| Titel: | Bericht des Hrn. Mérimée, im Namen des Ausschusses der chemischen Künste, über eine Abhandlung des Hrn. Grafen Kartzoff über das in Rußland gebräuchliche Verfahren bei dem Gärben des Leders. | 
| Fundstelle: | Band 27, Jahrgang 1828, Nr. LII., S. 188 | 
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                        LII.
                        Bericht des Hrn. Mérimée, im Namen des
                           Ausschusses der chemischen Kuͤnste, uͤber eine
                           Abhandlung des Hrn. Grafen Kartzoff uͤber das in Rußland gebraͤuchliche Verfahren bei
                           dem Gaͤrben des Leders.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'Encouragement. N. 280. S. 551.
                        Mérimée's Bericht uͤber das in Rußland
                           gebraͤuchliches Gaͤrben des Leders.
                        
                     
                        
                           Hr. Graf Kartzoff, correspondirendes Mitglied dieser Gesellschaft, versprach
                              bei seiner Ruͤkkehr nach Rußland uns Aufklaͤrung uͤber jeden
                              beliebigen Zweig der Industrie seines Vaterlandes zu geben. Der Ausschuß der
                              chemischen Kuͤnste benuͤzte das guͤtige Anerbiethen, und
                              wuͤnschte genaue Nachricht uͤber die Behandlung der Haͤute. Hr.
                              Graf 
                              Kartzoff hat sein Versprechen treu erfuͤllt, und
                              Alles, was wir zu wissen verlangten, ist in seiner Abhandlung klar entwikelt.
                           Diese Abhandlung ist nicht das Resultat verschiedener Auskuͤnfte, die von mehr
                              oder minder unterrichteten Individuen gegeben wurden; sie ist die Frucht eigener
                              Beobachtungen des Verfassers, der absichtlich mehrere Gaͤrbereien in der
                              Naͤhe von Moskau, und in dem Inneren von Rußland besuchte. Die Kenntnisse des
                              Beobachters sind uns Buͤrge, daß kein wichtiger Umstand vernachlaͤßigt
                              wurde.
                           Die Bearbeitung der Haͤute ist eine der aͤltesten Kuͤnste, die
                              ihre Verbesserungen lediglich aus der Erfahrung allein erhalten hat; es darf uns
                              also nicht wundern, daß das rußische Leder im Handel beruͤhmt war, ehe noch
                              die Gaͤrbereien dieses Landes den mindesten Unterricht aus civilisirteren
                              Laͤndern erhielten. Rußland hat jezt in seiner Bevoͤlkerung beinahe
                              alle Grade von Civilisation: man findet jezt daselbst Gaͤrbereien mit allen
                              Einrichtungen, welche eine hoͤhere wissenschaftliche Aufklaͤrung in
                              die Werkstaͤtten der Gaͤrber in Deutschland und England
                              allmaͤhlich eingefuͤhrt hat, und auch noch solche, wo man das
                              Verfahren der Baschkiren aus den Zeiten der Kindheit der Gaͤrberei angewendet
                              und befolgt sieht. In einigen Gegenden des Ural-Gebirges „(so
                                 glauben wir wenigstens die contrées des monts
                                 Oukals uͤbersezen zu
                                 muͤssen),“ werden die Haͤute noch heute zu Tage dadurch
                              gefaͤrbt, daß man sie eine lange Zeit uͤber der Einwirkung des Rauches
                              aussezt, und sie werden bei diesem rohen Verfahren so dicht, so undurchdringlich
                              gegen Naͤsse, daß man sich derselben als Gefaͤße bedienen kann.
                           Undurchdringlichkeit fuͤr Naͤsse ist eine der Haupteigenschaften des
                              rußischen Leders; es verdankt diese Eigenschaft nicht sowohl dem eigentlichen
                              Gaͤrben, das in Rußland von der gewoͤhnlichen europaͤischen
                              Verfahrungsweise bei dieser Arbeit wenig abweicht, als den weiteren Kunstgriffen bei
                              dem Zurichten des Leders. Man bedient sich hierzu des Seehund-Thranes (l'huile de veau marin), und des brennzeligen Oehles,
                              welches man durch Destillation der weißen Birkenrinde erhaͤlt.
