| Titel: | Rettung des Lebens bei Feuersgefahr. | 
| Fundstelle: | Band 28, Jahrgang 1828, Nr. LIII., S. 199 | 
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                        LIII.
                        Rettung des Lebens bei Feuersgefahr.
                        Aus dem Mechanics' Magazine, N. 236. 1. Maͤrz.
                              1828. S. 67.
                        (Im
                              Auszuge.)
                        Rettung des Lebens bei Feuersgefahr.
                        
                     
                        
                           Ein Herr J.
                                 S. S. erzaͤhlt, daß zu London neulich wieder zwei
                              Feuersbruͤnste Statt hatten, bei welchen die Bewohner der Haͤuser in
                              ihren Haͤusern verbrannten.
                           Um diese Auto da Fe's einer schlechten
                              Feuer-PolizeiPolizei uͤberhaupt, als Aufsicht auf Sicherheit des Lebens, der
                                    Gesundheit und des Eigenthumes der Buͤrger, ist wohl in keiner Stadt
                                    auf Erden schlechter, als zu London; denn diejenige, die man dem Namen nach
                                    in dieser Stadt hat, ist schlechter, tausend Mahl schlechter, als gar keine.
                                    Hieruͤber koͤnnte man Folianten als Belege schreiben, wenn man
                                    nur acht Tage zu London zugebracht hat. Alles ist Beutelschneiderei in
                                    dieser Metropolis, zumahl die Polizei) wo diese nicht Guineen zu gewinnen
                                    hat, mag geschehen, was da wolle, und wo sie diese findet, kann auch
                                    geschehen, was jeder will. A. d. Ueb. zu verhuͤten, schlaͤgt er ein Mittel vor, das man bisher
                              uͤbersehen zu haben scheint, und das ihm in vielen Fallen leichter anwendbar
                              scheint, als das Anlegen der Feuerleitern und der Rettungsapparate der Menschen aus
                              den oberen Stokwerken, wenn das Feuer von unten auf brennt, die Flamme aus den
                              unteren Fenstern herausschlaͤgt' und so alle hoͤlzernen
                              Rettungsapparate anfangen mit zu brennen, und alle eisernen zu gluͤhen.
                              Dieses Mittel des Hrn. J. S. S. besteht darin, daß man aus dem, dem brennenden Hause
                              zunaͤchst stehenden Hause, wenn sich naͤmlich ein solches angebaut
                              befindet, in das
                              Stokwerk, in welchem sich Menschen befinden, die weder uͤber die brennenden
                              oder bereits abgebrannten Treppen sich retten, noch durch Rettungs-Apparate
                              bei den Fenstern herab gerettet werden koͤnnen, schnell ein Loch durch die
                              anstehende Mauer bricht. Das Loch brauchte nur etwas uͤber einen Quadratfuß
                              im Gevierte weit zu seyn, und ein solches Loch, meint Hr. J. S. S., waͤre
                              ehe durch die Mauer durchgebrochen, als eine Feuerleiter oder ein Rettungsapparat an
                              die oberen Stokwerke eines Hauses angelegt. „Es wird wenig Mauern in der
                                 Stadt London in einem Hause geben, in welchem man im 2ten oder 3ten Stoke nicht
                                 in laͤngstens fuͤnf Minuten ein solches
                                 Loch durchschlagen koͤnnte.So sonderbar dieß manchem deutschen Leser scheinen wird, so richtig ist
                                       es. Die englischen Hauser uͤberhaupt, und die zu London
                                       insbesondere, sind nicht viel besser als ein Kauffahrdeischiff mit
                                       schlechten Ziegeln von außen belegt. Die Treppen sind alle von Holz, und
                                       meistens so steil, als ob man in einem Schiffe auf und nieder stiege.
                                       Die Waͤnde sind fast alle nur halbziegeldik. Manche Straßen sehen
                                       zwar aus, wie Reihen von Pallasten; allein diese Pallaste sind nur ein
                                       Conglomerat von Hauschen, deren jedes aus 2 bis 3 Stokwerken, und in
                                       jedem Stokwerke aus Zimmer und Kammer besteht. Eine wohlhabende Familie
                                       bewohnt dann alle Stokwerke eines solchen Decimalbruches eines schein
                                       baren Pallastes, und hoͤrt die Kinder der Nachbarn durch seine
                                       Waͤnde schreien. Solche Waͤnde sind bald durchgebrochen,
                                       und ein solches Haͤuschen ist auch 'in einer halben Stunde
                                       niedergerissen, wie der Uebersezer aus eigener Erfahrung weiß. Indessen
                                       verdient dieses Rettungs-Mittel des Hrn. J. S. S. auch bei
                                       unseren solideren deutschen Mauern in gewissen Verhaͤltnissen
                                       alle Beruͤksichtigung, und kann, unter traurigen
                                       Umstaͤnden, bei heftigem Winde waͤhrend einer nachtlichen
                                       Feuersbrunst in einem Gebaͤude aus mehreren Stokwerken, das von
                                       unten an fangt zu brennen, und das bloß hoͤlzerne Treppen hat,
                                       (die man bei jedem neu zu erbauenden Hause von mehreren Stokwerken von
                                       Polizei wegen verbiethen soll, wie es auch zu Wien nach den
                                       Polizei-Baugesezen verbothen ist), wirklich oͤfters das
                                       einzige Rettungs-Mittel seyn. A. d. Ueb. Dadurch wuͤrde das anstehende Haus nicht in Gefahr gesezt; denn,
                                 so bald die zu rettenden Individuen durch das Loch herausgekrochen sind, kann
                                 man dasselbe mit den ausgebrochenen Ziegeln wieder verlegen. Die hierzu
                                 noͤthigen Werkzeuge sollten auf den Feuerwachen mit der gehoͤrigen
                                 Sorgfalt aufbewahrt, und immer im guten Stande erhalten werden.“
                              
