| Titel: | Ueber die Gährung des Zukers (und über Essigbereitung). Von Hrn. Colin, Professor an der k. Militär-Schule. Vorgelesen an der Académie des Sciences. am 31. Jänner 1825. | 
| Fundstelle: | Band 18, Jahrgang 1825, Nr. XLIX., S. 239 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        XLIX.
                        Ueber die Gaͤhrung des Zukers (und
                           uͤber Essigbereitung). Von Hrn. Colin, Professor an der k. Militaͤr-Schule. Vorgelesen an der Académie des Sciences. am 31. Jaͤnner
                           1825.
                        Aus den Annales de Chimie. T. 28. S. 128.Die Naturgeschichte, und daher nothwendig auch die Theorie der Gaͤhrung,
                                 ist, ungeachtet der voluminoͤsen Abhandlungen uͤber dieselbe, noch
                                 so mangelhaft, daß wir jedem Beitrage zur genaueren Kenntniß der ersteren der
                                 Aufmerksamkeit derjenigen werth halten, die mit uns die Ueberzeugung theilen,
                                 daß wir noch aͤusserst wenig uͤber Gaͤhrung wissen. A. d.
                                 Ueb.
                           
                        (Mit einem
                              Anhange.)
                        Colin's, Abhandlung uͤber die Gaͤhrung des
                           Zukers.
                        
                     
                        
