| Titel: | Einiges über Dampf-Schifffahrt; über das Buxiren anderer Schiffe durch Dampfschiffe; über flach und tief tauchende Dampfschiffe, und die Geseze des Widerstandes des Wassers gegen die geschauffelten Räder der Dampfschiffe. Von dem Mechanikus Ludwig Georg Treviranus aus Bremen. | 
| Autor: | Ludwig Georg Treviranus [GND] | 
| Fundstelle: | Band 28, Jahrgang 1828, Nr. XCIII., S. 385 | 
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                        XCIII.
                        Einiges uͤber Dampf-Schifffahrt;
                           uͤber das Buxiren anderer Schiffe durch Dampfschiffe; uͤber flach und tief
                           tauchende Dampfschiffe, und die Geseze des Widerstandes des Wassers gegen die
                           geschauffelten Raͤder der Dampfschiffe. Von dem Mechanikus Ludwig Georg Treviranus aus
                           Bremen.Der Verfasser dieser Abhandlung, ein sehr geschikter Mechaniker, welcher seinen ersten
                                 Unterricht bei Herrn v.
                                    Reichenbach erhielt, und spaͤter besonders in England den
                                 Maschinen- und Schiffbau studirte, hat sich bereits durch seine
                                 Abhandlung uͤber die Reichenbachsche
                                 Kreis-Eintheilungsmethode, in Gilbert's
                                 Annalen der Physik, bekannt gemacht. A. d. R.
                           
                        Treviranus, uͤber Dampf-Schifffahrt.
                        
                     
                        
                           Zahlreiche Versuche, welche ich in den Jahren 1817 und 1823
                              mit Bewilligung des
                              Kaufmanns Herrn Friedrich
                                 Schroͤder in Bremen, mit den dortigen fuͤr Herrn
                              Schroͤder unter
                              meiner Leitung gebauten Dampfschiffen anstellte, haben mir unter Anderem das
                              Resultat gegeben: daß, wenn ein Dampfschiff zum Transport von
                              Kaufmannsguͤtern benuzt werden soll, es dann vortheilhafter ist, die
                              Guͤter unmittelbar ins Dampfschiff zu laden, als ein zweites Schiff damit zu
                              befrachten, und es durch das Dampfschiff buxiren zu lassen; daß man demnach zu jenem
                              Mittel nur in dem Falle seine Zuflucht nehmen muͤsse, wenn die Seichtigkeit
                              des Fahrwassers es nicht gestatten, sollte, das schon mit der Dampfmaschine, mit
                              Brennmaterial, Segel, Anker und Tauwerke, zum Theil belastete Dampfschiff, durch die
                              zu transportirenden Guͤter noch tiefer ins Wasser zu bringen.
                           Dieß zu erlaͤutern, diene das Folgende:
                           Angenommen, sowohl das Dampfschiff, als das zweite Schiff seyen beide nach gleichem
                              Maaße gebauet, und das zweite Schiff tauche auch im beladenen Zustande eben so tief,
                              als das Dampfschiff; so ist es einleuchtend: daß alle Hindernisse, welche beide
                              Schiffe vereint, in ihrem Laufe zu uͤberwinden haben, das Doppelte von dem
                              jedes Einzelnen unter denselben Umstaͤnden betragen werden.
                           Unter den Hindernissen, welche die Schiffe in ihrer Fahrt zu uͤberwinden
                              haben, verstehe ich insbesondere:
                           1) Den direkten Widerstand des Wassers auf den groͤßten Querdurchschnitt des
                              eingetauchten Theils derselben.
                           2) Die Friktion oder Adhaͤsion des Wassers laͤngs des ganzen, vom
                              Wasser benezten Bodens der Schiffe.
                           3) Die relative Kraft der Schwere, wenn die Schiffe dem Strome entgegen arbeiten,
                              also eine geneigte Ebene hinansteigen sollen.
                           4) Die Kraͤfte, womit contraͤre Winde sich dem Gange der Schiffe
                              entgegenstemmen.
                           Diese gesammten Bewegungshindernisse betragen ohne Zweifel, bei zwei Schiffen von
                              gleichem Maaße und gleicher Belastung, das doppelte von jedem einzelnen derselben,
                              und lassen sich sehr vermindern, wenn die Guͤter des zweiten Schiffes ins
                              Dampfschiff geladen werden.
