| Titel: | Ueber die Fortschritte der Stroh-Hüte-Fabrication in England. | 
| Fundstelle: | Band 17, Jahrgang 1825, Nr. LXXVI., S. 347 | 
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                        LXXVI.
                        Ueber die Fortschritte der
                           Stroh-Hüte-Fabrication in England.
                        Aus den XLII. B. der Transactions of the Society for the
                                 Encouragement of Arts in Gill's technical Repository. Maͤrz.
                              1825. S. 162. (Im Auszuge.)
                        Ueber die Fortschritte der Stroh-Hüte-Fabrication in
                           England.
                        
                     
                        
                           Bekanntlich hat die wakere Society for
                                 the Encouragement seit einigen Jahren sehr viele Aufopferungen gemacht, um
                              die Verfertigung von Strohhuͤten nach Livorner-Art in England zu
                              foͤrdern. Sie gibt hier Bericht uͤber ihre neuesten
                              Bemuͤhungen. Bei ihrer lezten Sizung hat sie nicht weniger als 84 Guineen an
                              Aufmunterungen und Preisen, nebst 7 silbernen Ceres-Medaillen an Frauenzimmer
                              und Schulkinder vertheilt, die sich mit dieser Flechtarbeit abgaben, und in derselben
                              auszeichneten.
                           Man hat bisher die Stroh-Huͤte in England bloß aus Weizenstroh
                              geflochten, und da die Halme zu stark waren an dem englischen Weizen, dieselben in 3
                              Theile der Laͤnge nach gespalten. Dadurch verlor aber das Geflecht so sehr an
                              Biegsamkeit und Elasticitaͤt, daß sie durchaus nicht mit
                              Livorner-Waare verglichen werden konnten: die Fabriken, in welchen in England
                              nach dieser Manier Huͤte geflochten wurden, gingen, so bluͤhend sie
                              waͤhrend des Krieges geworden sind, zu Grunde, sobald nach Wiederherstellung
                              des Friedens der Handel mit Italien in sein altes Geleise kam.
                           Die Gesellschaft ließ Gras aus Nord-America kommen, aus welchem man daselbst
                              feine Huͤte flechtet (Vergl. polyt. Journ. Bd. XIV. S. 220.); sie beehrte Hrn. Cobbett
                              mit der großen silbernen Medaille dafuͤr, daß er seine Landsleute lehrte, aus
                              englischem Grase Huͤte zu flechten, und schrieb einen Preis von 15 Guineen
                              fuͤr diejenigen aus, die schoͤne, den Livorner-Huͤten
                              gleichkommende Huͤte, aus englischem Grase verfertigen wuͤrden. Sie
                              hatte jezt das Vergnuͤgen, 3 Preis-Werberinnen diesen vollen Preis
                              (180 fl.) ausbezahlen zu koͤnnen, wovon 2 ihre Huͤte aus Cynosurus cristatus flechteten, und eine aus Alopecurus pratensis.Dieses Gras findet sich auch auf jeder Wiese in
                                    Baiern; ersteres ist etwas seltener. A. d. Ueb.. Das Gras derjenigen, die die schoͤnsten Huͤte lieferte, war
                              Cynosurus cristatus, nach Cobbett's Methode zubereitet und gebleicht. Eine Fabrik
                              bediente sich vorzuͤglich des Rokenstrohes auf sehr unfruchtbarem Boden
                              gebaut. Ein anderes Frauenzimmer verfertigte einen schoͤnen Hut aus Avena flavescens, und in der
                              National-Schule zu Nunney wird Phleum
                                 pratense verarbeitet.Auch diese Graͤser sind bei uns haͤufig. A. d. Ueb.
                              