                           Man hat vor einigen Jahren in dem Bulletin unserer
                              Gesellschaft ein Verfahren beschrieben, dieses Oehl auf eine sehr einfache Weise
                              mittelst zweier eiserner Kessel per descensum zu
                              bereiten.Polytechn. Journ. Bd. VII. S. 181.
                                    und Bd. VIII. S. 386. A. d. R. Das Verfahren des Grafen Kartzoff ist noch
                              einfacher; es bedarf keiner Kessel, ja nicht einmahl des Brennens des Holzes. Man
                              nimmt irdene Toͤpfe mit einem Loche am Boden, und sezt sie auf Kufen, die als
                              Recipienten dienen. In diese Toͤpfe gibt man die weiße Birkenrinde, die man
                              so fest eintraͤgt, als moͤglich; zuͤndet die Rinde an, die leicht Feuer
                              faͤngt: bedekt den Topf mit einem aͤhnlichen Topfe, dessen Boden
                              gleichfalls mit einem Loche versehen ist, durch welches der dike Rauch
                              ausfaͤhrt, waͤhrend das empyreumatische Oehl nach und nach bei dem
                              Loche an dem unteren Boden ausfließt.Es ist sonderbar, daß weder der Hr. Graf Kartzoff, noch der gelehrte Hr.
                                    Mérimée bemerkt, daß der alte ehrliche Schwede
                                    Kalm diese Methode in seiner Westgothischen Reise schon vor bald 100 Jahren
                                    beschrieben hat. (Vergleiche Boͤhmer's techn. Gesch. d. Pfl. 2. Th. S. 400. A. d.
                                    Ueb. Bei dieser Verfahrungs-Weise geht allerdings Oehl durch den Rauch
                              verloren;Kalm a. a. O. lehrte diesen Verlust vermeiden. A.
                                    d. Ueb. allein, da die Rinde so leicht zu haben ist „(in
                                 Baͤrenlaͤndern, aber nicht bei uns),“ so darf man eben
                              nicht sparen.
                           Man beschaͤftigt sich mit dieser Arbeit gewoͤhnlich im
                              Fruͤhjahre. Einige Birkenoͤhlbrenner nehmen auch duͤnne Reiser
                              mit Birken-Knospen dazu, wodurch der Ausfluß des Oehles beguͤnstigt
                              und weniger Ruß erhalten wird.
                           Wenn man diese duͤnnen Zweige in einem gewoͤhnlichen
                              Destillir-Apparate mit frischer Rinde und etwas Wasser destillirt, so
                              erhaͤlt man ein sehr fluͤßiges, wenig gefaͤrbtes, und angenehm
                              riechendes Oehl, das beinahe wie Rosen riecht.
                           In den Regierungs-Bezirken von Archangel, Wologda, Novogorod, Wiatka, und in
                              mehreren anderen beschaͤftigt man sich mehr oder minder mit dieser
                              Oehlbrennerei; die Ausfuhr desselben ist bedeutend. Die Englaͤnder kaufen
                              viel solches Oehl zu Archangel.
                           Daher kann man sich auch erklaͤren, warum man in England so viel Leder findet,
                              das nach Juften riecht. Die Englaͤnder sind zu kluge Kaufleute, als daß sie
                              in Rußland zugerichtetes Leder kaufen sollten. Sie kaufen nur die Materialien, die
                              man zur Zurichtung des Leders braucht, und erhalten dasselbe um einen hoͤchst
                              wohlfeilen Preis. (das Kilogramm zu 55 Centim. [„2 Pfund um etwas mehr als
                                 14 Kreuzer.“]).
                           Wo man keine Eichenrinde hat, nimmt man Weidenrinde. Diese Rinde ertheilt dem Leder
                              einen eigenen aromatischen Geruch, der sich nicht leicht verliert. Diesen Geruch
                              findet man an dem daͤnischen und schwedischen Handschuhleder („das
                                 davon braͤunlich wird“).
                           Hr. Graf Kartzoff schikte
                              solche Weidenrinde,Man weiß in Deutschland laͤngst, daß Weidenrinde ein gutes
                                    Gaͤrbe-Material ist. Boͤhmer,
                                       Beckmann, Burgsdorf, und auch Pallas
                                    haben uns dieß vor 50 Jahren gelehrt. A. d. Ueb. eine Flasche Birkenoͤhl, und eine Flasche Seehund-Thran
                              etc.