                           Die Tauchung des Dampfschiffes wird freilich dadurch vermehrt, aber doch nur nach
                              Maaßgabe der in dem zweiten Schiffe befindlich gewesenen Gewichtsmasse.
                           Wenn der Raum im Dampfschiffe es gestattet, so koͤnnen in dem hier angenommenen Falle,
                              noch so viel mehr Guͤter ins Dampfs schiff geladen werden, als das Gewicht
                              des zweiten Schiffes im unbeladenen Zustande betraͤgt; dann erst
                              wuͤrde der Widerstand des Wassers derselbe, und sowohl die absolute, als auch
                              relative Kraft der Schwere beim Dampfschiffe dieselbe seyn, wie vorher, wo beide
                              Schiffe vereint waren.
                           Der nachtheilige Einfluß aber, welchen contraͤre Winde auf die Bewegung der
                              beiden Schiffe haben koͤnnten, ist durch das Verladen der Guͤter ins
                              Dampfschiff um mehr als die Haͤlfte vermindert worden. Die Adhaͤsion
                              des Wassers hat sich dabei durch die tiefere Tauchung des Dampfschiffes nicht in dem
                              Maaße vermehrt, als sie am zweiten Schiffe betrug.
                           Durch die tiefere Tauchung hat das Dampfschiff uͤberdieß noch einige andere
                              wichtige Eigenschaften erlangt.
                           Es kann durch Seitenwinde nicht mehr so leicht von seinem Wege im Fahrwasser
                              abgetrieben werden; der Steuermann braucht ihnen durchs Ruder nicht so sehr entgegen
                              zu arbeiten; er kann das Ruder mehr in der Laͤngenrichtung des Schiffes
                              halten, wodurch das Schiff weniger in seinem Laufe aufgehalten wird. Durch die
                              tiefere Tauchung und dadurch vermehrte Stabilitaͤt des Schiffes ist er ferner
                              in den Stand gesetzt worden, nebst der Dampfmaschine bei guͤnstigem Winde
                              eine gute Segelflaͤche mehr zu benutzen, als vorher. Endlich ist wegen der
                              Vermehrung der Masse die Ladung, und wegen der Verminderung mehrerer der vorherigen
                              Bewegungshindernisse beider Schiffe, die Bewegung des beladenen Dampfschiffes auch
                              gleichfoͤrmiger geworden.
                           Ich glaube durch das bisher Gesagte schon bewiesen zu haben, daß es fuͤr eine
                              schnellere Fahrt und zur Ersparung von Brennmaterial etc. von Wichtigkeit und von
                              wesentlichem Nuzen ist, wenn Frachtguͤter anstatt in ein zweites Schiff
                              geladen zu werden, unmittelbar ins Dampfschiff geladen werden koͤnnen; ich
                              erlaube mir aber auch noch hinzuzufuͤgen: daß es uͤberhaupt auch der
                              Dauer eines Dampfschiffes zutraͤglich ist, wenn Guͤter in dasselbe
                              geladen werden, und zwar aus folgenden Gruͤnden: Bei flachtauchenden
                              Dampfschiffen ist der Theil des Schiffsbodens, auf welchem die Maschinerie sich
                              befindet, durch den dieser Tauchung und Bodenflaͤche entsprechenden Druck des
                              Wassers von unten nach oben in der Regel nicht genugsam gestuͤtzt, und die
                              uͤbrigen Flaͤchen des Schiffsbodens vor und hinter den Maschinen
                              muͤssen nun die Maschinerie mit tragen helfen.
                           Die Bodenflaͤche des Maschinenraums behaͤlt aber fortwaͤhrend
                              unter diesen Umstaͤnden ein Bestreben herunter zu sinken, so lange als nicht
                              das Schiff auch auf den uͤbrigen Bodenflaͤchen nach Verhaͤltniß
                              des Gewichtes der
                              Maschinerie belastet wird, und das Ganze eine bestimmte tiefere Tauchung angenommen
                              hat.
                           Durch eine kunstmaͤßige Zimmerung des Dampfschiffes laͤßt sich freilich
                              der Schifsboden, auch wenn das Schiff fortwaͤhrend bei flacher Tauchung
                              unbeladen geht, in seiner anfaͤnglichen Form, und der Kiel in einer geraden
                              Linie erhalten, aber die Kunst hat auch hier, wie in allen andern Faͤllen
                              ihre Graͤnzen.
