| Titel: | Ueber die Bereitung und Aufbewahrung des Chlorkalkes, von Hrn. Eduard Schwartz. | 
| Fundstelle: | Band 28, Jahrgang 1828, Nr. LXXXIV., S. 289 | 
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                        LXXXIV.
                        Ueber die Bereitung und Aufbewahrung des
                           Chlorkalkes, von Hrn. Eduard
                              Schwartz.
                        Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
                                 Mulhausen. N. 4. S. 242.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              VII.
                        Schwartz, uͤber die Bereitung und Aufbewahrung des
                           Chlorkalkes.
                        
                     
                        
                           Die Bereitung, die Zusammensezung und die Eigenschaften des
                              Chlorkalkes sind von so vielen ausgezeichneten Chemikern untersucht worden, daß man
                              glauben sollte, der Fabrikant duͤrfe nur ihre Werke zu Rache ziehen, um
                              dieses chemische Product im Großen zu bereiten; wer aber selbst solche
                              Verfahrungsweisen, welche im Kleinen in chemischen Laboratorien, befolgt wurden, im
                              Großen ausgefuͤhrt hat, wird sich uͤberzeugt haben, daß man wegen
                              einer Menge unvorhergesehener Umstaͤnde das Verfahren im Einzelnen
                              abzuaͤndern genoͤthigt ist, oder daß dieselben doch Vorsichtsmaßregeln
                              erheischen, die unnuͤz waren, als man mit kleinen Quantitaͤten
                              arbeitete. Es kann also wohl seyn, daß meine Bemerkungen fuͤr den Chemiker
                              von geringer Wichtigkeit sind, und dennoch fuͤr den Fabrikanten einiges
                              Interesse behalten.
                           
