| Titel: | Chemische Untersuchungen über das Stärkmehl und verschiedene, im Handel vorkommende, mehlartige Substanzen. Von Hrn. J. B. Caventou. | 
| Fundstelle: | Band 21, Jahrgang 1826, Nr. CXIII., S. 450 | 
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                        CXIII.
                        Chemische Untersuchungen über das Stärkmehl und
                           								verschiedene, im Handel vorkommende, mehlartige Substanzen. Von Hrn. J. B. Caventou.
                        (Vorgelesen in der Académie royale
                              									de Médecine.)
                        Aus den Annales de Chimie et de Physique. April.
                              									1826.
                        Caventou's, chemische Untersuchungen über das Stärkmehl und
                           								verschiedene mehlartige Substanzen.
                        
                     
                        
                           Ich habe seit mehr als acht Jahren eine Arbeit uͤber
                              									die verschiedenen staͤrkmehlartigen Substanzen, die im Handel unter dem Namen
                              									Salep, Sago, Tapioka, und Arowroot vorkommen, unternommen. Zu derselben Zeit gab ich
                              									von meinen ersten Untersuchungen der Société de
                                 										Pharmacie Kunde, und glaubte nicht, dieselben oͤffentlich bekannt
                              									machen zu muͤssen, weil mehrere meiner Resultate mir nicht die allgemeinen
                              									Charaktere, auf die ich besonders abzielte, darzustellen schienen. Ich kannte
                              									damahls die Veraͤnderungen und Verfaͤlschungen nicht, denen diese
                              									Substanzen im Handel unterworfen sind. Ueberdieß hatte ich mir auch vorgenommen,
                              									neue Untersuchungen uͤber das Staͤrkmehl oder Sazmehl anzustellen,
                              									dessen chemische Charaktere unter gewissen Umstaͤnden mir nicht hinreichend
                              									genau bestimmt, ja sogar gaͤnzlich unbekannt zu seyn schienen.
                           Im Jahre 1822 stellte ich neue Versuche an, und fand einige sehr interessante
                              									Thatsachen, die ich in dem Hefte meiner Beobachtungen hinterlegte, ohne weiteren
                              									Gebrauch davon zu machen, weil ich immer hoffte, die Arbeit, die ich vorhatte,
                              									vollenden zu koͤnnen. Umstaͤnde machten mich diese meine
                              									fruͤheren Erfahrungen vergessen, als vor Kurzem Hr. Edwards mir von einem Aufsaze uͤber das Saz-Mehl Nachricht gab, der
                              									von H. Raspail bekannt gemacht, und in das December-Heft
                              									1825 der Annales des Sciences naturelles
                              									eingeruͤkt wurde. Ich muß gestehen, daß die Thatsachen, die dieser Aufsaz
                              									enthielt, mich lebhaft interessirten. Da ich aber daruͤber Beobachtungen
                              									gemacht habe, von welchen der Verfasser nichts erwaͤhnt hat, und wir
                              									uͤberdieß in der Erklaͤrungsweise der Erscheinungen nicht
                              									uͤbereinstimmen; so habe ich geglaubt, daß es vielleicht nicht unnuͤz
                              									seyn wird, meine Arbeit, wenn auch noch unvollstaͤndig, oͤffentlich
                              									bekannt zu machen.
                           
                        
                           Verhalten des Staͤrkmehles zum
                                 										Wasser.
                           Bei der Aufzaͤhlung meiner Erfahrungen muß ich vorher bemerken, daß ich die
                              									Erscheinungen immer in der Ueberzeugung bewirkt und angesehen habe, daß das Saz-Mehl
                              									ein unmittelbar reiner und gleichhaltiger Stoff ist. Diese Ansicht scheint mir
                              									wichtig und bemerkenswert!).
                           Es ist bekannt, daß das kalte Wasser keine merkliche Wirkung auf das
                              									Staͤrkmehl aͤußert; daß es aber, wenn es sich einer Temperatur von +
                              									60 bis + 70° C. naͤhert, dasselbe aufloͤst, und eine
                              									durchscheinende gallertartige Masse bildet, die allgemein unter dem Namen Kleister bekannt ist. Was ist nun dieser Kleister? Dieser
                              									Kleister ist, wie man seit langer Zeit sagt, die Aufloͤsung oder Verbindung
                              									des Staͤrkmehles mit einer bestimmten Menge Wassers; also ein
                              										Staͤrkmehl-Hydrat.
                           Dieß ist, wie ich glaube, die Meinung, die in allen Buͤchern uͤber die
                              									Natur des Kleisters aufgestellt ist. Wenn man jedoch die Eigenschaften desselben
                              									nach dieser Behandlung betrachtet, so ist es leicht sich zu uͤberzeugen, daß
                              									er von dem Staͤrk-Mehle auffallend verschieden ist, oder vielmehr, daß das
                              									Staͤrk-Mehl in dieser angefuͤhrten Verbindung seine kenntlichste
                              									Eigenschaft die
                              									Unaufloͤslichkeit in kaltem Wasser, verloren hat; denn, so wie Starkmehl in
                              									Kleister umgewandelt ist, ist es unmoͤglich, dasselbe daraus wieder so zu
                              									erhalten, wie es vor dem Versuche gewesen ist. Es loͤst sich mehr oder
                              									weniger in kaltem Wasser auf; eine Eigenschaft, die das reine Staͤrkmehl
                              									nicht hat. Dieses Resultat scheint also zu beweisen, daß dieser Stoff bei der
                              									Umwandlung in Kleister durch die Einwirkung des kochenden Wassers seine Natur
                              									veraͤndert, und daß der Kleister nicht schlechthin ein Hydrat ist.
                           
