit einiger Zuversicht uͤber diesen
                                 Gegenstand sprechen zu koͤnnen.“
                              
                           
                              „Es ist eine unter den Stahlarbeitern allgemein herrschende Meinung
                                 uͤber das Haͤrten, daß, wenn der Stahl vor dem Eintauchen
                                 uͤberhizt wird, wieder ein besonderer Grad von Hize noͤthig ist,
                                 um denselben auf einen besonderen Grad von Haͤrte zuruͤk zu
                                 fuͤhren, oder anzulassen. (let it down), und
                                 daß man, ohne diese Vorsicht, keine gute Schneide erhaͤlt. Dieß ist aber,
                                 um mit aller Schonung zu sprechen, ein elender und kraftloser Versuch, einen
                                 Fehler durch einen anderen zu verbessern. Daß diese Meinung hoͤchst
                                 unklug ist, und vielleicht mehr als irgend eine andere Ursache dazu beitraͤgt, eine
                                 Menge schlechter Messerschmid-Waare zu erzeugen, muß jedem einleuchten,
                                 der nur etwas uͤber diesen Gegenstand nachdenkt. Man darf es als einen
                                 Saz aufstellen, der nicht sehr in Gefahr steht
                                 bestritten zu werden, daß der niedrigste Grad von Hize,
                                    bei welchem Stahl bearbeitet und hart werden kann, ohne Zweifel der beste
                                    ist, und daß demselben irgend einen besonderen Grad von Hize („extra portion“) noch nebenher ertheilen, seine vorzuͤglichsten Eigenschaften
                                    verderben heißt. Wenn der Stahl uͤberhizt wird, so oͤffnen sich die Poren desselben und
                                 dehnen sich aus, die Festigkeit seines Gefuͤges wird zerstoͤrt,
                                 und er wird außer Stand gesezt, eine scharfe Schneide zu
                                    halten. Man darf jedoch aus diesen Bemerkungen nicht schließen, daß
                                 irgend ein Grad von Temperirung dem Stahle diejenigen
                                 Eigenschaften wieder zu ertheilen vermag, die er durch das Ueberhizen verlor. Indessen bezeugen jene Arbeiter, die unter dem
                                 Einfluße dieser ungluͤkseligen Meinung stehen, große Sorglosigkeit bei
                                 diesem kritischen Augenblike der Operation des Haͤrtens, weil sie immer
                                 glauben, daß die uͤblen Wirkungen dieser ihrer Sorglosigkeit sich dadurch
                                 wieder gut machen lassen, daß sie zu einem hoͤchst offenbar fehlerhaften
                                 Verfahren ihre Zuflucht nehmen.“
                              
                           
                              „Wir bitten unsere Leser den so eben aufgestellten Saz nicht zu vergessen, daß die
                                    moͤglichst niedrigste Hize, bei welcher Stahl bearbeitet und hart
                                    werden kann, ohne allen Zweifel die beste ist. Fuͤr Leute, die
                                 mit der Natur des Stahles vertraut sind, wird diese Thatsache keines Beweises
                                 beduͤrfen; diejenigen, die es nicht sind, moͤgen sich auf die
                                 obigen und auf die folgenden Beobachtungen verweisen lassen.“
                              
