| Titel: | Ueber Seidenzucht in America. | 
| Fundstelle: | Band 24, Jahrgang 1827, Nr. LXXIII., S. 366 | 
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                        LXXIII.
                        Ueber Seidenzucht in America.
                        Ueber Seidenzucht in America.
                        
                     
                        
                           Wir haben im Polyt. Journ. B. XXII. S. 456 von der Seidenzucht in America bei Gelegenheit der
                              Anzeige einer Rede des Hrn. J. T.
                                 Sharpleß am Maclureau Lyceum Nachricht gegeben. Hr. Gill liefert in N. 61 seines techn. Reposit.
                              S. 33 die Fortsezung dieser interessanten Vorlesung, welche beweiset, daß die
                              Americaner uͤber manchen europaͤischen Gegenstand besser unterrichtet
                              sind, als wir Europaͤer selbst. Mancher deutsche Schriftsteller, der
                              uͤber Seidenbau gelehrt schrieb, ohne denselben in Italien, Frankreich,
                              Spanien gesehen zu haben, koͤnnte am Maclureau-Lyceum in die Schule
                              gehen. Wir wollen hier nur einige Notizen zum Beweise anfuͤhren.
                           
                           Man fuͤttert in Calabrien die Seidenraupen mit dem rothen Maulbeerbaume, weil
                              man glaubt, daß die Seide dadurch staͤrker wird; in Granada mit dem
                              schwarzen. Wenn man aber einer Seidenraupe Blaͤtter vom weißen, rothen und
                              schwarzen Maulbeerbaume zugleich vorlegt, so frißt sie zuerst die weißen
                              Blaͤtter, dann die rothen, und zulezt erst die schwarzen. Der tatarische
                              Maulbeerbaum (Morus tatarica) ist so gut, wie der rothe.
                              General Mordaut versuchte, nach Miß Rhodes, die Raupen mit Kopfsalat zu
                              fuͤttern, und hielt die Stube und das Futter warm; der Versuch gelang ihm; er
                              hat aber bloß Einen Versuch angestellt.“ Wenn Hr. Sharpleß meint, es waͤre
                              vorteilhafter, Salat als Maulbeerbaͤume zu ziehen, wenn man die Seidenraupen
                              mit Salat fuͤttern koͤnnte, so taͤuscht er sich; denn man
                              wuͤrde weit mehr Grund und Arbeit brauchen, um Salat zu bauen, als um
                              Maulbeerbaͤume zu ziehen. Die Fuͤtterung mit trokenen
                              gepuͤlverten Maulbeer-Blaͤttern, die man etwas befeuchtet, nach
                              Bellardi's oder vielmehr
                              nach chinesischer Art, waͤre ehe zu empfehlen.
                           Sehr richtig ist die Bemerkung, daß, wenn man die Raupen reichlich fuͤttert,
                              sie fruͤher sich einspinnen. Daher werden auch die Chinesen, die sehr fleißig
                              und reichlich fuͤttern, in 23 Tagen mit ihrer Raupenzucht fertig,
                              waͤhrend man bei der europaͤischen Knikerei zuweilen 43 Tage dazu
                              braucht, und dabei noch schlechtere Seide erhaͤlt. „Raupen, die bei
                                 dem Auskriechen aus dem Eie nur ein Quentchen in Allem wiegen, geben, wenn sie
                                 in 23 Tagen sich einspinnen, 50 Loth Seide. Wenn sie 28 Tage lang hingehalten
                                 werden, erhaͤlt man nur mehr 40 Loth, und wenn man sie gar auf 40 Tage
                                 hinauszieht, nur 20 Loth Seide.“
                              
