| Titel: | Versuche über die Fabrikation des Blaustoffkaliums (blausauren Kalis), von Hrn. Desfosses. | 
| Fundstelle: | Band 28, Jahrgang 1828, Nr. CXXIII., S. 473 | 
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                        CXXIII.
                        Versuche uͤber die Fabrikation des
                           Blaustoffkaliums (blausauren Kalis), von Hrn. Desfosses.
                        Aus dem Journal de Pharmacie. Mai 1828, S.
                              280.
                        Desfosses's Versuche uͤber die Fabrikation des
                           Blaustoffkaliums.
                        
                     
                        
                           Scheele, dieser beruͤhmte
                              Chemiker, bewies, daß man, wenn man ein Gemenge von Potasche, Kohle und Salmiak in
                              einem Tiegel der Rothgluͤhhize aussezt, einen Ruͤkstand
                              erhaͤlt, der mit Wasser ausgelaugt eine Fluͤßigkeit gibt, welche die
                              Eisenaufloͤsungen reichlich blau niederschlaͤgt; dieses brachte mich
                              auf die Meinung, daß das Ammoniakgas, welches in so großer Menge bei der Einwirkung
                              des Feuers auf thierische Substanzen entsteht, und sich so leicht durch die bis zum
                              Rothgluͤhen erhizte Kohle zersezt, eine Hauptrolle bei der Bildung des
                              blausauren Kalis waͤhrend der Calcination spielen duͤrfte, und ich
                              stellte daher folgende Versuche an, um seinen Einfluß bei dieser Operation kennen zu
                              lernen.
                           Um das Ammoniakgas unter dieselben Umstaͤnde zu versezen, worin es sich, wie
                              ich glaubte, waͤhrend der Calcination thierischer Koͤrper mit Potasche
                              befindet, erhizte ich ein Gemenge von halbkohlensaurem Kali und Kohle in einer
                              Glasroͤhre bis zum Rothgluͤhen, und leitete dann mittelst eines
                              passenden Apparates einige Zeit einen Strom Ammoniakgas darauf. Als das Gemenge nach
                              dieser Operation ausgelaugt wurde, gab es eine Fluͤßigkeit, welche in
                              Beruͤhrung mit sauren Eisensalzen eine große Menge Berlinerblau
                              hervorbrachte.
                           Da das waͤhrend der Calcination der thierischen Substanzen sich entbindende
                              Ammoniakgas zum Theil durch Kohlensaͤure neutralisirt ist, so unterzog ich
                              kohlensaures Ammoniak demselben Versuche, wie das reine Gas. Das Resultat war
                              dasselbe.
                           Da mich diese beiden Versuche uͤberzeugt hatten, wie leicht sich das Ammoniak
                              in Blaustoffkalium verwandeln kann, so dachte ich, daß man, wenn dieses Gas, wie ich
                              glaubte, das Mittel ist, wodurch das Blaustoffkalium waͤhrend der Calcination
                              des Blutes mit Potasche sich bildet, nur die ammoniakalischen Producte der
                              Destillation eines bestimmten Gewichtes einer animalischen Substanz, durch ein
                              rothgluͤhendes Gemenge von Potasche und Kohle leiten duͤrfte, um
                              wenigstens eben so viel Blaustoffkalium zu erhalten, als man durch das gleichzeitige
                              Calciniren mit Potasche erhaͤlt: dieses bestaͤtigten folgende
                              Versuche:
                           Ich brachte in ein unten verschlossenes Flintenlaufstuͤk eine Unze zerriebenes
                              Hirschhorn und auf dasselbe 4 Quentchen gereinigtes halbkohlensaures Kali, welches
                              mit 2 Quentchen Kohle gemengt war. Nachdem ich den Apparat mit einer
                              Glasroͤhre, welche unter Wasser tauchte, verbunden hatte, um die Luft
                              abzusperren, erhizte ich zuerst denjenigen Theil des Flintenlaufes, welcher das Kali
                              enthielt bis zum Weißgluͤhen, und brachte dann allmaͤhlich denjenigen,
                              worin die thierische Substanz war, auf dieselbe Temperatur: das Feuer wurde so lange
                              unterhalten, bis kein Gas mehr austrat. Nachdem das Gemenge von kohlensaurem Kali
                              und Kohle kalt ausgelaugt worden war, gab die Fluͤßigkeit, mit einer
                              Eisenaufloͤsung versezt, einen Niederschlag, welcher mit
                              salzsaͤurehaltigem Wasser ausgewaschen, in ganz ausgetroknetem Zustande 48
                              Gran wog.
