| Titel: | Rettungs-Mittel für Verunglükte im Eise, von Hrn. Capitain G. Manby. | 
| Fundstelle: | Band 19, Jahrgang 1826, Nr. XCIV., S. 371 | 
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                        XCIV.
                        Rettungs-Mittel fuͤr Verungluͤkte
                           im Eise, von Hrn. Capitain G.
                              Manby.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              IX.
                        Manby's Rettungs-Mittel fuͤr Verungluͤkte im
                           Eise.
                        
                     
                        
                           Das Mechanics' Magazine theilt in seinem 126.
                                 St., 21. Jaͤner 1826 (da die Jahreszeit die Gefahr des Einbrechens
                              des Eises fuͤr Personen, die sich theils aus Kurzweil auf demselben befinden,
                              theils gezwungen sind, sich auf demselben aufzuhalten, wieder herbeifuͤhrt),
                              Beschreibung und Abbildung des Rettungs-Apparates des Hrn. Capitaͤnes Georg
                              Manby mit, welcher sich bei der Humane Society durch zwoͤlfjaͤhrige
                              Erfahrung erprobt, und bei den wohlthaͤtigen Anstalten dieser
                              menschenfreundlichen GesellschaftDie Humane Society zu London, deren Zwek kein
                                    anderer ist, als Rettung aus Gefahr des Ertrinkens und allen Arten des
                                    Scheins todes, ist bei uns zu wenig gekannt, als daß es
                                    uͤberfluͤßig waͤre, hier in einer Anmerkung von dem
                                    wohlthaͤtigen Zweke und dem gluͤklichen Erfolge derselben zu
                                    sprechen, und zur Nachahmung derselben einzuladen. Diese menschenfreundliche
                                    Gesellschaft wurde im J. 1774 zu London gegruͤndet, und hat, von
                                    diesem Jahre an, bis 1824, nicht weniger als 5200 Ungluͤkliche von
                                    dem Tode gerettet, und 21,000 Preise an die Retter vertheilt. Sie ist
                                    lediglich Privat-Anstalt, und steht blos unter
                                    dem Schuze des Koͤnigs, der ihr „Patron“ ist,
                                    Praͤsident ist gegenwaͤrtig der Herzog von Northumberland. Man
                                    bezahlt, um Mitglied zu seyn, jaͤhrlich Eine Guinee. Im J. 1823
                                    wurden von 144 Ungluͤklichen 129 gerettet, die bei dem Jahresfeste
                                    der Gesellschaft ihren Wohlthaͤtern den Dank fuͤr Rettung in
                                    feierlichem Aufzuge darbrachten. Die Gesellschaft unterhaͤlt in
                                    London und den naͤchsten Umgebungen an denjenigen Stellen, wo die
                                    Gefahr des Ertrinkens haͤufiger vorkommt, die Rettungs-Apparate
                                    bereit; im J. 1823 hatte sie 19 solche Wacheposten aufgestellt.
                                    Jaͤhrlich vertheilt sie im Lande unentgeldlich ihre durch Erfahrungen
                                    gepruͤften und verbesserten Rettungs-Methoden. So viel wir wissen,
                                    hat Hamburg unter allen Staͤdten Deutschlands allein eine
                                    aͤhnliche menschenfreundliche Gesellschaft. Graf Saurau hat, als
                                    Polizei-Minister in Oesterreich, Rettungs-Anstalten zu Wien an der
                                    Donau gegruͤndet, und einer der Edelsten unter den Edelen, der sel.
                                    Graf Leopold von Berchtold, der im J. 1809 als
                                    Opfer seiner Philanthropie fiel, war sein ganzes schoͤnes Leben
                                    uͤber rastlos bemuͤht, uͤberall in dem
                                    oͤsterreichischen Staate durch unentgeldlich vertheilte kleine
                                    Schriften uͤber Rettungs-Mittel beim Scheintode die hierzu
                                    noͤthigen Kenntnisse unter dem Volke zu
                                    verbreiten. Auch die k. bayer'sche Regierung hat auf eine sehr humane Weise
                                    uͤberall fuͤr Rettung der im Wasser etc. Verungluͤkten
                                    durch Apparate, Preise und dergl. vaterlich gesorgt; nur ist zu bedauern,
                                    daß ihrer weisen Absicht so wenig entsprochen wird, und bei dem
                                    Magistrats-Wesen, so wie es gegenwaͤrtig ist, so wenig entsprochen
                                    werden kann. Wir erlebten, daß in einer Universitaͤts-Stadt ein
                                    junger Mann in den Strom fiel, der in wenigen Minuten darauf
                                    gluͤklich aus demselben gezogen wurde. Statt den Ungluͤklichen
                                    aber von der Stelle, wo man ihn herauszog, alsogleich auf das
                                    Magistrats-Haus zu tragen, wo der Apparat zur Wiederbelebung der Ertrunkenen
                                    aufbewahrt wird, (was in Einer Viertelstunde moͤglich gewesen
                                    waͤre), ließ man den Ungluͤklichen dort liegen, wo man ihn
                                    herauszog, schikte nach der Stadt um den Rettungs-Apparat, und ließ diesen
                                    zu dem Ungluͤklichen tragen; verlor also dadurch, auf die
                                    einfaͤltigste Weise, doppelt soviel Zeit, als man gebraucht
                                    haͤtte, den armen Teufel zu dem Apparate zu tragen; als dieser endlich ankam,
                                    war es bereits zu spaͤt, den Ungluͤklichen mehr zu retten.