                           
                              „Ich habe es oft bedauert, daß die gewoͤhnliche Buͤcher- und
                                    Umgangs-Sprache angewendet auf
                                 Fabriks-Gegenstaͤnde keine so genau bezeichnenden Worte
                                 darbiethet, als die Kunstsprache, die technischen Ausdruͤke der Werkstaͤtte;
                                 man hat immer dieselben im Kopfe, und moͤchte immer diejenigen Worte gebrauchen,
                                 die man nicht anwenden darf; man befindet sich in dem laͤstigen Zustande
                                 eines Uebersezers, der aus einer Sprache in die andere uͤbertragen und
                                 sehen muß, wie der Ausdruk seines Originales durch Umschreibungen leidet, die
                                 sich jedoch nicht kuͤrzer geben lassen.Es ist fuͤr uns deutsche Uebersezer wohl noch mehr zu bedauern,
                                       daß weder die Englaͤnder, noch die Hollaͤnder, noch die
                                       Italiaͤner, noch wir Deutsche ein gutes, oder auch nur ein
                                       brauchbares Woͤrterbuch in technischer Hinsicht besizen. Die
                                       groͤßeren und die besten, die classischen
                                       Woͤrterbuͤcher aller dieser Voͤlker, Johnson's
                                       Dict. das Diction. de
                                          l'Academie, das Dizzionario della
                                          Crusca, sind, wie J. C. Adelung's
                                          deutsch. Woͤrterbuch, lediglich nur die Arbeit von
                                       Philologen und Belletristen, die theils absichtlich, theils aus
                                       Unwissenheit die technischen Kunst-Ausdruͤke ihrer
                                       Voͤlker aufzunehmen vernachlaͤßigten. Man glaubt nicht,
                                       welche ungeheure Muͤhe oͤfters der unbedeutenste
                                       technische Aufsaz einem Uebersezer kostet. Wir Deutsche hatten zwar das
                                       seltene Gluͤk vor 50 Jahren einen Mann in unserem Volke zu haben,
                                       der der Sprache wie den technischen Kuͤnsten zugleich zu
                                       Huͤlfe kam: den vortrefflichen, viel zu wenig gekannten, und zu
                                       wenig benuͤzten, Jacobson; allein, wir
                                       haben bei diesem Gluͤke das Ungluͤk, daß die technische
                                       Sprache des suͤdlichen Theiles von Deutschland eine ganz andere
                                       Sprache ist, als die des noͤrdlichen oder gar des nordwestlichen.
                                       Ein suͤddeutscher Kuͤnstler versteht den
                                       noͤrdlichen oft eben so wenig, als er einen Englaͤnder
                                       verstehen wuͤrde, und umgekehrt. Ein technisches
                                       Polyglotten-Lexikon in deutscher, englischer,
                                       franzoͤsischer, italiaͤnischer und hollaͤndischer
                                       Sprache von einem Sprach- und Sachkenner bearbeitet, ist wahrlich
                                       ein weit hoͤheres Beduͤrfniß, als unser abgeschmaktes
                                       Conversations-Lexikon. A. d. Ueb. Wir wollen indessen hoffen, daß, ungeachtet dieser Schwierigkeiten, der
                                 hier behandelte Gegenstand fuͤr die Leser doch hinlaͤnglich
                                 deutlich geworden seyn soll.
                              
                           
                              „Stahlartikel, welche zu schneidenden Werkzeugen bestimmt sind, werden
                                 fast ohne Ausnahme von Amboße weg gehaͤrtet, d.h., sie kommen vom Schmide
                                 zum Haͤrter, ohne irgend eine Zwischen-Behandlung. So will's der
                                 Schlendrian: die Nachtheile, welche hierdurch entstehen, wurden entweder nicht
                                 beachtet, oder
                                 nicht gehoͤrig gewuͤrdigt. Durch das Schmieden des Stahles
                                 entsteht auf der ganzen Oberflaͤche eine ziemlich starke Schichte von
                                 Schuppen, und, was noch aͤrger ist, die Dike dieser Schichte von Schuppen
                                 oder dieses schuppigen Ueberzuges ist sehr ungleich, und wechselt in dem Verhaͤltnisse des Grades der Hize, welche
                                    dem Stahle waͤhrend des Schmiedens mitgetheilt wurde. Dieser
                                 Ueberzug ist, stellenweise, beinahe undurchdringlich fuͤr die Wirkung des
                                 Wassers, wenn der Stahl wegen des Haͤrtens in dasselbe eingetaucht wird,
                                 Daher kommt es, daß die meisten Barbier-Messer an verschiedenen Stellen
                                 verschiedene Grade von Haͤrte besizen, was offenbar, ein großer Fehler
                                 ist, der zugleich, so lang er vorhanden ist, verschiedene Grade von Temperirung
                                 erzeugt. Nicht selten zeigen Barbier-Messerklingen diese Erscheinungen
                                 auf eine auffallende Weise; diejenigen Stellen, welche Ungleichheiten in der
                                 Politur darbiethen (was man Wollen nennt), entstehen vorzuͤglich aus
                                 dieser Ursache,Zuweilen auch dadurch, daß die Klinge zu schnell gehizt wurde: wo man
                                       immer solche Stellen an derselben bemerkt, ist die Temperirung ungleich.
                                       A. a. O. und zeigen klar und deutlich (oder vielmehr deutlich, obschon nicht immer klar), wie
                                 weit dieser theilweise Ueberzug sich erstreite: und wo das Wasser einwirken
                                 konnte, und wo nicht. Man wird sich wahrlich nicht wundern, daß bei dem
                                 Haͤrten des Stahles so wenig Verbesserungen gemacht worden sind, wenn man
                                 bedenkt, daß dieser Pachtheil so allgemein verbreitet ist, daß er die
                                 Voraussezung beguͤnstigt: man habe noch nie einen Versuch gemacht
                                 denselben zu beseitigen. Das Mittel dagegen ist indessen sehr leicht und
                                 hoͤchst einfach; es zeigt sich zugleich bei seiner Anwendung so
                                 kraͤftig, daß man sich wirklich nicht genug wundern kann, wie bei dem
                                 gegenwaͤrtigen so hoch vervollkommneten Zustande unserer Manufacturen die
                                 Bekanntmachung desselben fuͤr eine ganz neue Entdekung sollte gelten
                                 koͤnnen.“
                              
