| Titel: | Ueber das Auffüttern der Seidenraupen mit Salat allein. Von Edward Heard, Chemiker. | 
| Fundstelle: | Band 28, Jahrgang 1828, Nr. XXXV., S. 160 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XXXV.
                        Ueber das Auffuͤttern der Seidenraupen mit
                           Salat allein. Von Edward
                              Heard, Chemiker.
                        Aus Gill's technical Repository. Febr. 1828. S.
                              81.
                        (Im Auszuge.)
                        Heard, uͤber das Auffuͤttern der Seidenraupen mit
                           Salat.
                        
                     
                        
                           Ich habe dieses Jahr einige vergleichende Versuche mit den
                              Seidenraupen angestellt, habe fleißig Alles gelesen, was seit den lezten 40 Jahren
                              in England uͤber Seidenraupenzucht geschrieben wurde, und habe genau alle
                              Einwuͤrfe erwogen, die man gegen die Seidenraupenzucht wegen Mangels an
                              geeignetem Futter (naͤmlich an Maulbeerblaͤttern) mit Recht machen
                              kann; ich habe dabei auch nicht vergessen den hohen Taglohn bei uns im Vergleiche zu
                              jenem auf dem festen Lande in Anschlag zu bringen, und habe mich uͤberzeugt,
                              durch meine eigene Erfahrung uͤberzeugt, daß man in mehreren Gegenden
                              Englands mit Vortheil Seide ziehen kann.
                           Was das Futter betrifft, so bin ich der Meinung, daß man den
                              Maulbeerblaͤttern, als einzigem Futter der Seidenraupen, zu hohen Werth
                              beilegte. Wahrscheinlich ruͤhrte dieses Vorurtheil davon her, daß man diese
                              Thiere im Naturzustande nur Maulbeerblaͤtter fressen sah, und daß in allen
                              Laͤndern, wo man Seidenzucht treibt, dieses Futter denselben gereicht wird.
                              Daraus folgt aber noch nicht, daß es das einzige und das beste Futter fuͤr
                              sie ist; meine Versuche haben mich im Gegentheile gelehrt, daß weder die Menge noch
                              die Guͤte der Seide von der Art des Futters abhaͤngt, sondern von ganz
                              anderen Ursachen. Jede Pflanze, an welcher diese Insecten solchen Geschmak finden, daß sie sich
                              derselben als taͤgliche Kost bedienen und dabei bestehen und auswachsen
                              koͤnnen, wird eben so viel und eben so gute Seide geben, als der
                              Maulbeerbaum. Diese Behauptungen werden gegen die allgemeine Meinung verstossen; es
                              handelt sich aber hier nicht um Meinungen, sondern um Thatsachen, welche durch eine
                              Reihe von Versuchen erwiesen wurden.
                           Ich habe in diesem Jahre mehrere hundert Seidenraupen mit einer Art von Salat
                              aufgezogen, die ich aus dem Auslande erhielt. Die Raupen haͤuteten sich bei
                              diesem Futter wie gewoͤhnlich, und spannen eben so viele und eben so
                              schoͤne Seide, als eine eben so große Anzahl derselben, die mit
                              Maulbeerblaͤttern gefuͤttert wurden; ja in einigen Faͤllen
                              sogar doppelt so viel. Ich hatte dieses Jahr eine zweite Generation dieser
                              Thierchen, die von selbst ausfielen, einzig und allein von Salat lebten, und eben so
                              viel Seide gaben. Ungeachtet der Kaͤlte des Monates, in welchem ich schreibe
                              (December 1827) legten einige Weibchen am 10. desselben Eier, obschon sie in
                              ungeheizten Zimmern gehalten wurden. Ein Beweis, daß diese Thierchen bei diesem
                              Futter bei uns eingewoͤhnt sind, und den Winter auszuhalten vermoͤgen.
