| Titel: | Ueber die Ursachen, warum Wetter-Ableiter in einigen Fällen nicht schüzen, und die Mittel, dieselben vollkommen schüzend zu machen, nebst einer Widerlegung der herrschenden Idee, daß Metalle die Elektricität vorzüglich anziehen. Von R. Hare, M. Dr., Prof. der Chemie an der Universität von Pennsylvanien. | 
| Fundstelle: | Band 27, Jahrgang 1828, Nr. LXIX., S. 268 | 
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                        LXIX.
                        Ueber die Ursachen, warum Wetter-Ableiter
                           in einigen Faͤllen nicht schuͤzen, und die Mittel, dieselben vollkommen
                           schuͤzend zu machen, nebst einer Widerlegung der herrschenden Idee, daß Metalle
                           die Elektricitaͤt vorzuͤglich anziehen. Von R. Hare, M. Dr., Prof. der Chemie an der
                           Universitaͤt von Pennsylvanien.
                        Aus dem Franklin Journal in Gill's technical Repository.
                              Novemb. 1827. S. 290.
                        Hare, uͤber die Ursachen warum Wetter-Ableiter nicht
                           schuͤzen.
                        
                     
                        
                           In einigen unserer americanischen Zeitungen wurde ein
                              Schreiben aus der Londoner Times wieder abgedrukt,
                              welches, wie ich wohl einsehe, hoͤchst verderblich darauf berechnet ist, das
                              Vertrauen des Publicums auf die Wetter-Ableiter, als Schuzmittel gegen die
                              Blize, zu schwachen.Wahrscheinlich ist dieß derselbe Aufsaz, dessen wir im polytechn. Journale
                                    XXV. Bd. S. 443
                                    erwaͤhnten. Es ist merkwuͤrdig, wie unsere froͤmmelnden
                                    Theo-Demokraten in allen Welttheilen sich bemuͤhen,
                                    Wetter-Ableiter, Vaccination etc. als Eingriffe in die
                                    Fuͤgungen Gottes zu verschreien und zu verbannen, und Unwissenheit
                                    und Aberglauben an die Stelle der Aufklaͤrung uͤber
                                    Naturerscheinungen zu bringen. Im Einklange mit diesem steht die
                                    Vernachlaͤßigung des Studiums der Mathematik, der Physik, und der
                                    Naturwissenschaften. Dahin muß man es bringen, daß, wenn, wie neulich der
                                    Koͤnig von Spanien zu Barcellona, ein Koͤnig die Vorlesungen
                                    eines Professors der Physik mit seiner Gegenwart beehrt, (Allgem. Zeit.
                                    1828. Nr. 3.) der Professor ausrufen muß: „daß nun alle
                                       fuͤr diesen Umstand vorbereiteten Versuche erschoͤpft
                                       sind;“ damit selbst die Koͤnige einsehen lernen,
                                    wieviel an den physischen Wissenschaften gelegen ist, und mehr Geld zur
                                    Foͤrderung derselben anweisen, als jezt geschieht. Uebrigens
                                    haͤtte dieser Professor der Physik seine Sache leicht besser machen
                                    koͤnnen. A. d. Ueb. So wie viele andere, scheint auch der Verfasser dieses Briefes zu glauben,
                              daß Metalle die Elektricitaͤt vorzuͤglich anziehen, und schließt
                              daraus, daß, wenn eine Metall-Stange auf einem Hause, oder auf einem Schiffe
                              angebracht ist, eine Entladung der elektrischen Fluͤßigkeit aus einer Wolke
                              herbeigezogen werden kann, welche sonst nicht nahe genug gekommen seyn
                              wuͤrde, um das Haus oder das Schiff in Gefahr zu sezen. Nach meiner Ansicht
                              ist nichts irriger, als diese Meinung. Die Sache ist diese. Wenn die Erde und die
                              Donnerwolke in einem Zustande von entgegengesezter Elektricitaͤt sich
                              befinden, strebt die elektrische Fluͤßigkeit aus einer in die andere
                              uͤberzugehen, um sich in's Gleichgewicht zu sezen. Da die Atmosphaͤre
                              nun ein nicht leitender Koͤrper ist, und keine Entladung durch dieselbe Statt
                              haben kann, ohne daß die Luft mit Gewalt aus ihrer Stelle verruͤkt wird, so
                              wird jeder an der Oberflaͤche der Erde hervorragender Koͤrper, welcher
                              die Elektricitaͤt besser zu leiten vermag, als die Luft, als ein
                              Vereinigungs-Mittel dienen. Da nun Metalle vorzugsweise als Leiter
                              fuͤr die Elektricitaͤt dienen, geschieht die Uebertragung derselben
                              durch die Metalle mit verhaͤltnißmaͤßig groͤßerer Leichtigkeit.
