| Titel: | Methode, den Roh-Zuker mittelst Alkoholes zu reinigen, und allerlei Arten von Zuker zu raffinniren; von den HHrn. Gebrüdern Derosne. | 
| Fundstelle: | Band 21, Jahrgang 1826, Nr. XI., S. 48 | 
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                        XI.
                        Methode, den Roh-Zuker mittelst Alkoholes zu
                           								reinigen, und allerlei Arten von Zuker zu raffinniren; von den HHrn. Gebrüdern Derosne.
                        Aus dem X. B. der Brevets d'invention; im Bulletin de la
                                 										Société pour l'Encouragement. N. 260. S.
                              								57.
                        Derosne's, Methode den Roh-Zuker mittelst Alkoholes zu
                           								reinigen.
                        
                     
                        
                           Nach der in Zuker-Raffinerien gewoͤhnlichen Methode
                              									mußte man den Zuker in einer großen Menge Kalkwassers aufloͤsen, und mittelst
                              									eines bedeutenden Zusazes von Ochsenblut klaͤren. Die Raffineurs wissen noch
                              									zur Stunde nicht, wieviel sie von diesen beiden lezteren Materialien nehmen sollen;
                              									sie wissen nicht, wie das erstere eigentlich wirkt, und kennen die Gefahren nicht, die durch
                              									eine zu reichliche Zuthat des lezteren entstehen, indem dasselbe ein zu sehr
                              									zusammengesezter Koͤrper ist, als daß man die zur Wuͤrdigung desselben
                              									noͤthigen Kenntnisse bei den meisten Raffineurs voraussezen
                              									duͤrfte.
                           Alles ist bei diesem Verfahren ungewiß und unbestimmt. Die Menge des Kalkwassers, wie
                              									die des Ochsenblutes, welche zur Reinigung zugesezt werden soll, wechselt nach der
                              									Laune der Raffineurs. Ueberdieß verbrennt man dabei eine Menge Feuer-Materiales, und
                              									das Feuer, welches man bei dieser fehlerhaften Methode nothwendig hat, verdirbt eine
                              									nicht unbedeutende Menge Roh-Zukers. Das Kochen der Syrupe, Mutterlaugen (eaux méres), oder, wie sie in Raffinerien genannt
                              									werden, der nicht gedekten Syrupe (sirops non couverts), vermehrt noch die Schwierigkeiten, die immer
                              									laͤstiger und laͤstiger werden, je mehr man das rohe Material
                              									vollkommen ausziehen will; denn nicht selten sieht man aus der lezten Mutterlauge,
                              									oder aus den erschoͤpften Syrupen, wenn man sie erhizt, ganze Saͤulen
                              									von gekohlstofftem Wasserstoffgase aufsteigen, die sich entzuͤnden, sobald
                              									man mit einem brennenden Koͤrper nahe kommt.
                           Nach unserer Methode wird der Roh-Zuker unmittelbar, ohne alle Anwendung des
                              									Waͤrmestoffes, ohne irgend ein den Roh-Zuker zersezendes Mittel, wie Kalk,
                              									Ochsenblut u. d. gl. gereinigt: lezteres wirkt ohnedieß nur durch die Menge
                              									Eyweißstoffes, welche dasselbe enthaͤlt: alle anderen Bestandtheile
                              									desselben, die sehr zusammengesezt sind, und sehr haͤufig darin vorkommen,
                              									sind, in Hinsicht auf ihre Wirkung, unbekannt.
                           Wir bedienen uns, statt der gewoͤhnlichen Mittel zur Reinigung des Zukers,
                              									eines einzigen Mittels, dessen Wirkung bestimmt ist, und welches gewißer Massen die
                              									vollkommenste Analyse aller verschiedenen im Roh-Zuker enthaltenen Stoffe liefert.
                              									Dieses Mittel ist der Alkohol, oder der durch Destillation des Weines, oder des
                              									Kornes, oder irgend eines einer geistigen Gaͤhrung faͤhigen
                              									Koͤrpers, erhaltene Geist, der aus allen diesen Koͤrpern in Hinsicht
                              									auf seine chemischen Eigenschaften immer derselbe ist, und welchen wir auf folgende
                              									Weise anwenden.
                           Wir gießen auf eine gewisse Menge Roh-Zuker eine gewisse Menge rectificirten Alkohol
                              									von 32 bis 34° am Baume'schen Araͤometer.