                           Ach will meine Abhandlung mit gedraͤngter Aufzahlung desjenigen beginnen, was
                              man den Chemikern, die in den neuesten Zeiten den Gegenstand, welchen ich hier
                              betrachte, behandelt haben, zu verdanken hat.
                           Hr. Fabroni hatte zuerst die sinnreiche Idee, eine
                              Weinbeere anatomisch zu untersuchen, und er sah, sagt er, daß der Zukerstoff und der
                              Gaͤhrungsstoff einzeln von einander abgesondert, in einer Art von Zellen
                              gelagert ist, und daß die Weingaͤhrung nie Statt haben koͤnnte, wenn
                              nicht, aus was immer fuͤr einer Ursache, die Scheidewaͤnde
                              durchbrochen wuͤrden. Hieraus erklaͤrt es sich, wie es moͤglich
                              wird, daß sich in der Weinbeere wenig oder gar kein Alkohol bildet, wenn man
                              dieselbe sich selbst uͤberlaͤßt, und sie nicht zerquetscht. Sie wird
                              dann welk, vertroknet oder zersezt sich; der Gaͤhrungsstoff und der
                              Zukerstoff, wenigstens großen Theiles, verderben einzeln, und es entsteht nur eine
                              Art von Faͤulniß (blétissure ou
                                 pourriture), und nicht eine regelmaͤßige und vollkommene
                              Alkohol-Gaͤhrung, wie sie bei inniger Vermischung dieser beiden
                              Koͤrper Statt hat. Derselbe Chemiker ließ den Weinstein eine Rolle bei der
                              Gaͤhrung spielen, wie Bullion es vor ihm auch
                              gethan hat, und erkannte eine Gaͤhrungsfaͤhigkeit an dem Kleber (Gluten). Hr. Taddei hat
                              zeither gefunden, daß der Kleber sich durch Alkohol in Gliadine, die sich in demselben aufloͤst, und in Zymom
                              Die Italiaͤner schreiben consequent, die Franzosen faͤlschlich
                                    Zimom. A. d. Ueb. zersezt, welches sich in demselben nicht aufloͤst. Diese beiden, von
                              ihm mit obigen Namen bezeichneten, Stoffe verhalten sich gegen den Zuker beinahe wie
                              Kleber; durch das Zymom wird jedoch, wie er sagt, die
                              Gaͤhrung vorzuͤglich charakterisirt. Der Kleber ist das Resultat der
                              Verbindung dieser beiden
                              Grundstoffe. (Vergl. Journal de Pharmacie V,
                                 Année. Décembre. 1819. S.
                              565.)
                           Hr. Thénard stellte seiner Seits den Grundsaz auf,
                              daß alle Fruͤchte, deren Saft einer geistigen Gaͤhrung faͤhig
                              ist, Zuker und Gaͤhrungsstoff, (firment) enthielten, dessen Typus, nach ihm, Bierhefen
                              ist; daß sie alle ein Uebermaß des lezteren enthielten, welcher sich zum Theile
                              waͤhrend der Alcoholisation des Zukers niederschlaͤgt, und welcher
                              Bodensaz endlich, wenn man ihn neuerdings mit einem Ueberschusse von Zuker mengt,
                              nach dieser Beimischung nicht mehr im Stande ist, Gaͤhrung zu erzeugen; daß
                              er sich dann dem Holzstoffe naͤhert, waͤhrend er vorher auf einem
                              solchen Grade gestikstofft war, daß er durch Destillation eine bedeutende Menge
                              basisch kohlensauren Ammoniums gab; daß es ihm schien, daß durch einige Minuten lang
                              anhaltendes Kochen dem Gaͤhrungsstoffe seine Gaͤhrung erregende
                              Eigenschaft entzogen wird, und das mit demselben gekochte Wasser nicht im Stande
                              ist, den Zuker in Alkohol zu verwandeln. Hr. Thénard hat ferner die zwekmaͤßigsten Verhaͤltnisse
                              bestimmt, nach welchen Gaͤhrungsstoff, Wasser, und Zuker gemengt werden
                              muͤssen, um Alkoholisation zu erzeugen. Er hat den Alkohol und die
                              Kohlensaͤure (das einzige gasartige Product bei dieser Operation) gemessen,
                              und endlich den Gaͤhrungsstoff als einen Koͤrper betrachtet, der sich
                              immer gleich bleibt, und die Eigenschaft besizt, den Sauerstoff in
                              Kohlensaͤure zu verwandeln, und dieß bei der gewoͤhnlichen Temperatur
                              in dem Zeitraume von einigen Stunden.
                           Hr. Armand Séguin versichert uͤberdieß, daß
                              der Gaͤhrungsstoff der Fruͤchte aufloͤsbar, jener des Bieres
                              aber unaufloͤslich ist, wodurch er sich bestimmen ließ, den
                              Gaͤhrungsstoff bald als aufloͤslich, bald als unaufloͤsbar zu
                              betrachten. Ersterer geht in den Zustand des lezteren durch das Fortschreiten der
                              Gaͤhrung uͤber. (Chaptal, Art de faire le vin, p. 113.)
                           Hr. Gay-Lussac hat endlich bemerkt, daß, außer den oben
                              angegebenen Bedingungen, und einer gehoͤrigen Erhoͤhung der
                              Temperatur, noch die Gegenwart irgend einer Menge Luft oder Sauerstoffes
                              noͤthig ist, damit sich unter diesen Stoffen eine freiwillige Bewegung
                              erzeugt. Er hat, mit Erfolg, diese Einwirkung der Luft durch einen galvanischen
                              Strom ersezt.
                           Gaͤhrungsstoff ist also ein Stoff, durch welchen geistige oder weinige
                              Gaͤhrung veranlaßt wird, und ohne welchen sie nicht Statt haben
                              wuͤrde. Man glaubt auch, daß er zur Erzeugung der Essiggaͤhrung
                              noͤthig ist; denn, nach Hrn. Chaptal, wird ein
                              guter Wein aus dem suͤdlichen Frankreich fuͤr sich selbst nie sauer,
                              und der sel. Hr. Cadet-Gassicourt fand, daß eine Mischung
                              aus Wasser, Zuker und Sauerteig, in gehoͤrigen Verhaͤltnissen, einen
                              vortrefflichen Essig liefert. Man behauptet selbst, daß man in Schweden den
                              Branntwein mittelst Hefen allgemein in Essig verwandelt. Hr. Chaptal gibt eine Mischung aus einem Liter Weingeist von 12 Graden, 15 Gramm Bierhefen, und
                              etwas weniger Starke als ein sehr bequemes Recept zu vorzuͤglich gutem Essige
                              an.Gleiche Theile Essig und bis auf 3 Grade Baume mit Wasser verduͤnnter
                                    Branntwein, geben bei einer Temperatur von 18–20° R. in kurzer
                                    Zeit den besten Essig. A. d. Ueb. (Chaptal, Art de faire le
                                 vin, p. 266.) Indessen bedient man sich in Orleans in dieser Hinsicht
                              keines anderen Gaͤhrungsstoffes, als des Essiges selbst, so daß, wenn dieser
                              einen solchen alten Wein, wie jener, von welchem wir oben sprachen, in saure
                              Gaͤhrung versezen kann, man schließen muß, daß der Essig und der
                              Gaͤhrungsstoff, jeder fuͤr sich, essigerzeugende
                              Gaͤhrungsmittel sind, wenn man anders nicht die nothwendige,
                              natuͤrliche Gegegenwart der Hefen in dem Essige zulassen will. Die Entstehung
                              dieses lezteren macht dieß außerordentlich wahrscheinlich; denn die Hefen, welche
                              der Wein absezt, indem er alt wird, verwandeln den Zuker in Alkohol. Wir haben alten
                              geistreichen Wein durch bloße Essigsaͤure in saure Gaͤhrung zu
                              versezen gesucht, und es ist uns, selbst nachdem wir den Versuch ein ganzes Monat
                              lang fortsezten, nicht gelungen. Wir muͤssen hinzufuͤgen, daß, nachdem
                              wir diesen Wein, der fuͤr sich nicht sauer werden wollte, nach Chaptal's Rache, auf Weinblaͤtter gegossen haben,
                              derselbe sehr bald anfing sauer zu werden. Duͤrfen wir aber annehmen, da dieß
                              nun wirklich so ist, daß es lediglich deßwegen so ist, weil der Wein hier Hefen
                              fand? Wenn ein Versuch des Hrn. Chaptal, welcher den
                              Zuker durch Weinblaͤtter alkoholisirte, (Art de faire
                                 le vin, p. 126.) uns zu dieser Annahme geneigt machte, so ist er noch kein
                              unumstoͤßlicher Beweis, wie wir im Verlaufe dieser Abhandlung erweisen
                              werden.
                           Die Tataren bereiten sich allgemein Branntwein aus Kuhmilch, und noch besseren aus
                              Stutenmilch. Es ist, im Sommer, nichts anderes, noͤthig, als daß die Milch
                              sauer wird: dieser Umstand ist aber wichtig, indem, nach Hrn. Vogel, der Milchzuker
                              ohne Saͤure sich nicht in wahren Zuker verwandeln kann. Hieraus
                              erklaͤrt sich ein Versuch des Hrn. Macbride, in
                              welchem er suͤße Molken mit Kohlensaͤure schwaͤngerte,
                              dieselben dann ein ganzes Jahr uͤber sich selbst uͤberließ, und sie
                              nach dieser Zeit in Weingeist verwandelt fand. Wenn also die saure Milch fuͤr
                              sich allein, ohne Zusaz gaͤhrt, so sind die Hefen nicht der einzige
                              Gaͤhrungsstoff, welcher den Zuker in Alkohol zu verwandeln vermag. Da ferner
                              der Honig ohne allen anderen Zusaz, als Wasser, in Gaͤhrung geraͤth;
                              was ist hier der Gaͤhrungsstoff, der ihn in den weinigen Meth
                              verwandelt?In dem von mir angestellten Versuche nahm ich vier Gewichttheile Wasser auf
                                    den Honig; der Versuch dauerte einen Monat. Es geschieht
                                    oͤfters, daß der Honig gaͤhrt, auch ohne zugeseztes Wasser; es
                                    ist aber auch dann mehr Zeit zur Entwikelung dieser Art von Bewegung
                                    noͤthig. A. d. O. Man koͤnnte, in der That, glauben, daß der Honig aus den Pflanzen,
                              aus welchen er genommen wurde, den ihm nothwendigen Antheil von Hefen mit sich nahm, und daß
                              der Kaͤsestoff und der Gaͤhrungsstoff einerlei sind: allein, diese
                              Annahme, die, wenigstens gegenwaͤrtig noch, grundlos ist, erklaͤrt
                              folgende Resultate, die nicht minder wahr sind, durchaus nicht auf eine
                              genuͤgende Weise.
                           1) Weizenteig aus feinem Weizenmehle und ohne alle Hefen bekam waͤhrend 36
                              Stunden einen Geschmak nach Zuker; sich selbst uͤberlasten ward er nach
                              einigen Tagen, sauer, und diente bei frischem Teige als Sauerteig, und nachdem auch
                              dieser frische Teig schnell saͤuerlich wurde, konnte man ihn verwenden, um
                              100 Gramm Zuker in 400 Gramm Wasser aufgeloͤst in Alkohol zu verwandeln.
                              Diese lezte Verwandlung, die waͤhrend eines Monates Statt hatte, veranlaßte
                              mich uͤber den Kleber folgende Versuche anzustellen.
                           2) Man wird sich ohne Zweifel erinnern, daß Hr. Vauquelin
                              Alkohol in dem Sauerwasser der Staͤrkmacher fand, und daß die HHrn. Berthollet, Fabroni und Taddei den Kleber als Gaͤhrungsstoff betrachten. Wirklich habe ich,
                              waͤhrend des Verlaufes eines Monates, 100 Gramm Zuker in 400 Gramm Wasser
                              frisch und vollkommen aufgeloͤst, durch Beimischung von 40 Gramm gewaschenen
                              Klebers, in Alkohol verwandelt. Dieser Versuch wurde in den heißesten Sommertagen
                              angestellt. Er verlief in der Haͤlfte der Zeit, nachdem der
                              Gaͤhrungsstoff, im frischen Zustande abgewogen, und ehe er mit dem Zuker
                              gemengt wurde, acht Tage lang einer Faͤulniß unterzogen wurde, die durch das
                              Wasser, von welchem er durchdrungen und mit welchem er uͤbergossen war,
                              herbeigefuͤhrt wurde. Wenn also der Kleber den Gaͤhrungsstoff ersezen
                              kann, so hindert nichts, daß man sie nicht fuͤr einerlei halten sollte. Nun
                              folgen aber andere Thatsachen, wegen welcher diese Hypothesen, denen ich mich so
                              eben hingegeben habe, abgeschmackt und ungereimt sind.
                           3) Frisches Rindfleisch, in demselben Verhaͤltnisse, wie oben der Kleber, mit
                              Zuker und Wasser gemengt, verwandelte den Zuker in drei Wochen in Alkohol. Die
                              Fluͤßigkeit wurde von dem Fleische abgesiehen, das Fleisch mit der Hand
                              ausgedruͤkt, dann leicht gewaschen, und man konnte sich desselben noch ein
                              Mahl bedienen, um eben so viel Zuker, wie vorher, zu alkoholisiren. Der Gang der
                              Gaͤhrung war derselbe, nur etwas langsamer.
                           4) Eyweiß von einem Eye wurde mit 500 Grammen Wasser verduͤnnt, und mit 100
                              Grammen Zuker gemengt; man brauchte mehr als 2 Monate, bis der Zuker in Alkohol
                              verwandelt wurde, es wurde jedoch Alkohol gebildet.
                           5) Quark-Kaͤse (fromage à la pie) aus etwas
                              weniger als ein Liter Milch, die man drei Tage lang sich selbst uͤberließ wurde, nachdem er
                              gehoͤrig abgetroͤpfelt hatte, mit einer Aufloͤsung von 100
                              Gramm Zuker in 400 Gramm Wasser verduͤnnt, und die Gaͤhrung ward in
                              drei Wochen vollendet. Nach den HHrn. Thénard und
                              Gay-Lussac sind Kaͤse-, Faser- und Eyweißstoff
                              ganz verschiedene Stoffe, wie die genauen, von diesen Chemikern angestellten,
                              Versuche beweisen. Ich nahm Molken statt des Kaͤses, und der Versuch gelang
                              bei weiten nicht so gut; ich bin daher geneigt zu glauben, daß die Molken nur
                              insofern wirkten, als sie etwas Kaͤse aufgeloͤst erhielten.
                           6) Etwas weniger als ein Liter am Morgen von einer gesunden Person gelassener Harn
                              wurde mit 100 Grammen Zuker gemengt. Die Gaͤhrung stellte sich ein, und ward
                              in einem Monate vollendet. Man mag nun diese Veraͤnderung dem Schleime oder
                              dem Harnstoffe in dem Harn zuschreiben, so ist doch immer hier ein neuer
                              Gaͤhrungsstoff. Der Versuch wurde zwei Mahl abwechselnd mit Harne von beiden
                              Geschlechtern angestellt.
                           7) Endlich wurden 30 Gramm Fischleim in einer hinlaͤnglichen Quantitaͤt
                              Wasser aufgeloͤset, und 100 Gramme Zuker nebst soviel Wasser zugesezt, daß
                              die Menge der gesammten Fluͤßigkeit etwas weniger, als ein Litr. betrug.
                              Dieser Versuch waͤhrte 4 Monate.
                           Bei allen diesen Versuchen entwikelte sich Kohlensaͤure; sie gingen auch
                              allerdings langsam vor sich. Alle, bis auf den Lezten, den man auf dem Ofen vornahm,
                              wurden in der Sommerhize angestellt. Aus allen diesen Fluͤßigkeiten erhielt
                              man durch die Destillation Alkohol, und alle Ruͤkstaͤnde derselben
                              nach der Destillation gingen fuͤr sich selbst neuerdings in geistige
                              Gaͤhrung uͤber, zum deutlichen Beweise, daß der Alkohol die
                              Gaͤhrung unterdruͤkt, und das Kochen zwar dieselbe aufzuhalten, die
                              Ursache derselben aber nicht zu zerstoͤren vermag. Hiervon habe ich mich
                              durch zwei Versuche unmittelbar uͤberzeugt: in einem derselben vertrat das
                              Fleisch die Stelle des Gaͤhrungsstoffes, in dem anderen weicher Kaͤse.
                              Nachdem ich die Gaͤhrung durch Sieden aufhielt, und beide
                              Fluͤßigkeiten 10 Tage lang in diesem Zustande erhielt, brachte ich sie wieder
                              durch Zutritt der Luft in Thaͤtigkeit, und zwar beinahe in derselben Zeit,
                              welche sie anfangs noͤthig hatten, um in Gaͤhrung zu gerathen.
                           Diese Versuche gelingen nur unter einer Temperatur von 25 bis 26 Graden am
                              100gradigen Thermometer; man braucht selbst 35 bis 40°, um in einem Gemenge
                              aus Zuker und Fischleim Gaͤhrung zu erregen; sie brauchen gewoͤhnlich
                              zwei Monate zu ihrer Vollendung; einige, wie der lezte, brauchen noch
                              laͤnger; andere vollenden sich fruͤher, wenn sie die gehoͤrige
                              Temperatur treffen, und diese gehoͤrig unterhalten wird. Ich habe diese
                              Versuche wiederholt, und dieselbe Menge Alkohols von beinahe demselben Grade nach vollendeter
                              Gaͤhrung erhalten, ich mochte Hefen oder irgend einen der angezeigten
                              Gaͤrbestoffe genommen haben, naͤmlich Eyweißstoff, weichen
                              Kaͤse, Harn, und vorzuͤglich Kleber mit Weinstein gemengt, geronnenen
                              und faulen Eyweißstoff, Gliadine, und besonders Eyweißstoff mit Weinstein. Ich habe
                              nicht gefunden, daß Zymom in dieser Hinsicht besser waͤre, als Kleber, und
                              bin uͤbrigens weit entfernt dasselbe fuͤr einerlei mit den Hefen zu
                              halten, oder selbst zu glauben, daß es diese in Hinsicht auf Erzeugung einer
                              schnellen Gaͤhrung ersezen koͤnnte. Ich habe zeither aͤhnliche
                              Versuche uͤber den reinen Faserstoff angestellt, uͤber Blutwasser,
                              uͤber den gerinnbaren Bestandtheil und den Faͤrbestoff desselben,
                              uͤber das Osmazom, und ich habe analoge Resultate erhalten. Die Versuche mit
                              dem Blute und dem Faserstoffe haben mir Folgendes dargebothen. Blutwasser, und
                              vorzuͤglich Faserstoff, erzeugte nur sehr langsam Gaͤhrung in dem
                              Zuker: diese entwikelte sich jedoch mit einiger Schnelligkeit, wenn das eine oder
                              der andere mit dem Farbestoffe des Blutes geschwaͤngert waren. Die
                              Gaͤhrung verlief noch schneller, wenn der gerinnbare Bestandtheil des Blutes
                              (les caillots du sang), stark
                              zusammengedruͤkt, und zwei Mahl gewaschen wurde, um ihn soviel
                              moͤglich von allem Blutwasser zu reinigen, und wenn man dann noch etwas
                              Wasser zusezte, und dieses Leztere, mit etwas Farbestoff beladen als
                              Gaͤrbestoff zusezte. Bei dem Versuche, wo der Faserstoff als Erregungs-Mittel
                              diente, und die Mischung, die einen Monat spaͤter, als alle uͤbrigen
                              in Gaͤhrung gerieth, uͤberdestillirt wurde, gab der, 6 Wochen lang
                              unter einer schiklichen Temperatur sich selbst uͤberlassene Ruͤkstand
                              ohne irgend einen anderen Zusaz durch neue Destillation eben soviel und eben so
                              starkes Product, als bei der ersten Destillation: ein wichtiger Umstand, ohne
                              welchen es unmoͤglich ist die Menge Alkohols zu schaͤzen, welche eine
                              bestimmte Menge aͤhnlicher Mischung durch Destillation zu liefern vermag.
                              Eben dieß gilt auch von allen anderen aͤhnlichen Versuchen, und
                              vorzuͤglich von jenen, wo die Gaͤhrungsstoffe beinahe gar keine Kraft
                              besizen.
                           Ich hatte gewuͤnscht, eine Tabelle uͤber die Grade der Staͤrke
                              entwerfen zu koͤnnen, mit welcher diese verschiedenen Stoffe den Zuker
                              alkoholisiren. Diese Vergleichung biethet aber Schwierigkeiten dar, und ich bin noch
                              nicht im Stande dieselbe anzustellen. Ich kann jedoch nach Versuchen, die sich recht
                              gut vergleichen lassen, weil sie zu gleicher Zeit begangen, denselben Abwechselungen
                              der Temperatur unterlagen, zu gleicher Zeit destillirt wurden, und auf dieselbe
                              Weise, weil dasselbe Volumen des Productes aufgesammelt wurde, und nicht ehe
                              aufgehoͤrt wurde, als bis bloßes Wasser abging, ich kann, sage ich, nach
                              Versuchen versichern, daß der mit Weinstein gemengte Eyweißstoff staͤrker
                              wirkt, als der geronnene und faule Eyweißstoff; daß dieser leztere starker wirkt,
                              als das fluͤßige Eyweiß, und dieses leztere starker, als das geronnene. Man kann,
                              auf dieselbe Weise, auch behaupten, daß die Gliadine in dieser Hinsicht starker ist,
                              als das Zymom, und der mit Weinstein gemengte Kleber staͤrker wirkt, als der
                              bloße Kleber. Andere Erfahrungen lehren uns, daß, gehoͤrig gefaulter Kleber
                              starker wirkt, als frischer.
                           Ich habe vergebens den Eyweißstoff mit Essigsaͤure, Ammonium etc.
                              gequaͤlt, und ich habe nie gefunden, daß etwas aus demselben hervorgebracht
                              werden kann, welches besser, als er selbst, als Gaͤhrungsstoff dienen kann.
                              Weit entfernt, seine Starke zu vermehren, habe ich dieselbe vielmehr gefesselt oder
                              zerstoͤrt. Es gelang mir um nichts besser, als ich die hier
                              angefuͤhrten Stoffe zu zwei und zwei, drei und drei verbunden habe.
                           Wenn es erlaubt ist, einige Schluͤsse aus den hier angefuͤhrten
                              Thatsachen zu ziehen; ist es nicht offenbar, daß mehrere verschiedene thierische
                              Materien in dem Zuker die Alkohol-Gaͤhrung erzeugen koͤnnen, und
                              scheint es nicht, daß ihre Wirkung in dem Verhaͤltnisse weniger langsam
                              fortschreitet, als sie einen gewissen Grad von Aufloͤsung erlangt haben?
                              Sollte man nicht voraussezen duͤrfen, daß eben dieß von allen
                              stikstoffhaltigen organischen Materien gilt? Und waͤre es nicht gut zu
                              beobachten, ob gewisse organische, nicht stikstoffhaltige, Materien aͤhnliche
                              Bewegungen in dem Zuker zu erzeugen vermoͤgen? Ich will also durch
                              Erfahrungen zu bestimmen versuchen, ob jeder organische, von selbst sich zersezende
                              Stoff, wenn er mit Zuker und Wasser gemengt wird, in demselben geistige
                              Gaͤhrung hervorzubringen vermag. Ich habe bisher nur einen Versuch dieser Art
                              mit einem nicht stikstoffhaltigen Stoffe vorgenommen: er fiel verneinend aus. Ich
                              werde endlich mit der Erinnerung schließen, daß man einen Gaͤhrungsstoff als
                              Etwas betrachten muͤsse, was das Gleichgewicht zu brechen vermag. Da nun die
                              Hefen, welche man anwendet, gewoͤhnlich in sehr geringer Menge angewendet
                              werden, wird man diese Unterbrechung des Gleichgewichtes sich nicht anders, dann als
                              das Resultat einer Kraft denken koͤnnen, deren Wirkungen sich dadurch
                              fortpflanzen, daß sie nach und nach alle Grundbestandtheile (Molécules) des gaͤhrungsfaͤhigen Koͤrpers in
                              einen besonderen Zustand versezt, ungefaͤhr wie eine elektrische Kraft.
                           Zwei merkwuͤrdige Beobachtungen des Hrn. Gay-Lussac
                              bestaͤtigen mich in dieser Hinsicht: 1) diese, daß ohne Beitritt der Luft,
                              oder vielmehr des Sauerstoffes, keine Gaͤhrung Statt hat. 2) daß man den
                              Abgang derselben durch einen galvanischen Strom ersezen kann. Da nun eine einzige
                              Luftblase den Anfang zur Gaͤhrung gruͤnden kann, so schließe ich, daß
                              die chemische Wirkung dieser Luftblase nur dadurch Gaͤhrung erzeugt, daß sie
                              eine Ausdehnung aͤhnlicher Art hervorruft. Ich sehe in der That nicht ein,
                              warum die Oxidation des Gaͤhrungsstoffes oder seiner Grundbestandtheile
                              nicht Elektricitaͤt erzeugen sollte, indem sie nothwendige Bedingung der
                              Wirkung der Saͤule ist. Hr. Gay-Lussac sagt (Annales di Chimie, B. 76. S. 255.): „Man sieht
                                 nicht ein, warum Gaͤhrungsstoff und Zuker, wenn sie innig mit einander
                                 verbunden sind, nicht mit mehr Heftigkeit auf einander wirken sollten. Man
                                 sollte glauben, daß dieß zum Theile von einem galvanischen Processe
                                 abhaͤngt, und daß hier einige Analogie mit dem wechselweisen
                                 Faͤllen der Metalle Statt hat.Es ist gewiß sonderbar, daß man den Einfluß der Elektricitaͤt aus
                                       die Gaͤhrung fruͤher, als die Elektricitaͤt kannte.
                                       Die Brauer des 15ten Jahrhundertes legten eiserne Stangen uͤber
                                       die Kuͤhlbottiche, wenn ein Gewitter am Himmel stand, um das
                                       Umschlagen des Bieres dadurch zu verhindern. A. d. Ueb.
                                 
