| Titel: | Ueber die Seiden-Manufacturen in Frankreich, den gegenwärtigen Zustand derselben, und über die Mittel, dem Verfalle derselben vorzubeugen, | 
| Fundstelle: | Band 24, Jahrgang 1827, Nr. XXI., S. 72 | 
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                        XXI.
                        Ueber die Seiden-Manufacturen in
                           Frankreich, den gegenwaͤrtigen Zustand derselben, und uͤber die Mittel,
                           dem Verfalle derselben vorzubeugen,
                        Ueber die Seiden-Manufacturen in Frankreich und uͤber
                           den gegenwaͤrtigen Zustand derselben.
                        
                     
                        
                           befindet sich ein langer und interessanter Aufsaz eines Hrn.
                              J. A. F. O., ehemaligen Professors der Chemie, in den Annales mensuelles de
                                    l'Industrie, Jan. Febr. 1827. S. 74, 191, woraus wir hier
                              einige Notizen entlehnen wollen. Der Hr. Verfasser findet die franzoͤsischen
                              Seiden-Fabriken in doppelter Hinsicht gefaͤhrdet, ein Mahl durch die
                              Anstrengungen der benachbarten Laͤnder, vorzuͤglich Englands, und dann
                              durch die Fehler in der Zubereitung und Verarbeitung der Seide, die er auf eine sehr
                              lehrreiche Weise aufdekt, aber eben dadurch auch den Rivalen der
                              franzoͤsischen Seiden-Manufacturen neue Waffen gegen dieselbe in die
                              Hand gibt.
                           Sehr richtig bemerkt er, daß Fabrik-Industrie nie auf den errungenen Lorbern
                              schlummern duͤrfe, wenn sie fortbestehen will, und zeigt, wie aus diesem
                              Grunde Indien und China seinen Seidenzeug-Handel, den es bis in das 13.
                              Jahrhundert ausschließlich hatte, durch die Bemuͤhungen der
                              Italiaͤner, und wie Italien denselben durch die Bemuͤhungen der Sully
                              und Colbert verlor. Lezteres litt noch uͤberdieß durch seine inneren
                              Zwistigkeiten und die Buͤrgerkriege unter den kleinen Fuͤrsten und
                              Paͤpsten, waͤhrend welcher sich die groͤßeren
                              italiaͤnischen Seiden-Fabrikanten, die Guadayne, Garigliano, Pazzi,
                              Adamoli, Pinoncelli, Paganucci, Reveroni, Boscari und viele andere nach Lyon zogen,
                              und noch selbst in ihren Urenkeln die Seiden-Fabrication dieser Stadt so
                              beruͤhmt machten. Die Pest selbst, die im J. 1720 das polizeilose
                              paͤpstliche Avignon verheerte, vermehrte die Seiden-Fabriken zu Lyon
                              und brachte einigen Ersaz fuͤr den ungluͤkseligen Widerruf des
                              bekannten Edictes von Nantes, der fruͤher noch weit mehr pestartig auf die
                              Industrie Frankreichs wirkte, und die franzoͤsischen
                              Seiden-Fabrikanten nach der Schweiz, nach Preußen, nach England und sogar bis
                              Moskau trieb. Die Revolution zerstoͤrte die noch uͤbrigen
                              Seiden-Fabriken Lyons beinahe vollkommen, und ein großer Theil der Fabrikanten wanderte neuerdings
                              nach der Schweiz, nach Italien und vorzuͤglich nach England aus. Der Hr.
                              Verfasser zeigt, welche Vortheile England vor Frankreich bei seinen
                              Seiden-Fabriken nicht bloß durch seine Maschinen, sondern auch darin voraus
                              hat, daß es das rohe Material und die noͤthigen Farben-Materialien
                              durch seinen Welthandel sich leichter zu verschaffen und den Absaz der Fabrikate
                              durch seine strenge eingreifende Politik sich uͤberall zu sichern weiß. Er
                              bemerkt ferner, wie geschikt die Englaͤnder die besten Arbeiter aus Lyon (die
                              Gebruͤder Gonin und Pons) an sich zu ziehen wußten, und wie schlau sie die besten
                              italiaͤnischen Seidenspinner nach Indien zu verpflanzen wußten, um daselbst
                              die Zurichtung der rohen Seide auf die beste europaͤische Weise (die
                              italiaͤnische) zu vervollkommnen. Er laͤßt auch uns Deutschen volle
                              Gerechtigkeit wiederfahren, und sagt S. 78: „Wien und Berlin wetteifern
                                 mit Lyon in Hinsicht auf die Pracht der Farbe ihrer Seidenzeuge, und es
                                 waͤre zu wuͤnschen, daß man in Frankreich die Resultate der
                                 Arbeiten des beruͤhmten Chemikers Beireis zu
                                 Helmstaͤdt kennte, den noch kein Franzose in der Faͤrbekunst
                                 erreichte.“
                              