                           Wenn ferner, sagt er, die Fenster der zunaͤchst angebauten Hauser nahe genug
                              sind, wie dieß zu London haͤufig der Fall ist, wo ein Nachbar dem anderen die
                              Hand beim Fenster hinaus reichen kann, so koͤnnte man – die Kinder
                              irgend einer Person bei dem zunaͤchst stehenden Fenster hinuͤber
                              reichen. Im Falle, daß die Fenster weiter von einander entfernt waͤren,
                              schlaͤgt der Hr. Verfasser vor eine Verbindung zwischen denselben mittelst
                              Striken, die man dem in Gefahr schwebenden Nachbar Hinuͤber wirft, oder
                              mittelst Brettern, die man ihm zureicht, und an den Fenstern aus legt, und mit einem
                              anderen Brette belegt, herzustellen. Es ist offenbar, daß unter vielen
                              Verhaͤltnissen sich eine solche Fenster-Communication leichter und
                              sicherer herstellen
                              laͤßt, als die Benuͤzung einer Feuerleiter, und daß selbst eine Menge
                              von tragbaren Vorrichtungen sich ausdenken laͤßt, die, von einem Fenster zu
                              dem anderen angelegt, schneller, leichter und sicherer anwendbar sind, als jene
                              Apparate.
                           Hr. J. S. S. bemerkt indessen sehr richtig, daß, wenn in einem Hause die Stiege
                              brennt, alle Thuͤren und Fenster, die zur Stiege fuͤhren, geschlossen
                              werden muͤssen, indem die Oeffnung derselben den Zug, und folglich auch das
                              Feuer vermehrt.
                           Ein Hr. P. schlaͤgt im Mechan. Magazine. N. 237.
                              8. Maͤrz. S. 87. vor, sich mit einem Fallschirme, im Nothfalle mit einem
                              großen Regenschirme meint er, bei dem Fenster herabzulassen, wenn es im Hause
                              brennt, und man nicht mehr uͤber die Stiege kann. Er hat das Manoͤver
                              sogar in einem Holzschnitte dargestellt. Es waͤre uͤberfluͤßig,
                              hieruͤber eine Bemerkung zu machen. Hoͤchstens kann man sich wundern,
                              wie das Mechanics' Magazine die Kosten fuͤr Druk
                              und Abbildung bestreiten mochte.
                           Weit schoͤner ist die Idee des Hrn. Hudson (in derselben Nummer des Mechanics' Magaz. S. 92.) eine Privat-Gesellschaft zur Rettung des Lebens in Feuers-Gefahr
                              (Society for preventing the Loss of Life by Fire) zu
                              errichten, nach welcher in jeder (englischen) □ Meile der Stadt London 20
                              freiwillige, Retter zum Dienste der Menschheit zusammentreten, den die
                              schaͤdliche, bloß von Sporteln lebende, Polizei in London nicht zu kennen
                              scheint. Der Plan, den er hierzu entwirft, ist lediglich der, der auf dem festen
                              Lande (in Deutschland wenigstens) in jedem Staͤdtchen eingefuͤhrt ist.
                              Was in England Gutes fuͤr Menschenwohl geschah, war immer nur die Sache von
                              Privatanstalten, von Subscriptionen. Die Schreiber, die dort Land und Stadt
                              regieren, denken nur daran ihre Beutel zu fuͤllen.