                              
                           Die schoͤnen Arbeiten des Hrn. Becquerel
                              unterstuͤzen hier noch meine Ansicht; denn, wenn jede chemische Einwirkung
                              elektrische Phaͤnomene erzeugt; so muß dieß auch von der Einwirkung der Luft
                              gelten. Ich wollte mich hiervon durch einen unmittelbaren Versuch
                              uͤberzeugen; er gelang aber nicht, und ich schreibe dieses dem Umstande zu,
                              daß die Gase sehr schlechte Leiter sind.
                           Wenn also die Bier- und Traubenhefen des Zutrittes der Luft nicht beduͤrfen,
                              um den Zuker in Alkohol zu verwandeln, so ruͤhrt dieß daher, daß sie bereits
                              eine Aufregung dieser Art erhalten haben, die sich von selbst fortsezt. Wenn man
                              diese Hefen sich selbst außer Beruͤhrung mit der atmosphaͤrischen Luft
                              uͤberlaͤßt, so entwikelt sich noch immer einige Zeit uͤber
                              Kohlensaͤure; sobald aber diese Bewegung aufhoͤrt, entweder weil die
                              chemische Einwirkung durch Niederschlagung des Gaͤhrungsstoffes
                              erschoͤpft ist, oder weil das Kochen die Hefen zusammengezogen, und folglich
                              erhaͤrtet hat, oder aus was immer fuͤr einer anderen Ursache, so kann
                              die Gaͤhrung sich nicht wieder herstellen, wenn nicht vorher der Zutritt der
                              Luft eine innere Thaͤtigkeit erzeugte, und folglich das elektrische
                              Phaͤnomen wieder hergestellt hat. Eben dieß gilt auch von allen anderen in
                              Faͤulniß begriffenen Stoffen, die die langsame Alkoholisation des Zukers
                              veranlaßten.
                           Indessen reicht der bloße Zutritt der Luft nicht immer hin, und dann wird die
                              Einwirkung der Volta'schen Saͤule nothwendig. Und dieß rechtfertigt, wie es
                              scheint, meine Meinung hinsichtlich der Natur der Kraft, die diese Phaͤnomene
                              veranlaͤßt, so ziemlich. Ich hatte Bierhefen auf eine gewisse Weise
                              Zubereitet; ich nahm einen Theil derselben, und mengte ihn in den vorgeschriebenen
                              Dosen mit Zuker und Wasser, und sezte ihn bloß den Sonnenstrahlen aus. Die Wirkung
                              derselben auf das Thermometer wechselte waͤhrend des Versuches zwischen 18
                              und 35, ja selbst zwischen 40; indessen zeigte sich doch nach 12 Tagen noch keine
                              Spur von Gaͤhrung. Nach zwei Monaten war die Fluͤßigkeit noch immer
                              sehr suͤß. Es hatte sich ein Bodensaz und Schimmel gebildet, und es zeigte
                              sich selbst einige Saͤure: ich bemerkte aber nichts Alkohol Aehnliches,
                              nichts Aetherisches. Ein anderer, eben so großer, Theil dieser Mischung gab, unter
                              gleichen Umstaͤnden, nachdem er vorlaͤufig einige Stunden uͤber
                              der Einwirkung der volta'schen Saͤule ausgesezt wurde, ganz andere Resultate;
                              er gerieth nach und nach in große Thaͤtigkeit, und als ich nach 14 Tagen die
                              Fluͤßigkeit genau untersuchte, war die Gaͤhrung vollstaͤndig.
                              Aller Zuker war verschwunden und hatte dem Alkohol Plaz gemacht; der Geschmak war
                              nicht sauer.
                           Man wird es fuͤhlen, wie nothwendig es ist, in seiner Meinung uͤber
                              einen solchen Gegenstand behutsam zu seyn. Koͤnnte es, z.B., nicht
                              moͤglich seyn, daß dieser Eyweißstoff, dieser Kleber, dieser Kaͤse,
                              dieser Harn etc. die Alkoholisation des Zukers nur insofern bewirkten, als sie,
                              durch ihre freiwillige Zersezung einen Stoff erzeugten, in welcher allein die
                              Gaͤhrung erregende Kraft wohnt, so daß das Daseyn mehrerer
                              Gaͤhrungsstoffe nur ein Schein waͤre, waͤhrend es nur einen
                              einzigen Gaͤhrungsstoff gibt? Diese Meinung ist nicht sehr wahrscheinlich;
                              sie kann indessen nur in der Analyse ihre Widerlegung oder Bestaͤtigung
                              finden.
                           Die Sache mag sich wie immer verhalten, ich habe mit dem Zuker beinahe alle in den
                              oben angefuͤhrten Waͤhrungen gebildete Niederschlage versucht, und
                              alle zu den Versuchen dieser Art mehr geeignet gefunden, als die Koͤrper, aus
                              welchen sie entstanden sind, namentlich den Eyweißstoff, den geronnenen und faul
                              gewordenen Eyweißstoff, den geronnenen Eyweißstoff, die Gliadine und das Zymom. Die
                              fuͤnf lezteren sind in der That Arten von Hefen, nicht bloß weil sie auf den
                              Zuker mit weniger Langsamkeit wirken, als die Koͤrper, aus welchen sie
                              entstehen, sondern, weil auch eine Temperatur von 18, 17, zuweilen 15 Graden
                              hinreicht, um sie in Thaͤtigkeit zu sezen. Die Niederschlaͤge sind
                              hier in der Ordnung des Grades ihrer Thaͤtigkeit aufgefuͤhrt; indessen
                              ist doch unter allen hier als Hefen aufgefuͤhrten Niederschlaͤgen
                              jener, der durch Gaͤhrung des fluͤßigen Eyweißes entstand, der
                              einzige, der seiner Intensitaͤt nach, diesen Namen vollkommen verdient. Alle
                              anderen stehen ihm nach; man kann aber dieselben, durch Erhoͤhung der
                              Temperatur, in hohe Thaͤtigkeit bringen.
                           Es gibt also eine Menge thierischer Koͤrper, welche den Zuker in Alkohol
                              verwandeln, und zwar desto leichter, je mehr sie durch einen gehoͤrigen Grad
                              von Faͤulniß hierzu vorbereitet wurden. Hieraus entstehen
                              Niederschlaͤge, welche auf den Zuker noch kraͤftiger wirken:
                              derjenige, welcher auf diese Weise aus dem Eyweißstoff erhalten wurde,
                              verhaͤlt sich wie Hefen; indessen wirkt der Zuker auf den Eyweißstoff nur
                              aͤußerst langsam: die Hefen werden also waͤhrend der Gaͤhrung erzeugt. Die
                              Elektricitaͤt spielt dabei eine Rolle; sie stellt die Thaͤtigkeit in
                              todtgewordenen Hefen wieder her; indessen ist nicht jede Entbindung der
                              Elektricitaͤt zur Erzeugung dieses Phaͤnomenes geeignet. Der Alkohol
                              haͤlt die Gaͤhrung, in dem Maße, als er sich entwikelt, auf, und wenn
                              das Kochen sie unterdruͤkt, so zerstoͤrt es nicht die Ursache. Gut
                              gereinigter Weinstein beguͤnstigt traͤge Gaͤhrungsstoffe, indem
                              er die Alkoholisation vollkommner und langsamer macht.
                           Man hat also den Bierhefen und den Hefen zukerhaltiger Fruͤchte die
                              Eigenschaft den Zuker in Alkohol zu verwandeln zu ausschließlich zugeschrieben, und
                              man muß gestehen, daß das Phaͤnomen der Gaͤhrung mehr Thatsachen
                              umfaßt, als man nicht vermuthete.
                           