                           
                              „Wollt ihr Beweise der Fortschritte der englischen Seiden-Fabriken,
                                 (auch als Folge des englischen Einfuhr-Verboth-Systems
                                 auslaͤndischer Seiden-Fabrikate)? Im J. 1810, 11, 12
                                 zaͤhlte England nur 20,000 Seidenstuͤhle, und verarbeitete nur
                                 fuͤr 11 bis 12 Millionen Seide.In dem preußischen Staate waren im Jahre 1825 8,363 Webestuͤhle
                                       fuͤr seidene und halbseidene Zeuge im Gange gewesen, wovon auf
                                       den Regierungsbezirk Duͤsseldorf 5,564 Stuͤhle kommen.
                                       Bandstuͤhle waren 45,406 Gaͤnge, deren jeder ein einzelnes
                                       Band erzeugt, in Bewegung. Der jaͤhrliche Verbrauch an
                                       Seidenfaͤden berechnete sich im Durchschnitte auf 617,689 Pfund,
                                       der sich nach allen Anzeichen in den naͤchsten Jahren noch
                                       bedeutend vermehren wird. A. d. R. Im J. 1824 zaͤhlte es deren 70,000, wovon der fuͤnfte
                                 Theil beilaͤufig durch Dampfmaschinen getrieben wird. England bezog in
                                 diesem Jahre fuͤr 36 Millionen Franken Rohseide aus Indien und China, und
                                 fuͤr 51 Millionen gesponnene Seide aus Italien.“
                              
                           
                              „Frankreich erzeugt fuͤr 25 Millionen Seide, den Arbeitslohn mit
                                 begriffen. Es fuͤhrte im Jahre 1824 fuͤr 30 Millionen aus dem
                                 Auslande ein, also zwei Drittel mehr, als es brauchte, und ein Drittel
                                 weniger, als England verarbeitete. Wir bezahlen 2 Fr. 40 Cent.
                                 Einfuhr-Zoll fuͤr auslaͤndische gesponnene, und 1 Fr. 20
                                 Cent. fuͤr auslaͤndische rohe Seide; also ungefaͤhr 4 1/2
                                 p. C. des mittleren Werthes derselben. England fuͤhrt seine Rohseide ohne
                                 Zoll ein, und gewinnt daran den Arbeitslohn; seine
                                 Seiden-Spinnmuͤhlen, namentlich die des Hrn. Shenton zu Winchester besizen einen Grad von Vollkommenheit, wie man
                                 keine aͤhnliche in Frankreich aufzuweisen vermag. Der Einfuhr-Zoll
                                 fuͤr gesponnene auslaͤndische Seide ist in England zwar 7 Shill.;
                                 allein die Regierung zahlt dieselben zuruͤk, wenn die Seide zu
                                 Seidenzeugen verwebt wieder ausgefuͤhrt wird. Unsere Rivalen haben also
                                 hierin einen bedeutenden Vorsprung vor uns voraus.“
                              
                           
                              „Man zaͤhlte im J. 1786 zu Lyon und in den Vorstaͤdten
                                 dieser Stadt 15,000 Seidenstuͤhle. Im J. 1789 nur mehr 7500. Im J. 1800
                                 nur 3500. Vom J. 1801 bis 1812 stiegen sie (mitten im Kriege, durch Napoleons
                                 weises Einfuhr-Verboth) auf 10,702. Gegenwaͤrtig hat Lyon mit
                                 seinen Vorstaͤdten 25000 Seidenstuͤhle, und das ganze
                                 Rhone-Departement 30,000 derselben. St. Etienne, St. Chamond, Nimes,
                                 Avignon, Tours besizen nur 25,000 Stuͤhle. Wir stehen also den
                                 Englaͤndern weit nach. Selbst Wien und Berlin hat, jedes, an 8000
                                 Seiden-Stuͤhle. Wir uͤbergehen die Seiden-Fabriken
                                 zu Mayland, Genua, Neapel, Talaveyra, Friburg, Utrecht, Crevelt, Moskau, und die
                                 zu Boulach in Aegypten von Lyoner Zoͤglingen geleitet.“
                              