                           Dieselben Quantitaͤten Hirschhorn und Kali gaben, als man sie mit einander in
                              einem Tiegel calcinirte, nur 26 Gran Berlinerblau; als ich diesen Versuch
                              vergleichungsweise 3 und 4mahl wiederholte, erhielt ich immer denselben Unterschied
                              in den Quantitaͤten des Productes.
                           4 Quentchen getroknetes Ochsenblut, in einem Tiegel mit 4 Quentchen Potasche
                              calcinirt, gaben nur 28 Gran Berlinerblau; die fluͤchtigen Producte der
                              Destillation des ersteren aber, durch 4 Quentchen mit Kohle vermengter Potasche
                              geleitet, gaben 48 Gran.
                           Sollte man diesem zu Folge bei der Theorie uͤber die Bildung des
                              Blaustoffkaliums waͤhrend der Calcination der thierischen Substanzen mit Kali
                              (Potasche) nicht annehmen koͤnnen, daß der Blaustoff keineswegs durch die
                              unmittelbare Vereinigung des Stikstoffs der thierischen Substanz mit ihrem
                              Kohlenstoff, sondern daß er sich auf Kosten des Ammoniaks bildet, welches durch die
                              Einwirkung der Waͤrme auf die Elemente der thierischen Substanz entsteht, und
                              welches dann durch den Kohlenstoff zersezt wuͤrde, der nach einer gewissen
                              Dauer der Calcination durch die thierische Substanz verschafft wird, welche
                              Zersezung dann die Gegenwart des Kalis noch sehr beschleunigt. Den Beweis
                              dafuͤr wuͤrde die Beobachtung geben, daß, so oft man eine thierische
                              Substanz allein calcinirt, sich daraus nur eine geringe Menge freier Stikstoff, aber
                              fast der ganze Stikstoffgehalt derselben in seiner Vereinigung mit Wasserstoff,
                              entwikelt. Man koͤnnte diese Meinung auch noch durch die in den Fabriken wohl
                              bekannte Thatsache unterstuͤzen: daß die Quantitaͤt Berlinerblau,
                              welche man aus einer thierischen Substanz erhaͤlt, sich stets gleich bleibt,
                              man mag sie mit Potasche in bloß ausgetroknetem Zustande oder nach
                              vorlaͤufigem Verkohlen calciniren; dieses ist leicht dadurch
                              erklaͤrbar, daß erst dann, wenn diese Substanz bis zur Abscheidung von Kohle
                              durch das Feuer zersezt wurde, das Ammoniak, welches sich schon viel fruͤher
                              entbindet, seine Elemente abgeben und Blaustoff bilden kann.
                           Diese Hypothese erklaͤrt auch leicht die groͤßere Production von
                              Berlinerblau, wenn man die gasartigen Producte durch ein Gemenge von Potasche und Kohle streichen
                              laͤßt, weil bei dieser Verfahrungsweise das Ammoniakgas, welches sich vor dem
                              Eintreten der Verkohlung entbindet, benuͤzt wird, waͤhrend es bei der
                              Calcination nach der gewoͤhnlichen Methode verloren geht.
                           Diese Thatsachen hatten mich auf die Meinung gebracht, daß es vielleicht vorteilhaft
                              seyn duͤrfte, nach diesen Principien das blausaure Kali (Blutlangensalz) zu
                              fabriciren; schon die ersten deßhalb angestellten Versuche uͤberzeugten mich
                              aber, daß diese Verfahrungsweise niemals im Großen anwendbar seyn wird, weil, wenn
                              man eine etwas betraͤchtliche Quantitaͤt Potasche und Kohle in Arbeit
                              nimmt, sich in den aͤußeren Theilen viel Blausaͤure bildet, aber der
                              mittlere Theil von dem Ammoniakgas nicht durchdrungen wird und kein Resultat
                              gibt.