                           
                           Wir schuͤtteln oder ruͤhren diese beiden Substanzen gehoͤrig
                              									unter einander, und lassen sie einige Stunden uͤber in Digestion,
                              									waͤhrend welcher Zeit wir sie zuweilen umruͤhren. Wir gießen hierauf
                              									den uͤber dem unaufgeloͤsten Roh-Zuker stehenden Alkohol ab, und
                              									wiederholen obiges Verfahren so lang, bis der Alkohol endlich vollkommen
                              									ungefaͤrbt abgeht. Dieses Verfahren gruͤndet sich auf die Eigenschaft
                              									des Alkoholes, im kalten Zustande nur den Syrup aufzuloͤsen, der im Roh-Zuker
                              									enthalten ist, den krystallisirten Zuker aber unaufgeloͤst zu lassen. Dadurch
                              									scheiden wir nun wirklich alle nicht krystallisirbaren Theile aus dem Zuker
                              									vollkommen ab. Dieser nicht krystallisirbare Theil im Roh-Zuker besteht aus der
                              									ganzen Masse des darin enthaltenen Syrupes, und uͤberdieß noch aus einer
                              									hefenartigen Substanz, welche leichter als der Zuker, und in Wasser, wie in Alkohol,
                              									unaufloͤsbar ist. Diese Substanz ist wahrscheinlich die einzige Ursache,
                              									warum bei dem alten Verfahren die Anwendung des Kalkes und des Ochsenblutes zu
                              									gaͤnzlicher Ausscheidung derselben nothwendig wird. Diese Substanz
                              									erhaͤlt sich leicht im Alkohol schwebend, wodurch sie eben so leicht vom
                              									Zuker abgeschieden werden kann, welcher sich wie weißer Sand am Boden des
                              									Gefaͤßes anhaͤuft.
                           Wenn der Zuker gehoͤrig abgetroͤpfelt hat, und bei einer gelinden
                              									Waͤrme, wie z.B. jener des Wasserbades, oder bloß in freier Luft getroknet
                              									wurde, so sieht er aus, und schmekt wie die schoͤnste Cassonnade von
                              									Martinique, oder aus der Havana; er hat vor derselben noch den Vorzug voraus, daß er
                              									großen Theiles von jenem hefenartigen Stoffe befreit ist, von welchem wir oben
                              									sprachen, und einen bei diesen Arten von Cassonnaden seltenen Grad von Trokenheit
                              									besizt. Er enthaͤlt keinen anderen Theil von Faͤrbestoff mehr, als die
                              									Kleinigkeit, die dem Krystallisations-Wasser des Zukers noch anhaͤngt.
                           Wenn wir aus dem auf diese Weise gereinigten Zuker noch feineren, und den
                              									schoͤnsten Zuker erzeugen wollen, loͤsen wir denselben, nachdem er
                              									abgetroͤpfelt hat, aber noch nicht ganz troken geworden ist, in der
                              									gehoͤrigen Menge Wassers auf, welches wir in einem verschlossenen
                              									Gefaͤße erhizen, um durch die Destillation den wenigen Alkohol, der noch
                              									darin enthalten seyn koͤnnte, zu beseitigen.
                           Dieses Verfahren geht viel schneller, als das gewoͤhnliche alte. In 24 Stunden
                              									sind wir an dem Ende jener Arbeit, die nach der alten Methode viele Tage fordert. Wir
                              									brauchen hierzu kein Feuer, und weit weniger Arbeiter. Der Alkohol, den wir
                              									brauchen, geht nicht verloren. Derjenige Theil desselben, der am staͤrksten
                              									gefaͤrbt ist, wird alsogleich wieder destillirt, und laͤßt als
                              									Ruͤkstand einen Syrup, oder nicht krystallisirbaren Zuker, der, in jeder
                              									Hinsicht, vorzuͤglich aber in Bezug auf Geschmak, Reinheit und Klarheit, dem
                              									Syrupe der gewoͤhnlichen Raffinerien weit vorzuziehen ist. Der uͤbrige
                              									Alkohol dient uns zu den ersten Waschungen neuer Mengen von Roh-Zuker, bis er wieder
                              									hinlaͤnglich mit Syrup gesaͤttigt ist: wir arbeiten hier mit einem
                              									Worte so, wie bei der Reinigung einer Menge verschiedener, und namentlich
                              									salzartiger Koͤrper, wie des Salpeters etc. gearbeitet wird.
                           Wir dehnen sogar den Gebrauch des Alkoholes noch viel weiter aus; wir bedienen uns
                              									desselben zum Theile statt des Thones, um die Zukerhuͤte zu waschen, die wir
                              									aus unseren Cassonnaden verfertigen. Nachdem diese Huͤte ihren Syrup, oder
                              									ihre Mutterlauge haben abtroͤpfeln lassen, vollenden wir ihre Reinigung und
                              									Bleichung dadurch, daß wir Alkohol aus dieselben gießen, womit wir, indem wir das
                              									Loch unten an der Form schließen, den Zuker einige Zeit uͤber digeriren, um
                              									allen Syrup zu beseitigen, der die kleinen Zuker-Krystalle noch verunreinigt. Unser
                              									Verfahren kann daher auch zur Reinigung des sogenannten Bastard-Zukers (verjoises bàtardes) angewendet werden etc.