                                    Erst vor wenigen Tagen verungluͤkte ein Zimmermann in derselben Stadt
                                    bei dem Aufeisen einer Muͤhle im Eise, und war, so sehr er nach
                                    Rettung rief, und so leicht er durch ein zugeworfenes Seil haͤtte
                                    gerettet werden koͤnnen, verloren, er hinterlaͤßt eine
                                    zahlreiche Familie. In Augsburg, wo sonst mehrere Rettungs-Apparate an
                                    verschiedenen Orten zwekmaͤßig vertheilt waren, verungluͤken
                                    jaͤhrlich mehrere Menschen im Wasser, und es ist nicht ein Beispiel
                                    vorhanden, daß ein Verungluͤkter wieder ins Leben gebracht wurde.
                                    Wenn man die Zahl der jaͤhrlich im Wasser, nur bei dem Baden,
                                    Schlittschuhtaufen etc. Verungluͤkten in Deutschland
                                    uͤberdenkt; wenn man bedenkt, daß es 10,000 Mahl wahrscheinlicher
                                    ist, daß bei einem solchen Ungluͤksfalle, in dem Augenblike, wo er
                                    sich ereignet, Niemand zugegen ist, der da weiß, was fuͤr den
                                    Augenblik zu thun ist; so wird man es doch 10,000 Mahl verstaͤndiger
                                    finden muͤssen, das Volk wenigstens uͤber die ersten, in
                                    solchen Unfaͤllen noͤthigen, Handgriffe zu unterrichten, als
                                    es bei dem unseligen Vorurtheile zu belassen: „das Wasser muß alle
                                       Jahr Einen haben!“ ein Vorurtheil, das unter der Classe
                                    unserer Fischer, die an Fluͤssen wohnen, und die erste
                                    huͤlfreiche Hand in solchen Ungluͤksfaͤllen leisten
                                    koͤnnten, noch zu sehr, um nicht zu sagen allgemein, herrschend ist.
                                    A. d. Ueb. eine große Anzahl Menschen aus dem Eise gerettet hat.
                           Hrn. Capit. Manby's Rettungs-Apparat aus dem Eise
                              besteht:
                           
                           1) Aus einem Seile (Fig. 1.) mit einer schwimmenden Schlinge, welche durch Fischbein
                              auseinander gespannt erhalten wird, und mit einem eifoͤrmigen Stuͤke
                              Holz oder Kork in gehoͤriger Entfernung von derselben versehen ist, so daß
                              dieses leicht mit der Hand gefaßt werden kann. Dieses Seil wird der am Rande des
                              Eises Hangenden Person, die in Gefahr ist unterzusinken, zugeworfen.
                           2) Aus einem tragbaren Bothe (Gig-boat), (Fig. 2 und 3.) der leichteren
                              Tragbarkeit wegen aus duͤnnen Weidenreisern geflochten. Die darin, in
                              zinnernen Gefaͤßen, enthaltene Luft laͤßt es nicht untersinken; auf
                              dem Eise laͤuft es auf Walzen, und wird dadurch aufrecht erhalten. Man
                              bedient sich desselben, wenn die Stelle, wo das Eis eingebrochen ist, zu weit
                              entfernt ist, als daß man das Seil mit Sicherheit werfen koͤnnte, oder wo die
                              gewoͤhnlichen Mittel vergebens sind. Das Gewicht dieses ganzen Bothes
                              betraͤgt nicht viel uͤber 20 Pfd. Die vordere Rolle kann leicht so
                              eingerichtet werden, daß man dem Bothe jede beliebige Richtung geben kann.
