| Titel: | Bemerkungen über den sogenannten Purpur des Cassius, von M. Marcadieu, Beamten an der Münz-Direction zu Paris. | 
| Fundstelle: | Band 24, Jahrgang 1827, Nr. XCVIII., S. 437 | 
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                        XCVIII.
                        Bemerkungen uͤber den sogenannten Purpur
                           des Cassius, von M.
                              Marcadieu, Beamten an der Muͤnz-Direction zu
                           Paris.
                        Aus den Annales de Chimie et de Physique. Febr. 1827.
                              S. 147–152.
                        Marcadieu's, Bemerkungen uͤber den sogenannten Purpur des
                           Cassius.
                        
                     
                        
                           Der Purpur des Cassius, von welchem bekanntlich so viele
                              schoͤne Anwendungen in den Kuͤnsten gemacht werden, hat nach einander
                              sehr viele Chemiker beschaͤftigt. Die Hrn. Proust und Oberkampf haben ihn ganz insbesondere
                              untersucht, aber sie kamen jedesmal auf die Frage zuruͤk, die sie nicht
                              loͤsen konnten: Ist das Gold in dieser Verbindung in metallischem
                              Zustande?
                           Hr. Oberkampf hat im Laufe
                              seiner Arbeit einige sehr interessante Beobachtungen uͤber die verschiedenen
                              Farbenabstufungen gemacht, die von der groͤßern oder geringern Menge der
                              Aufloͤsung des salzsauren Goldoxydes oder des salzsauren ZinnoxydulsHr. Oberkampf hat
                                    gefunden, daß der Niederschlag, welchen die Aufloͤsungen von
                                    salzsaurem Zinnoxydul und salzsaurem Goldoxyd erzeugen, sowohl in seiner
                                    Farbe, als auch in seiner Zusammensezung verschieden ist, je nachdem die
                                    Aufloͤsungen mehr oder weniger concentrirt sind, und mehr oder
                                    weniger sauer, und je nachdem von der einen oder der anderen mehr zugesezt
                                    worden ist. Wenn die beiden Aufloͤsungen concentrirt sind, so besteht
                                    der Niederschlag bloß aus metallischem Golde, welches aber eine schwarze
                                    Farbe erhaͤlt, wenn man viel Zinnausloͤsung anwendet. Wenn
                                    hingegen die Aufloͤsungen mit Wasser stark verduͤnnt sind, und
                                    sollten sie auch sehr sauer seyn, so wird der Niederschlag purpurfarben,
                                    oder purpurfarben mit einem Stich ins Rosenrothe oder mit einem Stich ins
                                    Violette; er erhaͤlt eine Purpurfarbe oder diese mit einem Stich ins
                                    Rosenrothe, wenn das salzsaure Gold uͤberschuͤßig ist;
                                    hingegen eine Purpurfarbe mit einem Stich in's Violette, wenn das salzsaure
                                    Zinnoxydul vorherrscht; die rosenrothe oder violette Farbe des
                                    Niederschlages faͤllt uͤbrigens desto dunkler aus, je nachdem
                                    der Ueberschuß des salzsauren Salzes, dem er sie verdankt,
                                    betraͤchtlicher ist. In einem solchen Niederschlag, der sehr
                                    schoͤn violett war, fand Hr. Oberkampf
                                    60,18 Zinnoxyd und 39,82 Gold; in einem anderen, der schoͤn purpurroth war, 20,58 Zinnoxyd und 79,42 Gold. A.
                                    d. R. entspringen, wenn man diese mit jener oder jene mit dieser versezt; aber
                              nachdem er alle diese Farbenabstufungen beschrieben hat, schließt er seine Abhandlung
                              folgendermaßen: „um zu erfahren, welcher Proceß bei der Bildung dieses
                                 Koͤrpers vorgeht, muͤßte man noch den Zustand bestimmen, in
                                 welchem das Gold darin vorhanden ist; diese Frage ist aber sehr schwer zu
                                 beantworten, obgleich es allem Anscheine nach sich darin nicht ganz in
                                 metallischem Zustande befindet, wie dieß Hr. Proust meint, sondern noch eine geringe
                                 Menge Sauerstoff enthaͤlt.“ Offenbar beruht aber leztere
                              Meinung auf keiner Thatsache; dagegen darf ich wohl glauben, daß die wenigen
                              Versuche, die ich nun anfuͤhren will, den Chemikern uͤber die Natur
                              dieser Verbindung mehr Aufschluß geben werden: denn diese zeigen ihnen, durch
                              welches Zwischenmittel sie gebildet werden kann, und gerade dadurch wird die Sache
                              auf eine Weise ins Klare gesezt, wie die aͤlteren Versuche dieß nicht
                              konnten.