                           Bei unserem Verfahren erhaͤlt man in weniger als einem Monate die
                              									allerschoͤnsten Zukerhuͤte, und in weit kuͤrzerer Zeit
                              									Puder-Zuker in derselben Weiße und Guͤte. Wir verbrauchen kein
                              									Feuer-Material, wohl aber ein Product inlaͤndischer Industrie; den
                              									Alkohol.
                           Die Menge Alkohols, deren man bedarf, um den Zuker von seinem nicht krystallisirbaren
                              									Vestandtheile zu befreien, ist, nach der verschiedenen Art von Roh-Zuker,
                              									verschieden. Im Allgemeinen braucht man nicht gerade so viel, dem Gewichte nach, als
                              									die Schwere des Zukers betraͤgt. Er geht, wie gesagt, nicht verloren, denn
                              									man scheidet ihn wieder vom Syrupe.In wiefern dieses rein chemische Verfahren in der Anwendung im Großen eben so
                                    											brauchbar ist, als das bisherige, allerdings in gewisser Hinsicht sinnlose,
                                    											wird die Erfahrung lehren, die hier allein entscheiden kann. Es
                                    											draͤngt sich uns hier aber eine andere Frage auf. Warum haben
                                    											diejenigen Staaten, die kein consequentes Finanz-System besizen, keine
                                    											Zuker-Raffinerien? Offenbar darum, weil sie kein consequentes System
                                    											besizen. Die englischen, hollaͤndischen und franzoͤsischen
                                    											Colonien duͤrfen kein Loth Zuker raffiniren; sie muͤssen ihren
                                    											Roh-Zuker dem Mutter-Staate verkaufen, der keinen Gran fremden Roh-Zuker und
                                    											raffinirten Zuker einfuͤhren laͤßt. Wir Bayern fuͤhren
                                    											jaͤhrlich fuͤr nicht weniger als 3 Millionen Zuker ein. Nehmen
                                    											wir den Gewinn des Raffineurs nur zu 6 p. C. an, so zahlen wir dem Auslande
                                    											jaͤhrlich um 180000 fl. zuviel. Diese 180000 fl. koͤnnten dem
                                    											Lande erspart werden, wenn es ein Paar große Zuker-Raffinerien
                                    											haͤtte. Es wird aber Niemand ein solcher Thor seyn, und das zu einer
                                    											großen Zuker-Raffinerie noͤthige Capital in einem Lande auslegen, in
                                    											welches raffinirter Zuker eingefuͤhrt werden darf, wenn auch der
                                    											Transport des Rohr-Zukers auf dem Wasser den Rhein und Mayn herauf, und das
                                    											Brennmaterial noch wohlfeiler waͤre, als in Bayern. Bayern soll jezt
                                    											Runkelruͤben-Zuker-Raffinerien erhalten: jeder Bayer wird sein
                                    											Moͤgliches thun, daß dieß werde; bis aber dieses Wort Zuker werden
                                    											wird, werden Zentner von Rohr-Zuker auf Einen Gran von
                                    											Runkelruͤben-Zuker kommen, ehe man in Bayern die Bitterkeiten des
                                    											Lebens damit versuͤßen wird. Die Perspective der kuͤnftigen
                                    											Runkelruͤben-Zukerfabriken wuͤrde Niemanden abhalten, eine
                                    											Rohrzuker-Raffinerie in Bayern zu errichten, sobald die Einfuhr des
                                    											raffinirten Zukers verbothen ist, wie in England und Frankreich etc., so wie
                                    											in Frankreich, ungeachtet der weisen Foͤrderung der
                                    											Runkelruͤben-Zukerraffinerien in diesem Lande, keine der bisherigen
                                    											franzoͤsischen Rohrzuker-Raffinerien durch den
                                    											Runkelruͤben-Zuker ihre Arbeiten einzustellen genoͤthigt
                                    											wurde. Es laͤßt sich Ersparung des ungeheuren Capitales, das
                                    											fuͤr Zuker in das Ausland geht, eben so gut durch Foͤrderung
                                    											der Rohrzuker-Raffinerien, als der Runkelruͤben-Zuker-Raffinerien
                                    											erreichen. Obschon wohl manche Minister unserer Tage, auch Freunde halber
                                    											Maßregeln seyn moͤgen, so scheint ihnen doch jener Vers des uralten
                                    											Ex-Ministers Hesiod nicht verstaͤndlich:„Νηπιοι,
                                          													ουδ
                                          													ισασιν,
                                          													ὁσῳ πλεον
                                          													ἡμισυ
                                          													παντος.“