                        
                           Bereitung des Chlorkalkes.
                           In Muͤlhausen und der Umgegend wird eine ungeheure Menge Chlorkalk verbraucht,
                              seitdem Hr. Daniel Koechlin,
                              eines der ausgezeichnetsten Mitglieder der Gesellschaft, dessen Rath mich auch bei
                              der Verfassung dieses Aufsazes leitete, das Wegaͤzen der Farben in der
                              Chlorkalkkuͤpe erfand. Dieses Chloruͤr wird auf nassem Wege in den
                              Fabriken selbst, wo es verbraucht wird, bereitet, waͤhrend es in den
                              englischen Manufacturen von den Fabrikanten der chemischen Produkte bezogen wird,
                              welche lezteren es auf troknem Wege darstellen.
                           Hr. Tennant in Glasgow bedient
                              sich zu diesem Zweke eines Apparates, der aus einem Kessel, B, (Fig.
                                 1 u. 3.) besteht, in welchem das Chlor entbunden wird, und aus einem Kasten
                              von Mauerwerk, J, worin dieses Gas mit dem Kalke
                              vereinigt wird.
                           Der Kessel, B, ist aus Blei gemacht. Man bringt in
                              denselben den Braunstein und das Kochsalz durch die Oeffnung, C, und die Schwefelsaure durch die gekruͤmmte Roͤhre, F. Die Beruͤhrung dieser Substanzen wird durch
                              den eisernen Ruͤhrer, D, bestaͤndig
                              erneuert. Der Ruͤkstand lauft durch die Ausleerungsroͤhre, G, ab.
                           Um diesen Kessel mittelst Dampf zu erhizen, stellt man ihn in einen zweiten Kessel,
                              A, aus Gußeisen, welcher den Dampf durch die
                              Roͤhre, H, erhaͤlt.
                           Das Chlor wird aus dem Kessel, B, durch die
                              Roͤhre, E, E, E, in den Kasten, J, (Fig. 2 u. 3.) geleitet. Dieser
                              Kasten ist in vier Gemaͤcher eingetheilt, welche das Chlor aus vier bleiernen Kesseln
                              erhalten. Der Boden desselben ist mit einer vier Zoll diken Schichte von (zu Pulver)
                              geloͤschtem Kalke bedekt, welchen man von Zeit zu Zeit mit den kleinen
                              Rechen, L, L, L, L, umruͤhrt. Wenn die Operation
                              beendigt ist, nimmt man den Chlorkalk durch die Thuͤren, K, K, K, K, heraus.
                           Dieser Apparat ist in solchem Maßstabe vorgerichtet, daß man gegen zwei Centner
                              Braunstein auf einmahl in einen Bleikessel bringen kann.
                           Das trokne Chloruͤr enthaͤlt gewoͤhnlich einen solchen
                              Ueberschuß von Kalk, daß man es sehr oft mit einer kleinen Menge Wasser abreiben
                              muß, um sehr concentrirte Aufloͤsungen zu erhalten. Ungeachtet dieser
                              Vorsicht, sind die Aufloͤsungen, selbst diejenigen, welche man von solchem
                              Chlorkalke erhaͤlt, der keinen uͤberschuͤssigen Kalk
                              enthaͤlt, viel schwaͤcher, als das auf nassem Wege dargestellte
                              Chloruͤr; die concentrirtesten Aufloͤsungen des troknen
                              Chloruͤrs zeigen 6° an Beaumé's Araͤometer und
                              entfaͤrben 50 Vol. der IndigaufloͤsungDie Aufloͤsung enthaͤlt den tausendsten Theil ihres Gewichtes
                                    Indigo von guter Qualitaͤt. A. d. O., waͤhrend das auf nassem Wege dargestellte Chloruͤr 8°
                              bis 9° am Araͤometer zeigt, und 80 Vol. von derselben
                              Indigaufloͤsung entfaͤrbt. Die englischen Fabrikanten brauchen bloß
                              das trokne Chloruͤr mit Wasser anzuruͤhren, um ihre Bleichkuͤpe
                              zu bilden, worin aber die Fluͤßigkeit dann so dik ist, daß man die
                              Stuͤke auf Rollen (Walzen), welche in die Kuͤpe gestellt werden,
                              hineinbringen muß; auch ist ihr Wegaͤzen immer unvollkommner als das
                              unserige. Sie wenden aber noch immer das kaͤufliche trokene Chloruͤr
                              an, weil in ihren Werkstaͤtten der groͤßte Theil davon zum Bleichen
                              gebraucht wird, wozu es nicht so viele Unbequemlichkeiten darbiethet, als wenn man
                              in der Chlorkuͤpe entfaͤrbt.
                           In Muͤlhausen verfaͤhrt man groͤßtentheils bei der Bereitung des
                              fluͤßigen Chloruͤrs folgendermaßen: ein Gemenge von Salzsaͤure
                              und Braunstein wird in glaͤserne Ballons, A, A, A, A,
                                 A, (Fig.
                                 4.), gebracht, und diese im Sandbade erhizt. Das Chlor wird durch
                              glaͤserne Roͤhren in einen cylindrischen steinernen Trog geleitet,
                              welcher Kalkmilch enthaͤlt.
                           Der Ofen, B, Fig. 5. fuͤr diese
                              Sandbaͤder ist aus Gußeisen und hat Scheidewaͤnde von Mauersteinen, so
                              daß jeder Ballon seine besondere Feuerung hat. Der Rauch von diesen verschiedenen
                              Feuern sammelt sich durch den Zug, b, in den blechernen
                              Roͤhren, G.
                           Der Trog, C, ist aus Sandstein (Guebwiller Rothstein).
                              Sein hoͤlzerner Dekel, D, ist mit einem harzigen
                              Firniß uͤberzogen; er wird in Fugen gelegt, welche in dem Steine angebracht sind. Das
                              Drehkreuz, E, Fig. 6 und 7. dient dazu, die
                              Fluͤßigkeit bestaͤndig umzuruͤhren; seine Brettchen
                              duͤrfen nur zwei Zoll von den inneren Waͤnden des Troges abstehen.
                           Die Kalkmilch bringt man durch den Trichter, F, hinein,
                              und das Chloruͤr nimmt man durch die Oeffnung, H,
                              heraus.
                           