                           Es gehoͤrt zum Bau eines guten dauerhaften Dampfschiffes von gegebenen Maaßen,
                              ein bestimmtes Quantum an Material, und zwar ein guter Theil mehr, als zu einem
                              Schiffe von derselben Groͤße noͤthig ist, welches auf ruhigem Wasser
                              bloß Frachtguͤter zu tragen hat, und zwar, weil, wie schon oben gesagt wurde,
                              die Maschinerie nur einen kleinen Theil der Bodenflaͤche des Schiffes
                              einnehmen darf, und uͤberdieß durch ihre Bewegung weit mehr Bestreben hat,
                              dem Schiffe Schaden zuzufuͤgen, als eine gleich schwere todte Masse.
                           Diejenigen, welche eine flache Tauchung empfehlen, und damit die nur scheinbare
                              Verminderung des Widerstandes des Wassers bezweken, und jene auch da angewandt
                              wissen wollen, wo die Umstaͤnde eine tiefere Tauchung zulassen, moͤgen
                              das Gesagte wohl beruͤksichtigen, sonst wird die Erfahrung beim Dampfschiffe
                              uͤber die Tauchung ganz andere Resultate, als eine vielleicht vorher gemachte
                              Rechnung geben.
                           Von der Form des Schiffbodens habe ich noch zu bemerken: daß ein zu flachgehendes
                              Fahrzeug, ein nur vorne und hinten zugespizter, gleichbreiter Kasten, mit auf dem
                              Boden winkelrechten Seiten in der Regel schlecht segelt.
                           Ein solches Fahrzeug, als Dampfschiff angewandt, hat auch, da die horizontale
                              Schwerpunctslinie unter solchen Umstaͤnden gewoͤhnlich der
                              Wasserflaͤche zu nahe und nicht tief genug darunter liegt, zu wenig
                              Stabilitaͤt, und kann bei halbem Winde fast gar kein Segel fuͤhren,
                              und nur bei ganzem oder vor dem Winde vom Segel Gebrauch machen.
                           Man suche sich, wo es die Umstaͤnde gestatten, in der Bestimmung der Form des
                              Schiffbodens, wenigstens vor und hinter den Maschinenraum, der eifoͤrmigen
                              und kreisfoͤrmigen Form mehr zu naͤhern, und wird dann besser
                              fahren.
                           Die Tauchung wird dadurch vermehrt, aber der groͤßte Durchschnitt der
                              verdraͤngten Wassermasse kann derselbe beim runden, wie beim platten Boden
                              seyn.
                           Ich erlaube mir jezt noch einiges uͤber die Progression zu sagen, nach welcher
                              die mechanischen Momente zunehmen muͤssen, um dasselbe Schiff mit
                              verschiedenen steigenden Geschwindigkeiten im todten Wasser zu treiben, da, wie es
                              mir scheint, mitunter die erforderlichen mechanischen Momente, fuͤr
                              verschiedene Geschwindigkeiten mit dem erforderlichen Widerstand des Wassers
                              verwechselt, und diesen proportional gesezt worden sind.
                           Robert Buchanan in seinem Treatise
                                 on pelling vessels by steam, ist entweder in diesen Irrthum verfallen, wenn
                              er angibt: um einem schwimmenden Koͤrper die Geschwindigkeiten der Zahlen 1,
                              2, 3 etc. zu ertheilen, seyen nur Kraͤfte erforderlich, die sich wie Quadrate
                              dieser Zahlen, also wie: 1, 4, 9 etc. verhielten, oder die von ihm gemeinten
                              Kraͤfte beziehen sich nur auf den Widerstand des Wassers, der allen mir
                              bekannten, und von mir selbst angestellten Versuchen zufolge, sowohl auf Schiffen
                              als einfachen ebenen Flaͤchen, den Quadraten der
                              Geschwindigkeiten nicht proportional angenommen werden kann.
                           Da, wie angenommen, bei verschiedenen Geschwindigkeiten eines Dampfschiffes oder
                              sonstigen schwimmenden Koͤrpers, die zur Ueberwindung des Widerstandes des
                              Wassers noͤthigen Kraͤfte sich wie die Quadrate der Geschwindigkeiten
                              verhalten, die Kraͤfte aber auch mit den entsprechenden Geschwindigkeiten
                              nachfolgen muͤssen, so folgt: die mechanischen Momente oder die Produkte aus
                              den Kraͤften in die Geschwindigkeiten, muͤssen sich verhalten wie die
                              Kubikzahlen der Geschwindigkeiten, also in Bezug auf die Zahlen 1, 2, 3 etc. wie 1,
                              8, 27 etc.