                        
                           Von dem
                                 									Staͤrkmehl-Kleister.
                           Ich unterscheide zwei Arten von Kleister:
                           1) Mit einem Minimum von Staͤrkmehl, der ganz durchsichtig oder nur leicht
                              									opalisirend ist: und
                           2) mit einem Maximum von Staͤrkmehl, der beinahe oder ganz undurchsichtig
                              									ist.
                           Der erstere, wenn er ganz erkaltet ist, zergeht in einer großen Menge Wassers, und
                              									loͤst sich darin auf; er hinterlaͤßt nur eine geringe Menge weißen
                              									Ruͤkstandes unaufgeloͤst, der Starkmehl ist. Die davon abfiltrirte
                              									Fluͤßigkeit ist hell und klar, und gibt nach dem Abdampfen durchscheinende
                              									gelbliche Plattchen, die in kaltem Wasser sich ohne Ruͤkstand wieder
                              									aufloͤsen; obschon die Aufloͤsung mit Jod schoͤn blau, und voll
                              									Bleiessig (basisch-essigsaurem Blei), und Gallaͤpfel-Aufguß gefaͤllt
                              									wird; lauter Eigenschaften, die bisher der Aufloͤsung des Staͤrkmehles
                              									in kochendem Wasser zugeschrieben wurden, so ist die vegetabilische Substanz, welche
                              									sie enthaͤlt, doch von diesem verschieden, weil sie sich in kaltem Wasser
                              									wieder aufloͤst. Nach dieser sehr klaren Thatsache laͤßt sich, wie mir
                              									scheint, wohl vernuͤnftiger Weist schließen, daß die Einwirkung des kochenden
                              									Wassers auf das Staͤrkmehl die Natur desselben veraͤndert, weit es
                              									dadurch in kaltem Wasser aufloͤslich gemacht wird. Aber wie wirkt hier das
                              									kochende Wasser? Geschieht die hervorgebrachte Veraͤnderung nur durch die
                              									Waͤrme, die es enthaͤlt? Ist seine Aufloͤsungskraft dabei
                              									nichts? Wenn die Temperatur des kochenden Wassers zur Hervorbringung eines solchen
                              									Resultates hinreichend waͤre, so wuͤrde man dasselbe auf gleiche Weise
                              									erhalten, wenn man das Starkmehl einige Zeit derselben Waͤrme aussezen
                              									wuͤrde: allein die Erfahrung beweist das Gegentheil.
                           Sobald man die Temperatur bis zu 100 und einige Grade erhoͤht, naͤmlich
                              									bis nahe an den Grad, wo sich des Staͤrke Mehl zersezt; so nimmt es bald
                              									eine schwach braͤunliche Farbe an, entwikelt einen Geruch wie neugebakenes
                              									Brod, und, wenn man es dann erkalten, und kaltes Wasser darauf einwirken
                              									laͤßt, so loͤst es sich darin auf, und die Fluͤßigkeit, die man
                              									dadurch erhaͤlt, besizt alle Eigenschaften derjenigen, von welcher weiter
                              									oben die Rede war.
                           So ist die Wirkung des Wassers erwiesen; es dient gewißer Massen statt eines
                              									Waͤrme-Ueberschußes im Verhaͤltnisse zu seiner
                              									Aufloͤsungskraft, die eine neue Anordnung der Bestandtheile des Mehles
                              									erleichtert und bestimmt. Wenn die Temperatur noch weiter, als vorhin,
                              									erhoͤht wird, bis naͤmlich das Staͤrkmehl stark gerostet ist,
                              									so wird dieser Stoff dann gaͤnzlich veraͤndert. Er loͤst sich
                              									sehr leicht in Wasser auf, und gibt mit Jod, statt einer blauen, eine purpurrothe
                              									Farbe, wie aus den Erfahrungen erhellt, die zu. verschiedenen Zeiten von den HHrn.
                              										Bouillon-Lagrange, Doebereiner und Lassaigne oͤffentlich bekannt gemacht worden
                              									sind.
                           Die zweite Art des Kleisters ist der Beschaffenheit und Zusammensezung nach der
                              									vorhergehenden aͤhnlich; sie unterscheidet sich davon nur durch eine
                              									groͤßere Menge reinen Staͤrkmehles, das sich darin schwebend oder
                              									verbunden findet, welches naͤmlich die Undurchsichtigkeit und die Consistenz
                              									dieses Kleisters hervorbringt; auch hinterlaͤßt diese Verbindung, mit kaltem
                              									Wasser behandelt, einen weit betraͤchtlicheren Ruͤkstand, als die
                              									vorhergehende.
                           Diesen Thatsachen gemaͤß ist der Kleister also eine dreifache Verbindung aus
                              									reinem Staͤrkmehle, veraͤndertem Staͤrkmehle und Wasser. Die
                              									Gegenwart dieser drei Bestandtheile ist zur Bildung eines guten Kleisters
                              									unerlaͤßlich. Das veraͤnderte Staͤrkmehl ist fuͤr sich
                              									nicht zureichend zur Erzeugung dieser Verbindung: denn wenn man Staͤrkmehl
                              									laͤngere Zeit mit Wasser, das man sorgfaͤltig in dem Maße wieder
                              									erneuet, als es verdampft, kochen laͤßt, wie Vogel
                              									es gethan hat; so erhaͤlt man am Ende statt des Kleisters eine harte,
                              									hornartige, durchsichtige Substanz, die im kaltem Wasser wieder aufloͤslich
                              									ist, und in welcher man keine merklichen Spuren von reinem Staͤrkmehle mehr
                              									findet. Es ist leicht nach dem Vorhergehenden zu schließen, daß bei diesem langen
                              									Kochen das Wasser Zeit gehabt hat, auf die ganze Masse von Staͤrkmehl
                              									einzuwirken, und es bis in den lezten Theilchen zu veraͤndern.
                           Dieses so veraͤnderte Staͤrkmehl haben zwar die Chemiker schon erkannt, aber nie zum
                              									Gegenstande eines besonderen Studiums gemacht; man hat sich immer begnuͤgt zu
                              									sagen, daß das Staͤrkmehl, nachdem es in kochendem Wasser aufgeloͤst
                              									worden ist, sich zum Theile wieder in kaltem Wasser aufloͤst.
                           Nur H. v. Saussure hat in der neueren Zeit es mit dem
                              									Namen Amidine bezeichnet, aber als ein Product der
                              									freiwilligen Zersezung des Kleisters angesehen.
                           Ich glaube indessen nicht, daß das Entstehen der Amidine im Wesentlichen der Erfolg
                              									einer freiwilligen Zersezung sey; ich bin im Gegentheile uͤberzeugt, daß
                              									diese Art der Faͤulniß des Kleisters bei der Erzeugung dieser Substanz ganz
                              									ungewoͤhnlich ist, und daß es hinreicht, um sich hiervon zu
                              									uͤberzeugen, wenn man einen Blik auf das Verfahren wirft, wodurch Herr von
                              										Saussure die Amidine erhielt, naͤmlich
                              									dadurch, daß er den in kaltem Wasser unaufloͤslichen Ruͤkstand des
                              									selbst zersezten Kleisters kochen ließ, die Fluͤßigkeit nach dem Erkalten
                              									filtrirte, und wieder bis zur Trokenheit brachte, wobei er eine zerbrechliche,
                              									Substanz erhielt, welche die Amidine darstellt.
                           Ist es nun nach der so eben in Betrachtung gezogenen Beschaffenheit des Kleisters
                              									nicht klar, daß der unaufloͤsliche Bestandtheil des dem Sauerwerden
                              									uͤberlassenen Kleisters groͤßten Theils aus reinem Starkmehle bestehen
                              									muß, das vermoͤge seines Aggregat-Zustandes am meisten der Faͤulniß
                              									widersteht? Ist es nicht klar, daß bei der Behandlung dieses
                              									staͤrkmehlartigen Ruͤkstandes mit kochendem Wasser H. v. Saussure durch diesen Act selbst die Natur des
                              									Staͤrkmehles veraͤndert, und in Amidine umgewandelt hat? Ich bin um so
                              									mehr berechtigt, dieß zu glauben, als diese Amidine alle Eigenschaften unseres
                              									veraͤnderten Staͤrkmehles hat; es wird durch Jod geblaͤuet,
                              									durch Gallaͤpfel-Aufguß gefaͤllt etc. Also hat, nach meiner Meinung,
                              									H. v. Saussure, statt die Amidine ausgezogen zu haben,
                              									dieselbe selbst gebildet, und die Wahrheit, auf die er sich in seinem Aufsaze
                              									stuͤzte, verkannt, „daß man bei dem gewoͤhnlichen Verfahret
                                 										in unseren Laboratorien die Beschaffenheit der Koͤrper, die man
                                 										naͤher kennen will, erst bildet, und oft noch
                                 										veraͤndert.“
                              								
                           Die wesentlichen Eigenschaften der Amidine sind nun die Aufloͤslichkeit in
                              									kaltem Wasser, und die Eigenschaft vom Jod eine blaue Farbe zu erhalten. Wir haben
                              									auch bewiesen, daß man
                              									sie auf zweierlei Weise erhalten kann, entweder durch die Einwirkung des lochenden
                              									Wassers auf Starkmehl, oder durch Einwirkung einer hoͤheren Temperatur, der
                              									man dasselbe unmittelbar aussezt. Man hat bei beiden Methoden, die zu demselben
                              									Erfolge fuͤhren, gesehen, wie sehr ein sehr schwaches chemisches Agens statt
                              									des Ueberschusses eines anderen weit staͤrker wirkenden zu dienen vermag,
                              									hauptsaͤchlich im Verhaͤltnisse zu einem organischen Koͤrper,
                              									dessen Elemente sehr lose sind. Wir wollen nun diese Erscheinungen weiter verfolgen.
                              									–
                           Wenn man eine waͤsserige Aufloͤsung der Amidine laͤngere Zeit
                              									kochen laͤßt, so verliert sie die Blaͤungs-Faͤhigkeit
                              									fuͤr Jod, und nimmt damit eine purpurrothe Farbe an, obwohl sie noch immer
                              									durch Gallapfel und Bleizuker faͤllbar ist; dann hat die Amidine ihre Natur
                              									veraͤndert, und ist in Wasser viel aufloͤslicher geworden. In diesen
                              									Zustand kann man das Staͤrkmehl oder Sazmehl versezen entweder durch ein sehr
                              									starkes Roͤsten, oder dadurch, daß man, wie ich gethan habe, es mit
                              									Schwefelsaͤure, die mit ihrem zwoͤlffachen Gewichte Wassers
                              									verduͤnnt worden ist, in der Waͤrme in Beruͤhrung bringt. Es
                              									loͤst sich darin auf der Stelle auf, und die Fluͤßigkeit, zum Kochen
                              									gebracht und wieder erkaltet, gibt mit Jod eine purpurrothe Farbe, und ist durch
                              									Wasser nicht mehr faͤllbar. Wenn das Kochen dann laͤngere Zeit
                              									fortgesezt wird, bringt das Jod keine merkliche Faͤrbung mehr zum Vorscheine.
                              									Ich weiß nicht, ob man durch eine unmittelbare behutsame Roͤstung des
                              									Staͤrkmehles eine gummiartige Materie erhaͤlt, die mit Jod nicht
                              									purpurroth wird, wie in den vorhergehenden Faͤllen. Ich halte es aber
                              									fuͤr wahrscheinlich.
                           Mit dem mit der Zeit zersezten Kleister erhaͤlt man
                              									zum Theile dieselben Erscheinungen. Man nimmt vielleicht zu wenig auf die Zeit
                              									Ruͤksicht, die jedoch in vielen Faͤllen ein kostbares chemisches
                              									Mittel ist. Ich habe Kleister nicht aus Erdaͤpfel-, sondern aus
                              									Weizen-Staͤrkmehl genommen, und waͤhrend mehr als sechs Wochen in der
                              									Sommerhize sich selbst uͤberlassen. Er wurde sauer. Wenn man ihn in diesem
                              									Zustande in Wasser ruͤhrte, und auf ein Filter brachte, so wurde die
                              									ungefaͤrbte Fluͤßigkeit auf Zugießen von Jod schoͤn purpurroth;
                              									waͤhrend die auf dem Filter gebliebene unaufloͤsliche Substanz mit dem
                              									naͤmlichen Reagens augenbliklich eine schoͤne blaue Farbe annahm.
                              									Dieses Resultat kann nur in so ferne Statt haben, als alle Amidine in dem Kleister
                              									zersezt, und entweder in Gummi oder in Zuker umgewandelt worden ist. Obwohl ich dieß
                              									nicht dargethan habe, so veranlaßt mich doch die Analogie, zu glauben, daß das
                              									Hervortreten der purpurrothen Farbe nur von der Art Gummi, die, in diesem Falle,
                              									durch das Sauerwerden erzeugt wurde, herruͤhrt, und daß der Zuker dabei ohne
                              									Wirkung ist.
                           Diese Resultate lassen mich schließen, daß das Jod wirklich faͤhig ist, mit
                              									dem Starkmehle eine Verbindung einzugehen, und zwar nach folgender Thatsache: Wenn
                              									man der obigen filtrirten und mit Jod purpurrot!) gefaͤrbten
                              									Fluͤßigkeit ein wenig Amidine, oder Starkmehl zusezt; so machen diese beiden
                              									Koͤrper die purpurrothe Farbe verschwinden, und erzeugen eine blaue Verbindung, die aufgeloͤst bleibt, wenn sie
                              									durch Amidine gebildet wurde, und sich praͤcipitirt, wenn sie durch Starkmehl
                              									erzeugt worden ist. Wenn man diese leztere Verbindung durch ein Filter scheidet, so
                              									kann man noch nach und nach die purpurrothe und blaue Faͤrbung hervorbringen,
                              									wie oben. Beweist diese Thatsache nicht, daß zwischen dem Jod und dem
                              									Staͤrkmehle wirklich eine chemische Thaͤtigkeit Statt findet, und daß
                              									die Faͤrbung nicht geradezu durch eine physische Wirkung bestimmt ist, wie so
                              									eben H. Raspail vorgibt? Wenn eine so auffallende
                              									Verwandtschaft Statt hat, kann man da noch die chemische Wirksamkeit in Zweifel
                              									ziehen?
                           