                        
                           Bemerkungen uͤber die Bereitung
                                 des fluͤßigen Chlorkalkes.
                           1) Wenn man an dem Apparate keinen Ruͤhrer anbringen kann, welcher das Gemenge
                              von Salzsaͤure und Braunstein immer bewegt, muß man lezteres in mehrere
                              Retorten vertheilen, anstatt es in einem einzigen Gefaͤße zu vereinigen; denn
                              wenn beide Substanzen sich ganz zersezen sollen, so ist es durchaus nothwendig, daß
                              sie bestaͤndig miteinander in Beruͤhrung sind, dieses ist aber nicht
                              der Fall, wenn eine große Masse Braunsteinpulver abgelagert bleibt, denn leztere
                              haͤngt sich endlich so fest an den Boden des Gefaͤßes an, daß die
                              Salzsaͤure sie nicht mehr durchdringen kann.
                           2) Der Apparat darf nicht so hergerichtet werden, daß die Fluͤssigkeit in den
                              Destillationsgefaͤßen einem Druke ausgesezt ist, und zu diesem Ende muß der
                              Behaͤlter fuͤr das Kalkchloruͤr so construirt werden, daß er
                              eine große Oberflaͤche darbiethet, und nicht sehr tief ist; man fuͤhrt
                              alsdann die Gasleitungsroͤhre bloß auf die Oberflaͤche der
                              Fluͤßigkeit, anstatt sie in dieselbe zu tauchen; dadurch wird nicht nur die
                              Arbeit viel einfacher und viel leichter, sondern man erspart auch noch eine gewisse
                              Menge Waͤrme, die nothwendig waͤre, um alles Gas herauszutreiben, wenn
                              lezteres in dem Destillationsgefaͤße einem Druke ausgesezt waͤre.
                           3) Mittelflaschen sind sehr nuͤzlich; fuͤr's Erste um die salzsauren
                              Daͤmpfe abzuhalten, und dann, damit man die Staͤrke der Gasentbindung
                              beobachten kann; sie haben aber den Nachtheil, einen kleinen Druk zu verursachen: um
                              diesem Uebelstande zu begegnen, muͤßte man also anstatt der Flaschen, ein
                              breites und flaches Gefaͤß anwenden, welches eine große Oberflaͤche
                              von Wasser, und eine geringe Tiefe darbiethen wuͤrde, so daß die
                              Leitungsroͤhren kaum in dasselbe tauchen.Es ist leicht einzusehen, daß ein solches Gefaͤß noch viel
                                    groͤßere Schwierigkeiten darbiethen wuͤrde, als eine
                                    Mittelflasche; der Raum uͤber dem Wasserstande desselben,
                                    waͤre naͤmlich mit dem schwach comprimirten Chlorgase
                                    erfuͤllt, welches aus diesem Gefaͤße in die Kalkmilch
                                    streicht, und deßwegen duͤrfte das Gefaͤß nicht leicht
                                    luftdicht zu verschließen seyn. A. d. R. Man findet jedoch bis jezt in keiner Fabrik ein solches Gefaͤß, und
                              fast alle Apparate sind ohne Mittelflaschen.
                           4) Das Kupfer kann nach meiner Erfahrung das Blei uͤberall vorteilhaft ersezen, wo lezteres
                              nicht Staͤrke genug haben sollte. Dieses Metall oxydirt sich zwar; wenn es
                              aber einmahl mit einer Schichte von Oxyd uͤberzogen ist, haͤlt es sich
                              unter gewissen Umstaͤnden vollkommen gut und selbst noch besser als das
                              Blei.
                           
                        
                           Ueber das Verhaͤltniß von
                                 Salzsaͤure und Braunstein.
                           Ich finde, daß es unnuͤz ist, dieses zu bestimmen, denn es haͤngt von
                              der Qualitaͤt einer jeden dieser Substanzen ab. Wenn man die Vorsicht
                              gebraucht, den Braunstein immer in Ueberschuß anzuwenden, so wird man stets gutes
                              Kalkchloruͤr erhalten (dieser uͤberschuͤssige Braunstein
                              braucht nicht verloren zu gehen; man kann die Ruͤkstaͤnde sammeln,
                              auswaschen, und ihn dann wieder benuͤzen). Bei einem Ueberschusse von
                              Braunstein ist man versichert, daß keine Salzsaͤure gegen das Ende der
                              Operation uͤberdestillirt, wodurch die Mittelflaschen einigermaßen
                              entbehrlich werden.
                           Waß die Anwendung der Schwefelsaͤure bei dem Gemenge von Braunstein und
                              Salzsaͤure betrifft, so sollte man nach der Theorie davon großen Vortheil
                              erwarten, weil die Schwefelsaͤure eine groͤßere
                              Saͤttigungscapacitaͤt besizt, und die Eigenschaft hat, das salzsaure
                              Mangan, so bald es sich gebildet hat, zu zersezen; indeß haben die Versuche, welche
                              mehrere Fabrikanten in Muͤlhausen uͤber diesen Gegenstand anstellten,
                              ihrer Erwartung nicht entsprochen, und da der Preis der Salzsaͤure bisher
                              immer im Fallen war, so hat man die Versuche hieruͤber ganz aufgegeben.
                           