                           Kehren wir noch einmahl zu dem Buxiren des Schiffes mittelst des Dampfschiffes
                              zuruͤk, und wenden das eben gefundene Gesez darauf an, so ergibt sich: Wenn
                              das Dampfschiff allein bei vollem Dampf, z.B. mit der Geschwindigkeit von 7 engl.
                              Meilen pr. Stunde durchs Wasser oder im tobten Wasser geht, so wird die
                              Geschwindigkeit beider Schiffe vereint, da Jedem dann nur die halbe Kraft der
                              Maschine zu gute kommt, im Verhaͤltnisse wie
                           ∛ 2 : ∛ 1 = 1,26 : oder auf 7/1,26 = 5,56 engl.
                              Meilen
                           reduzirt werden, und so viel wuͤrde dann auch
                              wenigstens die Geschwindigkeit des Dampfschiffes allein betragen, wenn es mit so
                              viel Last beladen wuͤrde, als das gesammte Gewicht des
                                 zweiten Schiffes und der Ladung betrug.
                           Zu bemerken ist aber noch dabei: daß die Dampfmaschine sowohl beim Buxiren als auch,
                              wenn das Dampfschiff fuͤr sich beladen geht, dieselbe
                                 Anzahl Guͤter als im unbeladenen Zustande desselben tragen und
                              dieselbe Kraft ausuͤben koͤnnen, demnach dafuͤr eingerichtet
                              seyn muß.
                           Die Tauchung der Wasserraͤder des Dampfschiffes soll auch in allen hier
                              angenommenen drei Faͤllen dieselbe, und die Schaufelzahl 
                              nur eine bestimmte sein, sonst reduzirt sich die
                              Geschwindigkeit im tobten Wasser beim Buxiren und im beladenen Zustande des
                              Dampfschiffes auf andere Geseze.
                           Zum Schlusse bemerke ich noch, ruͤcksichtlich der geschaufelten Raͤder
                              der Dampfschiffe: daß mir bis jezt keine Versuche bekannt worden sind, woraus sich
                              ersehen ließe, in welchem Verhaͤltnisse der Widerstand des Wassers bei
                              Vermehrung der Schaufelzahl und gleicher Geschwindigkeit zunimmt, und nach welchem
                              Geseze derselbe bei verschiedenen Geschwindigkeiten des gleichen Rades sich
                              richtet.
                           Beobachtungen, welche ich in Bremen nach beendigtem Bau der dortigen Dampfschiffe
                              uͤber den Gang derselben machte, wollten mir, nach den gewoͤhnlichen
                              Theorien berechnet, nicht so genau als ich glaubte, erwarten zu duͤrfen,
                              uͤbereinstimmen, was mich veranlaßte 1822 und 23 im oberlaͤndischen
                              Hafen zu Bremen auf eigene Kosten eine bedeutende Anzahl Versuche uͤber den
                              Widerstand des Wassers auf die geschaufelten Raͤder der Dampfschiffe nach
                              einem groͤßern Maaßstab als Versuche der Art gewoͤhnlich gemacht
                              werden, anzustellen, die mir das unerwartete fuͤr die Wissenschaft der
                              Hydraulik wohl nicht unwichtige Resultat gaben: daß nur bei einer bestimmten
                              Schaufelzahl der Widerstand des Wassers bei gleicher Eintauchung nach den Quadraten
                              der Geschwindigkeiten sich richtet, fuͤr eine geringere Schaufelzahl aber
                              nach einer niedrigen, so wie bei einer groͤßeren nach hoͤheren
                              Potenzen bis zu gewissen Graͤnzen geht.
                           Wenn Zeit und Umstaͤnde es mir gestatten sollten, werde ich diese Versuche,
                              und manche andere uͤber aͤhnliche Gegenstaͤnde wie diejenigen,
                              um welche es sich hier gehandelt hat, zur Befoͤrderung der Wissenschaften
                              bekannt machen.
                           Trebniz bei Breslau den 27. April 1828.