                           Auszug aus der Abhandlung des Hrn. Grafen Kartzoff
                                 uͤber das in Rußland gebraͤuchliche Verfahren bei dem
                                 Gaͤrben des Leders. Von Hrn. Mérimée.
                           
                              „Die wichtigsten Gaͤrbereien Rußlands liegen in den
                                 Regierungs-Bezirken Nischney-Novogorod, Orlow, Moskau, Perm, Kursk
                                 und Wladimir. Kasan besizt eine von Peter dem Großen
                                 gegruͤndete ungeheuere Gaͤrberei, die der Regierung
                                 gehoͤrt, und deren Leder zum Dienste der Flotte bestimmt ist.Das ist eine schlechte Wirtschaft. Staaten sollen keine Fabriken auf ihre
                                       Rechnung betreiben. A. d. Ueb. Was Bok- und Kalbfelle zur Bereitung des Maroquins und
                                 Buchbinderleders (Basane) betrifft, so hat Kasan
                                 sich dieses Zweiges der Industrie ausschließlich bemaͤchtigt. Es sind
                                 vorzuͤglich Tartaren, die in den zahlreichen Werkstaͤtten dieser
                                 Stadt arbeiten. Die Weise, wie sie die Ziegenfelle bearbeiten, weicht von den
                                 gewoͤhnlichen Verfahrungs-Weisen nur darin ab, daß sie sich saurer
                                 Stutenmilch bedienen, in welche sie die Haͤute nach dem Abhaaren bringen.
                                 Diese Bereitungsart gibt dem Maroquin jene Weichheit, die ihn so sehr
                                 auszeichnet, und zu dem verschiedenen Gebrauche, den man von demselben zu machen
                                 pflegt, so sehr eignet.
                              
                           Wenn die Haͤute troken sind, taucht man sie in Wasser, damit sie weich werden.
                              Der Grad ihrer Trokenheit und die Temperatur der Luft bestimmt die Dauer dieser
                              Operation. Im Sommer laͤßt man sie ungefaͤhr 4 bis 5 Tage lang im
                              Wasser; im Winter zwei Mahl so lang.
                           Hierauf werden die Haͤute gewaschen, um sie vom Blute und von allen
                              Unreinigkeiten auf ihrer Oberflaͤche zu saͤubern. Man zieht sie in
                              dieser Hinsicht nach allen Seiten hinaus, und schreitet dann zum Abhaaren, welches
                              auf folgende Weise geschieht.
                           Mall legt die Haͤute in Wasser, welchem man vorlaͤufig
                              geloͤschten Kalk zugesezt hat, und laͤßt sie mehr oder minder lang in
                              dieser Kalkkufe, je nachdem die Kaltmilch mehr oder minder stark ist. Anfangs bringt
                              man 80 Kilogramm Kalk in jede Kufe, und wenn man bemerkt, daß die Kalkmilch zu
                              schwach geworden ist, sezt man neuen Kalk zu. Diese Kufen sind aus Tannen-
                              oder Fichten-Holz verfertigt, und jede Kufe haͤlt ungefaͤhr 26
                              Decimeter im Durchmesser, und 22 Decimeter in der Hoͤhe. Man
                              beschlaͤgt sie mit eisernen Reifen, und senkt sie einige Zoll tief in den
                              Boden der Werkstaͤtte, um sie dann mit Brettern umlegen zu
                              koͤnnen.
                           Diese Art Abzuhaͤren (das Abpaͤlen) wird bei den schweren
                              Haͤuten nicht angewendet. Man bringt dieselben in Kasten, wo man sie
                              uͤbereinander ausbreitet, und, um die Gaͤhrung zu verhindern, mit Salz
                              bestreut. Man bereitet auch, zumahl fuͤr duͤnnere Haͤute, ein
                              saures Bad aus Roken-Kleie.
                           Man sieht oͤfters des Tages bei den Haͤuten nach, um den Augenblik
                              nicht zu versaͤumen, wo die Haare anfangen abzugehen. Man nimmt diese
                              zugleich mit der Oberhaut ab, indem man die Haut auf einem halbwalzenfoͤrmigen
                              Boke („dem Gaͤrber- oder Schabebaume“) mittelst
                              eines Messers mit zwei Griffen, dessen Schneide rund und stumpf ist, abschabt.
