| Titel: | Ueber Kalk und Soda-Chloride. Von R. Phillips. F. R. S. L. X. E. etc. | 
| Fundstelle: | Band 25, Jahrgang 1827, Nr. XXV., S. 73 | 
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                        XXV.
                        Ueber Kalk und Soda-Chloride. Von R. Phillips. F. R. S. L. X.
                           								E. etc.
                        Aus dem Philosophical Magazine. Mai. S.
                              								376.
                        (Im
                              								Auszuge.)
                        Phillips, uͤber Kalk und Soda-Chloride.
                        
                     
                        
                           Wenn diese durch Labarraque
                              									Die Prioritaͤt der Anwendung des Chlorkalks zu den angefuͤhrten
                                    											Zweken gehoͤrt unserem Landsmanne, dem Hrn. Apotheker Ritter v. Stahl
                                    											in Augsburg. (Vergl. polyt. Journ. Bd. XVI. S. 372.) A. d.
                                    											Red. nicht bloß in Frankreich, sondern auch in England (und Deutschland) so sehr
                              									in Anwendung gekommene Chloride nur die Haͤlfte der Kraͤfte besizen,
                              									die man ihnen zuschreibt, so sind sie aͤußerst wichtige Dinge, deren Natur
                              									und Wirkungs-Art genauer, als bisher, untersucht zu werden verdient.
                           Kalk-Chlorid war lang schon unter dem Namen Bleichpulver, oxigenirt kochsalzsaurer
                              									Kalk, Kalk-Oximuriat bekannt. Man bereitet es bekanntlich dadurch, daß man
                              									Chlorin-Gas uͤber geloͤschten Kalk (Kalkhydrat) ziehen laͤßt,
                              									welcher dann in Wasser geworfen das Kalk-Chlorid liefert. Man bereitet ihn auch
                              									dadurch, daß man das Gas durch Wasser ziehen laͤßt, in welchem Kalk
                              									eingeruͤhrt ist.Die vortheilhaftesten Bereitungsarten, sowohl des trokenen, als des
                                    											fluͤßigen Chlorinkalkes findet man im polyt. Journal Bd. III. S. 403.
                                    											ausfuͤhrlich beschrieben. A. d. Red. Dieses Kalk-Chlorid wird nun mit Erfolg, als ein Reinigungs-Mittel der Luft,
                              									Mittel gegen Faͤulniß und Gestank, mit einem Worte, als sogenanntes
                              									desinficirendes Mittel angewendet.
                           Das Daseyn eines Pottasche- oder Soda-Chlorides war bisher weniger bekannt. Man kennt
                              									jezt zwei Methoden zur Bereitung derselben; die eine von Labarraque, die andere von Payen. Ersterer
                              									laͤßt Chlorin-Gas durch eine Aufloͤsung von kohlensaurer Soda ziehen;
                              									lezterer zersezt Kalk-Chlorid durch Soda.
                           Ich habe beide Methoden versucht; beide sind leicht anwendbar. Chlorin-Gas wird von
                              									einer Aufloͤsung von kohlensaurer Soda leicht verschlukt, ohne daß
                              									Kohlensaͤure ausgeschieden wird; die Aufloͤsung riecht etwas nach
                              									Chlorine; wenn sie erhizt wird, entwikelt sich kaum etwas Chlorine, und die
                              									Aufloͤsung wirkt
                              									anfangs wie Alkali auf Curcumaͤ-Papier, und bleicht es endlich
                              									gaͤnzlich. Wenn Saͤure zugesezt wird, so entwikelt sich Chlorine und
                              									kohlensaures Gas.
                           Wenn man sie bis zur Erscheinung eines Haͤutchens abdampft, so bildet sich
                              									bald eine Masse faseriger Krystalle von beinahe teigiger Consistenz, was von der
                              									durch die Capillar-Attraction der Krystalle zuruͤkgehaltenen
                              									Fluͤßigkeit herruͤhrt. Nach Abnahme dieser Krystalle gibt die
                              									Aufloͤsung kleine Krystalle von kohlensaurer Soda in der gewoͤhnlichen
                              									Form.
                           Die faserigen, fadenfoͤrmigen Krystalle sind zu klein, als daß man ihre Form
                              									genau untersuchen koͤnnte. Sie scheinen nur aus Chlorine, Kohlensaͤure
                              									und Soda, oder aus einer Verbindung von Chlorine mit kohlensaurer Soda zu bestehen.
                              									Eine Indigo-Aufloͤsung in Schwefelsaͤure wird durch dieselben auf der
                              									Stelle entfaͤrbt, und es entwikelt sich Chlorine mit Kohlensaͤure. Ich
                              									habe sie bisher noch nicht analysiren koͤnnen; habe aber gefunden, daß, wenn
                              									man sie an freier Luft troknet, sie, vielleicht durch Einwirkung der
                              									Kohlensaͤure, so viel Chlorine verlieren, daß sie nicht zwei p. C. Chlorine
                              									mehr beigemengt enthalten. Ich habe auch die Aufloͤsung, die durch Zersezung
                              									des Kalk-Chlorides mittelst der kohlensauren Soda entsteht, nicht genau untersucht;
                              									ich weiß aber, daß sie auch nach dem Kochen noch ihre bleibende Kraft
                              									behaͤlt, und durch Abdampfung Krystalle liefert.
                           In dem lezten Stuͤke des Philos. Mag. wurde von
                              									einem Aufsaze des Dr. Granville (vergl. polyt. Journ. Bd. XXIV. S. 375.) gesprochen,
                              									die er uͤber die Natur und Wirkung des Soda-Chlorides schrieb, und vor der
                              										Royal Society vorlas. Nach seiner Ansicht
                              									haͤngt die desinficirende Eigenschaft des Soda-Chlorides einzig und allein
                              									von dem unverbundenen Chlorin-Gas ab, welches das Wasser aufgeloͤst
                              									enthaͤlt. Wenn wir dieß fuͤr einen Augenblik zugeben und annehmen
                              									wollen, daß kein Soda-Chlorid existirt, so laͤßt doch die Wirkung des
                              									Kalk-Chlorides sich nicht auf aͤhnliche Weise erklaͤren, und es ist
                              									sonderbar, daß Dr. Granville auf diese leztere gar keine
                              									Ruͤksicht nahm, obschon, nach Hrn. Labarraque, es
                              									allgemein zu demselben Zweke bei Reinigung der Gebaͤude angewendet wird,
                              									waͤhrend Soda-Chlorid vorzuͤglich „oͤrtlich und
                                 										aͤußerlich zur Reinigung fauler Wunden und Geschwuͤre“
                              									angewendet wird, (Alcock
                              									on the use of Chlorurets, p. 126.)
                           