                           „Es sollte bei uns verbothen seyn, Auslaͤnder in unseren
                                 Seiden-Fabriken lernen zu lassen, wie dieß auch die Englaͤnder
                                 thun“(!!)
                           Was nun die Fehler bei der Fabrikation selbst betrifft, so findet Hr. O. dieselben in
                              allen Zweigen der Zurichtung der Seide, von der Seiden-Spinnmuͤhle
                              angefangen bis zum Faͤrben und Verarbeiten im Stuhle.
                           
                        
                           Seidenspinn-Muͤhlen.
                           
                              Es gibt zwar einige sehr gute, wie die zu Ganges, zu St. Jean du Gard, zu Alard,
                                 die des HHrn. Bonnard und Poidebard zu Lyon; allein viele verfaͤlschen
                                 das Gewicht der Seide durch allerlei Zusaͤze, z.B. durch den Saft der
                                 Puppe selbst, die im Abwindebeken zerdruͤkt wird, durch Gyps, Thon, Salz,
                                 Kirschgummi, Alaun, die man im Abwindewasser aufloͤst oder einruͤhrt; durch
                                 Beimengung von etwas Schwefelsaͤure; durch Benezung des Fadens bei seinem
                                 Austritte aus dem Beken mit Oehl, Harn, Wachs, das in Pottasche
                                 aufgeloͤst wurde, und dann einen Ueberzug auf dem Seidenfaden bildet;
                                 durch Ueberreiben der Straͤhne mit trokener weißer Seife, weißem oder
                                 gelbem Wachse etc. Vergebens macht man an solcher Seide die gewoͤhnliche
                                 Bedingungs-Probe: die Waͤrme verjagt nur die Feuchtigkeit, und man
                                 sieht mit Erstaunen nach dem sogenannten Entschaͤlen der Seide (Degreusage) aus 100 Pf. derselben nur 72 bis 70 Pf.
                                 statt 75, die man erhalten sollte, hervorgehen. Vergebens beschuldigt man den
                                 Faͤrber eines Betruges, der, weil er den Ruͤkstand bei dem
                                 Abschaͤlen nicht analysirt, nicht weiß, woher ein Abgang von 28 bis 30 p.
                                 C. entsteht, statt von 25, und dafuͤr wieder den Fabrikanten einer
                                 Uebervortheilung im Gewichte anklagt. Ich sah sehr feine Organsin-Seide
                                 aus dem Vivarais, die 30 p. C. bei dem Entschaͤlen verlor, und eine
                                 Tramseide, die nach demselben nur 72 p. C. gab.“
                              
                           
                        
                           Entschaͤlen.
                           
                              „Die Faͤrber befolgen bei dem Entschaͤlen eine Methode, die
                                 eben so verderblich als altherkoͤmmlich ist, und die sie um keinen Preis
                                 gegen eine vernuͤnftigere Methode vertauschen wollen, obschon es erwiesen
                                 ist, daß, je mehr eine Seide gekocht wird, desto schlechter sie wird, und desto
                                 mehr an sogenannter Nervenkraft und an Glanz verliert; sie wird dadurch wollig
                                 und verwikelt sich, wird schwer abzuwinden und erzeugt starke
                                 Abfaͤlle.“
                              
                           
                              „Es ist ein Irrthum, wenn man glaubt, daß Seife die einzige Substanz ist,
                                 die zum Entschaͤlen dient; im Gegentheile, sie verstopft oͤfters
                                 die Poren der Seide, und macht, daß die Farben weniger glaͤnzend und
                                 weniger haltbar werden; sie macht sie abstehen oder schießen, wie die HHrn. Macquer, Rigaut, Geneve, Roard und wir selbst
                                 laͤngst erwiesen haben. Die Chinesen und Perser kennen die Seife nicht,
                                 und sie entschaͤlen ihre Seide doch sehr vollkommen, erlangen
                                 glaͤnzende und haltbare Farben, die man waschen kann, ohne daß sie
                                 ausgehen.“
                              
                           
                              „Je mehr der Faͤrber Seife braucht, desto weniger wird ihm seine
                                 Farbe gelingen. Die Seife nimmt der Seide so sehr den Glanz, daß man dieselbe
                                 schwefeln muß, um ihr ihn wieder zu geben. Allein, die Seide gewinnt dadurch an
                                 Gewicht!
                              