                              Hierauf werden sie an der inneren oder Fleischseite mittelst eines scharfen Messers
                              („des Streicheisens“) ausgestrichen, Ochsenhaͤute
                              werden nicht ausgestrichen, weil man der Haut gern ihre ganze Dike belaͤßt;
                              man begnuͤgt sich Haare und Oberhaut abgeschabt zu haben.
                           Um den Kalk wegzuschaffen, der waͤhrend des Enthaarens in die Haͤute
                              eingedrungen ist, waͤscht man sie mehrere Mahle aus. Zu diesem Ende bringt
                              ein Arbeiter dieselben, eine nach der anderen, in eine seichte Kufe, tritt sie mit
                              den Fuͤßen, und kehrt sie dabei immer um, und begießt sie so lange mit heißem
                              Wasser, bis dieses ganz klar weglaͤuft, worauf sie in kaltem fließenden
                              Wasser einen oder zwei Tage lang eingehaͤngt werden.
                           Auf das Enthaaren folgt das Gaͤrben. Damit aber die aufloͤsbaren Theile
                              der Eichenrinde in die Haute eindringen koͤnnen, oͤffnet man die
                              Poren, indem man die Haͤute auftreibt. In dieser Absicht taucht man sie in
                              eine, aus Mehl bereitete, saure Fluͤßigkeit („die Treib-
                                 oder Schwell-Farbe“). Fuͤr eine Kufe von obigem
                              Durchmesser und halber Tiefe, werden bald 500 Kilogramm Rokenmehl und 2 oder 3
                              Kilogramm Salz in laues Wasser eingeruͤhrt; bald 200 Kilogramm Habermehl, 3
                              Kilogramm Salz und etwas Sauerteig; in einigen Gaͤrbereien nimmt man an der
                              Stelle obiger Bruͤhen einen Aufguß von Gaͤrberlohe in lauem Wasser.
                              Sobald saure Gaͤhrung eingetreten ist, bringt man die Haͤute in die
                              saure Fluͤßigkeit, und laͤßt sie 48 Stunden lang, oder noch
                              laͤnger in derselben. Auf eine Haut von mittlerer Groͤße nimmt man 8
                              Kilogramm (ungefaͤhr 16 Pfund) Mehl.
                           Die auf diese Weise zur Gaͤhrung vorbereiteten Haͤute werden nun der
                              Einwirkung eines schwachen Eichen- oder Weiderinde-Aufgusses
                              ausgesezt: leztere zieht man vor, weil man sie fuͤr reicher an
                              Gaͤrbestoff haͤlt.Dieß ist zuverlaͤßig nicht der Fall. Sie dient aber deßwegen besser,
                                    weil sie weniger Gaͤrbestoff enthaͤlt. Der Hr. Verf.
                                    wuͤnscht ja selbst, wie gewiß jeder Gaͤrber mit ihm, einen
                                    schwachen Aufguß, eine schwache Lohbruͤhe
                                    zum ersten Gaͤrben der Haͤute. A. d. Ueb. Nachdem die Haͤute aus dieser ersten Lohebruͤhe gekommen sind,
                              werden sie auf einen hoͤlzernen Rahmen in der Lohegrube, in welcher die Lohe
                              sich befindet, mit der Narbenseite nach außen ausgebreitet. Man legt sie daselbst
                              uͤbereinander, indem man jede Haut gleichfoͤrmig mit einer Lage grob
                              gestoßener Lohe uͤberstreut, und in dem Maße, als der Haufen groͤßer
                              wird, laͤßt man den Rahmen immer tiefer in die Grube hinab, bis er endlich
                              auf dem Boden aufstoͤßt, den man vorlaͤufig mit einer Schichte Lohe
                              bedekte. Wenn die Grube endlich voll geworden ist, begießt man die Haͤute mit
                              Wasser, oder besser
                              mit der Lohebruͤhe, die von der vorigen Arbeit uͤbrig bleibt, bedekt
                              sie dann mit Brettern, die man mit Steinen beschwert, oder mittelst senkrechter
                              Stangen befestigt, die man gegen die Deke der Werkstaͤtte stuͤzt. In
                              diesem Zustande laͤßt man alles 14 bis 18 Tage, wo man dann die Haͤute
                              herausnimmt, abkehrt, und die Lohe wechselt. Diese Arbeit wird, nach Art des Leders,
                              drei bis sechs Mahl wiederholt: sehr duͤnne Haͤute duͤrfen bloß
                              zwei Mahl gewechselt werden.