                        
                           Ueber die Waͤrme, welche zur
                                 Entbindung des Chlors noͤthig ist.
                           Man muß hierauf das Gemenge auf 40 bis 45 Grad Centsk. (32–36° R.)
                              erhizen, es auf dieser Temperatur so lange, als sich noch Gas entwikelt, erhalten,
                              und es hierauf sehr schnell fast bis zum Kochen erhizen. Wenn man einen großen
                              Ueberschuß von Braunstein, und vorzuͤglich, wenn man bei dem Apparate eine
                              Mittelflasche angewendet hat, kann man die Fluͤßigkeit einige Zeit im Sieden
                              erhalten, ohne daß man fuͤrchten darf, salzsauren Kalk zu bekommen; dieß
                              bringt jedoch nur einen sehr geringen Vortheil, und wenn das Gas in dem
                              Destillationsgefaͤße keinem Druke unterliegt, entbindet es sich
                              vollstaͤndig, selbst schon bei einigen Graden unter dieser Temperatur.
                           In der folgenden Tabelle sind Beobachtungen zusammengestellt, welche ich uͤber
                              den Gang der Operation in dieser Hinsicht, angestellt habe.
                           
                           
                              
                                 
                                            Zeitder
                                    Operation
                                   Temperatur        des  Gemengesin
                                    dem Ballon
                                 Temperatur      des  Chlorürs
                                 Bleichende
                                    Kraft          des      Chlorürs
                                    Dichtigkeit        des    Chlorürs
                                 
                              
                                 In der   5.
                                    Stde.
                                   25 Gr. Cent.
                                 19 Gr. Cent.
                                 20 Indigaufloͤs.
                                 1 1/2° Beaumé
                                 
                              
                                 In der   8. St.
                                   60  –     –
                                 25  –     –
                                 60        –
                                 7             –
                                 
                              
                                 In der 10. St.
                                 100  –     –
                                 30  –     –
                                 80        –
                                 9
                                    1/2       –
                                 
                              
                           
                        
                           Anmerkung.
                           Die zur Bestimmung der bleichenden Kraft des Chlorkalks angewandte
                              Indigaufloͤsung enthaͤlt ein Tausendstel ihres Gewichtes troknen
                              Indigo von guter Qualitaͤt.
                           