                           3) Aus Haken mit eisernen Spizen (Fig. 4 und 5.), mit welchen das Both
                              auf dem Eise vorwaͤrts treibt.
                           
                           4) Aus einem Sucher, welcher sich, nach der Tiefe des Wassers, augenbliklich
                              verlaͤngern laͤßt, (Fig. 7.), falls die Person
                              bereits untergesunken waͤre, um dieselbe aufzusuchen, und aus der Tiefe
                              heraufzuziehen auf die Oberflaͤche des Wassers.
                           5) Aus tragbaren Leitern, um eine Verbindung zwischen dem Boche und dem Eise
                              herzustellen, wenn die untergesunkene Person durch die Stroͤmung bereits von
                              dem Orte, wo sie einbrach, weggefuͤhrt wurde. Diese Leitern (Fig. 7, 8, 9.) koͤnnen durch
                              Schieben oder Einpassen verlaͤngert, und, noͤthigen Falles, auch
                              schwimmend erhalten werden.
                           Die Anwendung dieser Geraͤthe geschieht auf folgende Weise.
                           Man seze, das Eis sey unter irgend einer Person eingebrochen. Sie wird sich
                              instinctmaͤßig an dem Rande des Eises zu halten suchen. Wenn das Eis stark
                              genug ist, kann sie dieß gewoͤhnlich einige Zeit uͤber aushalten,
                              indem nicht viel dazu gehoͤrt, etwas im Wasser schwimmend zu erhalten. Wenn
                              das Eis fest ist, kann der Ungluͤkliche leicht auf die gewoͤhnliche
                              Weise gerettet werden; wenn man sich aber demselben entweder weder der
                              Spruͤnge des Eises, oder wegen der offenbaren Schwaͤche desselben
                              nicht naͤhern kann, wird das Seil (Fig. 1.), wenn die Entfernung nicht zu groß
                              ist, um den Verungluͤkten zu retten, mit der Hand geworfen. Wenn ihm das Seil
                              zugeworfen wurde, wird er das eifoͤrmige Stuͤk zu ergreifen suchen,
                              und sich dadurch schwebend erhalten; mit der anderen Hand kann er sich die Schlinge
                              uͤber den Kopf thun, und mit dem Arme durchschliefen. Er wird dann den Knopf
                              oder Ring, mit welchem die Schlinge versehen ist, anziehen, damit diese nicht
                              weicht, und so kann eine Person, die sicher auf dem Eise steht, den Leidenden aus
                              demselben befreien.
                           Dieses Seil (welches Hr. Manby urspruͤnglich zur
                              Rettung aus dem Eise vorrichtete), wurde zeither von mehreren Officieren der Flotte
                              mit dem besten Erfolge zur Rettung in's Wasser gefallener Individuen angewendet.
                           Wenn aber, wie es so oft der Fall ist, das gebrochene Eis zu breit ist, als daß die
                              gewoͤhnliche Huͤlfe geleistet werden koͤnnte, oder daß man das
                              Seil werfen koͤnnte, wird eines der oben, Fig. 2, 3. abgebildeten Bothe
                              angewendet. Diese Bothe sind so leicht als moͤglich, um so schnell als
                              moͤglich bei der Hand zu seyn; denn Schnelligkeit ist bei Rettung der
                              sicherste, und oͤfters der einzige Buͤrge des Gelingens; die Ewigkeit
                              des Grabes haͤngt hier von einem Augenblike ab. Ein kraͤftiger Mann
                              kann, indem er die Spizen der Haken in das Eis einsezt, mit der Stammkraft seiner
                              Arme ein solches Both mit großer Schnelligkeit uͤber das Eis hintreiben.
                           Wenn die Person, welche in Gefahr ist, sich noch am Rande des Eises festhaͤlt,
                              so wird das Hintertheil des Boches gegen dieselbe hingekehrt, und mittelst einer
                              daran angebrachten Leiter kann sie dasselbe leicht erreichen.
                           Sollte der Ungluͤkliche, erschoͤpft oder erstarrt vor Kaͤlte,
                              bereits untergesunken seyn, muß alsogleich die Suchstange Fig. 6. (welche sich
                              verlaͤngern laͤßt, und immer im Bothe liegen muß), angewendet werden,
                              um den Untergesunkenen heraufzufoͤrdern, bevor der lezte Lebensfunken
                              verlischt.
                           Um soviel moͤglich in groͤßers Tiefen hinabreichen zu koͤnnen,
                              hat man die Stange gegliedert, und jedem Gliede 6 bis 9 Fuß Laͤnge gegeben.