                           Wenn das Leder aus der Lohgrube kommt, hat es eine gewisse Steifheit, welcher man
                              dadurch abzuhelfen sucht, daß man es 24 bis 38 Stunden lang in eine
                              Fluͤßigkeit taucht, die aus 60 Kilogramm Habermehl und 4 Kilogramm Salz in
                              Wasser bis zur Consistenz eines duͤnnen Breies eingeruͤhrt einweicht.
                              Diese Masse reicht fuͤr 150 Haͤute von mittlerer Groͤße hin.
                              Hierauf werden die Haͤute ausgewaschen, und man laͤßt sie
                              abtraͤufeln, um ihnen die lezte Zurichtung, das Fett, zu geben.
                           Seehunde-ThranDas wissen wir laͤngst aus dem alten Ritschkow. Sonderbar ist es indessen, daß ein Drukfehler in der
                                    deutschen Uebersezung Ritschkow's in alle Handbuͤcher der Technologie,
                                    selbst in Beckmann's,
                                    uͤberging. Der unsterbliche Beckmann
                                    konnte nicht begreifen, wie „Schundefett“ zu Juften
                                    kommt. Das Schundefett ist Seehundefett. A. d. Ueb. und reiner Birkentheer oder Birkenoͤhl sind die Substanzen, deren man
                              sich zur Zurichtung des Leders bedient. Sie werden auf folgende Weise
                              angewendet.
                           Das noch nasse Leder kommt verkehrt auf einen großen Tisch. Der Arbeiter taucht seine
                              Hand in die Mischung, faͤhrt mit derselben uͤber das Leder, und
                              verbreitet sie daruͤber so gleichfoͤrmig, als moͤglich.
                           Das Gelingen dieser Arbeit haͤngt vorzuͤglich von der Uebung und
                              Geschiklichkeit des Arbeiters ab. Das Verhaͤltniß des Birkentheeres zum
                              Thrane ist nach der Natur und Eigenschaft des Leders verschieden. Gewoͤhnlich
                              nimmt man Ein Drittel Theer, und zwei Drittel Thran. Zuweilen nimmt man zwei Drittel
                              Theer, und traͤgt noch eine zweite Lage auf die aͤußere
                              Oberflaͤche auf, um sie dem Wasser noch mehr widerstehen zu machen. In
                              einigen Werkstaͤtten, wo man dem Leder so viel Weiße, als moͤglich zu
                              erhalten wuͤnscht, begnuͤgt man sich mit reinem Oehle, und sezt
                              demselben etwas Rindfett zu. Ein halb Pfund reicht auf eine Haut von mittlerer
                              Groͤße hin.
                           Nachdem die Haͤute eingefettet worden sind, werden sie auf einem luftigen
                              Haͤngeboden aufgehaͤngt, wo sie so lange bleiben, bis sie vollkommen
                              troken geworden sind. Im Winter laͤßt man sie frieren, wodurch sie sehr weiß
                              und schoͤn werden.
                           Die Baschkiren und Kirgisen bedienen sich des Rauches zur Bereitung ihres Leders, der
                              ihnen gewisser Massen statt des Gaͤrbestoffes dient. Sie spannen die
                              Haͤute, waͤhrend sie noch gruͤn sind, zwischen Pfaͤhlen
                              aus, die in die Erde eingetrieben sind, und nehmen hierauf das Haar mittelst einer
                              gebrochenen Sichel weg, die sie in ein Stuͤk Holz in Form eines
                              Boͤttcher-Messers einpassen. Die in der Sonne getrokneten
                              Haͤute werden bis zum naͤchsten Fruͤhjahre aufbewahrt.