                        
                           Anwendung der vorhergehenden
                                 										Beobachtungen auf die naͤhere Kenntniß der im Handel vorkommenden
                                 										mehlartigen Substanzen.
                           So wie ich schon am Anfange meines Aufsazes sagte, habe ich anfaͤnglich
                              									unmittelbar mit dem Studium des Salep, des Sago, der Tapioka und Arowroot begonnen,
                              									und die chemischen Erscheinungen, die ich an diesen Substanzen beobachtet hatte,
                              									haben mich veranlaßt, den Sago und die Tapioka vorzuͤglich als neue Arten des
                              									Staͤrkmehles anzunehmen; allein, ich hatte meine Versuche in der Meinung
                              									angestellt, daß das Mehl uns schon in allen seinen chemischen Eigenschaften vollends
                              									bekannt ist, und gerade dieses hatte mich bewogen, aus meinen Resultaten eine in
                              									einem gewissen Sinne allzu fruͤhe Folgerung zu ziehen: deßwegen werden aber
                              									die Thatsachen, die ich zu jener Zeit bekannt gemacht habe, immer dieselben seyn.
                              										Ich werde nur in der
                              									Art und Weise, sie zu betrachten und zu erklaͤren abweichen.
                           
                        
                           Von dem Salep. (Dieser Artikel
                              									ist ein buchstaͤblicher Auszug aus meinen Notizen; ich habe nichts daran
                              									veraͤndert.)
                           Gepulverter Salep, in kaltes Wasser geruͤhrt, zertheilt sich darin leicht, und
                              									bildet eine Art eines halbfluͤßigen und durchsichtigen Kleisters. Dieser
                              									Kleister, in einer hinreichenden Menge kalten Wassers vertheilt, und auf ein Filter
                              									gebracht, gibt eine durchsichtige, gummiartige Fluͤßigkeit von schwach
                              									salzigem Geschmake. Auf dem Filter bleibt eine gallertartige, zitternde, sowohl in
                              									kaltem, als auch in warmem Wasser unaufloͤsliche Masse zuruͤk, die in
                              									demselben aber an Volumen bedeutend zunimmt. Diese, des aufloͤslichen Stoffes
                              									beraubte, gallertartige Substanz wurde anfaͤnglich mit kaltem, und dann mit
                              									kochendem Wasser zur weiteren Pruͤfung zur Seite gestellt. Es wird davon
                              									sogleich die Rede seyn.
                           
                        
                           Waͤsseriges Macerat des
                                 										Salep.
                           Dieses Macerat, mit einigen Reagentien gepruͤft, verhaͤlt sich auf
                              									folgende Weise: es ist faͤllbar durch salpetersaures Silber und kleesaures
                              									Ammonium; der aͤzende Queksilber-Sublimat bringt darin nur eine schwache
                              									Truͤbung hervor; Bleizuker erzeugt nur dann, wann die Fluͤßigkeit sehr
                              									concentrirt ist, einen Niederschlag; der Bleiessig aber einen sehr
                              									haͤufigen.
                           Diese Fluͤßigkeit sezte nach dem Abdampfen eine schleimige Materie ab, die dem
                              									Gummi sehr aͤhnlich ist. Sie wird vom Jod nicht veraͤndert, vom
                              									Alkohol in Gestalt weißer Floken gefaͤllt; ist aber darin verschieden, daß
                              									sie sich in einer hinreichend großen Menge verduͤnnter Salpetersaͤure
                              									nicht leicht wieder aufloͤst.
                           Ein Theil dieser Materie, in einem Platin-Tiegel gegluͤht, hinterließ einen
                              									Ruͤkstand, aus welchem kaltes Wasser Kochsalz auszieht, waͤhrend
                              									gesaͤuertes Wasser den ruͤkstaͤndigen phosphorsauren Kalk ganz
                              									aufloͤst. Die Gegenwart des Meersalzes im Salep, wenn sie nicht
                              									zufaͤllig ist, ist sehr merkwuͤrdig; denn man hat dieses Salz
                              									uͤberhaupt nur in Meeres-Pflanzen gefunden, und ich glaube nicht, daß der
                              									Salep dahin gehoͤre. In Betreff des phosphorsauren Kalkes aber, der sich hier
                              									in einer nicht sauren Fluͤßigkeit aufgeloͤst findet, koͤnnte
                              									man sich wundern, wenn nicht in dieser Fluͤßigkeit eine bestimmte Menge schleimiger Materie
                              									vorhanden waͤre; die sich mit dem Kalksalze verbindet, und dasselbe
                              									aufgeloͤst erhaͤlt. Man weiß uͤberdieß, daß Hr. Vauquelin bei seiner Analyse des Reises eine
                              									aͤhnliche Thatsache bekannt gemacht hat, nur mit dem Unterschiede, daß Hr.
                              										Vauquelin statt mit Gummi, mit Staͤrkmehl zu
                              									thun hatte: und er mußte, um eine betraͤchtliche Menge phosphorsauren Kalkes
                              									aufzuloͤsen, die Mischung selbst der Waͤrme aussezen; denn das kalte
                              									Wasser hatte darauf keine Einwirkung. Somit ist es also ziemlich gewiß, daß der
                              									phosphorsaure Kalk sich nicht bloß mit Huͤlfe der Sauren in Wasser
                              									aufloͤst, sondern auch mit Huͤlfe des Staͤrkmehles, das diese
                              									Wirksamkeit von dem kochenden Wasser und einem Gummi, das dem im Salep enthaltenen
                              									aͤhnlich ist, erhaͤlt. Es ist sehr wahrscheinlich, daß man in der
                              									Folge andere vegetabilische Stoffe, die dieselbe Eigenschaft besizen, finden wird,
                              									die uͤbrigens auch mehreren thierischen Stoffen zukommt.
                           
                        
                           Waͤsserige Abkochung des mit
                                 										kaltem Wasser ausgezogenen Salep.
                           Der Salep wurde, nachdem er so viel moͤglich mit kaltem Wasser ausgezogen war,
                              									mit kochendem Wasser behandelt, welchem er eine geringe Menge einer Substanz
                              									uͤberließ, die dem Wasser ein opalisirendes Ansehen gab. Diese
                              									Fluͤßigkeit, filtrirt und mit Jod gepruͤft, wurde schon blau, und ließ
                              									in Zeit von einigen Stunden Jod-Staͤrkmehl faͤllen.
                           In diesem Absude habe ich weiter nichts gefunden; nur hatte ich Ursache mich
                              									uͤber die geringe Menge Starkmehl, die sich darin befand, zu wundern, weil
                              									der Salep allgemein als ein beinahe reines staͤrkmehlhaltiges Sazmehl
                              									angesehen wird. Außerdem blieb eine große Menge einer durchsichtigen, gallertartigen
                              									und sehr aufgequollenen Substanz zuruͤk, die sich in Wasser nicht mehr
                              									aufloͤste, wohl aber sehr leicht in Salzsaͤure, mit
                              									Salpetersaͤure Kleesaͤure bildete, und sich ganz wie Bassorin
                              									verhielt.
                           100 Theile Salep verlieren beim Gluͤhen 96 Theile: also enthaͤlt er 4
                              									p. C. fixe Bestandtheile, die aus Kochsalz, phosphorsauren Kalk, und einer Spur
                              									schwefelsauren Kalk bestehen. Somit ist der Salep aus drei schon bekannten
                              									Koͤrpern zusammengesezt, deren respective Mengen auf folgende Weise
                              									ausgedruͤkt werden koͤnnen: Wenig Gummi,
                              										sehr wenig Staͤrkmehl, und viel Bassorine.
                           