                           Hr. Anderson fand, daß, wenn
                              man frisch geloͤschten Kalk auf den durch die Huͤrde, auf welcher die
                              Raupen gefuͤttert werden, durchfallenden Mist streut, der aus demselben sich
                              entwikelnde Gestank beseitigt wird. Hr. Blancard sah eben diese Wirkung von kohlensaurem Kalke. Die Raupen
                              litten nicht von dem Kalke, wenn er auch dik auf ihrem Ruͤken lag. Man
                              koͤnnte in großen Anstalten wohl auch das Aufsprizen von Kalkchloruͤr
                              versuchen.
                           Hr. Sharpleß sieht mit Recht
                              auf gute Raße. Er zieht spanische Eier und Eier aus dem noͤrdlichen Italien,
                              Genua, Friaul, allen uͤbrigen vor. Er macht mit Recht darauf aufmerksam, daß die Raupen, die,
                              unter gleichen Umstaͤnden, in Masse an einem und demselben Tage aus dem Eie
                              auskriechen, die gesuͤndesten und staͤrksten sind, und allein zur
                              Nachzucht taugen, wozu man die Spaͤtlinge, welche spaͤter ausfallen,
                              eben so wenig verwenden darf, als diejenigen, welche zuerst und viel fruͤher
                              als die uͤbrigen auskriechen. Diese Regel beobachten auch die Chinesen, und
                              selbst auch bei den aus den Cocons auskriechenden Nachtfaltern.
                              „Diejenigen, an welchen die Fluͤgel verbogen, die
                                 Augenbraͤunen kahl, der Schweif troken, der Koͤrper
                                 roͤthlich, blaͤulich oder gelb ist, werden
                                 weggeworfen.“ Hr. Sharpleß gesteht, daß er nicht wisse, ob die schwarze oder die weiße
                              Raupe besser ist; wir haben bei uns in Europa keine schwarzen.
                           Auch in America gilt die Bemerkung, daß die Seide der weißen Cocons die feinste, die
                              der pomeranzenfarbigen die staͤrkste ist, und daß die Seidenraupen auf
                              Huͤgeln besser gedeihen, als in den Ebenen. Hr. Sharpleß unterscheidet sehr richtig die 9
                              verschiedenen Arten von Cocons nach ihrer verschiedenen Guͤte.
                           Er bestaͤtigt die Bemerkung der Miß Rhodes gegen
                              den hochw. Hrn. Swayne, daß
                              man die Puppen durch bloßes Eintauchen der Cocons in siedendes Wasser
                              waͤhrend 2–3 Minuten nicht toͤdten kann, durch eigene
                              Erfahrung. Das Toͤdten der Puppen mittelst siedend heißen Wasserdampfes,
                              welches man in neueren Zeiten fuͤr eine neue Erfindung hielt, ist eine uralte
                              chinesische Sitte: die Chinesen bedienen sich hierzu aber des Salzwassers. Hr.
                              Pullein, der in Georgia
                              schon im J. 1758 uͤber Seidenzucht schrieb, empfahl schon damahls die Puppen
                              mittelst heißer Daͤmpfe zu toͤdten.
                           Sehr richtig ist auch die so oft unbeachtet gebliebene Bemerkung, daß man die Cocons,
                              sie moͤgen im Bakofen oder durch Daͤmpfe getoͤdtet worden seyn,
                              noch eine Nacht uͤber warm in Tuͤchern eingeschlagen lassen muß, um
                              die Thiere vollkommen zu erstiken, die sonst sehr oft nach diesem Roͤsten und
                              Sieden noch am Leben bleiben.
                           Hr. Sharpleß scheint die neueren, von uns im polytechn. Journale B. XX. S. 413 angefuͤhrten, in Spanien
                              angestellten Versuche, die Seide kalt von den Cocons abzuwinden, nicht zu kennen,
                              indem er sagt, daß kaltes Wasser den Faden rauh und sproͤde macht, und daß
                              auf die Temperatur des Wassers sehr viel ankommt: richtiger ist die Bemerkung, daß nur
                              weiches Wasser, Regenwasser, Flußwasser zum Abhaspeln taugt.
                           Ueber dieses Abhaspeln oder Abwinden hat Hr. Sharpleß mehr gesammelt, als viele seiner
                              Vorgaͤnger; es ist aber beinahe unmoͤglich, diesen aͤußerst
                              wichtigen Gegenstand, an welchem so vieles gelegen ist, in einer kleinen Abhandlung
                              von wenigen Zeilen zu erschoͤpfen: es reicht kaum ein tuͤchtiger Band,
                              die Erfahrung von Jahren, und eine Meisterhand hin, hieruͤber etwas
                              Vollkommenes zu liefern.
                           Hr. Sharpleß fuͤhrt die
                              Angaben vieler Schriftsteller uͤber die Menge Seide an, die man von einer
                              gewissen Menge Raupen erhaͤlt, und die natuͤrlich sehr von einander
                              abweichen, und abweichenmuͤssen. Viele derselben sind bei uns bekannt; wir
                              bemerken hier nur die bei uns weniger bekannten. Hr. Chazal erhielt auf Isle de France 180 franz.
                              Unzen aus 55,000 Cocons. Hr. Pullein 5 Pf. Troy Gewicht aus 16480 Cocons. Dr. Morgan in Philadelphia etwas weniger. Hr. Fitch zu Mansfield in Connecticut 5 Pf., aus
                              15000, was der Berechnung des Hrn. Williams sehr nahe kommt. Nach dem Belichte der
                              Filatur zu Philadelphia vom J. 1770 kamen auf eine Unze Eier oder 40,000 Raupen
                              zwischen 8 bis 10 Pf. Leide.
                           Der weiße Maulbeerbaum gedeiht auch in Nordamerica in jedem Boden sehr gut. Hr.
                              Sharpleß empfiehlt die Vermehrung durch Steklinge, die in America die
                              gewoͤhnlichste ist. Die Chinesen ziehen ihn aus Samen, bloß um die besten
                              Baͤume daraus auszuwaͤhlen. Sie bauen die Samen zugleich mit Hirse an,
                              welche die jungen Baͤume beschattet, und zuͤnden, wenn die Hirse
                              troken geworden ist, das Feld an. Die dadurch abgebrannten Maulbeerbaͤume
                              treiben im naͤchsten Jahre sehr freudig wieder.