                           
                              „Statt also, nach der gewoͤhnlichen Weise,
                                    die Klinge von
                                    dem Amboße her zu haͤrten, bringe man sie unmittelbar aus der Hand
                                    des Schmides in die Haͤnde des Schleifers; eine leichte Anwendung des
                                    Schleifsteines wird sie von dem schuppigen Ueberzuge gaͤnzlich
                                    befreien, und so wird dann das Barbier-Messer so zugerichtet seyn,
                                    daß es mit allem Vortheile gehaͤrtet werden kann. Man wird sich
                                 leicht uͤberzeugen koͤnnen, daß Stahl in diesem Zustande sich im
                                 Feuer weit regelmaͤßiger erhizt, und daß, wenn er dann, wo die
                                 Hindernisse alle entfernt sind, in das Wasser getaucht, und der Einwirkung
                                 desselben unmittelbar ausgesezt wird, er von einem Ende zu dem anderen
                                 gleichfoͤrmig hart werden muß. Hierzu kommt noch, daß, da die moͤglich niedrigste Hize, bei welcher Stahl
                                    gearbeitet und hart werden kann, ohne allen Zweifel die beste ist, die
                                 hier empfohlene Methode auch die einzige ist, wodurch das
                                    Haͤrten bei einem minderen Grade von Hize bewirkt werden kann, als
                                    bei jeder anderen Methode erfordert wird, oder erfordert werden kann.
                                 Hieraus erwaͤchst ferner noch ein anderer wichtiger Vortheil,
                                 naͤmlich dieser, daß die Schneide bei dem Schleifen auf dem ersten, oder sogenannten trokenen Steine nicht weich wird: ein Verfahren, welches fast
                                 allgemein Statt hat, und wodurch die Temperirung der Barbier-Messer
                                 oͤfters so sehr leidet, daß diese durchaus nicht mehr zum Barbieren
                                 taugen. Diese Beobachtungen sind entscheidend, und werden, aller
                                 Wahrscheinlichkeit nach, dazu beitragen, ein Verfahren
                                    allgemein zu machen, das man nicht anders dann als eine hoͤchst
                                    wichtige Verbesserung bei der Verfertigung schneidender staͤhlerner
                                    Instrumente betrachten kann.“
                              
                           Wir haben obige wichtige Bemerkungen uͤber die Behandlung des Stahles aus Hm.
                              Rhodes's trefflichen Essay mitgetheilt, und uns hierbei, „sagt Hr. Gill“, nur die Freiheit erlaubt (die er
                              gewiß entschuldigen wird), seinem hochwichtigen Saze, in
                              welchem er bloß die Nothwendigkeit ausdruͤkte, den Stahl bei
                                 einer niedrigen Temperatur zu haͤrten, den Zusaz
                              beizufuͤgen, denselben auch bei der moͤglich
                                 niedrigsten Hize zu bearbeiten; indem wir uͤberzeugt sind, daß jede uͤbermaͤßige Hize in irgend einer
                                 Periode der Bearbeitung des Stahles der Guͤte desselben hoͤchst
                                 nachtheilig seyn muß.
                           Wir freuen uns, daß das nuͤzliche Werk des Hrn. Rhodes bereits eine zweite
                              Auflage erlebte, und hoffen aufrichtig, daß seine verstaͤndigen Bemerkungen
                              den hohen Ruhm und die Vorzuͤge, den seine Barbier-Messer und seine
                              Messer-Schmid-Waaren schon so lang und mit so vielem Rechte genießen,
                              noch mehr erhoͤhen werde.Ein gutes Rasir-Messer kostete, bei den ersten Meistern, zu London im
                                    Jahre 1824, eine Guinee, oder 12 fl.; ein mittleres bei Hrn. Stoddart, 6 fl. Barbier-Messer um 3 fl.
                                    das Stuͤk waren nicht des Anruͤhrens werth. A. d. Ueb.
                              
                           Hrn. Rhodes's und unsere Ideen (techn. Repository B. 1. S. 137. 139. Polytechn. Journ. B. IX. S. 93.) stimmen in Hinsicht auf die
                              Nothwendigkeit, den Stahl bei der moͤglich niedrigsten Hize zu bearbeiten und
                              zu Haͤrten, vollkommen uͤberein.