                           Dem zu Folge kann man dem Salep den Rang streitig machen, den man ihm allgemein unter
                              									den starkmehlhaltigen Substanzen angewiesen hat. Er wird im Gegentheile viel besser
                              									an die Seite des Traganth-Gummi gestellt seyn; denn, nach Bucholz, ist dieses Gummi
                              									von aͤhnlicher Zusammensezung. Es enthaͤlt ebenfalls einen in kaltem
                              									Wasser aufloͤslichen gummoͤsen Antheil, und einen Stoff, der darin
                              									bedeutend aufquillt, sich aber nicht darin aufloͤst. Dieser ist zwar von der
                              									Bassorine des Salep verschieden, indem er sich im warmen Wasser aufloͤst, und
                              									so seine merkwuͤrdigste Eigenschaft, naͤmlich seine
                              									Unaufloͤslichkeit und schwammige Beschaffenheit im kalten Wasser, verliert.
                              									Das Staͤrkmehl, das man in dem Salep und nicht in dem Traganth-Gummi findet,
                              									will ich nicht in Betrachtung ziehen, weil es in so geringer Menge darin vorhanden
                              									ist, daß man es, strenge genommen, nur als zufaͤllig betrachten kann.
                              									Ueberdieß hat man guck) in den lezteren Zeiten die Gegenwart des Staͤrkmehles
                              									in einigen Traganth-Gummi-Sorten bestaͤtiget.
                           Diese Analyse des Salep beweist also, daß seine naͤhrende Kraft nicht vom
                              									Amylon herruͤhre. Dennoch muß ich aber gestehen, daß nicht alle Wurzeln von
                              									Orchis von derselben Beschaffenheit, wie der Salep, sind. Hr. Vauquelin hat mir gesagt, daß er aus inlaͤndischen Orchiswurzeln
                              									eine sehr große Menge schoͤnen Staͤrkmehles ausgezogen habe,
                              									waͤhrend mir Hr. Robiquet versicherte, daß er
                              									keine Spur davon aus denselben darstellen konnte. Diese widersprechenden Resultate
                              									beweisen, wie unbestaͤndig die Gegenwart dieses mehligen Stoffes in diesen
                              									Wurzeln ist, und wie wenig Einfluß er auf ihre Heilkraͤfte haben muß.
                           In der Absicht spaͤter daruͤber handeln zu koͤnnen, will ich
                              									hier kurz ein Verfahren von Hrn. Mathieu de Dombasle (Ann. de Chim. t. 77.) anfuͤhren, den Salep aus
                              									inlaͤndischen Orchis-Arten zu bereiten. Der Verfasser hat seine Versuche mit
                              										Orchis mascula, O. pyramidalis, latifolia und maculata angestellt. Er reinigt die Knollen von den
                              									kleinen Wurzeln und Sproͤßlingen sorgfaͤltig, und waͤscht sie
                              									in frischem Wasser ab. Nachdem sie so gereinigt sind, faßt er sie an Faden in Form
                              									von Rosenkraͤnzen an, und laͤßt sie in vielem Wasser kochen, bis
                              									einige Knollen aufquellen, was gewoͤhnlich 20 bis 30 Minuten erfordert.
                              									Geschieht das Kochen nicht lange genug, so behaͤlt der Salep einen
                              									unangenehmen viroͤsen sehr starken Geschmak. Wenn die Knollen hinreichend
                              									gekocht sind, so laͤßt man sie an der Sonne oder in einer Kammer troknen.
                              										(pag. 109.)
                           Da ich nicht Gelegenheit hatte, inlaͤndische Orchis-Wurzeln zu pruͤfen,
                              									so konnte ich zwischen diesen und dem orientalischen Salep keine Vergleichung
                              									anstellen; indessen will ich nur bemerken, daß die Abhandlung des Hrn. Mathieu de Dombasle hinreichend die große Aehnlichkeit in
                              									der Zusammensezung zwischen diesen zwei Koͤrpern zeigt. Sie beweist deutlich,
                              									daß der inlaͤndische Salep an Staͤrkmehl nicht reicher ist, als der
                              									auslaͤndische, und daß dasselbe nicht der Grund der naͤhrenden
                              									Eigenschaften des Salep ist. Ueberdieß sagt Hr. Mathieu
                              									de Dombasle selbst, daß die Orchis-Wurzeln, die er zu seinen Versuchen anwendete,
                              									groͤßten Theils aus einem schleimigen, dem Traganth-Gummi aͤhnlichen
                              									Stoffe, bestehen.
                           
                        
                           Von dem Sago.
                           Eine bestimmte Menge ausgesuchter und gepulverter Sago-Koͤrner wurde mit
                              									kaltem Wasser macerirt. In der Zeit von 24 Stunden war die Fluͤßigkeit
                              									opalisirend, ein wenig schleimig, und nach dem Filtriren vollkommen klar. Sie
                              									verhielt sich zum Alkohol und zur Salpetersaͤure, wie das mit Salep erhaltene
                              									Macerat; wurde vom Bleiessige gefaͤllt, und hinterließ nach dem Abdampfen
                              									durchsichtige Planchen, die, mit Salpetersaͤure behandelt, keine Spur von
                              									Milch-Zuker oder Schleimsaure gaben.
                           Diese bisherigen Eigenschaften des Sago haben nichts Auszeichnendes, und
                              									wuͤrden erlauben, die durch kaltes Wasser aufgeloͤste Materie
                              									fuͤr ein Gummi zu halten; denn viele Gummi geben mit Salpetersaͤure
                              									auch keine Schleimsaͤure; aber sie unterscheidet sich sehr auffallend
                              									dadurch, daß sie mit Jod eine herrliche blaue Farbe annimmt, und ein in kaltem
                              									Wasser aufloͤsbares Joduͤr bildet, das sich aber beim Erwaͤrmen
                              									wie Jod-Staͤrkmehl verhalt. Kann man in der Fluͤßigkeit, in welcher
                              									diese Substanz sich aufloͤste, die Gegenwart von Staͤrkmehl annehmen,
                              									das doch bis jezt die einzige bekannte vom Jod blau werdende Substanz ist? Das ist
                              									nicht moͤglich; denn das Starkmehl ist in kaltem Wasser gaͤnzlich
                              									unaufloͤslich, wenn es nicht mit Huͤlfe einer Saͤure darin
                              									aufgeloͤst wird; unsere Fluͤßigkeit war aber neutral! Man kann nicht
                              									vermuthen, daß das Starkmehl sehr vertheilt durch die Poren des Filters ging; denn
                              									ich habe die Vorsicht gebraucht, die Fluͤßigkeit durch drei Filtern zu
                              									filtriren, von denen das eine aus doppelt uͤbereinander gelegten: Papiere gemacht war. Will man
                              									auch annehmen, daß eine gummoͤse Materie die Aufloͤsung von ein wenig
                              									Staͤrkmehl erleichtert hat, wie es beim phosphorsauren Kalke in dem Salep
                              									geschah? Dann frage ich, warum diese Erscheinung nicht auch bei dem Salep Statt
                              									gefunden hat. Ueberdieß gaben kuͤnstliche Mischungen aus großen
                              									Quantitaͤten Gummi, sowohl Traganth als auch arabisches Gummi, mit wenig
                              									Staͤrkmehl, nachdem sie in Wasser macerirt und nach 24 Stunden filtrirt
                              									worden waren, eine rein gummoͤse Aufloͤsung, in welcher das Jod nicht
                              									die mindeste Spur von Staͤrkmehl anzeigte. Man muß also nothwendig schließen,
                              									daß der Sago eine ganz besondere Varietaͤt von Staͤrkmehl
                              									enthaͤlt, das sich durch seine Aufloͤslichkeit im kalten Wasser
                              									auszeichnete, und vom Gummi durch die Wirkung des Jod unterscheidet.
                           Der Sago, der zum ersten Mahle in kaltem Wasser 24 Stunden macerirt wurde, ist
                              									betraͤchtlich aufgequollen, und blieb in der Fluͤßigkeit auf dem Boden
                              									zuruͤk; ein zweites Mahl, ein drittes Mahl und noch viel oͤfter mit
                              									Wasser von gleicher Temperatur behandelt, wurden immer merkliche Mengen
                              									aufgeloͤst, die dieselben Erscheinungen, wie das erste Mahl, darbothen.
                              									Endlich mit kochendem Wasser behandelt, loͤste er sich bis auf einige Faden
                              									vollkommen auf, und die Aufloͤsung besaß dieselben Eigenschaften, wie die mit
                              									kaltem Wasser bereitete, nur noch bezeichnender. Diese Resultate zeigen also, daß
                              									der Sago in seiner Zusammensezung gleichartig ist, und daß er nur in einer
                              									Varietaͤt von Staͤrkmehl besteht, das in kaltem Wasser
                              									aufloͤslich, und noch aufloͤslicher in heißem ist.
                           