                           Da ich bei der Direktion der Muͤnze zu Paris angestellt bin, und alles Gold
                              und Silber zu probiren habe, welches in diesem Institute verarbeitet werden muß, so
                              hatte ich oͤfters Gelegenheit, sie von jedem Gehalte zu probiren, und auch
                              solches, das einige Spuren eines nur zufaͤllig darin vorkommenden
                              Koͤrpers enthielt. Bei der Untersuchung von Stangen von Silber lezterer Art
                              bemerkte ich einen auffallenden Unterschied zwischen dem Metalle, wovon z.B. ein
                              Gramm zuvor auf der Kapelle mit Blei abgetrieben, und dann mit Salpetersaͤure
                              behandelt worden war, und demjenigen, welches nicht auf diese Art gereinigt war.
                           Im ersteren Falle naͤmlich fand sich das Gold, wenn die Probe einige
                              Tausendstel davon enthielt, auf dem Boden des Kolbens in metallischem Zustande, und
                              dieses nahm auch, wenn man es sorgfaͤltig in einem kleinen Tiegel sammelte,
                              beim Ausgluͤhen seine characteristische schoͤne gelbe Farbe an. Im
                              zweiten Falle aber war das Resultat ganz verschieden, denn der Ruͤkstand nach
                              der Behandlung mit reiner Salpetersaͤure ist rosenroth, zuweilen violett und
                              zeigt auch verschiedene Farbenabstufungen, die sich aber alle in's Purpurne ziehen.
                              Die geringe Quantitaͤt, die ich jedesmal davon erhielt, gestattete mir nicht,
                              sogleich eine chemische Untersuchung damit vorzunehmen; nachdem ich mir aber davon
                              eine hinreichende Menge verschafft hatte, fing ich damit an und fand bald, daß die
                              einfachen Saͤuren ganz und gar nicht darauf wirken. Ich versuchte nun die
                              Salpeter-Salzsaͤure (Koͤnigswasser), und uͤberzeugte
                              mich durch diese, daß die Substanz nichts als die Verbindung des Zinnoxydes mit Gold
                              ist, welche man unter dem Namen Purpur des Cassius kennt. Ich verwunderte mich,
                              diese Verbindung hier auf eine von dem gewoͤhnlichen Verfahren ganz
                              verschiedene Art sich bilden zu sehen, und da ich einen starken Beweiß, daß das Gold
                              in derselben nicht im Zustande von Oxyd seyn wird und auch nicht kann, darin fand,
                              daß die Salpetersaͤure auf dieses Metall gar keine Wirkung hat, so stellte
                              ich folgende Versuche an.
                           Ein Gramm ganz reines Silber wurde mit zwei Tausendstel Gold in einem Kapellenofen
                              legirt. In dem Augenblike, wo der kleine Metallkuchen fest zu werden anfing, wurden
                              fuͤnfzig Tausendstel Zinn hineingeworfen, und um die Oxydation desselben zu
                              verhindern, wurde das Gefaͤß sogleich verschlossen. Der kleine Kuchen wurde
                              sodann in einen Kolben mit Salpetersaͤure gebracht und damit gelinde
                              erwaͤrmt. Die Saͤure wirkte bald ein, und sobald die Gasblasen
                              nachzulassen anfingen, erschien die rosenrothe Farbe; durch das
                              uͤberschuͤßige Zinnoxyd, welches nicht in die Verbindung eingegangen
                              war, schien diese Farbe jedoch etwas veraͤndert. Der Niederschlag, von
                              welchem die uͤberschuͤßige Saͤure entfernt worden war, wurde
                              wieder mit destillirtem Wasser aufgenommen und sorgfaͤltig auf einem vorher
                              gewogenen Filter gesammelt; er wog fuͤnf und sechszig Tausendstel, welche den
                              zwei Tausendstel Gold und den fuͤnfzig Zinn, die in Peroxyd
                              umgeaͤndert waren, entsprechen. Die hier gegebenen Verhaͤltnisse sind
                              das Mittel aus mehreren uͤbereinstimmenden Versuchen, bei welchen jedesmal
                              eine ausserordentlich empfindliche Probirwage angewandt wurde.
                           Da es sehr schwierig ist, eine geringe Quantitaͤt Zinn mit einem Metalle, z.B.