                           
                        
                           Schwefeln.
                           
                              „Nichts fehlerhafter, nichts verderblicher, als das heute zu Tage
                                 uͤbliche Schwefeln der Seide. In die sogenannten Schwefel-Kammern,
                                 wo diese Arbeit geschieht, dringt die aͤußere atmosphaͤrische Luft
                                 ein, tritt ihren Sauerstoff der gebildeten schwefeligen Saͤure ab, und
                                 verwandelt diese in Schwefelsaͤure, die sich dann auf die Seide wirft,
                                 und diese verdirbt und verbrennt. (?) Daher das Brechen solcher Seidenzeuge, das
                                 Einfallen der Loͤcher in solche geschwefelte Zeuge.
                              
                           
                        
                           Entfaͤrben der Seide.
                           
                              „Es ist eine verderbliche Entdekung um das Entfaͤrben der Seide
                                 (assouplisage). Diese Operation besteht darin,
                                 daß man die Seide in ein Bad von warmem Wasser taucht, dem man
                                 Salpetersaͤure oder Scheidewasser zusezte, und dann in ein anderes Bad
                                 von vermeintlicher schwefeliger Saͤure, dem man noch Weinstein zusezt,
                                 und in diesem Bade die Straͤhne auf Stangen hin und herfuͤhrt,
                                 damit die Saͤure auf die Faden gleichfoͤrmig wirkt (lisage), und zulezt in der Schwefelkammer schwefelt.
                                 Auf diese ziemlich allgemein gebraͤuchliche Weise erhaͤlt man nur
                                 unvollkommen entfaͤrbte, grauliche oder schmuzige Seide, die wie
                                 gehaͤchelter Hanf aussieht, und die durch die wiederhohlten Einwirkungen
                                 dieser Saͤuren ihren Firnißglanz und die Haͤlfte ihrer Nervenkraft
                                 verloren hat. Solche Seide bricht bei dem Abwinden und unter den Wuͤrfen
                                 der Schuͤze in tausend Stuͤke. Man verbindet sie vergebens mit
                                 gekochter Leide; denn diese, als die staͤrkere und biegsamere,
                                 zerschneidet sie nur noch weit schneller. Solche entfaͤrbte Seide (soie souple) nimmt die Farben nur sehr schlecht an,
                                 und haͤlt sie auch nicht lang, weil sie ihren Gummi an der
                                 Oberflaͤche verloren hat, und fuͤr den Faͤrbestoff
                                 undurchdringlich wird. Die Farben fallen matt aus, haben einen falschen Ton, und
                                 stehen ab, wenn sie mit der Luft in Beruͤhrung kommen. Seidenzeuge, die
                                 eine auf diese Weise entfaͤrbte Tramseide unter gekochter Tram-
                                 oder Organsin-Seide eingewebt haben, haben auf lezterer eine
                                 gesaͤttigte glaͤnzende Farbe, die dann von der entfaͤrbten
                                 Tramseide garstig absticht. Seidenzeuge aus solcher entfaͤrbten Seide
                                 stehen leicht ab, es fallen Loͤcher in dieselben, sie brechen; mit einem
                                 Worte, sie taugen nichts. Das Ausland klagt mit Recht uͤber unsere Fabrikate, und es
                                 wird aufhoͤren, uns dieselben abzunehmen. Die franzoͤsischen
                                 Kaufleute zu Rio Janeiro schrieben am 6. October 1824 an den Koͤnig: „wenn unsere franzoͤsischen Seidenwaaren eben
                                    den Credit erhalten sollen, den die indischen und chinesischen hier
                                    genießen, so muͤssen unsere Fabrikanten suchen ein Mittel zu finden,
                                    dem Brechen und Schießen derselben abzuhelfen. Dieser Fehler zeigt sich an
                                    unseren Fabrikaten nur zu bald nach ihrer Ankunft in Brasilien. Die
                                    indischen, chinesischen, italiaͤnischen und englischenZum Troste des Hrn. O. koͤnnen wir ihm sagen, daß die
                                          englischen Seidenzeuge denselben Fehler besizen. Siehe Polyt. Journ.
                                          B. XXI. S. 276 die
                                          Bemerkung des Hrn. Alsop zu Modrus. A. d. U. Seidenzeuge haben diesen Fehler nicht. Hieruͤber klagt man
                                    auch in Nord-America, in Rußland, in der Levante und in Spanien, und
                                    zwar mit Recht. Wir sahen neulich fuͤr Spanien bestellte schwarze
                                    gros de Naples, wo Kette und Eintrag solche entfaͤrbte Seide war. Der
                                    Zeug wird schon abgestanden ankommen, und der Kaufmann wird rothbraune
                                    Hadern haben, die an den Kanten brechen.“
                                 