                        
                           Von der Tapioka.
                           Nach dem Sago folgt die Tapioka, eine sehr weiße Mehlsorte in unregelmaͤßigen
                              									Koͤrnern, die man als Maniok-Sazmehl betrachtet, das von der scharfen
                              									Substanz, von der sie begleitet wird, durch mehrmahliges Abwaschen mit kaltem
                              									Wasser, und durch eine leichte Roͤstung auf eisernen Platten befreit
                              									wurde.
                           Diese Substanz quillt, mit kaltem Wasser behandelt, in demselben auf, und
                              									loͤst sich zum Theile auf; und die abfiltrirte Fluͤßigkeit
                              									verhaͤlt sich wie die vom Sago erhaltene. Die sehr oft wiederholten
                              									Abwaschungen gaben immer mit Jod blau werdende Fluͤßigkeiten; was bis zur
                              									voͤlligen Aufloͤsung der Substanz fortgesezt werden konnte. Um eine
                              									solche Aufloͤsung zu erhalten, darf man das Wasser nur einige Secunden damit in
                              									Beruͤhrung lassen. Diese Erscheinungen zeigen also eine sehr große chemische
                              									Aehnlichkeit, ja ich moͤchte sagen Identitaͤt, zwischen Sago und
                              									Tapioka, und die Aerzte werden, nach meiner Meinung, sie ohne Schwierigkeit
                              									fuͤr einander gebrauchen koͤnnen.
                           Wenn man mich nun fragt: Ist in dem Sago und in der Tapioka sogenanntes Starkmehl
                              									enthalten? so werde ich antworten, nein:
                           1) weil man diese beiden Substanzen in kaltem Wasser gaͤnzlich
                              									aufloͤsen kann;
                           2) weil sie mit Jod blaue in Wasser aufloͤsliche Verbindungen darstellen;
                              									und
                           3) weil sie mit kochendem Wasser keinen Kleister bilden.
                           
                        
                           Von der Arowroot.
                           Diese Substanz wird sehr wahrscheinlich nach dem Ausziehen und Troknen (wie wir es
                              									mit dem Kartoffelmehle machen) zu uns gebracht. Ich will davon nur sehr wenig sagen,
                              									weil sie sich in chemischer Hinsicht wie die vorhergehende verhalt. Sie gibt an das
                              									kalte Wasser nur eine unbedeutende Spur eines gummigen Stoffes ab, und bleibt ganz
                              									unaufgeloͤst zuruͤk, waͤhrend das kochende Wasser sie wie
                              									gewoͤhnliches Staͤrkmehl aufloͤst, und in Amidine
                              									umwandelt.
                           
                        
                           Betrachtungen uͤber die wahre und
                                 										urspruͤngliche Beschaffenheit des Sago und der Tapioka.
                           Sind der Sago und die Tapioka so, wie wir sie unserer Pruͤfung unterworfen
                              									haben, in den Pflanzen, die sie erzeugen, enthalten, oder befinden sie sich daselbst
                              									in anderen Zustanden? Erleiden diese vegetabilischen Producte bei dem Ausziehen aus
                              									ihren entsprechenden Pflanzen keine, in ihrem Aeußeren unerkennbare,
                              									Veraͤnderung, und sind sie nicht faͤhig, ihre chemische Beschaffenheit
                              									zu veraͤndern? Wenn wir uns auf die Nachrichten der Naturforscher
                              									uͤber die Gewinnung dieser beiden mehlartigen Stoffe stuͤzen, und noch
                              									das Vorhergehende hinzunehmen, so wird die Losung dieser Frage uns nicht schwer
                              									werden. Der Sago ist, wenn man ihn aus dem markigen Theile der Sagopalme auszieht,
                              									weiß. Man zerdruͤkt naͤmlich denselben, ruͤhrt ihn in Wasser,
                              									laͤßt die staͤrkmehlhaltige Milch, die man dadurch erhaͤlt,
                              									durch ein Sieb laufen, und absezen. Der Sago faͤllt als sehr feines weißes
                              									Pulver nieder, das man gelinde troknet. Es ist fast dasselbe, wie bei der Tapioka. Ist es
                              									aber, nach dieser einfachen Darstellung der Gewinnungsweise, nicht klar, daß diese
                              									zwei mehlartigen Koͤrper in kaltem Wasser unaufloͤslich sind, und daß
                              									sie sich in demselben nicht so verhalten, wie wir von den naͤmlichen, im
                              									Handel vorkommenden Stoffen bemerkt haben?
                           Wenn wir aber die Darstellungs-Weisen dieser Substanzen bis zu ihrer Vollendung
                              									verfolgen, so nehmen wir wahr, daß man die noch feuchte Tapioka in flachen Beten
                              									gelinde erwaͤrmen muß, um sie troknen und koͤrnen zu koͤnnen; daß der Sago einer
                              									aͤhnlichen Operation unterworfen, und daß das Troknen des lezteren oft bis zu
                              									dem ersten Grade der Roͤstung fortgesezt wird, um demselben die
                              									eigenthuͤmliche braͤunliche Farbe zu geben. Ist noch mehr
                              									noͤthig, um die chemische Beschaffenheit dieser staͤrkmehlhaltigen
                              									Mehlarten zu veraͤndern?
                           Ueberdieß scheint es, daß der Zustand dieser Substanzen im Handel nicht immer gleich
                              									ist, was uͤbrigens bei der Unregelmaͤßigkeit der Austroknung, der man
                              									sie unterwirft, nicht zu wundern ist. Man wird leicht begreifen, daß die
                              									Aufloͤslichkeit vollkommen oder zum Theile Statt haben kann, je nachdem die
                              									zur Austroknung angewandte Temperatur mehr oder weniger erhoͤht, fortgesezt,
                              									und mit mehr oder weniger Gleichfoͤrmigkeit auf die ganze Masse dieser
                              									Substanzen angewendet wurde.
                           So hat man mir Sago geliefert, der nur einen aͤußerst schwachen Grad von
                              									Aufloͤslichkeit in kaltem Wasser besaß, und wieder anderen, der sich gar
                              									nicht aufloͤste. Hr. Boutron hat mir auch drei
                              									Proben von Tapioka gegeben; die eine war von den Inseln, und die anderen zwei hielt
                              									er fuͤr in Frankreich nachgemachte. Die erstere verhielt sich zum kalten
                              									Wasser wie die, die ich zur Untersuchung anwandte; die Kuͤnstlichen schienen
                              									aus zwei verschiedenen Substanzen zusammengesezt zu seyn; die eine davon bestand aus
                              									runden, durchsichtigen und sehr regelmaͤßigen Koͤrnern; die andere aus
                              									sehr unregelmaͤßigen, großen, undurchsichtigen Koͤrnern.
                           Diese beiden Substanzen wurden von einander getrennt, und mit kaltem Wasser in
                              									Beruͤhrung gebracht, um sie mit der echten Tapioka zu vergleichen. Die drei
                              									Fluͤßigkeiten verhielten sich auf folgende Weise: Mit Jod nahm das Macerat
                              									der durchsichtigen Koͤrner eine schwache blaͤulichgruͤne Farbe
                              									an; das der
                              									undurchsichtigen Koͤrner blieb unveraͤndert, waͤhrend das
                              									Macerat der echten Tapioka eine schoͤne blaue Farbe annahm. Man muß
                              									uͤbrigens in diese Resultate nicht mehr Werth legen, als sie verdienen; denn
                              									nichts beweist, daß ich wirklich mit kuͤnstlicher Tapioka zu thun hatte. Es
                              									wird auch nicht zu wundern seyn, wenn man sehr reine, amerikanische Tapioka findet,
                              									die in kaltem Wasser vollkommen unaufloͤslich ist.
                           Wenn man, wie es zu vermuthen ist, in Frankreich kuͤnstliche Tapioka aus
                              									Kartoffelmehl bereitet, so scheint mir nichts schwerer, als dieselbe auf chemische
                              									Weise von der wahren, westindischen zu unterscheiden, besonders wenn man das Baken
                              									des feuchten Saz-Mehles, um es zu koͤrnen, geschikt anstellt.
                           Ueberdieß koͤnnte das sehr bezeichnende Aufschwellen in kaltem Wasser, was die
                              									wahre Tapioka zu erkennen gibt, und nach meiner Meinung der Tapioka von unserem
                              									Mehle nicht zukommt, irgend ein Kennzeichen gegen den Unterschleif darbieten. Ich
                              									sehe indessen keine boͤse Folge bei einer solchen Substitution, wenn sie
                              									oͤffentlich, aus Vaterlandsliebe, und nicht aus schaͤndlichem und
                              									gierigem Interesse geschieht.
                           Ich habe frischen Staͤrkmehl-Kleister in kaltes Wasser geruͤhrt;
                              									nachdem das Starkmehl, welches weder zersezt noch modificirt war, in der Ruhe sich
                              									praͤcipitirte, wurde die Fluͤssigkeit abgegossen und filtrirt. Sie war
                              									vollkommen durchsichtig, und wurde mit folgenden Reagentien gepruͤft; sie
                              									wurde schwach getruͤbt vom Bleiessige, gab mit Gallapfelaufguß einen
                              									haͤufigen Niederschlag, und nahm mit Jod eine blaue Farbe an. Das
                              									waͤsserige Macerat der echten Tapioka, und der erkaltete und filtrirte Absud
                              									derselben verhielten sich zu denselben Reagentien auf gleiche Weise; nur war die
                              									durch Bleiessig erzeugte Truͤbung weniger merklich in dem Macerate, als in
                              									dem Absude; allein, nach dem, was wir vorhin angefuͤhrt haben, koͤnnen
                              									diese Resultate nach den Umstaͤnden verschieden seyn, unter welchen die
                              									Probe-Fluͤßigkeit bereitet worden war, und es scheint uns die Ursache auch
                              									leicht erklaͤrlich.
                           Somit kann man nach allen diesen Annaͤherungen zwischen dem Kartoffelmehle,
                              									dem Sago, und der Tapioka schließen:
                           1) daß, wenn diese beiden lezteren Substanzen sich von der ersteren durch ihre
                              									Aufloͤslichkeit in kaltem Wasser unterscheiden, sie nichts desto weniger von
                              									aͤhnlicher urspruͤnglicher Beschaffenheit sind, und daß die Verschiedenheit ihres
                              									Zustandes im Handel von der Art der Gewinnung, die in dem Lande, wo sie erzeugt
                              									werden, angewendet wird, herruͤhrt.
                           2) Daß es sehr leicht ist, dem Kartoffelmehle eine aͤhnliche Eigenschaft zu
                              									geben, wie dieß bei Zubereitung der Poulinta des Hrn. Cadet de
                                 										Vaux, und sehr wahrscheinlich auch bei der franzoͤsischen Tapioka
                              									der Fall ist.
                           3) Endlich, daß man bei diesen Operationen eine der ausgezeichnetsten Eigenschaften
                              									des staͤrkmehlhaltigen Mehles zerstoͤrt, dasselbe mag aus was immer
                              									fuͤr einer Pflanze hergenommen seyn, indem es, nach meiner Meinung, dann mit
                              									der von Hrn. v. Laussure sogenannten Amidine
                              									uͤbereinkommen muß.
                           Vor dem Schlusse erklaͤre ich noch, daß ich alle diese mehlartigen Stoffe, die
                              									aus verschiedenen Vegetabilien gezogen werden, nicht fuͤr vollkommen identisch halte. Die neueren Beobachtungen des
                              									Hrn. Planche uͤber das Sazmehl des schwarzen
                              									Rettiges, und die sehr interessanten Beobachtungen des Hrn. Payen in Beziehung auf die Unterschiede, welche die verschiedenen
                              									Sazmehl-Arten in ihrem specifischen Gewichte darbieten, wuͤrden hinreichend
                              									seyn, um eine solche Behauptung zu widerlegen. Ich hatte nur die Absicht durch
                              									Vergleichung der Erscheinungen, welche sich unter denselben Umstaͤnden
                              									ergaben, ihre große chemische Aehnlichkeit zu
                              									beweisen.
                           