                        
                           Anhang.
                           Wir muͤssen bei dieser Gelegenheit unsere Leser auf ein Wert aufmerksam
                              machen, welches vor Kurzem unter folgenden Titel erschienen ist:
                           Ueber das Wesen und die Erscheinung des Galvanismus. Von
                                 August Koelle, Doktor der Philosophie und Koͤnigl. Preuß.
                              Finanzrath. Stuttgart und Tuͤbingen in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung.
                              1825. (Preis fl. 2. 42 kr.)
                           Das Werk selbst besieht aus drei Abhandlungen, welche jedoch unter sich einen
                              genauern innern Zusammenhang haben, und wovon die erste, die Theorie des
                              Galvanismus, die zweite, die Theorie der geistigen Gaͤhrung, und die dritte
                              Andeutungen uͤber den materiellen Zusammenhang der Naturreiche zum
                              Gegenstande hat.
                           Es ist dem Verfasser gelungen, die bisherige Hypothese, daß die geistige Gaͤhrung das Resultat eines galvanischen Actes sey, zu
                              einer durchgefuͤhrten und nachgewiesenen Theorie
                              zu erheben, wodurch er sich um die Technik nicht weniger, als um die
                              Naturwissenschaft uͤberhaupt, verdient gemacht hat. Wir entlehnen daher aus
                              seiner Abhandlung uͤber diesen Gegenstand auszugsweise und vorzuͤglich
                              in Beziehung auf die zuvor mitgetheilte Arbeit Colin's die unten folgenden
                              Bemerkungen.
                           Der Verfasser hat durch seine Arbeit uͤber die Theorie des Galvanismus den
                              Naturforschern gewiß einen sehr wichtigen Beitrag geliefert, und es muß ihm das
                              Verdienst bleiben uͤber den materiellen Zusammenhang der Naturreiche die
                              ersten Aufschluͤsse von factischer Gewißheit gegeben zu haben.
                           In technischer Beziehung haben wir von ihm demnaͤchst uͤber die geistige
                              Gaͤhrung ein besonderes Werk unter folgenden Titel zu erwarten:
                           Die Branntwein- und Weingeistbereitung, insbesondere mittelst
                                 Anwendung der Wasserdaͤmpfe. Auf Wissenschaft und Erfahrung
                                 gegruͤndet. Mit Kupfern etc.
                           Der Verfasser hat sich darin die Aufgabe gesezt, die Beschreibung des vollkommensten
                              Apparates und der zwekmaͤßigsten Methode, mit demjenigen Grade
                              wissenschaftlicher Behandlung zu verbinden, welchen unser jeziger Standpunkt
                              gestattet.
                           ––––––––––
                           Ferment, Zuker und Wasser
                              stellen sich uns bei der Gaͤhrung als thaͤtige Potenzen dar, von deren
                              Daseyn alle Erscheinungen bedingt sind.
                           Ueber die Natur des Ferments verdanken wir dem Verfasser
                              vorzuͤglich schaͤzbare Untersuchungen. Besonders erschien es
                              raͤthselhaft, daß man bei allen Analysen der Getreidearten keinen Stoff
                              finden konnte, welcher der Natur des Ferments entsprach, und daß doch gerade durch
                              die Getreidearten die groͤßte Menge desselben gewonnen wird. Man sah sich
                              deßhalb gezwungen, es fuͤr eine Substanz zu halten, die erst durch die
                              Gaͤhrung erzeugt werde. Fabroni fand Aehnlichkeit
                              zwischen ihr und dem glutinoͤsen Bestandtheil des Kaͤses. Wegen ihrer
                              Verwandtschaft mit thierischen Stoffen, nannte er sie vegeto-animalische Substanz. Unser Verfasser fand durch mikroskopische
                              Beobachtungen, daß es der Kleber im Getreide ist, der das
                              Ferment als einen seiner Bestandtheile schon wirklich formirt enthaͤlt. Als
                              er voͤllig reinen, mit Wasser ausgewaschenen Kleber unter das Mikroskrop
                              brachte, bemerkte er sogleich zwei verschiedene Substanzen, naͤmlich eine
                              große Masse ganz derselben Kuͤgelchen, aus welchen das Ferment besteht, und
                              zweitens eine zaͤhe, gelblichbraͤunliche, an mehreren Stellen
                              durchscheinende Substanz, welche die Kuͤgelchen umhuͤllt hatte, und
                              dem Ansehen nach mit Harz verglichen werden kann. Am besten kann man sich eine
                              Vorstellung davon machen, wenn man sich einen Haufen dicht
                              zusammenhaͤngender, durchsichtiger, oder vielmehr durchscheinender
                              Hefenkuͤgelchen von Honig durchdrungen denkt, auf der Oberflaͤche mit
                              mehreren schmuzigen Stellen versehen. Es ergab sich daraus das wichtige Resultat,
                              daß der Kleber wirklich kein einfacher Koͤrper ist; ferner, daß die Hefen
                              kein Product der Gaͤhrung sind, sondern in dem Kleber verschlossen liegen,
                              und daß endlich bei der Gaͤhrung des Malzextracts die Hefenkuͤgelchen
                              nur von ihrer harzartigen Verbindung befreit werden, also als ein Educt zum
                              Vorschein kommen.
                           Nach den angestellten Versuchen hielt er die Taddei'sche
                              Zerlegungen des Klebers fuͤr unvollkommen. Auch erhielt er durch die Behandlung dieses
                              Koͤrpers mit Alkohol eine milchigte Fluͤßigkeit, und es war ihm nicht
                              moͤglich, durch das sorgfaͤltigste und wiederholteste Auswaschen mit
                              Alkohol das Zymom frei von Gliadin darzustellen. Die Trennung der beiden
                              Bestandtheile des Klebers hat. uͤberhaupt viele Schwierigkeiten, da man durch
                              die anzuwendenden Mittel entweder den Koͤrper selbst, oder wenigstens die
                              gaͤhrungserregende Kraft des Zymons zerstoͤrt, und doch beide so fest
                              zusammenhaͤngen. Die Natur bewirkt aber diese Befreiung des Zymoms von dem
                              harzartigen Koͤrper durch die Vegetation auf dem Wege der Zukerbildung. Die
                              suͤßen Saͤfte enthalten das Zymom in einem wirksamen Zustande, und es
                              ist bekannt, daß auch das Malzen, bei dem gleichfalls Zukerstoff erzeugt wird, nicht
                              nur auf die Gaͤhrung im Allgemeinen, sondern auf die Hefenerzeugung
                              insbesondere einen guͤnstigen Einfluß hat.Obgleich die Taddei'sche Zerlegung des Klebers unvollstaͤndig ist, und
                                    die von demselben angegebenen Eigenschaften des Gliadins großen Theils
                                    berichtigt werden muͤssen, so glaubt doch der Verfasser fuͤr
                                    den harzartigen Koͤrper den Namen Gliadin beibehalten zu
                                    duͤrfen.
                              