                              
                           
                        
                           Abfaͤlle oder Abgang.
                           
                              „Die Fabrikanten klagen taͤglich mehr uͤber die ungeheueren
                                 Abfaͤlle, in Folge deren sie aus einem Ballen Rohseide von 100 Pf. oft
                                 kaum 60 bis 62 Pf. verarbeitete Waare erhalten. Außer dem Betruge in den
                                 Spinnereien, dessen wir oben erwaͤhnten, gibt es noch eine Menge anderer,
                                 denen man nicht leicht abhelfen kann, wenn die Seide durch untreue Haͤnde
                                 laͤuft.“
                              
                           „Den Faͤrbern werden 8 Loth Abgang auf 30 Loth in Folge des
                                 Entschaͤlens bewilligt, d.i. beinahe 27 p. C. Man war zu dieser Annahme
                                 gezwungen, weil man diesen Abgang auf keine andere Weise genauer bestimmen
                                 konnte. Wenn aber die Seide mehr als 8 Loth im Gewichte verliert, so
                                 muͤssen sie sich durch allerlei Mittel heraushelfen. Wo die Seide weniger
                                 verliert, sind sie im Vortheile, denn sie koͤnnen den Ueberschuß
                                 behalten, ohne daß der Fabrikant darauf Anspruch machen darf. Der Fabrikant ist
                                 also hier fuͤr jeden Fall am Uebelsten daran, und der Faͤrber
                                 verliert nie.“ Denn
                           
                              „lichte Farben, wie Rosen-Lilafarben, blaß Gruͤn, Himmelblau
                                 nimmt wenigstens um 1 1/2 bis 2 p. C. an Gewicht uͤber den erlaubten
                                 Abgang bei dem Entschaͤlen zu, selbst wenn die Seide gehoͤrig
                                 ausgewunden und getroknet wurde. Weiß nimmt leicht um 3 bis 4 p. C. zu, wenn die
                                 Seide vollkommen entseift und mit gypshaltigem Wasser behandelt
                                 wurde.“
                              
                           
                              „Bei dunklen Farben huͤthet der Faͤrber sich wohl, die Seide
                                 gaͤnzlich zu entschaͤlen. Er entgummt sie (degomme) und gibt ihr einen leichten Sud. Die Seide erleidet dann
                                 statt 25 p. C. nur 15 bis 18 p. C. Abgang, und es bleiben dem Faͤrber 7
                                 bis 10 p. C. reinen Ueberschusses, den er noch mehr vergroͤßern kann,
                                 wenn er die Seide mit Faͤrbestoff uͤberladet. Schwarz, Souci,
                                 Gruͤn, Nankin und ihre Schattirungen lassen sich leicht mit 5 bis 10,
                                 Schwarz mit 15 bis 20 p. C. uͤberladen. Diese Ueberladung hat auch bei
                                 dunkel Carmesin und Ponceaux und bei allen Farben mit Gallung (engallage) Statt, wodurch das Gewicht, zumahl wenn
                                 man istrianische oder spanische Gallaͤpfel nimmt, um 4–6 p. C.
                                 vermehrt wird. Staͤrkeres oder schwaͤcheres Ausringen, Troknen
                                 laͤßt der Seide, die an sich sehr hygroskopisch ist, auch mehr Gewicht
                                 annehmen.“
                              
                           
                              „Ein Faͤrber kann also, wenn er nicht sehr ehrlich und genau seyn
                                 will, sehr leicht, nach den verschiedenen Farben, 5 bis 15 p. C. Ueberschuß an
                                 dem Gewichte der Seide sich machen. Wenn er sich zuweilen in seiner Rechnung
                                 betruͤgt, so haͤngt dieß von dem fruͤheren Betruge an der
                                 Seide ab, der, wie wir oben bemerkten, zuweilen 28 bis 30 p. C.
                                 betraͤgt.“
                              
