| Titel: | Ueber die Spindeln für Spinnmühlen, und die Maschine zum Kardätschen-Machen des Hrn. Saulnier. | 
| Fundstelle: | Band 25, Jahrgang 1827, Nr. CVIII., S. 376 | 
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                        CVIII.
                        Ueber die Spindeln fuͤr
                           								Spinnmuͤhlen, und die Maschine zum Kardaͤtschen-Machen des Hrn. Saulnier.
                        Saulnier, uͤber die Spindeln fuͤr
                           								Spinnmuͤhlen.
                        
                     
                        
                           Das Bulletin de la Société
                                    											d'Encouragement gibt im N. 275 S. 166, einige sehr
                              									interessante Notizen uͤber die Arbeiten des Hrn. Peter Saulnier, eines Zoͤglinges der Rochefoucauld'schen Schule zu Chalons, und des beruͤhmten
                              									Uhrmachers, Louis Berthoud, zu Paris. Bei diesem
                              									beurkundete Hr. Saulnier seine Geschiklichkeit schon
                              									fruͤhe dadurch, daß er an dem Regulator der Chronometer nach dem Grundsaze
                              									des Hrn. Harrison, Kupfer- und Stahlplatten an ihrer
                              									Kante so zusammenloͤthete, daß die Loͤthung selbst ganz und gar
                              									unmerklich blieb. Hierdurch hatte er der Uhrmacherkunst einen bedeutenden Dienst
                              									geleistet. Nach Berthoud's Tode im Jahre 1813 ging Saulnier in sein vaͤterliches Haus zuruͤk,
                              									und fabricirte mit daselbst Spindeln fuͤr die Baumwollen-Spinnmuͤhlen
                              										(Mule-Jennies) nach einer neuen Art.
                           Diese Spindeln muͤssen vollkommen gerade seyn, d.h. ihre Spize und der Zapfen,
                              									auf welchem sie sich drehen, muß in derselben geraden Linie liegen, die durch den
                              									Mittelpunkt des Koͤrpers der Spindel laͤuft; sie muß genau zugerundet,
                              									und ihr Hals auf einer gewissen Laͤnge vollkommen walzenfoͤrmig seyn,
                              									damit sie waͤhrend ihres Auf- und Niedersteigens immer genau in den
                              									Loͤchern der Buͤhne bleibt, durch welche sie laͤuft.
                           Diese Spindeln sind zwischen 13 und 14 1/2 Zoll lang. Leztere Laͤnge ist
                              									besser, indem sie eine hinlaͤngliche Streke zur Aufnahme der Spule
                              									darbiethet, und so den unteren Theil laͤnger werden laͤßt, als den
                              									oberen, folglich sich besser in ihrer Lage erhaͤlt, und auch erlaubt, die.
                              									Naͤsse oder die kleinen Rollen auf den Spindeln von Zeit zu Zeit weiter von
                              									einander zu entfernen, und eine groͤßere Entfernung zwischen der Spize des
                              									Zapfens, und der derselben zunaͤchst gelegenen Rolle zu erhatten, wodurch zugleich der Zapfen und
                              									seine Pfanne geschont wird. Wenn ferner die Spindel langer ist, so kann man ihr mit
                              									derselben Kraft eine groͤßere Geschwindigkeit mittheilen, als bei einer, vom
                              									Halse nach abwaͤrts an kuͤrzeren, Spindel nicht moͤglich
                              									ist.
                           Nach diesen Grundsaͤzen hat Hr. Saulnier nun
                              									bereits Millionen Spindeln verfertigt, die die trefflichsten Dienste leisten. Die
                              									Werkstaͤtten zur Verfertigung derselben sind mit aller Sparsamkeit und
                              									Umsicht angelegt. Er hat in denselben eine Maschine zum Theilen und Spalten der
                              									Zahnraͤder von allen Formen bis auf 3 Meter im Durchmesser, und 22 Centimeter
                              									oder 8 Zoll Dike, die sehr sinnreich ist. Statt der sogenannten Erdbeere (fraise) hat er nur einen Griffel, der die Zaͤhne
                              									zugleich spaltet und zurundet.
                           Die Zapfen der Achse, die den Griffel traͤgt, laufen in Pfannen, die in der
                              									Mitte mit einem sehr kleinen Loche versehen sind, welches in einen
                              									Oehlbehaͤlter leitet. Dadurch gewinnt man den Vortheil, daß diese Zapfen sich
                              									nicht erhizen, und man der Achse eine Geschwindigkeit von 7–8000 Umdrehungen
                              									in Einer Minute geben kann. Man beschleunigt hierdurch die Arbeit ungemein, und
                              									erspart an den Kosten des Unterhaltes. Der Griffel, der mit dieser außerordentlichen
                              									Schnelligkeit getrieben wird, gewahrt alle Vortheile der Erdbeere, ohne die
                              									Nachtheile derselben zu besizen: man weiß, wie viele Schwierigkeiten mit der
                              									Errichtung derselben verbunden sind, und wie kurz ihre Dauer ist. Hr. Saulnier hat bereits sechs solche Theilungs- und
                              									Spaltungs-Maschinen fuͤr andere Werkstaͤtten verfertigt.