                        
                           Beobachtungen uͤber die neue Art,
                                 										nach welcher Hr. Rasvail das Kartoffel-Sazmehl betrachtet.
                           Wenn die Beobachtungen des Hrn. Raspail, die er
                              									uͤber das Kartoffel-Sazmehl so eben bekannt machte, richtig sind; so wird in
                              									Zukunft keinem Chemiker mehr erlaubt seyn, ohne Mikroscope zu arbeiten. Seit langer
                              									Zeit ist das Staͤrkmehl als einer der ausgezeichnetsten vegetabilischen
                              									Stoffe betrachtet worden; die beruͤhmtesten Chemiker hatten in dieser
                              									Beziehung nur Eine Meinung. Dieß beweisen die glaubwuͤrdigsten und
                              									bestimmtesten Thatsachen. Und dennoch sollen diese Chemiker sich betrogen haben.
                              									Ihre Erfahrungen waͤren unzureichend gewesen, sie aus einem Irrthume zu
                              									ziehen, den ihnen nur das Mikroscop aufdeken konnte. Ich gestehe, daß in den
                              									physischen Wissenschaften nur bedingtes oder relatives Glauben denjenigen zu Theil
                              									werden kann, die sich mit denselben beschaͤftigen; der fortschreitende und
                              									immer mehr und mehr aufgeklaͤrte Gang des menschlichen Geistes gebietet maͤchtig diese
                              									Ansicht. Ich stelle mir aber auch den Schmerz vor, eine. Meinung aufzugeben, an die
                              									man so zu sagen gewohnt war, weil sie durch die Zeit und durch die Erfahrung
                              									geheiliget schien; und ich wundere mich nicht, wenn sehr achtbare Chemiker
                              									Ergebenheit und Ueberzeugung fuͤr die Lehre von Stahl, ihrem Meister, bis
                              									in's Grab gehabt haben.
                           Wenn man sich auch nicht uͤberzeugt, daß die Theorie, wornach Hr. Raspail die chemischen Erscheinungen des
                              									Staͤrkmehles erklaͤrt, richtig, und fuͤr die Annahme
                              									hinreichend begruͤndet ist, so wird sie nicht minder das Verdienst haben, den
                              									Chemikern zu beweisen, daß die Anwendung des Mikroscopes bei ihren
                              									gewoͤhnlichen Arbeiten zuweilen uͤber sonderbare Erscheinungen
                              									Auskunft geben kann.
                           Ich will nun die vorzuͤglichsten Beweise, die von dem Verfasser
                              									gefuͤhrt wurden, pruͤfen; aber vorher glaube ich seine wichtigsten
                              									Schluͤsse aufzaͤhlen zu muͤssen.
                           1) Das Sazmehl besteht aus vegetabilischen Organen, welche die Gestalt kleiner
                              									Kuͤgelchen besizen.
                           2) Jedes Koͤrnchen Sazmehl ist zusammengesezt: 1) aus einer glatten Deke, die
                              									fuͤr Wasser und Saͤuren bei der gewoͤhnlichen Temperatur
                              									undurchdringlich, und faͤhig ist, sich lange Zeit uͤber von Jod zu
                              									faͤrben; 2) aus einer aufloͤslichen Substanz, die beim Abdampfen das
                              									Faͤrbungs-Vermoͤgen durch Jod verliert, und alle Eigenschaften des
                              									Gummi besizt.
                           3) Folglich sind die Gummiarten, die aus den Vegetabilien fließen, nichts anderes,
                              									als diese aufloͤsliche Substanz des Saz-Mehles, das an der freien Luft das
                              									Vermoͤgen, blau gefaͤrbt zu werden, verloren hat.
                           4) Endlich kommt die Eigenschaft, von Jod blau gefaͤrbt zu werden, einer
                              									fluͤchtigen Substanz zu.
                           Ich bin Zeuge gewesen (durch die Guͤte des Hrn. Edwards, der ein Mikroscop besizt), daß die Koͤrner des
                              									Kartoffel-Sazmehles eine kugelige Gestalt Habelt, deren Durchmesser unendlich
                              									verschieden ist; aber nichts hat mir darin eine gummiartige Substanz erwiesen. Hr.
                              										Raspail hat diese Sazmehl-Koͤrner mit
                              									Jodtinctur unter dem Vergroͤßerungsglase behandelt, und ihre Faͤrbung
                              									gesehen, ohne daß sie ihre Form verloren haben, und wenn er sie dann wieder mit Kali
                              									oder Ammonium behandelte, so wurden sie entfaͤrbt, ohne die mindeste Veraͤnderung in
                              									ihrer Gestalt und in ihrem Ansehen zu erleiden; demnach schließt der Verfasser, daß
                              									es kein Staͤrkmehl-Joduͤr gibt, weil
                              									zwischen dem Jod und Staͤrkmehle keine chemische Wirkung, sondern nur eine
                              									einfache Ablagerung der kleinsten Theile des Jod's auf
                              									die Oberflaͤche der Sazmehl-Koͤrner Statt findet.
                           Diese Erfahrung beweist, nach meiner Meinung, daß die Sazmehl-Koͤrner keine
                              									sehr große Porositaͤt zur Absorption des Jod's besizen, und daß, da die
                              									chemische Wirkung zwischen beiden Koͤrpern sehr schwach ist, das
                              									staͤrkmehlhaltige Kuͤgelchen seinen Aggregat-Zustand nicht
                              									aͤndert, sondern seine primitive Form behaͤlt; aber dieses ist noch
                              									kein Grund, um nicht eine, wenigstens oberflaͤchliche, Verbindung anzunehmen.
                              									Verlieren die thierischen und vegetabilischen Gewebe bei'm Faͤrben durch die
                              									Fixirung der Farben ihre primitive Form? Und dennoch wird man nicht sagen, daß hier
                              									keine Verbindung Statt hat.
                           Demnach sind die Sazmehl-Koͤrner in den Zellen der Pflanze ganz gebildet, und
                              									frei vorhanden. Aus ihrer glatten und gerundeten Form, aus ihrer
                              									Unveraͤnderlichkeit in kaltem Nasser, aus ihrer Faͤrbung mit Jod und
                              									ihrer Entfaͤrbung mit Alkali schließt Hr. Raspail,
                              									daß das Sazmehl nicht unmittelbar ein Stoff der Pflanzen sey, und eine Reihe von
                              									Erfahrungen scheint ihm zu beweisen, daß die Sazmehl-Koͤrner Organe sind,
                              									gebildet aus einer glatten, von Saͤuren bei der gewoͤhnlichen
                              									Temperatur undurchdringlichen Deke, und dann aus einer darin eingehuͤllten
                              									Substanz, die er fuͤr Gummi haͤlt. Wir wollen diese Erfahrungen eine
                              									nach der anderen anfuͤhren, und die Folgerungen davon untersuchen.
                           Der Verfasser sezte Sazmehl der Waͤrme aus, so daß die obere Schichte sich
                              									verkohlte, und beeilte sich dann, einige Kuͤgelchen aus der mittleren
                              									Sazmehl-Schichte unter das Mikroscop zu bringen, in dessen Mittelpunct er einen
                              									Tropfen verduͤnnten Alkohol brachte. Auf der Stelle sah er Kreis-Bewegungen,
                              									ein auffallend schnelles Anziehen und Abstoßen der Mehl-Koͤrner, und nahm
                              									Spuren von Gummi wahr, der sich langsam in der Fluͤßigkeit verlor, als wenn
                              									selbst der verduͤnteste Alkohol Gummi in sich aufnehmen koͤnnte. Der
                              									Verfasser fuͤgt noch hinzu, daß, wenn man das Sazmehl, ehe es der Hize
                              									ausgesezt wird, faͤrbt, man unter dem Mikroscope die ungefaͤrbte
                              									Fluͤßigkeit heraustreten sieht. Mit reinem Wasser ist das Experiment nicht so entschieden,
                              									weil es den gummiartigen Antheil sehr schnell aufloͤst; man ist auch mit dem
                              									verduͤnnten Alkohol nicht auf der Stelle gluͤklich, und man muß, nach
                              									dem Verfasser, den Versuch oͤfters wiederholen, um die Fluͤßigkeit aus
                              									ihrer Huͤlle hervortreten zu sehen; man findet auch immer unter dem
                              									Mikroscope eine Menge der unaufloͤslichen Deken, und eine gummiartige
                              									Substanz, die man durch Aufloͤsen in einem Tropfen Wasser davon trennen
                              									kann.
                           Nach der Unsicherheit dieser Resultate laͤßt es sich begreifen, daß es sehr
                              									schwer ist, mit dem Mikroscope richtig zu beobachten.
                           Ist es nicht leichter und einfacher, diese Erscheinungen, ohne Annahme der Deken und
                              									des nach diesen unsicheren Versuchen fuͤr Gummi erkannten Bestandtheiles,
                              									bloß nach den chemischen Verwandtschaften zu erklaͤren. Es ist doch allgemein
                              									bekannt, daß das Starkmehl bei der Einwirkung der Hize oder des siedenden Wassers
                              									seine Beschaffenheit aͤndert; und es ist auch nicht zu wundern, daß unter den
                              									drei Umstaͤnden, unter welchen Hr. Raspail diese
                              									Substanz mikroscopisch gepruͤft hat, er aus derselben Wasser frei werden sah.
                              									Gerade dieses Resultat wird eine Veraͤnderung in der Grundform bewirkt
                              									haben.
                           Der Verfasser wurde jedoch nach dem Resultate der drei vorhergehenden Versuche noch
                              									mehr in seiner Idee uͤber die Zusammensezung der Sazmehl-Koͤrner
                              									bestaͤrkt.
                           Hr. Raspail unterwarf auch Satzmehl der Einwirkung des kochenden Wassers, und er sah
                              									zum Theile die vorigen Erscheinungen wieder, naͤmlich, die zerrissenen Decken
                              									in der Fluͤßigkeit schwimmen, getrennt von dem gummiartigen Bestandtheile,
                              									der nach seiner Meinung in dem Wasser aufgeloͤst seyn mußte. Somit wird der
                              									Kleister, statt aus Wasser, Amidine und Staͤrkmehl, aus einer
                              									Aufloͤsung von Gummi, das aus einer bestimmten Anzahl Satzmehlkoͤrner
                              									mit Wasser ausgezogen wurde, aus den dadurch zerrissenen Decken, und aus einigen
                              									unveraͤnderten Satzmehlkoͤrnern bestehen, die durch das warme Wasser
                              									nur erweitert wurden. Nach dem Verfasser wird es leicht seyn, die Decken von dem
                              									Gummi zu trennen; man darf den Kleister nur mit vielem Wasser verduͤnnen, so
                              									wird man das Gummi aufgeloͤst, und die Decken auf dem Filter
                              									ruͤckstaͤndig finden.
                           Wenn nun das Gummi, das in den Satz Mehl-Koͤrnern enthalten ist, nicht von andern
                              									Gummiarten verschieden ist, wie der Verfasser angibt; so darf es durch Jod nicht
                              									blau werden. Dieß war eine Schwierigkeit, die Hr. Raspail lange
                              									beschaͤftigte. Nach dem vorhin erwaͤhnten Versuche hatte er nun auch
                              									ein Mittel in der Filtration, diese beiden Stoffe zu trennen, und die
                              									Zusammensetzung der Satz Mehl-Koͤrner darzuthun, was er auch anwendete;
                              									allein, die Resultate waren, daß sowohl die Decken, als auch die gummiartige
                              									Fluͤssigkeit von Jod blau gefaͤrbt wurde, was bei allem Wiederhohlen
                              									und Veraͤndern des Versuches sich immer wieder ergab. Diese, fuͤr die
                              									Haupt-Idee des Verfassers viel zu harte Thatsache machte, daß er seine Zuflucht zu
                              									seinem Mikroskope nahm, wo er sah, daß in der gummiartigen Fluͤssigkeit eine
                              									große Menge von Haͤuten, die durch die Poren des Filters durchgegangen seyn
                              									mochten, sich zeigten, was diese, scheinbar widersprechende, Thatsache ihm ganz
                              									natuͤrlich erscheinen ließ, und ihm einen Beweggrund darboth, in seiner
                              									Beobachtungsweise fortzufahren. Wenn die Sache sich so verhalt, so muß die
                              									Faͤrbung mit Jod in dem Verhaͤltnisse abnehmen, als die Zahl der
                              									Decken in der Fluͤßigkeit weniger wird. Und dennoch sagt H. Raspail, daß,
                              									wenn er mit dem Mikroskope hoͤchstens nur eine Decke in Einem Zolle
                              									wahrnehmen konnte, die Fluͤßigkeit auf Zusatz von Jod so blau wurde, als mit
                              									Satz-Mehl selbst. Es laͤßt sich also schliessen, daß eine andere, von den
                              									Decken unabhaͤngige, Substanz vorhanden ist, die von Jod blau wird.
                           Diesen Gedanken hatte der Verfasser aufgefaßt; denn die Thatsachen, von denen er sich
                              									uͤberzeugte, konnte er nicht laͤugnen; er nimmt daher, einige Zeilen
                              									unten, selbst an, daß der gummiartige Antheil auch von Jod blau werden kann, wenn er
                              									aufgeloͤst ist, und schreibt dieses der Bildung von Haͤutchen zu, die
                              									in dem Verhaͤltnisse verschwinden, als die blaue Farbe sich verdunkelt. Was
                              									laͤßt sich aus dieser Thatsache anders schließen, sagt H. Raspail, als daß
                              									das Satz-Mehl vom Jod nur gefaͤrbt wird, wenn es haͤutig geworden ist?
                              									Daher bleiben die Decken immer gefaͤrbt zuruͤck.
                           Also naͤhert sich, nach H. Raspail, der gummige Bestandtheil seiner Natur nach
                              									besonders den Decken, weil er im Zustande der Aufloͤsung, wie diese, eine
                              									haͤutige Gestalt anzunehmen faͤhig ist, wodurch er dann mit Jod eine
                              									blaue Farbe erhalten
                              									kann. Aber wenn des sorgfaͤltigsten Filtrirens ungeachtet, das Mikroscop in
                              									der gummigen Fluͤßigkeit immer einige Decken gezeigt hat, und wenn diese
                              									immer gefaͤrbt bleiben, wie kann die Fluͤßigkeit nach 12 bis 15
                              									Stunden in Beruͤhrung mit der Luft ihre blaue Farbe verlieren, die sie auf
                              									Zusatz einer neuen Menge Jod wieder erhaͤlt? Also bleiben die Decken nicht
                              									immer gefaͤrbt, so wie der angefuͤhrte gummige Antheil. Es ist schwer
                              									diese Thatsachen nach Hrn. Raspail's Ansicht zu vereinigen.
                           Ferner sagt der Verfasser: „Die aufloͤsliche Substanz
                                 										verliert nicht nur an der Luft die blaue Farbe, sondern sie wird auch durch
                                 										Einwirkung der Waͤrme des Vermoͤgens beraubt, sich noch zu
                                 										faͤrben. Man weiß, daß der Satzmehl-Syrup bei den Apothekern fertig ist,
                                 										wenn ihn das Jod nicht mehr faͤrbt. Man hat diese Erscheinung, sagt er,
                                 										einer Umwandlung zugeschrieben, die vom langen Kochen herfuͤhrt: wir
                                 										waren jedoch entfernt, diese in der vegetabilischen Chemie so
                                 										gebraͤuchlichen Erklaͤrungsweisen anzunehmen, und die folgende
                                 										Beobachtung reicht hin, um diese Idee von der Umwandlung ganz zu
                                 										entfernen.“
                              								