                           
                              „Fabrikanten, die diese Rechnungen noch nicht angestellt haben, werden
                                 erstaunen, wenn sie hoͤren, daß man weiße Seide um 10 p. C. schwerer
                                 machen kann, und zwar auf eine leichte und einfache Weise, die wir uns aber wohl
                                 huͤthen werden, bekannt zu machen, indem wir wohl wissen, daß die
                                 Faͤrber sie noch nicht kennen.“
                              
                           
                              „Von dem Faͤrber kommt die Seide zur Abwinderinn. Wenn diese untreu
                                 mit der Seide umgeht, ergibt sich leicht ein Abfall von 2 bis 4 p. C. am
                                 Straͤhne, wenn sie die Seide mit Bier, Harn, Salzwasser befeuchtet, oder
                                 mit weißem Wachse, weißer Seife, Wallrath, die dunkleren Farben mit Baum-
                                 oder Mohnoͤhl, mit einer Aufloͤsung von essigsaurem Bleie und mit
                                 der sogenannten Pommade, die aus Oehl und Seife besteht, uͤberstreicht.
                                 Wir sprechen hier nicht von dem Eintauchen der Spulen in siedendes Wasser. Ein
                                 Fabrikant wollte durch Anwendung blechener Spulen diesem Uebel abhelfen: die
                                 Abwinderinn goß Blei in dieselben.“
                              
                           
                              „Wenn die Schweiferinn untreu seyn will, kann auch sie auf
                                 aͤhnliche Weise Zehend nehmen.“
                              
                           
                              „Endlich kommt auch der Weber an die Reihe, an der ihm anvertrauten Seide
                                 zu gewinnen. Er richtet die Kette mit Bier, Harn, Oehl, weißer Seife,
                                 Reiß-Wasser, Wachsseife, Staͤrke, gummi- oder
                                 gallertartigen Aufloͤsungen zu, je nachdem die Farben verschieden sind.
                                 Außer dem Abgange von 1 bis 3 p. C., den der Fabrikant ihm zugeben muß, kann er
                                 wenigstens 2 p. C. an dem Eintrage (Trame) gewinnen,
                                 der seine Zubereitung fuͤr die Schuͤze erhaͤlt.“
                              
                           
                              
                                 
                                    „Man verliert also an einem
                                       Ballen roher Seide von
                                    
                                    
                                    100 Pf.
                                    
                                 
                                    Bei dem Faͤrber,
                                       erlaubt– – – uͤbervortheilt von ihm
                                       oder fruͤherBei der Abwinderinn u. SchweiferinnBei dem
                                       Weber, nebst erlaubtem Abgange
                                    27  8  3  4
                                    
                                       
                                       
                                      42 Pf. im Durchschnitte.
                                    
                                 
                                    Bleiben von 100 Pf.
                                    
                                    
                                      58 Pf.“
                                    
                                 
                              
                           
                              „Die Folgen dieser Abgaͤnge sind noch weit empfindlicher, als diese
                                 selbst. Aus der gestohlenen, um 25 bis 30 p. C. wohlfeiler an gewisse Hehler
                                 (die man Unzen-Schneider, piqueurs d'once)
                                 nennt, verkaufte Seide werden Zeuge wohlfeiler verfertigt, als der rechtliche
                                 Fabrikant sie liefern kann, und zugleich auch schlechter, indem die
                                 zusammengestohlene Seide von sehr verschiedener Guͤte ist. Ein anderer
                                 Nachtheil fuͤr den Fabrikanten entsteht dadurch, daß man ihm aus einem
                                 Ballen Seide von erster Guͤte ein Viertel oder Drittel herausnimmt, und
                                 dafuͤr eben so viel schlechte oder ungleiche zusammengestohlene Seide
                                 hineinfielt, so daß er jezt nur schlechte Waare daraus verfertigen
                                 kann.“
                              
                           Wie diesen Uebeln abzuhelfen ist, versucht der Hr. Verfasser im 2ten Theile seiner
                              Abhandlung.
                           
                        
                           Die Fortsezung folgt im naͤchsten
                                 Hefte.