                        
                           Ueber einige Eigenschaften des
                                 fluͤßigen Kalkchloruͤrs und die Mittel, dessen Zersezung zu
                                 verhindern.
                           Wenn die Aufloͤsung des Chlorkalkes mit Kalkhydrat vermengt ist, haͤlt
                              sie, ohne sich zu zersezen, eine sehr hohe Temperatur aus, wenn diese nicht zu lange
                              anhaͤlt; ja man kann sie sogar fast bis zum Siedepuncte erhizen, ohne daß
                              ihre bleichende Kraft merklich abnimmt; ist hingegen dem fluͤßigen
                              Kalkchloruͤr die uͤberschuͤssige Basis entzogen, so zersezt es
                              sich in kurzer Zeit schon bei einer Temperatur von 40 bis 45° C.
                           2) Wenn man uͤber eine Kalkmilch Chlor leitet, so kann es fast nicht fehlen,
                              daß nicht durch die Zersezung einer geringen Menge Wasser, etwas salzsaurer und
                              chlorsaurer Kalk entsteht, und besonders wenn diese Kalkmilch eine hoͤhere
                              Temperatur hat; diese Wirkung kann man aber betraͤchtlich vermindern, wenn
                              man die Kalkmilch in ununterbrochener Bewegung erhaͤlt, denn dann verschlukt
                              der suspendirte Kalk das Chlor in dem Maße als es ankommt, und verhindert es so viel
                              Wasser zu zersezen; es ist daher auch sehr vortheilhaft, diese Bewegung durch eine
                              mechanische Triebkraft zu bewirken.
                           Auch muß man das Kalkchloruͤr aus dem Gefaͤße, worin es bereitet worden
                              ist, herausnehmen, so bald die Operation beendigt ist; denn es erhizt sich darin
                              wenigstens auf 30 bis 35° C. (24 bis 28° R.); und wenn man ihm Zeit
                              laͤßt, sich abzusezen, erleidet die Fluͤßigkeit in einigen Stunden
                              immer eine schwache Zersezung. Diese Zersezung des Kalkchloruͤrs ist manchmal
                              durch eine sehr deutliche rosenrothe Farbe bezeichnet, deren Ursache noch von keinem
                              Chemiker ausgemittelt worden zu seyn scheint. Man schreibt sie allgemein dem
                              Umstande zu, daß Manganoxyd in der Fluͤßigkeit aufgeloͤst war; diese
                              Meinung ist jedoch noch durch keine genaue Untersuchung erwiesen.Man vergl. polyt. Journal Bd. XXVI. S.
                                       234., wo bewiesen ist, daß diese rosenrothe (eigentlich violette)
                                    Farbe von Mangansaͤure herruͤhrt.
                                    Wenn bei der Operation ein manganfreier Kalk angewandt wird, entsteht sie
                                    niemahls. A. d. R. Eine andere Erscheinung, welche sich waͤhrend der Zersezung des
                              Kalkchloruͤrs einstellt, ist eine sehr betraͤchtliche
                              Sauerstoff-Entbindung, wodurch große Blasen auf der Oberflaͤche der
                              Fluͤßigkeit entstehen (wenn man einen gluͤhenden Koͤrper in
                              diese Blasen taucht, brennt er sogleich mit lebhaftem Lichte).
                           
                        
                           Anmerkung.
                           Wenn die Bleichkuͤpe durch eine sie zu sehr angreifende Arbeit zersezt wird,
                              zeigen sich manchmal die beiden Erscheinungen, wovon ich so eben gesprochen habe.
                              Hat diese Wirkung einmahl angefangen, so ist es um so schwerer, ihr eine
                              Graͤnze zu sezen, weil die Waͤrme, welche durch die Zersezung frei
                              wird, sie immer weiter treibt. Ich kenne nur zwei Mittel gegen dieses Uebel:
                              naͤmlich mit Eis abzukuͤhlen, und einen neuen Ueberschuß von
                              Kalkhydrat zuzusezen, nachdem man das Klare von dem Saze abgelassen hat.
                           3) Der Chlorkalk kann auch ohne Vermischung mit salzsaurem Kalke, in Wasser
                              aufgeloͤst bestehen. In der That kann man eine Chlorkalkaufloͤsung
                              durch Abdampfen so weit concentriren, daß sie 24 Grad am Araͤometer zeigt,
                              ohne daß sie mehr oder weniger als 80 Vol. Indigaufloͤsung
                              entfaͤrbt.
                           4) Wenn der Chlorkalk rein ist, zeigt seine concentrirteste Aufloͤsung 8 Grade
                              an Beaumé's Araͤometer, und entfaͤrbt 80 Vol.
                              Indigaufloͤsung.
                           Man kann eine solche Aufloͤsung mit einem Ueberschusse von Kalk versezen und
                              Chlor hineinleiten, ohne daß sie je den angegebenen Grad uͤberschreitet: der
                              neu gebildete Chlorkalk wird sich auf dem Boden in Gestalt eines Absazes finden, und
                              sich erst beim Aussuͤßen mit frischem Wasser aufloͤsen.
                           Ich bin weit entfernt zu glauben, daß ich alles erschoͤpft habe, was man
                              uͤber den Chlorkalk zu sagen haͤtte; im Gegentheile hoffe ich, daß
                              bald von Anderen die Beobachtungen zu den meinigen hinzukommen, und damit ein
                              vollstaͤndiges Ganzes bilden werden.
                           