                           Bei Wiederkehr der schoͤnen Jahreszeit graͤbt man eine Grube von
                              solcher Groͤße, wie die Anzahl der Haute sie fordert, in die Erde, und zieht
                              daruͤber Strike oder Stangen parallel gegen einander, die mit ihren Enden auf
                              dem Rande der Grube ruhen. Hierauf wird, in Entfernung von 1 1/2 Meter, ein rundes
                              Loch gegraben, welches mittelst eines Canales mit der Grube in Verbindung steht. In
                              das Loch kommt das Brennmaterial, vorzuͤglich faules Holz, das viel Rauch
                              gibt.
                           Wenn das Holz angezuͤndet worden, wird das Loch zugemacht; der Rauch tritt
                              durch den unterirdischen Canal in die Grube, und verbreitet sich uͤber den
                              Haͤuten. Wenn diese Raͤucherung 12 bis 14 Tage lang unterhalten wurde,
                              sind die Haͤute hinlaͤnglich mit den fluͤchtigen Producten der
                              Verbrennung durchdrungen, um einige wesentliche Eigenschaften des gegaͤrbten
                              Leders zu erhalten; sie werden sogar dadurch fuͤr Naͤsse
                              undurchdringlicher, als europaͤisches Leder; denn die Baschkiren bedienen
                              sich dieses Leders nicht bloß zu Schuhen, sondern sie verfertigen daraus sogar
                              Gefaͤße und Schlaͤuche.Dieses Verfahren ist in dem Bulletin de la Soc.
                                       d'Encour. XII. Jahrg. S. 211. umstaͤndlich beschrieben. A.
                                    d. O.
                              
                           Das Zurichten des Leders geschieht in Rußland auf die uͤberall
                              gewoͤhnliche Weise, nur daß das Leder mit einer 7–8 Zoll langen, und 3
                              Zoll breiten kupfernen gefurchten Platte gestrichen wird, auf welche der Arbeiter
                              sich mit der Hand stuͤzt. Dadurch wird die Oberflaͤche außerordentlich
                              koͤrnig.
                           Die Seehunde, die den Thran zur Lederbereitung liefern, finden sich im caspischen
                              Meere in sehr großer Menge. Man siedet dieses Fett in Kesseln aus Gußeisen aus, und
                              gießt es in Faͤsser. In diesem Zustande kann es nur mehr bei einer Temperatur
                              von 12° am hundertgradigen Thermometer stoken, und wird so im Handel unter
                              dem Namen Seehunde-Thran oder Seehunde-Oehl (huille de veau marin) verkauft. Man bereitet es zu Kaluma, und sezt dort
                              gewoͤhnlich noch das Fett eines Fisches zu, der Beluga heißt.Beluga ist nichts anderes als der Hausen, Acipenser
                                       Huso. A. d. Ueb. Im Fasse wird dieser Thran nie vollkommen klar; wenn man aber denselben in
                              einer Flasche der Einwirkung der Sonnenstrahlen aussezt, so bildet sich nach
                              ungefaͤhr 24 Stunden ein leichter Bodensaz, der Thran wird sehr klar, und
                              faͤrbt sich nach und nach.
                           
                           Ein anderer Thran zu demselben Gebrauche wird aus verschiedenen Seehunden bereitet,
                              die man im Eismeere faͤngt, und nach Archangel fuͤhrt. Man nimmt zwei
                              verschiedene Operationen mit demselben vor. Die erste, das rohe Schmelzen (fonte crue) geschieht in
                              freier Luft mittelst Sonnenwaͤrme in großen hoͤlzernen geneigt
                              liegenden Rinnen, in welchen das von der Sonne geschmolzene Fett ablaͤuft;
                              die zweite, das Aussieden (fonte
                                 cuite) geschieht in kupfernen Kesseln.
                           
                              Den Birken-Theer, der um 55 Centimen das Kilogramm verkauft wird, muß man
                                 so rein als moͤglich zu erhalten suchen. Man erhaͤlt dieses
                                 fluͤchtige Oehl aus der korkartigen Oberhaut der Birke, die man von dem
                                 darunter gelegenen rindenartigen Theile des Baumes abloͤst, und dann
                                 destillirt.“
                              
                           (Nun wird die Destillatio per descensum in diesem Auszuge
                              mit denselben Worten, wie oben im Berichte, beschrieben, die wir nicht wiederholen
                              wollen.)