                              Diese Glieder sind alle genau von gleicher Staͤrke, und passen vollkommen in
                              einander; Eines in alle und alle in Eines. Eine Feder haͤlt, sie an jedem
                              Gelenke fest, sobald sie wechselseitig in ihre Stiefel eingepaßt sind, und auf diese
                              Weise bilden sie eine feste Stange von beliebiger Laͤnge.
                           
                           Mit diesem einfachen Instrumente kann man nun den Untergesunkenen aufsuchen, wenn er
                              von einer leichteren Stroͤmung unter dem Eise fortgefuͤhrt worden seyn
                              sollte. Dieß ist oͤfters leichter und schneller moͤglich, als man
                              glaubt. Damit man den Ungluͤklichen nicht allenfalls wieder verliert, nachdem
                              man ihn bereits mit der Suchstange gefunden hat, indem die Glieder derselben
                              nachgaben, und auseinander gingen, ist in einem Ringe an den eisernen Haken (Fig. 6.) ein
                              Seil befestigt; die scharfen Spizen an den Haken sind geschuͤzt, so daß sie,
                              wenn sie auch anderswo, als an den Kleidern, fangen, keine bedeutende Verwundung
                              erzeugen. Wenn der Untergesunkene einmahl gefaßt ist, so braucht es, nach dem
                              bekannten Geseze der Hydrostatik uͤber specifische Schwere, wenig
                              Anstrengung, um ihn auf die Oberflaͤche des Wassers emporzuheben.
                           Wenn nun der Verungluͤkte in einiger Entfernung von dem staͤrkeren
                              Theile des Eises empor gebracht wurde, wird die tragbare Leiter sehr nuͤzlich
                              werden koͤnnen. Ein Ende derselben ruht auf dem Eise, das andere auf dem
                              Bothe; man kann sie auch mittelst einer duͤnnen luftdichten zinnernen
                              Buͤchse, die mit Weiden umflochten, und an einem Ende derselben angebracht
                              ist, Fig. 9.,
                              schwimmend erhalten.
                           Wer immer bei Einbruͤchen des Eises gegenwaͤrtig war, wird wahrgenommen
                              haben, daß die unteren Theile des Ungluͤklichen, der in dem Eise einbrach,
                              und an dem Rande desselben haͤngt, unter das Eis hineingezogen werden. Die
                              Gewalt dieses Hineinziehens unter das Eis macht es immer sehr schwer, und in einigen
                              Faͤllen, wenn der Ungluͤkliche sehr ermuͤdet oder erstarrt ist,
                              unmoͤglich, daß derselbe sich durch seine eigene Kraft auf das Eis
                              emporschwingt, auf welchem die Leiter zu seiner Aufnahme bereit liegt. Die Leiter
                              ist daher so vorgerichtet, daß sie, ungefaͤhr vier Fuß von ihrem Ende, in
                              Angeln haͤngt, und, entweder durch das Ausziehen eines eisernen Stiftes, oder
                              durch das Gewicht der lezten Stufe, die von Eisen ist, (Fig. 10.) augenbliklich
                              faͤllt und senkrecht in das Wasser haͤngt, so daß der
                              Ungluͤkliche mit geringer Anstrengung seine Fuͤße auf die Stufen der
                              herabhaͤngenden Leiter bringen, und so heraufsteigen kann. Die Leiter wird
                              auf diese Weise eine Art von Buͤhne, auf welcher der Koͤrper des
                              Verungluͤkten von der Stelle, auf welcher er durchbrach, auf festes Eis
                              gebracht werden kann. Sollte die Entfernung zwischen dem Bothe und dem Rande des Eises
                              mehr als eine Leiter-Laͤnge betragen, so kann eine zweite Leiter mit der
                              ersten so verbunden werden, daß das schmaͤhlere Ende an jener in das breitere
                              von dieser geschoben, und daselbst mittelst eines Faͤngers festgehalten wird.
                              Die Leiter kann auch mittelst eines laͤnglichen Faͤßchens (Fig. 11.), das
                              mit einem Seile umschlungen ist, welches oben zwei Augen zur Aufnahme der Enden der
                              Leiter bildet, schwimmend erhalten werden.Hr. Manby erwaͤhnt hier noch einer
                                    Rettungs-Leiter bei Feuersgefahr, die eine gewoͤhnliche Strikleiter
                                    ist, welche man irgendwo leicht befestigen kann, und statt der Stufen aus
                                    Strik flache Tritte hat, auf welche man den Fuß mit groͤßerer
                                    Sicherheit sezen kann. A. d. Ueb.
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