                              Sie ziehen sie aber nicht mehr an, als andere Koͤrper, die sich in einem
                              aͤhnlichen elektrischen Zustande befinden. Eine glaͤserne oder
                              hoͤlzerne Kugel wird eben so leicht von dem erregten Conductor einer
                              Elektrisir-Maschine angezogen, als eine metallne, und in dem
                              Verhaͤltnisse mehr, als eine Spize, als die Oberflaͤche der Kugel
                              groͤßer ist, als die der Spize.
                           Nichts scheint mir mehr ungegruͤndet, als die neuerlich aufgestellte Idee, daß
                              die Anziehung zwischen einem Schiffe und einer Donner-Wolke durch eine
                              zugespizte Metall-Stange, die uͤber dem Hauptmaste emporragt, vermehrt
                              werden kann.
                           Wenn der Bliz in Haͤuser oder Schiffe, die mit Blizableitern versehen sind,
                              einschlaͤgt, so geschieht dieß, nach meiner Ansicht, bloß deßwegen, weil der
                              Blizableiter nicht gehoͤrig vorgerichtet war, oder nicht die gehoͤrige
                              Verbindung mit der Erde (oder mit dem Wasser) hatte. Die Kraft irgend eines
                              Koͤrpers, eine elektrische Entladung aufzunehmen, haͤngt eben so sehr
                              von der leitenden Kraft des Mittels ab, in welchem er sich endet, als von seiner
                              eigenen. Eine Metallstange, die sich in einen glaͤsernen Griff endet, oder in
                              einem Haufen von zerstoßenen Glase oder trokenem Sande stekt, wird, als Leiter, eben
                              so schlecht dienen, wie eine Glasstange selbst. Wenn sie sich in einen
                              unvollkommenen Leiter endet, wie z.B. in Erde oder Wasser, so wird ihre Kraft in
                              demselben Verhaͤltnisse geschwaͤcht, als das Mittel, das sie umgibt,
                              ein schlechterer Leiter ist. Auf diesen Einfluß der umgebenden Mittel, in welche die
                              Blizableiter sich enden, hat man in den Abhandlungen uͤber
                              Elektricitaͤt nicht gehoͤrig Ruͤksicht genommen. Ich halte
                              keinen Blizableiter, keine metallne Stange fuͤr ein zuverlaͤßiges
                              Schuzmittel gegen den Bliz, wenn er sich nicht unten mit einer Erweiterung seiner
                              Oberflaͤche in dem Wasser, oder in der Erde endet; wenn sich aber solche
                              Ableiter in metallne Scheiden enden, die in die Erde oder in das Wasser versenkt
                              sind, oder gehoͤrig mit den eisernen Roͤhren verbunden sind, welche das Wasser
                              in unserer Stadt umher leiten, oder mit dem Kupfer, mit welchem unsere Schiffe
                              beschlagen sind, so habe ich das vollste Vertrauen auf ihre Schuzkraft.
                           Es ist nicht bloß noͤthig, daß die Beruͤhrungs-Puncte der
                              Metall-Masse, die dem Blize einen bequemen Durchgang darbiethen soll, und der
                              Erde oder des Wassers, in welche sie sich endigt, so vervielfaͤltigt sind,
                              daß sie die Schwaͤche der Leitungs-Kraft der Erde und des Wassers
                              ersezen; es ist auch noͤthig, daß die Leitungsstange selbst so ununterbrochen
                              fortlaͤuft, als moͤglich. Wo Blizableiter ruhig stehen bleiben, wie
                              auf Haͤusern, muͤssen die Stuͤke, aus welchen sie bestehen, in
                              einander geschraubt, oder, noch besser, in einander geschraubt, und zugleich
                              verloͤthet seyn. Wo sie beweglich seyn muͤssen, wie auf Schiffen,
                              muͤssen die Gefuͤge so genau als moͤglich, in einander passen,
                              und so verbunden seyn, daß das Metall an den Stellen seiner Vereinigung sich genau
                              beruͤhrt.
                           Fuͤr jeden Fall darf die gewoͤhnliche, aber wichtige Vorsicht, die
                              Spize des Wetterableiters fein zulaufen zu lassen, und immer rein zu halten, nicht
                              vernachlaͤßigt werden. Wo keine Platinnaspizen zu haben sind, kann man die
                              Spizen der eisernen Stange dadurch vermehren, daß man dieselbe in mehrere
                              drahtartige spizige Enden spaltet und zeraͤstelt, und so die geringere
                              Leitungs-Kraft der eisernen Stange ersezt.