                              Der Salat, mit welchem ich sie fuͤttere, ist weniger saftig, als unser
                              inlaͤndischer, bringt sehr große Blaͤtter, hat weniger
                              Staͤngel, und erzeugt folglich weniger Opium (das den Thierchen vielleicht
                              schaden koͤnnte) als der gemeine Salat: die Raupen ziehen ihn auch dem
                              lezteren immer vor. Auf gutem Boden, in gehoͤriger Entfernung von einander
                              gepflanzt, erreicht er eine ungemeine Groͤße, und gibt daher auch mehr
                              Ertrag. Ich hoffe naͤchstes Jahr den Ertrag und die Pflanzungskosten auf
                              einem Acre Landes, die Zahl der Raupen, die damit gefuͤttert werden
                              koͤnnen, so wie den Werth der Seide, den man auf diese Weise erhaͤlt,
                              nebst den Gestehungskosten angeben zu koͤnnen.Es waͤre sehr gut gewesen, wenn es dem Hrn. Verfasser beliebt
                                    haͤtte, uns zu sagen, wie diese Salat- (lettuce) Sorte heißt, und woher er sie kommen ließ. Daß man
                                    Seidenraupen mit Salat fuͤttern kann, wissen wir laͤngst; wir
                                    wissen aber auch, daß bisher dieses Futter theuerer kam, als das der
                                    Maulbeerblaͤtter. Ein Baum braucht, wenn er einmahl gepflanzt ist,
                                    keine weitere Wartung und Pflege, nimmt mit dem schlechtesten Boden vorlieb,
                                    und kann dort gepflanzt werden, wo man andere Gewaͤchse nicht
                                    pflanzen kann. Das wohlfeilste Futter wird immer das Maulbeerblatt seyn, so
                                    wie es auch das natuͤrlichste ist. A. d. U.
                           Einige Naturforscher haben, wenn ich nicht irre, behauptet, daß die
                              Maulbeerblaͤtter ein Seidengewebe enthalten, welches von der Raupe
                              animalisirt und dann gesponnen wird. Wenn dieß der Fall waͤre, so
                              koͤnnte kein anderes Futter das Insect mit diesem Seidenstoffe versehen, was
                              nach meinen Versuchen mit dem Salate nicht der Fall ist.
                           
                           Wenn man eine Raupe, waͤhrend sie spinnt, beobachtet, so zeigt sich außen
                              keine Spur von Seide; wenn man das Thier oͤffnet, finden sich keine
                              Seidenfasern in demselben, wohl aber eine goldgelbe, dike, klebrige
                              Fluͤßigkeit, die ganz sicher der Stoff ist, aus welcher das Thier die Seide
                              bereitet. (Hr. Heard theilt hier seine Hypothese mit,
                              die, da sie lediglich Hypothese und durch nichts erwiesen ist, in das Reich der
                              Hypothesen, nicht aber in ein technisches Blatt gehoͤrt.)
                           Was die Menge des Futters betrifft, so haͤngt diese großen Theils von der Art,
                              von der Groͤße, und von der individuellen Constitution des Thieres ab, und
                              zwar bei den Maulbeerblaͤttern so gut, wie bei jedem anderen Futter.
                           Die Hauptursache der schlechteren Beschaffenheit und der geringeren Menge der Seide
                              haͤngt nicht, wie man gewoͤhnlich glaubt, von der Art des Futters,
                              sondern von Fehlern in der Behandlung der Thiere ab.
                           Wenn diese Thiere zu sehr auf einander gehaͤuft und nicht gehoͤrig
                              gereinigt und troken gehalten werden; wenn man sie nicht zur gehoͤrigen
                              Stunde fuͤttert, oder naß fuͤttert und ihr Futter verunreinigen
                              laͤßt; wenn man die Kranken und Todten nicht bei Zeiten entfernt, und der
                              Anstekung vorbeugt; wenn die Luft nicht durch Ventilation gehoͤrig gereinigt
                              und in gehoͤriger Temperatur gehalten wird, so entsteht Krankheit,
                              Schwaͤche, und wenige und schlechte Seide ist die Folge davon.
                           Dieser schlechten Wartung sind diese Nachtheile zuzuschreiben, nicht dem Futter; denn
                              es ist Thatsache, daß diese Thiere nichts fressen, was ihnen schaͤdlich
                              ist,Dieß ist nicht richtig beobachtet. Der Hunger zwingt diese Thiere eben so
                                    gut, als die Menschen, Dinge zu genießen, die ihnen schaͤdlich sind.
                                    Die hungrige Seidenraupe frißt nasse Maulbeerblaͤtter, und frißt sich
                                    daran krank und todt. A. d. U. und da Salat ein eben so gutes Futter fuͤr sie ist, als das
                              Maulbeerblatt, und zu jeder Jahreszeit in Ueberfluß herbeigeschafft werden kann, so
                              ist die Hauptschwierigkeit bei der Anzucht dieser Thiere beseitigt.