                              Silber zu legiren, so fing ich an, es geradezu in die Salpetersaͤure zu
                              bringen, in welcher das Silber war, das einige Tausendstel Gold enthielt, worauf ich
                              die Oxydation des einen und die Aufloͤsung des andern durch eine gelinde
                              Waͤrme befoͤrderte: die Verbindung entstand dadurch eben so leicht und
                              eben so schnell, als wenn das Zinn mit dem goldhaltigen Silber legirt worden war,
                              und die purpurne Farbe erschien dabei jedesmal. Wenn ich aber Zinnoxyd in
                              Beruͤhrung mit Salpetersaͤure und Silber brachte, erfolgte nicht
                              dasselbe, sondern dieses loͤste sich auf, ohne daß das Gold, was es enthielt, sich mit dem
                              Zinnoxyd verband. Wie soll man nun dieses verschiedene Verhalten erklaͤren,
                              es sey denn durch die Annahme, daß das Zinnoxyd sich mit dem Golde nur unter solchen
                              Umstaͤnden verbinden kann, wo es erst zu Oxyd wird? Man weiß ja, daß mehrere
                              Koͤrper sich mit anderen nur in dem Augenblike verbinden, wo sie neu
                              erscheinen; man darf daher die Sache wohl auf diese Art erklaͤren, und diese
                              Erklaͤrungsart ist in der That auch die natuͤrlichste.
                           Ich habe bei den vorhergehenden Versuchen nur Salpetersaͤure angewandt; da ich
                              nun aber auch noch irgend eine andere Saͤure gebrauchen wollte, um zu sehen,
                              ob die Erscheinung eben so gut entstehen wuͤrde, so bereitete ich zwei
                              Legirungen, die eine bloß aus Zinn und Gold, die andere aus Zink, Gold und Zinn, so
                              daß die beiden leztern Metalle darin in einer im Verhaͤltnisse zum Zink sehr
                              geringen Quantitaͤt vorhanden waren. Von jeder dieser beiden Legirungen
                              uͤbergoß ich einen Theil mit Salzsaͤure; aber das Zink und Zinn
                              loͤsten sich auf, ohne daß sich eine Farbe erzeugte, und die Goldtheilchen
                              zeigten sich am Boden des Gefaͤßes. Wahrscheinlich verhinderte die
                              Verwandtschaft der Salzsaͤure zum Zinnoxyd hier die Bildung des Purpurs des
                              Cassius; die Leichtigkeit, womit die Verbindung selbst sich in
                              Salpeter-Salzsaͤure aufloͤst, gibt meiner Meinung wenigstens
                              viel Gewicht. Da die Salzsaͤure nicht so wirkte, wie ich es wuͤnschte,
                              so ließ ich die Salpetersaͤure auf diese beiden Legirungen einwirken. Der
                              Purpur zeigte sich bald in jedem Gefaͤße, bloß mit dem Unterschiede, daß
                              derjenige, welchen die Zinklegirung erzeugte, vorzuͤglicher war, als
                              derjenige, den ich bisher erhalten hatte.
                           Die wenigen Versuche, die ich bis jezt angefuͤhrt habe, werden, wie ich
                              glaube, hinreichen, um den Zweifel, den man bisher hatte, zu nehmen, ob
                              naͤmlich das Gold in dieser Verbindung wirklich in metallischem Zustande
                              enthalten ist. Ich schließe diese kleine Abhandlung mit einer Bemerkung fuͤr
                              diejenigen, welche den Handel mit Silber treiben, und besonders fuͤr die
                              Probirer, welche meistens zu entscheiden haben, ob diese oder jene Silberstange
                              goldhaltig ist; sie werden naͤmlich immer Purpur des Cassius erhalten, wenn
                              die Substanz einige Atome Zinn enthaͤlt, wenigstens wenn das
                              Probestuͤk nicht auf der Kapelle mit Blei abgetrieben worden ist, welches
                              jedoch meistens geschieht. Dieses unterlaͤßt man aber zuweilen im
                              Gedraͤnge der
                              Arbeit, und dann kann es einen sehr nachtheiligen Irrthum veranlassen, wenn die von
                              mir angegebene Erscheinung Statt finden sollte, denn die Verbindung, welche sich
                              gebildet hat, wurde in der Saͤure in einem so fein zertheilten Zustande seyn,
                              daß man glauben koͤnnte, das Probestuͤk enthalte kein Gold; wenn man
                              aber auch diese rothe Substanz bemerken wuͤrde, und sie in einem kleinen
                              Tiegel sammelte, um sie zu gluͤhen, so wuͤrde sie doch nicht die gelbe
                              Farbe des Goldes annehmen, sondern nach starkem Erhizen schwaͤrzlichgrau
                              erscheinen.