                           Judessen ist doch das Zymom in den natuͤrlichen Zukersaͤften nicht als
                              wirklicher Gaͤhrungsstoff, d.h., der Gaͤhrung erregen kann, enthalten,
                              sondern es wurde durch Gay-Lussac's interessante Versuche dargethan, daß ohne
                              Sauerstoff keine Gaͤhrung in ihnen statt findet. Der Verf. hat nachgewiesen,
                              daß die Wirkung des Sauerstoffs auf eine Oxydation des in ihnen enthaltenen Zymoms
                              hinauskommt, so daß das wirksame Zymom ein Oxyd ist. Wir kennen es also schon in
                              zwei verschiedenen Zustaͤnden. In beiden ist es nach den Untersuchungen des
                              Verf. ein unaufloͤslicher Koͤrper.
                           Weitere Beobachtungen lehrten ihn, daß das Zymom auch in dem Leime enthalten sey und
                              einen gewoͤhnlichen Begleiter der Gallerte abgebe. Betrachtet man den Leim
                              unter dem Microskop, so findet man eine durchscheinende, helle gelbe Substanz, die
                              gaͤnzlich mit Zymomkuͤgelchen angefuͤllt ist. Hauseblase stellt sich eben so dar, nur daß die
                              durchscheinende zweite Substanz darin (die eigentliche Gallerte) weißlich, mit
                              schnulzigen Stellen erscheint. Bei allen diesen und andern Faͤllen sind die
                              Kuͤgelchen uͤbrigens nicht bloß in der durchscheinenden Masse
                              vertheilt, sondern sie befinden sich darin in so großer Anzahl, daß man sagen kann,
                              sie liegen an einander an, und die Gallerte durchdringt bloß die durch die
                              sphaͤrische Gestalt entstandenen Zwischenraͤume, welches auf ein sehr
                              inniges Verwandtschaftsverhaͤltniß deutet.
                           Fabronis Versuche, durch den glutinoͤsen Bestandteil des Kaͤses
                              Gaͤhrung zu erregen, leiteten den Verfasser darauf, die Milch gleichfalls
                              unter dem Microskop zu betrachten. Sie zeigte sich gaͤnzlich mit den
                              Zymomkuͤgelchen angefuͤllt, eben so der Kaͤsestoff, nur daß lezteres sich auf aͤhnliche Weise
                              darstellte, wie die Hausenblase, mit einer weißlichen zaͤhen Substanz auf das
                              Innigste verbunden. Die Blutkuͤgelchen verhalten
                              sich nach dem Verf. unter dem Microskop gleichfalls vollkommen wie Zymom.Der Verfasser bemerkt selbst, daß das in so vielen Faͤllen vorkommende
                                    Zymom wohl nicht in allen in demselben chemischen Zustande befindlich sey,
                                    es sey sogar das Gegentheil zu vermuthen, und es koͤnne insbesondere
                                    das in den Thieren vorkommende, so wie dasjenige, welches die
                                    Gaͤhrung schon uͤberstanden hat, hoͤher oxydirt seyn,
                                    als das eigentliche Ferment, woruͤber genauere Untersuchungen
                                    bestimmen muͤßten.
                              