                           Diese Auffuͤtterung mit Salat wird vorzuͤglich dadurch wichtig, daß die
                              zahlreichen Maulbeerpflanzungen, welche die incorporirte Seidengesellschaft (incorporated Silk Company) und andere
                              verstaͤndige Leute bereits angelegt haben, in der Zwischenzeit herwachsen
                              koͤnnen; daß man ein Futter mehr fuͤr diese Thiere bekommt. Ich
                              empfehle dann neben dem jezt allgemein und ausschließlich gezogenen weißen
                              Maulbeerbaum auch den schwarzen zu ziehen, indem man aus demselben einen sehr guten
                              Wein bereiten kann, der den auslaͤndischen Weinen wenig nachsteht.Die Blaͤtter des schwarzen Maulbeerbaumes geben schlechte grobe
                                    Seide.Diese Thatsache ist seit Jahrhunderten bekannt. Den Wein aus schwarzen
                                    Maulbeeren kann wohl nur ein englischer Gaumen trinkbar finden. A. d. U.
                           
                           Da man Weiber und Kinder bei der Anzucht der Seidenraupen verwenden kann, so kommt
                              das Taglohn aͤußerst wohlfeil, wenigstens in einigen Gegenden Englands und
                              Wallis, wo selbst Maͤnner nur 6 bis 8 Groschen des Tages bekommen. Da wir
                              ohnedieß zuviel Leute in England haben, so verdient dieß sogar die Aufmerksamkeit
                              der Regierung.
                           Was das Klima von England betrifft, so ist es bereits erwiesen, daß es den
                              Seidenraupen nicht nur nicht nachtheilig ist, sondern daß es selbst Vortheile vor
                              jenem suͤdlicherer Laͤnder besizt. Man kann uͤberdies durch
                              kuͤnstliche Temperatur hier nachhelfen, was bereits in mehreren Theilen des
                              festen Landes von Europa geschieht.Der Uebersezer hat schon fruͤher in diesen Blaͤttern auf die
                                    Notwendigkeit, bei Seidenraupen auf Erhaltung einer guten Raße bei Zeiten zu
                                    denken, wiederholt aufmerksam gemacht. Diese Bemerkung des Hrn. Heard ist sehr richtig, und es unterliegt keinem
                                    Zweifel, daß, wenn jemahls die Seidenraupenzucht in England
                                    eingefuͤhrt werden sollte, wir aus England eben so eine veredelte
                                    englische Raße von Seidenraupen erhalten werden, wie wir bereits englische
                                    Pferde und Schafe aus England erhielten. In Italien, wo das Volk seit
                                    Jahrhunderten in Unwissenheit uͤber naturhistorische
                                    Gegenstaͤnde gehalten wird, kennt man keine Viehzucht; keine Raße der
                                    Hausthiere wurde dort veredelt, man ließ vielmehr alle sich verschlechtern
                                    und entarten, und die geistreichen Oekonomen, die Italien
                                    gegenwaͤrtig besizt, haben mehr als andere in anderen Laͤndern
                                    mit Bekaͤmpfung der Vorurtheile zu thun, die sich ihren edlen
                                    Absichten in den Weg stellen. In England war von jeher eine gewisse
                                    Aufmerksamkeit auf Veredlung der Hausthiere von der Henne und vom Kaninchen
                                    an bis zum Pferde und zum Rinde, wie man sie nicht nur in keinem anderen
                                    Lande kennt, sondern, leider, sogar in den meisten Laͤndern
                                    laͤcherlich findet. A. d. U.
                           Ein Umstand, worauf man bisher zu wenig achtete in der Seidenzucht, ist dieser, daß
                              es Seidenraupen gibt, die mehr als doppelt soviel als die gewoͤhnlichen
                              Seidenraupen spinnen. Die Eier derselben sollte man in verschiedenen Gegenden durch
                              eigene Reisende sammeln lassen: die Kosten einer solchen Reise wuͤrden bald
                              hereingebracht seyn.
                           Ich bin uͤberzeugt, daß man drei bis vier Seidenernten des Jahres erhalten
                              kann, da ich bei der gewoͤhnlichen Temperatur deren zwei erhielt. Durch
                              Auswahl der Eier der besseren Spinner koͤnnte man diese Thiere nach und nach
                              immer mehr und mehr veredeln.