                           Diese Haupt-Beobachtung ist nun folgende: „Wenn man, sagt
                                 										er, die aufloͤsliche Substanz des Satzmehls bis zu dicklichen Schichten
                                 										verdampfen laͤßt, so wird man eine Substanz erhalten, die in ihren
                                 										physischen Eigenschaften dem Gummi voͤllig gleich ist, und sich weder im
                                 										festen, noch im aufgeloͤsten Zustande mehr faͤrbt. Die
                                 										Faͤrbung des Satzmehles ruͤhrt also ganz sicher von einer
                                 										fremdartigen, fluͤchtigen Substanz her, die durch das Abdampfen
                                 										verschwindet.“ (Pag. 395.)
                           Das Bewunderungswuͤrdigste in einem so neuen, und nach den vorausgehenden
                              									Thatsachen eben so unerwarteten Beweise, ist die Leichtigkeit, womit Hr. Raspail die
                              									Gegenwart einer fluͤchtigen Substanz, die er weder gesehen noch erhalten hat,
                              									annimmt. Kurz vorher hing die Faͤrbung von der haͤutigen Gestalt der
                              									Decken ab, und von der naͤmlichen aͤhnlichen Form, die der gummiartige
                              									Bestandtheil unter gewissen Umstaͤnden annehmen kann; und jezt, da das
                              									Mikroscop keine Haͤute und Deken mehr zeigt, zieht H. Raspail aus seiner
                              									Einbildung ein fluͤchtiges Wesen hervor, mit dessen Huͤlfe er der
                              									Schwierigkeit entkommt. Das scheint mir sehr bequem. Die Decken, so wie der in Wasser aufgeloͤste
                              									gummige Bestandteil werden also auf keine aͤndere Weise jezt mehr vom Jod
                              									gefaͤrbt, als durch Beihuͤlfe einer fluͤchtigen Substanz; aber
                              									was wird dann aus der Theorie der Faͤrbung und Entfaͤrbung der
                              									filtrirten Fluͤßigkeit, von dem in kaltes Wasser geruͤhrten Kleister,
                              									werden?
                           Ich will diese Pruͤfung nicht weiter mehr verfolgen; die verschiedenen
                              									Stellen, die ich aus der Abhandlung des Hrn. Raspail angefuͤhrt habe, werden
                              									hinreichen, um ihren Werth zu bestimmen. Was mich betrifft, bin ich von dem
                              									Gegentheile uͤberzeugt; und ich kann nicht begreifen, wie, unter allen den
                              									von diesem Naturforscher angefuͤhrten Umstaͤnden, eine mikroscopische
                              									Beobachtung fuͤr eine chemische gelten kann. Ich zweifle nicht, daß dieses
                              									Instrument, worauf sich die meisten Urtheile des Hrn. Raspail gruͤnden, einst
                              									auch in der Chemie von anerkannten Nutzen werden kann; aber nur dann, wann man die
                              									mikroscopische Beobachtung mit der chemischen verbindet. Ich kann mich nicht
                              									entschließen zu glauben:
                           1) daß das Satzmehl aus Decken und Gummi zusammengesezt ist;
                           2) daß die Faͤrbung desselben durch Jod nicht eine Verbindung, sondern nur
                              									eine Ablagerung des Jod's auf die Satzmehlkoͤrner ist; und
                           3) daß eine fluͤchtige Substanz die Ursache der Faͤrbung ist. Uebrigens
                              									nehme ich mit dem Verfasser die Kugelform als die Form der kleinsten Theile des
                              									Satzmehles an; nur halte ich sie fuͤr gleichartig, und nicht aus zwei
                              									verschiedenen Koͤrpern bestehend.
                           Ich will diesen Aufsatz nicht schließen, ohne dem Hrn. Raspail meine rechtliche
                              									Huldigung zu bezeugen. Wenn ich ihn auch in seiner Beobachtungsweise angegriffen
                              									habe, so lasse ich doch wenigstens seinem entschiedenen Talente, das er darin
                              									bewiesen hat, Gerechtigkeit widerfahren. Ich bin uͤberzeugt, daß er mehr als
                              									faͤhig ist, die eben so neue als geniale Frage, die er aufgestellt hat,
                              									vollkommen zu beantworten; und ich wuͤnsche nur, daß er dahin gelangen
                              									moͤge, aus Wahrheitsliebe und zu meiner Belehrung. Dieses Bekenntniß wird dem
                              									schaͤtzbaren Verfasser ohne Zweifel bei der Beurtheilung der
                              									Beweggruͤnde hinreichen, die mich veranlaßt haben, diese Betrachtungen
                              									oͤffentlich bekannt zu machen.
                           ––––––––––
                           