                        
                           Bericht des chemischen Comité's
                                 der Gesellschaft zu Muͤlhausen uͤber diese Abhandlung.
                           Ehe das Comité neue Versuche uͤber die Abhandlung des Hrn. Schwartz anstellte, glaubte es zuvor
                              folgende Bemerkungen machen zu muͤssen:
                           1) Der leichte und wohlfeile Transport des pulverigen Chlorkalks hat vorzuͤglich die
                              Englaͤnder veranlaßt, das Kalkchloruͤr auf trokenem Wege darzustellen,
                              obgleich man auf diese Art nicht so bestaͤndige Resultate erhaͤlt, wie
                              auf dem nassen Wege.
                           2) Guter trokener Chlorkal muß ein wenig durchscheinend und in Massen zusammengebaken
                              seyn, und darf beim Aufruͤhren keinen Staub verursachen; er loͤst sich
                              dann besser in Wasser auf, und gibt folglich viel weniger Saz, weßwegen man ihn
                              leichter zur Bleichkuͤpe anwenden kann.
                           3) Bei dem Apparate zur Bereitung des fluͤßigen Chlorkalks ist es wesentlich,
                              daß man die Gasleitungsroͤhren nicht in die Kalkmilch tauchen laͤßt,
                              denn man hat dann keinen Druk in den Retorten, braucht sie eben deßwegen nicht stark
                              zu lutiren, und die Manipulation wird dadurch viel kuͤrzer und leichter. Die
                              Korkstoͤpsel der Retorten umgibt man gewoͤhnlich mit ein wenig Gummi,
                              geroͤsteter Staͤrke oder einer anderen gummiartigen Substanz von
                              geringem Werthe.
                           4) Die Verhaͤltnisse von Saͤure und Braunstein zur Entbindung des
                              Chlors muͤssen sich natuͤrlich nach ihrer Qualitaͤt richten. In
                              den Fabriken nimmt man gewoͤhnlich auf Einen Theil Braunstein drei Theile
                              Salzsaͤure, obgleich man manchmal Braunstein erhaͤlt, der vier und
                              sogar fuͤnf Theile Salzsaͤure zur gaͤnzlichen Zersezung
                              erfordert.
                           5) Bei der Bereitung des Chlors hat man das Verfahren mit Kochsalz aufgegeben, weil
                              das schwefelsaure Natron, welches sich dabei bildet, so schnell krystallisirt, daß
                              man die Retorten heiß ausleeren muß, wobei sie oft zerbrechen. Uebrigens
                              gewaͤhrt dieses Verfahren bei den Salzbeguͤnstigungen und dem
                              niedrigen Preise der Salzsaͤure, keine Vortheile mehr.
                           Das Comité hat hierauf zwei seiner Mitglieder, die HHrn. Penot und Leonhard Schwartz beauftragt, einige Versuche uͤber die Zersezung des
                              Kalkchloruͤrs unter verschiedenen Umstaͤnden, anzustellen. Die
                              Hauptresultate sind folgende:
                           Als wir Chlorkalk-Aufloͤsungen in einem passenden Apparate kochen
                              ließen, und das entbundene Gas aufsammelten, erhielten wir Sauerstoff; die
                              Fluͤßigkeit, welche in der Retorte zuruͤkblieb, war nicht
                              gefaͤrbt.
                           Als wir denselben Versuch mit einem Chloruͤr wiederholten, welches wir mit ein
                              wenig Kalkmilch versezt hatten, erhielten wir auch Sauerstoffgas, und die in der
                              Retorte zuruͤkgebliebene Fluͤßigkeit hatte eine rosenrothe Farbe
                              angenommen. Wenn wir uns fuͤr jezt nicht bei dieser lezteren Erscheinung
                              aufhalten wollen, auf welche wir bald zuruͤkkommen werden, so erklaͤrt
                              sich die Entbindung von Sauerstoffgas leicht durch die Zersezung des Wassers durch
                              das Chlor.
                           