                           Alle diese Huͤte kommen nicht bloß in der Art des Geflechtes; sondern auch
                              darin mit den Livorner-Huͤfen uͤberein, daß sie aus ganzen Halmen geflochten
                              sind. Die Guͤte der Livorner-Huͤte haͤngt 1stens, von
                              der Feinheit des Geflechtes, also von der Feinheit des Strohes ab; und da das
                              feinere Stroh viel schmaͤler ist, als das groͤbere, wird man bei
                              Huͤten von gleichem Durchmesser desto mehr Flechten noͤthig haben, je
                              feiner der Hut ist. Wenn man nun auch annehmen koͤnnte, daß eine Elle feiner
                              Flechten eben so leicht und schnell geflochten werden koͤnnte, als eine Elle
                              groͤberer, was nicht der Fall seyn wird, so braucht man doch mehr Ellen
                              dieser feinen Flechten zu einem feineren Hute, als zu einem groͤberen, und
                              dadurch wird nothwendig der Erzeugungs-Preis der feineren Huͤte
                              erhoͤht. Das Gras-Stroh ist nun meistens viel feiner, als das des
                              italiaͤnischen Weizens oder Rokens, und daher sind manche Huͤte aus
                              Gras-Stroh feiner ausgefallen, als die Livorner-Huͤte. Eine zu
                              hohe Feinheit des Strohes wuͤrde jedoch der Staͤrke und
                              Dauerhaftigkeit dieser Huͤte sehr nachtheilig werden: gluͤklicher
                              Weise sind die englischen Huͤte so fein und so fest, daß sie im Durchschnitte
                              die Livorner in beiden Hinsichten uͤbertreffen. 2tens, von der
                              Regelmaͤßigkeit und Flaͤche des Geflechtes, welche zum Theile von der
                              Gleichfoͤrmigkeit des Strohes, zum Theile von der Geschiklichkeit und
                              Sorgfalt bei dem Flechten abhaͤngt. In dieser Hinsicht sind die
                              Livorner-Huͤte noch besser, als die besten englischen: dieß wird sich
                              aber durch sorgfaͤltigeres Sortiren des Strohes mit der Zeit ausgleichen.
                              3tens, von der Gleichfaͤrbigkeit des Strohes. Der Livorner-Hut hat
                              immer, soviel moͤglich, an allen Theilen dieselbe Farbe: dieß ist nur bei
                              wenigen der bisher eingesendeten englischen Huͤte der Fall; nur bei jenen, in
                              welchen das Gras heiß abgebruͤht, dann an der Sonne gebleicht, und endlich
                              etwas geschwefelt wurde. Mehrere dieser Huͤte waren durch
                              Sauerkleesaͤure abscheulich zugerichtet, und bei vielen war das Gras nicht
                              gehoͤrig in der Sonne gebleicht. Indessen bemerkt die Gesellschaft mit
                              Vergnuͤgen, daß sie einmahl an dem Cynosurus
                                 cristatus ein Gras gefunden hat, das feinere, und dem Materiale nach
                              bessere, Huͤte liefert, als die Livorner-Huͤte: den
                              Maͤngeln am Geflechte und an der Farbe laͤßt sich durch Uebung und
                              Erfahrung um so gewisser
                              abhelfen, als die Preistraͤgerinnen alle schon nach wenigen Monaten weit
                              schoͤnere Huͤte einsendeten, als diejenigen waren, fuͤr welche
                              sie den Preis erhielten.Wo sollen unsere Schulkinder und diejenigen, die solche Huͤte bei uns
                                    aus unseren einheimischen Graͤsern fabriciren wollen, diese
                                    Graͤser kennen lernen? Das preußische Finanz-Ministerium,
                                    stets vaͤterlich bedacht, das Wohl seiner Manufakturen und Fabriken
                                    zu foͤrdern, hat schon vor 2 Jahren mehrere Hunderte kleiner
                                    Herbarien an dem botanischen Garten zu Berlin fuͤr die
                                    bluͤhenderen Volksschulen seiner Provinzen anlegen und versenden
                                    lassen; in Preußen scheut man keinen Aufwand fuͤr die botanischen
                                    Gaͤrten: bei uns wird denselben mit jedem Jahre mehr entzogen; der
                                    Landshuther, der unter Montgelas mitten im Kriege 1500 fl. jaͤhrlich
                                    hatte, ist, seit 8 Jahren, auf 900 fl. herabgesezt, und dem
                                    Muͤnchner-Garten selbst entzog man erst neulich
                                    jaͤhrlich 1,300 fl. So foͤrdert man gegenwaͤrtig
                                    wissenschaftliche Cultur und Industrie gegen den fruͤheren und weisen
                                    Plan Montgelas, und selbst gegen die persoͤnliche Neigung des besten
                                    aller Koͤnige, unter dessen segensvoller Regierung zuerst Cultur der
                                    Gewaͤchse nach Baiern kam, und der selbst einer der groͤßten
                                    Beschuͤzer und Freunde der Botanik ist. A. d. R.