                           Außer dem Zymom und dem Wasser, dessen Natur keinem
                              Zweifel unterliegt, ist noch der Zuker zur
                              Gaͤhrung nothwendig, dessen Beschaffenheit durch die Chemie hinreichend in's
                              Klare gesezt worden ist.
                           Zuker, Wasser und Ferment geben ein merkwuͤrdiges
                              Verwandtschafts-Verhaͤltniß zu einander zu erkennen, welches besonders Thénard durch mehrere Versuche hervorzuheben
                              bemuͤht war. Auf die Verwandtschaft des Zukers und Ferments wurde man
                              vorzuͤglich durch Doͤbereiners Entdekung
                              des von ihm so genannten Hefensyrups aufmerksam. Als
                              derselbe 1 Loth mit vielem Wasser ausgewaschene und stark ausgepreßte Spundhefen in
                              einer Reibschale mit 1 Unze gepulvertem Zuker zusammenrieb, bemerkte er die
                              merkwuͤrdige Erscheinung, daß der Zuker ploͤzlich deliquescirte, und
                              sich beide zu einer homogenen, syrupartigen Fluͤßigkeit vereinigten, die in
                              kleinen Massen vollkommen durchsichtig erschien, und welche er fuͤr eine
                              chemische Mischung hielt. Doͤbereiner bat die
                              Eigenschaften dieser Verbindung in Schweiggers Journal
                              (neue Reihe Bd. XII. S. 234.) beschrieben. Unser Verfasser hat die Versuche dieses
                              Chemikers bestaͤtigt, und außerdem die interessante Beobachtung gemacht, daß
                              weder Staͤrke noch Milchzuker, welche sich beide durch Hefen nicht zur Gaͤhrung
                              bringen lassen, beim Zusammenreiben mit denselben, Erscheinungen darbiethen, welche
                              auf ein solches Verwandtschafts-Verhaͤltniß derselben schließen lassen
                              wuͤrden, indem keine homogene Verbindung damit zu Stande zu bringen ist, eben
                              so wenig, wie zwischen Zuker und Kleber, oder Kaͤsestoff. Der Verfasser
                              ermangelte nicht, diese Verbindung, welche Doͤbereiner mit Recht Hefensyrup nannte,
                              auch unter dem Mikroskop zu betrachten, um der Beschaffenheit des darin befindlichen
                              Zymoms nachzuforschen. Hier zeigte sich nun die hoͤchst interessant
                              Erscheinung, daß zwischen beiden Stoffen keineswegs eine wirkliche chemische Durchdringung Statt findet, sondern daß die
                              Zymomkuͤgelchen noch unveraͤndert darin vorhanden sind, und der Zuker in
                              einem deliquescirten Zustand sich auf das gleichartigste mit ihnen verbunden hat.
                              Das Experiment spricht sonach aus, daß allerdings zwischen diesen beiden Stoffen ein
                              entschiedenes Verwandtschafts-Verhaͤltniß vorhanden ist, daß aber dem
                              Resultate dieser Verwandtschafts-Aeußerung etwas entgegensteht, das ihre chemische
                              Durchdringung nicht zulaͤßt.
                           Die neuern Fortschritte der Chemie haben dargethan, daß alle
                              Verwandtschafts-Aeußerung auf Polaritaͤt der Stoffe zuruͤkkommt,
                              sonach wird es geeignet seyn, zu untersuchen, welches das polarische Verhalten
                              dieser Koͤrper ist.
                           Es leuchtet von selbst ein, daß der Zuker, der mehr als 50 Pct. Sauerstoff
                              enthaͤlt, der negativ elektrische Koͤrper,
                              in der gewoͤhnlichen Bedeutung des Wortes, sey, so wie es auch aus der Lehre
                              von der Elektricitaͤt bekannt ist, daß er zu den Nichtleitern
                              gehoͤrt.
                           Es unterliegt keinem Zweifel, daß das Ferment ein positiv
                              elektrischer Koͤrper ist, denn der uͤberwiegende Bestandtheil in den
                              Hefen ist der Kohlenstoff (nach einer Analyse Thénards von dem Verfasser zu 47 Pct. berechnet), und auch der
                              Wasserstoff betraͤgt einen ansehnlichen Theil (nach derselben Analyse
                              berechnet ihn der Verfasser zu 14 Pct.), so daß sonach die Negativitaͤt des
                              Sauerstoffes darin von der Positivitaͤt der uͤbrigen Stoffe
                              unterdruͤkt wird. Damit stimmt auch das chemische Verhalten des Ferments
                              zusammen, indem es bekanntlich nach Saͤuerung strebt, und in feuchtem
                              Zustande in Beruͤhrung mit der Luft den Sauerstoff absorbirt, und damit
                              Kohlensaͤure bildet.
                           In diesem entgegengesezt polarischen Verhalten der Koͤrper haben wir daher den
                              Grund ihrer Verwandtschaft zu suchen. Da sie sich aber nicht chemisch durchdringen
                              koͤnnen, so moͤchte der Vergleich nicht unpassend seyn, daß sie sich
                              wie zwei im Contact begriffene
                                 heterogene Metalle verhalten, die wohl ein elektrisches Verhaͤltniß
                              zu einander haben, das aber nicht zum chemischen Proceß ausschlagen kann.
                           Die beiden entgegengesezt elektrischen Koͤrper, Zuker und Zymom, beduͤrfen zur
                              galvanischen Wirkung noch des indifferenten Wassers. Dadurch, daß Zuker und Wasser,
                              und Zuker und Ferment, nicht aber Wasser und Ferment, sich verwandt sind, ist die
                              Moͤglichkeit des Galvanismus gegeben, weil nun eine elektrische Spannung
                              eintreten kann, waͤhrend außerdem Ausgleichung Statt faͤnde.
                           Es ist nun zweierlei noͤthig, einmahl durch das Experiment nachzuweisen, daß
                              wirklich eine galvanische Thaͤtigkeit bei der Gaͤhrung Statt findet,
                              und zweitens darzuthun, auf welche Weise sie im Stande ist, die Erzeugung der
                              Gaͤhrungs-Producte zu veranlassen, da dieses Leztere aus der bloßen Annahme
                              der galvanischen Action keineswegs hervorgeht.
                           