                           Wir haben baumwollene Zeuge in Chlorkalk gebracht, und als wir bei einer Temperatur
                              von 40 bis 45 Grad arbeiteten, entband sich reines kohlensaures Gas, und das Gewebe
                              wurde stark angegriffen. Wir haben die Temperatur dann bis auf den Siedepunct
                              gesteigert, und es entband sich fortwaͤhrend Kohlensaͤure. Daraus muß
                              man schließen, daß durch die Einwirkung des Chlors auf den Wasserstoff der
                              vegetabilischen Substanzen, ein Theil des Sauerstoffs und Kohlenstoffs der lezteren
                              sich mit einander verbindet, und Kohlensaͤure bildet. Dieses Gas, welches
                              ohne Zweifel auch in den Bleichkuͤpen entsteht, muß darin zum Theile durch
                              den Kalk absorbirt werden; daraus kann man sich die Entstehung der
                              warzensteinartigen Massen erklaͤren, welche sich auf dem Boden und an den
                              Waͤnden der Kuͤpen absezen.
                           Wir haben durch eine Chlorkalkaufloͤsung, welche 9 Grade an Beaumé's
                              Araͤometer wog, und ihr 80faches Volumen Indigaufloͤsung
                              entfaͤrbte, zwei Tage lang eine große Menge kohlensaures Gas
                              hindurchstroͤmen lassen: die Fluͤßigkeit truͤbte sich auf der
                              Stelle; es entband sich Chlor und Kohlensaͤure, leztere weil man einen großen
                              Ueberschuß auf Einmahl hindurchstroͤmen ließ. Nachdem sich der kohlensaure
                              Kalk abgesezt hatte, pruͤften wir das Chloruͤr, welches noch 8°
                              am Beaumé'schen Araͤometer wog, aber nur noch sein 16faches Vol.
                              Indigaufloͤsung entfaͤrbte. Kleesaͤure faͤllte daraus
                              kleesauren Kalk, und entband Chlor. Es ist sonderbar, daß da so lange Zeit
                              Kohlensaͤure durch den Chlorkalk geleitet wurde, dieser dennoch nicht ganz
                              zersezt worden war. Vielleicht gibt es ein Hyperchlorid des Kalks, welches durch
                              Kohlensaͤure nicht zersezbar ist.Allerdings gibt es ein solches Chloruͤr, welches zweimahl so viel
                                    Chlor, als der neutrale Chlorkalk enthaͤlt, und sich unter diesen
                                    Umstaͤnden bildet. Vergl. polyt. Journal Bd. XXVI. S. 231 u. 243. A. d. R.
                           Wir haben Kalkchloruͤr-Aufloͤsung, welche 80 Theile
                              Indigaufloͤsung entfaͤrbte, zwei Tage lang in Beruͤhrung mit
                              dem achten Theil ihres Raumes gepuͤlverter, wasserfreier Kalkerde gelassen:
                              nach dieser Zeit entfaͤrbte das Chloruͤr nur noch 68 Theile;
                              wahrscheinlich ist bei der Absorbtion des Wassers durch den Kalk, Waͤrme
                              genug frei geworden, um eine Zersezung in der Kuͤpe zu verursachen.
                           Wenn man Chlorkalkaufloͤsung mit Salzsaͤure behandelt, erhaͤlt
                              man Chlor, und das Resultat ist dasselbe, wie wenn man Weinsteinsaͤure
                              anwendet, mit dem einzigen Unterschiede, daß sich im lezteren Falle in der Retorte
                              weinsteinsaurer Kalk niederschlaͤgt.Es werden nun Versuche angegeben, welche angestellt wurden, um die Ursache
                                    der rothen Faͤrbung einer Chlorkalkaufloͤsung auszumitteln,
                                    welche entsteht, wenn diese mit Kalkhydrat digerirt wird. Diese Versuche
                                    koͤnnen wir mit Recht weglassen, da man, wie schon oben bemerkt
                                    wurde, mit diesem Gegenstande in Deutschland laͤngst im Reinen ist.
                                    Haͤtten die beiden Chemiker, welche diesen Bericht
                                    erstatten, bei ihren Versuchen reines Kalkhydrat angewandt, wie man es aus
                                    cararischem Marmor erhaͤlt, so waͤre diese rothe
                                    Faͤrbung niemahls eingetreten. Sie sind selbst geneigt, dieselbe
                                    einem Mangangehalt der Kalkerde zuzuschreiben; wenn sie aber nicht einsahen,
                                    daß die faͤrbende Substanz nichts als Mangansaͤure ist, so ruͤhrt dieses wohl daher, daß
                                    die Versuche von Frommherz (Schweigger's Journal
                                    Bd. 41. S. 257.), wodurch die Eigenschaften dieses Koͤrpers erst
                                    genau bekannt wurden, nicht in's Franzoͤsische uͤbersezt, und
                                    also in Frankreich nicht bekannt worden sind. A. d. Ueb.
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