                           Die Wirkung der Spize oder Spizen haͤngt indessen von dem ununterbrochenen
                              Zustande der leitenden Stange ab, von welcher ich bereits gesprochen habe; denn es
                              ist bekannt, daß, wenn man eine mit einer Spize bewaffnete Stange in Theile
                              zerschneidet, so daß sie dadurch unterbrochen wird, und diese Theile sich stumpf
                              enden, die Wirkung derselben nicht viel groͤßer ist, als wenn sie gar keine
                              Spize hatte; indem die elektrische Fluͤßigkeit auf diese Weise in Funken,
                              statt in einem Strome entladen wird. In dieser Hinsicht bin ich nicht fuͤr
                              die Ketten, oder die durch Ringe und Haken oder Augen verbundene Stangen. Der
                              Fehler, den man begeht, wenn man vermuthet, daß eine Metall-Stange ohne
                              Nachtheil Elektricitaͤt anziehen kann, weil sie die bewundernswerthe Kraft
                              besizt, dieselbe zu leiten, wird jedem einleuchten, daß der einzige Unterschied
                              zwischen Metallen und anderen Koͤrpern in dieser Hinsicht auf der
                              hoͤheren Leitungskraft der ersteren beruht. Wenn also die Wirkung des
                              Metalles, als Leiter, durch eine fehlerhafte Verbindung mit der Erde oder mit dem
                              Wasser vermindert oder zerstoͤrt wird, wird auch ihr Einfluß auf eine mit
                              Elektricitaͤt geladene Wolke in demselben Verhaͤltnisse vermindert
                              werden. Hieraus folgt also, daß, in so fern es wirkt, seine Wirkung wohlthaͤtig seyn muß, wenn
                              anders nicht das untere Ende aus unbegreiflicher Unwissenheit oder Unaufmerksamkeit
                              so gestellt ist, daß es der elektrischen Fluͤßigkeit leichter wird die Stange
                              zu verlassen, und durch einen Theil des Hauses oder des Schiffes zu fahren, als an
                              der Stange in die Erde, oder in das Wasser hinabzulaufen.
                           So wurde Richmann durch einen Blizableiter
                              getoͤdtet, den er zur Ableitung der Elektricitaͤt aus den Wolken
                              verwendete, mit welcher er ein, nothwendig isolirtes, Elektrometer in
                              Thaͤtigkeit sezen wollte. Sein Kopf war ungefaͤhr Einen Fuß weit von
                              dem Blizableiter, und wurde ein Theil der Laufbahn, die der Bliz zur Erde nahm.
                              Waͤre der Apparat mit einem Gehaͤuse von Drath umgeben, und dieser mit
                              einer Metall-Stange gehoͤrig verbunden gewesen, die an einer metallnen
                              Scheide eingeloͤthet, in der Erde versenkt worden waͤre, so
                              haͤtte Richmann seine Versuche mit aller
                              Sicherheit vollenden koͤnnen. Daß, mit gehoͤriger Vorsicht,
                              aͤhnliche Versuche ohne alle Gefahr fuͤr den Experimentator angestellt
                              werden koͤnnen, zeigt die unten angefuͤhrte Stelle aus Singer's Electricity.
                           Ich muß hier vorausschiken, daß die unten angefuͤhrten Phaͤnomene
                              mittelst eines Drahtes erzeugt wurden, der eine (engl.) Meile lang, von starken
                              Stangen gestuͤzt, und mittelst derselben isolirt war, und so in dem Hause des
                              Elektrikers, Esq. Crosse sich endete.
                           
                              „Die Annaͤherung einer Donnerwolke erzeugt Anfangs zuweilen
                                 positive, zuweilen negative Zeichen; in beiden Faͤllen nimmt die Wirkung
                                 bis auf einen gewissen Grad zu, nimmt hierauf ab und verschwindet, und ruft
                                 entgegengesezte Zeichen hervor, die nach und nach uͤber das Maximum des
                                 vorigen Zustandes hinausreichen, dann wieder abnehmen, sich enden, und an deren
                                 Stelle wieder die urspruͤngliche Elektricitaͤt tritt. Diese
                                 Abwechselungen sind zuweilen sehr zahlreich, und folgen bei gewissen
                                 Gelegenheiten sehr schnell auf einander. Gewoͤhnlich werden sie bei jeder
                                 Wiederholung staͤrker, und zulezt tritt ein dichter voller Strom aus dem
                                 atmosphaͤrischen Conductor in die Aufnahms-Kugel, die mit der Erde
                                 durch einen gehoͤrigen Leiter in Verbindung steht, hoͤrt zuweilen
                                 auf, und kehrt mit verstaͤrkter Kraft wieder. In diesem Zustande
                                 faͤhrt ein starker Luftstrom aus dem Drahte und dem damit verbundenen
                                 Apparate, der den Beobachter mit Ehrfurcht erfuͤllt. Bei jedem Blize
                                 rollt ein explodirender Strom mit einem eigenen Geraͤusche zwischen den
                                 Kugeln des Apparates hin, und beleuchtet wunderbar alle in der Naͤhe
                                 stehenden Gegenstaͤnde, waͤhrend der Donner dazwischen
                                 bruͤllt etc.“
                              
                           
                              „Bei diesem allmaͤchtigen Spiele dieser elektrischen Kraft sizt der
                                 Elektriker ruhig vor seinem Apparate, leitet den Bliz nach jeder Richtung, schmilzt dabei
                                 Drahte, zersezt Fluͤßigkeiten und brennbare Koͤrper, und wird das
                                 Spiel zu furchtbar, so bringt er den Draht mit der Erde in Verbindung, und
                                 leitet die angehaͤufte Elektricitaͤt still und sicher
                                 ab.“