                           N. S. So eben lerne ich eine Arbeit „uͤber die
                                    											Structur der Kartoffel von Hr. A. Villars,
                                 										Decan der medicinischen Facultaͤt zu Straßburg etc.“
                              									kennen.
                           Diese Arbeit findet sich in dem XLII. V. des Journal
                                 										général de Médecine, das dermahlen von Hr. Doctor Sedillot redigirt wird, und enthaͤlt
                              									eigenthuͤmliche Erfahrungen und Ansichten uͤber die Frage, die ich in
                              									Beziehung auf die Gleichartigkeit des Satzmehles behandelt habe, eben so auch
                              									uͤber die Vorzuͤge der mikroscopischen Beobachtungen. Ich halte es
                              									fuͤr nuͤtzlich, folgende Stellen davon auszuziehen.
                           
                              „(§, 19.) Das Kartoffelmehl besteht aus kleinen eyfoͤrmigen
                                 										Kuͤgelchen von 1/100 bis zu 1/50, Linie im Durchmesser, und ein Drittel
                                 										ungefaͤhr noch mehr in der Laͤnge. (Fig. 1.) Ich hatte sie zu
                                 										Grenoble im J. 1802 beobachtet, beschrieben und bestimmt; vollkommen
                                 										ausgebildete hatte ich im J. 1810 zu Straßburg beobachtet. Ich habe diese Arbeit
                                 										mit mehr Genauigkeit und Abaͤnderung mittelst neuer Mikroscope wieder unternommen. Diese Kuͤgelchen sind glatt,
                                 										glaͤnzend und milchweiß, wie die Kuͤgelchen des
                                 										Quecksilbers.“
                              
                           
                              „(§. 20.) Die Kuͤgelchen des
                                 										Kartoffel-Satzmehles, auf dem Glase mit einer Stahlplatte so viel
                                 										moͤglich zerdruͤckt, sind um die Haͤlfte oder 2 Drittheile
                                 										kleiner, ein wenig eckig oder unregelmaͤßig, aber dennoch glatt. (Fig.
                                 										2.)“
                              
                           „(§, 21.) Die naͤmlichen Kuͤgelchen in
                                 										den Kartoffeln werden gekocht ohngefaͤhr um ein Drittheil groͤßer,
                                 										gerundeter, weniger vereinigt, nicht glaͤnzend, auf ihrer
                                 										Oberflaͤche aber, nachdem sie in einer 100 fachen Vergroͤßerung
                                 										ihres Durchmessers beobachtet wurden, waren sie wie gespalten oder
                                 										gerizt.“ (Fig. 3.)
                           „(§. 22.) Die naͤmlichen Kuͤgelchen
                                 										durch ein sehr feines, ohngefaͤhr 1/10, Linie dickes, Stuͤck eines
                                 										gefrornen Erdapfels beobachtet, haben mir um die Haͤlfte kleiner
                                 										geschienen, waren vom Wasser umgeben und wie zerflossen. Ich konnte dann mit der
                                 										naͤmlichen Linse das Netz des Erdapfels oder die Faser, die die
                                 										Kuͤgelchen zusammenhaͤlt, beobachten. Sie sind darin gruppenweise
                                 										sich beruͤhrend zerstreut, ohne aber mit den Augen des Netzes
                                 										zusammenzuhaͤngen. (Fig. 4.)“.
                           
                              „(§. 23.) Ich ließ auf Glaͤsern und Tellern
                                 										das Erdapfel-Satzmehl in einer Stube und im Sandbade trocknen, bis die
                                 										Kuͤgelchen anfingen braun zu werden. Sie hatten ein wenig ihren Umfang und ihren Glanz
                                 										verloren. Sie waren dann nur in der Mitte durchsichtig, waͤhrend der
                                 										Umkreis undurchsichtig schien, gerade als wenn Luftblasen mit dem Mikroscope
                                 										beobachtet wuͤrden. In diesem Zustande habe ich sie so gut als
                                 										moͤglich zwischen zwei Glasplaͤttchen zerdruͤckt; sie haben
                                 										dennoch kugelig geschienen, aber kleiner und hygroscopischer als zuvor. Ich
                                 										zweifle nicht, daß diese Kuͤgelchen Krystallisations-Wasser enthalten,
                                 										wie die Salze.
                              
                           
                              Ich habe hierauf das feine Weizenmehl untersucht, um es in seinen
                                 										kleinsten Theilen mit den vorigen zu vergleichen. Sie sind in dem Weizen kleiner
                                 										und unregelmaͤßiger in Ruͤcksicht der Kuͤgelchen und der
                                 										Molecuͤle. Auch habe ich sehr kleine Querschnitte uͤber ein
                                 										Weizenkorn gemacht. Die Kuͤgelchen waren rund, sehr gleichfoͤrmig
                                 										und schienen drei Mahl kleiner, als die der Erdaͤpfel; denn sie hatten
                                 										nur 1/250 bis 4/100 Linie im Durchmesser. Weder der Haarpuder noch das
                                 										Staͤrkmehl waren unter dem Mikroscope wesentlich verschieden vom
                                 										Mehle.“
                              
                           
                              „Ich vermuthe nicht, daß diese Kleinheit die einzige
                                 										Ursache sey, die das Mehl zum Pudern eignet; doch die Waͤrme
                                 										aͤndert dasselbe nicht so leicht, wie das Erdaͤpfelmehl. Es
                                 										enthaͤlt weniger Wasser, und ist auch weniger faͤhig, es zu
                                 										verlieren und wieder anzunehmen. Auch erhaͤlt sich das
                                 										Erdaͤpfelbrod nur zwei oder drei Tage gut, das Weizenbrod 4 bis 8 Tage;
                                 										waͤhrend das Rockenbrod wenigstens 15–20 Tage, ja ein Monath, sich
                                 										gut erhaͤlt, wenn man ihm nur die Kleien, wenigstens zum Theile,
                                 										laͤßt.“