                           Wieviel an einem zwekmaͤßig eingerichteten Wasserrade gelegen ist, sehen wir
                              									hier gleichsam im Vorbeigehen an einem Wasserrade einer Spinn-Muͤhle zu
                              									Ferté-Aleps. Es war daselbst ein Kreisel-Rad nach White's Systeme mit einem Wasserfalle von 5', 9'' Hoͤhe, und 4,200
                              									Kubikfuß Wasser in Einer Minute angebracht, und die dadurch erhaltene Kraft war nur
                              									gleich einer Kraft von 18 Pferden. Hr. Saulnier
                              									errichtete dafuͤr ein Rad von 19 Fuß im Durchmesser und 19 Fuß Breite, und
                              									erhielt dadurch die Kraft von 80 Pferden. Mit diesem Rade werden jezt
                              									taͤglich 1000 Pfund Garn von Nr. 30 bis 40 gesponnen, waͤhrend ehevor
                              									in Einem Tage mit dem White'schen Rade nur 150 Pfund Garn
                              									von denselben Nummern gesponnen wurden.
                           
                           Alle zu den Vorarbeiten an der zu obigen 1000 Pfund Garn noͤthigen Baumwolle
                              									gehoͤrigen Maschinen, Klopf-, Krampet- und Streichwerke werden durch dieses
                              									Rad gleichfalls in Bewegung gesezt.
                           Im Jahre 1819 erfand Hr. Saulnier eine Verbesserung an dem
                              									Drahtzuge, vorzuͤglich an jenen Draht-Nummern, die man zu Kardaͤtschen
                              									braucht. Durch diese Verbesserung kann ein einziger Arbeiter 12 Drahtzuͤge
                              									auf ein Mahl bedienen, und folglich 6 Mahl mehr Draht liefern, als nach der
                              									bisherigen Weise. Die HHrn. Primois Pescher zu l'Aigle
                              									bedienen sich dieser Maschine seit 1823, und ihr Draht wird, vorzuͤglich zu
                              									Kardaͤtschen, sehr gesucht.
                           Diese Verbesserung im Drahtzuge fuͤhrte Hrn. Saulnier auf Verbesserung der Kardaͤtschen-Fabrikation.
                           Er uͤberzeugte sich sehr bald, daß das Leder, auf welchem die
                              									Kardaͤtschen-Stifte aufgezogen werden muͤssen, uͤberall von
                              									gleicher Dike seyn, und daß diese Dike des Leders mit der Feinheit der Draht-Nummer,
                              									aus welcher eine gewisse Kardaͤtsche verfertigt wird, in Verhaͤltniß
                              									stehen muß.
                           Um nun dem Leder gleiche Dike zu geben, bedient er sich folgender einfachen Maschine.
                              									Eine Metallplatte, deren Oberflaͤche vollkommen gleich und eben ist, und ein
                              									auf Zapfen aufgezogenes Messer von der Form eines gewoͤhnlichen
                              									Gaͤrber-Messers an dem einen Ende dieser Platte, auf welchem die Platte und
                              									das Messer ruht, bildet diese ganze Maschine. Man darf nur die Klinge des Messers
                              									mehr oder weniger gegen die Flaͤche der Platte neigen, und das Leder zwischen
                              									der Platte und der Schneide des Messers durchziehen, und man hat dem Leder von einem
                              									Ende bis zu dem anderen gleiche Dike gegeben.
                           Um dem Messer nun eine groͤßere oder geringere Neigung zu geben, die man nach
                              									Belieben wechseln kann, um dadurch dem Leder die verlangte Dike zu verschaffen,
                              									bedient man sich zweier Stellschrauben. Das Messer dreht sich auf Zapfen, und man
                              									kann folglich mittelst eines staͤhlernen Streichers die schneide desselben so
                              									oft wezen, als man es noͤthig findet.
                           Die beiden Stellschrauben fuͤhren ein Gegenniet, wodurch der Lauf derselben
                              									auf eine unwandelbare Weise bestimmt wird, sobald er einmahl fuͤr eine
                              									gewisse Lederdike gehoͤrig bemessen ist. Diese Vorrichtung ist um so
                              									noͤthiger, als man jedes Leder oͤfters drei bis vier Mahl zwischen der
                              									Schneide und der Tafel
                              									durchlaufen lassen muß, um demselben die gehoͤrige Dike zu geben, welche
                              									leztere immer mit der Feinheit des Drahtes zu den Zaͤhnen der
                              									Kardaͤtsche im Verhaͤltnisse stehen muß.
                           Je diker also das Leder, desto groͤber der Draht zu den Zaͤhnen, und
                              									umgekehrt. Die staͤrkste Dike des Leders darf nicht mehr als 3 bis 4
                              									Millimeter betragen; die geringste betraͤgt Ein Millimeter. Leztere dient zu
                              									jenen Kardaͤtschen, mit welchen man die ihrer Geschwindigkeit wegen
                              									sogenannten fliegenden Cylinder (cylindres volans) bedekt, die sogenannten Feinmacher (debourreurs).