                           
                              „Dieses Verfahren ist noch einfacher, als jenes, welches Joh. Fischerstroͤm beschrieben hat, und welches
                                 sich im Bulletin de la Société
                                    d'Encouragement November, 1822, S. 374 befindet; es gibt aber
                                 weniger.
                              
                           In den Provinzen, in welchen man sich dieses Verfahrens im Großen bedient, wie in den
                              Regierungsbezirken von Archangel, Wologda, Novogorod, Wiatka, bedient man sich
                              hierzu vorzugsweise gegossener eiserner Kessel.
                           Da man bei Anwendung der Reiser mit der Rinde zugleich weniger Ruß und weniger dunkel
                              gefaͤrbten Theer erhaͤlt, so zieht man aus eben diesem Grunde frische
                              Rinde auch der troknen vor.
                           Man erzeugt in Rußland nicht bloß so viel Birkenoͤhl, als man braucht, sondern
                              fuͤhrt auch davon noch aus.Unsere deutschen Gaͤrber und Leder-Fabrikanten werden aus
                                    dieser Abhandlung des Hrn. Grafen Kartzoff nichts gelernt haben, gar nichts, was sie nicht
                                    schon wuͤßten, oder aus Beckmann,
                                       Boͤhmer etc. wissen koͤnnten. Indessen ist es nichts
                                    weniger als ausgemacht, daß das rußische Leder und vorzuͤglich Juften
                                    auf die hier angegebene Weise bereitet wird. Die Berichte uͤber
                                    Juften-Bereitung, welche uns Ritschkow, Pallas,
                                       Lepechin u.a. gegeben haben, weichen so sehr von einander ab, daß
                                    wir hieruͤber noch nichts weniger als im Reinen sind. Graf Kartzoff gibt das von Ritschkow laͤngst beschriebene Verfahren
                                    an. Lepechin laͤugnet aber, daß man
                                    Birkenoͤhl, oder auch Post (Ledum
                                       palustre), wie einige sagen, zur Bereitung braucht. Wer hat nun
                                    Recht? So viel wissen wir indessen mit Gewißheit, daß es rußischen
                                    Schriftstellern ehemahls nicht erlaubt war, die Wahrheit uͤber
                                    gewisse Gegenstaͤnde der Industrie und des Handels zu schreiben, und
                                    daß ihre Manuscripte gottlos durchstrichen, und sogar verfaͤlscht
                                    wurden. Das war die ehemahlige
                                    rußisch-chinesische Politik; ob sie jezt noch so ist? Auffallend war
                                    es uns hier in einer Abhandlung uͤber Gaͤrberei kein Wort
                                    uͤber die Haͤute selbst zu finden, aus welchen doch eigentlich
                                    das Leder wird. Wenn die Buenos-Ayres-Haͤute immer ein
                                    besseres Leder liefern werden, als die Haͤute unserer
                                    Mast-Ochsen und unseres verkruͤppelten Stallviehes, deren
                                    Haͤute so schwammig sind, wie ihr Fleisch, so laͤßt sich,
                                    wie es scheint, mit Recht vermuthen, daß auch der russische Ochs, der,
                                    zumahl im suͤdlichen Rußland, so wie der ungarische Ochs, den
                                    groͤßten Theil seines Lebens uͤber unter freiem Himmel und
                                    seiner Ochsennatur gemaͤßer lebt als unser Stallvieh, eine
                                    staͤrkere und kraͤftigere Haut bekommen wird, als dieses; eine
                                    Haut, die jener der Ochsen in Suͤdamerica, die, so zu sagen, im
                                    Ochsenparadiese auf Erden leben und nie unter Dach kommen, weit
                                    naͤher kommt, als die Haͤute unseres verkruͤppelten
                                    Hornviehes. Nur diejenigen Laͤnder, in welchen die Cultur noch auf
                                    der niedrigsten Stufe steht, und wo die Thiere ihrer Natur gemaͤß
                                    leben koͤnnen, koͤnnen uns gute Haͤute liefern, die,
                                    selbst bei schlechterer Gaͤrbung, besseres Leder liefern werden, als
                                    unsere verzaͤrtelten Rinder bei der hoͤchsten
                                    Gaͤrbekunst. A. d. U.