                           Die Construction eines galvanischen Gaͤhrungs-Apparates, der wie die
                              voltaische Saͤule, nach der Linie wirkt, also mit einem Gas-Apparat verbunden
                              werden kann, hat ihre besonderen Schwierigkeiten, und es hat auch noch nicht
                              gelingen wollen, durch Action der galvanischen Saͤule Gaͤhrung zu
                              erregen. Ja es wuͤrde, wie der Verfasser bemerkt, selbst im
                              guͤnstigsten Falle auf diesem Wege schwer zu entscheiden seyn, ob nicht die
                              Wirkung von den drei Stoffen selbst entspringe. Ein entscheidendes Resultat kann nur
                              dadurch erzielt werden, daß man aus Ferment, Zuker und Wasser unmittelbar einen
                              galvanischen Kettenapparat zu errichten sucht. Da indessen das Ferment in den Hefen
                              aus lauter einzelnen Kuͤgelchen besteht, die sich nicht leicht zu einer
                              festen, als ein ungetheiltes Ganzes wirkenden Masse zur Construction einfacher
                              Ketten verbinden lassen, zugleich aber auch die, die einzelnen Kuͤgelchen
                              umgebende Feuchtigkeit den entstehenden Galvanismus sogleich wieder indifferenzirt,
                              so hat auch dieß seine Schwierigkeiten. Zu Folge der oben mitgetheilten
                              mikroskopischen Untersuchungen kam der Verfasser auf den Gedanken, sich des Leims,
                              der ganz mit Zymom angefuͤllt ist, und den man (uͤberhaupt als
                              Gallerte) schon oͤfters als Surrogat der Hefen anzuwenden versuchte, zu
                              diesem Zweke zu bedienen, obgleich wegen der Hize, die das Zymom im Leime schon
                              ausgestanden hat, auch im guͤnstigsten Falle keine starke Wirkung zu erwarten
                              war.
                           Er construirte einen Becherapparat, der aus der sechsfachen Kette von Leim, Zukerwasser (einer Aufloͤsung von
                              Zukersyrup), und Wasser bestand. Die Paare der, mit den
                              warmen Fluͤßigkeiten (26–28° R.) angefuͤllten Glaser,
                              wurden abwechselnd mit LeimbogenMan verfertigt sie sich nach dem Verfasser am besten selbst, indem man Leim
                                    mit wenig Wasser aufloͤst, und ihn dann in Form von schmalen
                                    Streifen, auf Glas ausgießt. Nach einer halben Stunde kann man die Streifen
                                    abnehmen. Sie sind ganz biegsam, werden uͤber ein Holz gespannt und
                                    getroknet. und feuchten Flanellstreifen verbunden, die beiden Enden der Kette aber mit
                              kurzen, spizigen und blanken Messingdraͤhten versehen, und in Wasser
                              geleitet. Zur Erhoͤhung der galvanischen Thaͤtigkeit wurde dem frisch
                              ausgekochten Wasser etwas Salpetersaͤure zugemischt. Die Kette war also
                              folgende
                           
                              
                                    L
                                 
                                    L
                                 
                                    L
                                 
                                    L
                                 
                                    L
                                 
                                    L
                                 
                                    L
                                 
                                 
                              