                           Um gute Kardaͤtschen zu verfertigen, muß das Leder vollkommen
                              									regelmaͤßig durchstochen werden, und diese Regelmaͤßigkeit
                              									gewaͤhren die gewoͤhnlichen Durchstich-Maschinen nicht, weil die
                              									Stechnadeln nicht nach der verschiedenen Dike, in denselben gereiht sind.
                           Ferner muͤssen die Spizen der Stechnadeln so gereiht seyn, daß das obere und
                              									untere Ende der Zaͤhne der Kardaͤtschen, wenn diese in das Leder
                              									eingesezt werden, sich in einer geraden Linie befinden, die von dem Mittelpuncte
                              									nach dem Umfange der Trommel gezogen wird. Diese Richtung ist hoͤchst
                              									nothwendig. Denn, wenn die Spize des Kardaͤtschen-Zahnes uͤber diese
                              									Linie hinaustraͤte, so wuͤrde der Zahn, wenn er Widerstand von Seite
                              									des Stoffes erleidet, den er zu behandeln hat, sich uͤber die anderen
                              									Zaͤhne erheben, sich umkehren, und sich in jenem der benachbarten Trommel
                              									fangen; die Kardaͤtsche wuͤrde sich dann reiben, einen bedeutenden
                              									Abgang und Knollen bilden, wodurch das Garn ungleich werden wuͤrde.
                           Da auf das Durchstechen des Leders unter einem bestimmten Winkel bei Verfertigung der
                              									Kardaͤtschen so viel ankommt, so glaubt Hr. Saulnier die in America hierzu erfundene Maschine sich kommen lassen zu
                              									muͤssen. Er verbesserte aber diese Maschinen, und hat sie im Jahre 1825 zu
                              									einem bedeutenden Grade von Vollkommenheit gebracht. Er schneidet auf seiner
                              									Maschine.
                           1) den Draht seiner Kardaͤtschen-Zaͤhne, und gibt diesen Zaͤhnen
                              									die gehoͤrige Form, ehe er sie in das Leder einsezt. Dadurch vermeidet er den
                              									Nachtheil, Haken von ungleicher Form zu erhalten, was unvermeidlich ist, wenn der
                              									Draht erst nachher gekruͤmmt wird, nachdem derselbe in dem Leder eingesezt
                              									wurde, welches nicht uͤberall von gleicher Staͤrke ist.
                           
                           2) Kann eine Person mit dieser Maschine vier Kardaͤtschen-Tafeln auf ein Mahl
                              									verfertigen.
                           3) Verfertigt seine Maschine zwei Kardaͤtschen-Baͤnder auf ein Mahl;
                              									und da die hierzu bestimmte Kardaͤtschen-Maschine kleiner ist, so kann wieder
                              									Eine Person zwei derselben zugleich besorgen.
                           4) Erzeugt seine Maschine 14 Kardaͤtschen-Tafeln des Tages, wovon jede 18 Zoll
                              									lang, 4 1/2 Zoll breit, und mit 200 Zaͤhnen auf dem Quadrat-Zolle versehen
                              									ist, wenn der Draht von mittlerer Feinheit, Nr. 24, ist. Ein Weib reicht zu dieser
                              									Arbeit hin.
                           Ein Arbeiter, der nach der gewoͤhnlichen Weise arbeitet, wird kaum zwei
                              									Drittel einer solchen Platte in Einem Tage mit Draht befielen koͤnnen.
                           Die zwei Kardatschen-Band-Maschinen geben taͤglich, von Einem Arbeiter
                              									besorgt, 44 Fuß Band von 19 Linien Breite. Nach der gewoͤhnlichen Weise wird
                              									ein Arbeiter nur 3 Fuß solchen Bandes verfertigen.
                           An einer solchen Maschine arbeitet also Ein Arbeiter an Einem Tage eben so viel, als
                              									18 Arbeiter nach der alten Methode aus freier Hand. Da hier die Zaͤhne nicht
                              									durch die Finger der Arbeiter laufen duͤrfen, um in das Leder eingesezt zu
                              									werden, so werden sie auch nicht so leicht rostig, und dauern laͤnger.
                           Die Maschinen zur Verfertigung der Kardaͤtschen des Hrn. Saulnier nehmen wenig Plaz ein, und ersezen zugleich die Maschinen zum
                              									Durchstechen des Leders und zur Kruͤmmung der Zaͤhne, und da das
                              									Einsezen der Zaͤhne sonst die Haͤnde fordert, die immer ungleiche
                              									Arbeit liefern, so faͤllt die Arbeit hier immer gleichfoͤrmiger aus.
                              									Der Widerstand, den diese Maschine darbiethet, ist so gering, daß Ein Arbeiter deren
                              									zwanzig in Bewegung sezen koͤnnte, und doch schneidet jede derselben den
                              									Draht, bildet die Zaͤhne, und sezt sie in das Leder ein: so daß die Maschine
                              									die Kardaͤtschen vollkommen fertig liefert.