                           Einige neuere Versuche haben auf die entschiedendste Weise erwiesen, daß die von Dr. Granville gegebene Erklaͤrung nicht ganz
                              									richtig ist. Hr. Gaultier de Glaubry (vergl. polyt. Journal Bd. XXIII. S. 447.) hat
                              									gezeigt, daß Luft, die durch faules Blut durchzog, und spaͤter durch eine
                              									Aufloͤsung von Kalk-Chlorid, vollkommen geruchlos und vollkommen gereinigt
                              									wurde, dabei aber kohlensauren Kalk niederschlug. Bei einem aͤhnlichen
                              									Versuche wurde die stinkende Luft durch eine gesaͤttigte Aufloͤsung
                              									von kaustischer Pottasche geleitet, wo dann das Kalk-Chlorid nicht mehr auf dieselbe
                              									wirkte, und sie ihren unausstehlichen Gestank behielt. Hierdurch wird die Einwirkung
                              									der Kohlensaͤure der stinkenden Luft auf Entwikelung der Chlorine, durch die
                              									sie gereinigt wird, entschieden.
                           Ich habe bereits bemerkt, daß Soda-Chlorid selbst durch Sieden seine bleichende
                              									Eigenschaft nicht verliert: ein neuer Beweis, daß seine Wirkung nicht bloß von dem
                              									Gase abhaͤngt, welches in derselben Aufloͤsung erhalten wird; denn man
                              									wird kaum behaupten koͤnnen, daß irgend ein Umstand Chlorine im Wasser bei
                              									der Siedehize weniger zuruͤkhalten kann, als Verbindung. Es behaͤlt
                              									auch seine Kraft selbst nach dem Abrauchen zur Trokenheit noch in bedeutendem
                              									Grade.
                           Dr. Granville gibt an, daß dieses Salz ein Gemenge aus
                              									73,53 Sodium-Chlorid, und 28,47 chlorsaurer Soda ist. Ich sehe nicht ein, wie er zu
                              									diesem Resultate gelangte, weder durch Rechnung noch durch Versuche. Hr. Labarraque sagt, daß bei Soda-Chlorid-Bereitung 288
                              									Theile krystallisirter kohlensaurer Soda die Chlorine erhalten muͤssen, die
                              									bei Zersezung von 66 Theilen Kochsalz entwikelt wird.
                           Da nun 288 das Aequivalent von 2 Atomen krystallisirter, kohlensaurer Soda ist, so
                              									wird Chlorine von 2 Atomen, = 120 gemeinen Kochsalzes, erfordert, um jene in
                              									Sodium-Chlorid und chlorsaure Soda umzuwandeln; und selbst, wenn man zugibt, was,
                              									wie ich glaube, nicht der Fall ist, daß die Chlorine von 66 Theilen gemeinen Salzes
                              									die kohlensaure Soda, so viel es moͤglich ist, in chlorsaure Soda und
                              									Sodium-Chlorid umwandelt, so ist diese Menge so wenig hinreichend, daß das trokene
                              									Salz aus beinahe
                           
                              
                                   45
                                 Sodium-Chlorid 
                                 
                              
                                   16
                                 chlorsaure Soda 
                                 
                              
                                   39
                                 kohlensaure Soda,
                                 
                              
                                 ––––
                                 
                                 
                              
                                 100
                                 
                                 
                              
                           bestehen muß.