                                 
                                 ZW
                                 
                                 ZW
                                 
                                 ZW
                                 
                                 ZW
                                 
                                 ZW
                                 
                                 ZW
                                 
                                 Z
                                 
                              
                           L zur Linken stellte also, da das Zymom der positiv
                              elektrische Koͤrper ist, den Zinkpol, Z, zur rechten aber den Silberpol vor. Die Kette wurde mit der moͤglichsten Schnelligkeit
                              zu Stande gebracht.
                           Es fand nicht sogleich Gasentbindung Statt, aber nach und nach schwaͤrzte sich
                              der Draht des Minuspols, darauf begann an demselben ein lebhaftes Ausstroͤmen. Die
                              Blaͤschen waren ganz klein, wie zerstiebt. Diese Erscheinung hatte etwa schon
                              3 Minuten lang gedauert, ohne daß das geringste Blaͤschen am Pluspol
                              entstanden war. Endlich fing auch der Draht dieses Pols an, Gasblasen zu entwikeln,
                              die aber merklich groͤßer und in viel geringerer Zahl waren, sich auch
                              langsamer entbanden, denn sie stroͤmten nicht mit Lebhaftigkeit in die
                              Hoͤhe, sondern loͤsten sich nur nach und nach einzeln vom Drahte ab.
                              Die Aufloͤsung der Leimbogen machte die Unterbrechung des Experiments
                              nothwendig.
                           Bei diesen Erscheinungen ist also nicht im Geringsten an der galvanischen Wirksamkeit
                              dieser Kette zu zweifeln. Auch wurde das Experiment vielmals
                                 wiederholt, und jedesdmahl zeigten sich galvanische Wirkungen.
                           Es kann nicht befremden, daß die galvanischen Wirkungen der angegebenen Kette keine
                              lange Dauer haben, da die Leimbogen gar bald ihre Festigkeit verlieren, und in der
                              Fluͤssigkeit zergehen, diese leztere auch bald erkaltet. Da bei dieser Kette,
                              und uͤberhaupt solchen, die aus organischen Koͤrpern gebildet werden,
                              erst nach und nach soviel Elektricitaͤt entwikelt wird, als zur Zersezung des
                              Wassers noͤthig ist, so gehoͤrt es deßhalb zur Erleichterung des
                              Gelingens des Versuches, daß man zum Gasapparat nur wenig Wasser nehme (ein kleines
                              Uhrglas ist dazu sehr zwekmaͤßig), auch daß die Draͤhte sehr blank und
                              duͤnn sind. Die Elektricitaͤt der Pole ist indessen dennoch so
                              schwach, daß sie ohne Zusaz von Salpetersaͤure keine Gasentbindung
                              hervorbringt, und dieser Zusaz erklaͤrt auch die dabei Statt gehabten
                              Phaͤnomene. Die Saͤure verstaͤrkt bekanntlich die Kraft des
                              Pluspols, es bildet sich also fruͤher ein Oxyd, ehe sich Wasserstoffgas
                              entwikelt, das Oxyd (Kupferoxyd), geht aber an den Minuspol, und schwaͤrzt
                              sich daselbst durch theilweise Reduction. Da dieß nur vermoͤge des
                              Wasserstoffs geschehen kann, so findet die Schwaͤrzung auch eher Statt, als
                              die Gasentbindung. So lange die Elektricitaͤt der Kette starker ist, als die
                              Kraft der Saͤure, kann sich kein Gas am Pluspol entwikeln, so wie sie aber
                              vermindert wird, bekommt die Saͤure relativ das Uebergewicht, und bei diesem
                              Kampfe beginnt die Gaserzeugung auch von diesem Pol, aber nicht in gleicher
                              Staͤrke. Ueber die galvanische Thaͤtigkeit bei der Gaͤhrung ist
                              sonach kein Zweifel mehr. Der Vorgang im Einzelnen bei der Gaͤhrung, ist nun
                              dieser:
                           Zuker und Zymom haben ein entgegengesezt elektrisches Verhalten gegen einander, das
                              auf der Neigung des Zymoms sich mit Sauerstoff zu verbinden, und umgekehrt, auf der
                              Neigung des Zukers zum Wasserstoff beruht. Kommen beide zusammen, so gleicht sich in
                              der Verbindung die elektrische Differenz aus, ohne daß das wechselseitige chemische
                              Beduͤrfniß befriedigt wird. Bei zwei Platten heterogener Metalle stellt sich dieß als
                              Contact-Elektricitaͤt dar. Nun kommt das Wasser hinzu. Indem es sich mit dem
                              Zuker mischt, hebt es dessen Verbindung mit dem Zymom, mit dem es sich selbst nicht
                              vereinigt, auf, und erregt nun den urspruͤnglichen Gegensaz. Zugleich aber
                              enthaͤlt es in sich die Moͤglichkeit zum chemischen Processe, und nun
                              befriedigen Zymom und Zuker auf Kosten des Wassers, das sich (galvanisch) zersezt,
                              ihr chemisches Beduͤrfniß.
                           Die Untersuchung wohin, da das Zymom bei diesem Processe oxydirt wird, der
                              Wasserstoff des zerlegten Wassers komme, fuͤhrt uns nun auf die zweite oben
                              aufgestellte Frage: Auf welche Weise durch diesen, wann auch zugegebenen Galvanismus
                              die bekannten Gaͤhrungsproducte erzeugt werden koͤnnen. Offenbar sind
                              sie erst das Resultat der galvanischen Action, und durch die Qualitaͤt der
                              zukerigen Materie bedingt.
                           Die Zersezung organischer Theile nach der Zerstoͤrung ihres Lebensbandes
                              besteht darin, daß die Factoren nun ihre eigene Polaritaͤt geltend zu machen
                              suchen, die zuvor einem hoͤheren Geseze untergeordnet war. Der
                              Maͤchtigste darunter wird uͤber die Richtung, welche die Zersezung
                              nehmen wird, den Ausschlag geben. Nun uͤberwiegt im Zuker der Sauerstoff die
                              uͤbrigen Bestandtheile, er ist negativ polarisch, und seine Richtung wird
                              also nach dem positiven Pole hingehen, und in dieser wechselseitigen Verwandtschaft zwischen Zuker und Zymom ist
                              uͤberhaupt der Grund der Vereinigung beider zu Hefensyrup zu suchen. Der
                              Sauerstoff des Zukers sucht hier nach Außen seine Befriedigung. Das Zymom wird aber
                              durch die galvanische Thaͤtigkeit in der Gaͤhrung oxydirt, und dadurch
                              fuͤr den Zuker unwirksam.
                           Nehmen wir darauf Ruͤksicht, in welchem Zustande sich der Zuker zu dieser Zeit
                              befindet, so finden wir, daß durch die Gaͤhrungswaͤrme und seine
                              galvanische Thaͤtigkeit seine Negativitaͤt hoͤchst aufgeregt
                              ist, so daß er nun in sich selbst die Befriedigung sucht, die er von außen nicht
                              erhalten konnte. Die erste Erforderniß dazu wuͤrde seyn, daß fuͤr
                              seinen Sauerstoff die Moͤglichkeit vorhanden waͤre, sich mit dem
                              Kohlenstoff in dem bestimmten stoͤchiometrischen Verhaͤltnisse zu Kohlensaͤure zu vereinigen. Der Rest der
                              Bestandtheile gibt dieß aber nicht eher zu, bis auch fuͤr ihn die
                              Moͤglichkeit gegeben ist, eine neue Individualitaͤt zu erlangen. Dieß
                              geschieht dadurch, wie sich aus stoͤchiometrischer Berechnung ergibt, daß er
                              den Wasserstoff des zersezten Wassers an sich nimmt, und nun jener Kohlensaͤure gegenuͤber Alkohol bildet.
                           Nach der Analyse von Berzelius besteht der Rohr-Zuker
                              aus:
                           41,26 Kohlenstoff,  6,97 Wasserstoff,51,77
                              Sauerstoff,
                           
                           Nach der noͤthigen Correction der von mehreren Chemikern erhaltenen, Resultate
                              sezt der Verfasser als Producte der Gaͤhrung fest:
                           44,5 Kohlensaͤure,54,0 Alkohol,  1,5
                              vegetabilische Saͤure.
                           Wir wollen nun sehen, in wie fern diese Producte mit den Verhaͤltnißzahlen des
                              Zukers zusammenstimmen.
                           Nach der von Lavoisier und Guyton-Morveau gemachten Angabe besteht die Kohlensaͤure aus:
                           28 Kohlenstoff,72 Sauerstoff.
                           Die 44,5 Prozente Kohlensaͤure sind also zusammengesezt aus:
                           12,46 Kohlenstoff,32,04 Sauerstoff.
                           Zieht man sie von den Bestandtheilen des Zukers ab, so bleibt ein Ruͤkstand
                              von
                           28,80 Kohlenstoff,  6,97 Wasserstoff,19,73
                              Sauerstoff.
                              ––––––––––––––55,5
                              Procente
                           Diese auf 100 berechnet, geben:
                           55,89 Kohlenstoff,12,56 Wasserstoff,75,55 Sauerstoff.
                           Die Verhaͤltnißzahlen des Alkohols aber sind nach der Angabe von Saussuͤre's, der genauesten, welche wir
                              besizen,
                           51,98 Kohlenstoff,13,70 Wasserstoff,34,32 Sauerstoff,
                           sie geben also eine groͤßere Zahl des Wasserstoffs, und
                              eine geringere des Sauerstoffs an, als in jenem Reste enthalten ist. Nimmt man dazu,
                              daß auch die vegetabilische Saͤure, der auf jeden
                              Fall jener Ueberschuß an Sauerstoff, (der sich im Trauben- und Schleimzuker noch
                              vermehrt) zu Theil wird, Wasserstoff in ihre Bestandtheile aufnimmt, so ergibt sich
                              aus dieser Berechnung genauer, als man es selbst erwarten darf, die Zersezung des Wassers bei der Gaͤhrung, und die
                                 daraus erfolgende Hydrogenisation des Zukers.