                           Indessen gab mir diese Arbeit eine Methode an die Hand, wonach man zu gleicher Zeit
                              Elfenbeinschwarz und blausaures Kali fabriciren kann. Sie bestaͤnde darin,
                              daß man in einen Cylinder zerstoßene Knochen und ein Gemenge von Potasche mit Kohle
                              schichtenweise eintragen und das Ganze gehoͤrig erhizen wuͤrde. Nach
                              beendigter Calcination muͤßte man erkalten lassen, und dann das Gemenge von
                              blausaurem Kali mit Kohle mittelst eines Siebes von den Knochen trennen. Man
                              waͤre bei dieser Anordnung nicht verhindert, Ammoniak zu sammeln. Diese
                              Verfahrungsweise gelingt in der That auch gut, fuͤhrt aber nicht so schnell
                              zum Ziele wie diejenige, welche man in den Fabriken bei der Bereitung des blausauren
                              Kalis befolgt: sie wird uͤbrigens kostspielig durch die hohe Temperatur,
                              welcher man die Retorten aussezen muß, damit der Versuch vollkommen gelingt, bei
                              welcher Temperatur sie ihre Form verlieren und verbrennen, wenn sie von Gußeisen
                              sind.
                           Man hat oft die Meinung geaͤußert, daß der Stikstoff sich nur dann mit dem
                              Kohlenstoff verbinde und Blaustoffkalium bilde, wenn er in freiem Zustande sey; man
                              kann aber leicht beweisen, daß dieser Umstand nicht unumgaͤnglich nothwendig
                              ist, und daß es, um die Vereinigung des Kohlenstoffs mit dem Stikstoff zu bewirken,
                              hinreichend ist, daß diese beiden Koͤrper einer erhoͤhten Temperatur
                              bei Gegenwart einer Substanz, welche den Kohlenstikstoff fixiren kann, ausgesezt
                              sind. In der That hat Curaudeau bemerkt, daß sich ein
                              wenig Blaustoffkalium bildet, wenn man ein Gemenge von Potasche mit Kohle lange Zeit
                              in einem Tiegel beim Zutritt der Luft erhizt. Will man einen unwiderlegbaren Beweis,
                              so lasse man Stikgas durch eine weißgluͤhende Roͤhre streichen, welche
                              ein Gemenge von Potasche mit Kohle enthaͤlt, und man wird in kurzer Zeit
                              sehen, daß sich das Kali mit viel Blausaͤure verbindet und ein Theil
                              Stikstoff verschwindet. Es entsteht bei dieser Operation Kohlenoxydgas. Derselbe Versuch gelingt auch mit
                              Luft; man muß aber dann in den Eingang der Roͤhre einige rothgluͤhende
                              Kohlen legen, um den Sauerstoff zu absorbiren, welcher das Blaustoffmetall in dem
                              Maße, als es sich bildet, verbrennen koͤnnte. Es gelang nach der lezteren
                              Verfahrungsweise das Kali mit so viel Blaustoff zu verbinden, daß ich einige Zeit
                              lang glaubte, es waͤre moͤglich, das blausaure Alkali ohne die
                              Huͤlfe thierischer Substanzen zu bereiten. Als ich jedoch lange Zeit einen
                              Strom Luft uͤber ein Gemenge von 1/2 Unze Potasche mit Kohle streichen ließ,
                              erhielt ich nur 12 Gran Berlinerblau, waͤhrend ich nach anderen
                              Verfahrungsweisen eine viel groͤßere Quantitaͤt erhielt.
                           Einige Schriftsteller haben auch behauptet, daß wenn man Soda an Statt Potasche bei
                              der Calcination zur Bereitung der Blutlauge anwendet, man leicht blausaures Natron
                              erhaͤlt. Verschiedene im Großen angestellte Versuche haben mich jedoch
                              uͤberzeugt, daß das halbkohlensaure Natron so wenig Blausaͤure
                              aufnimmt, daß dieses Verfahren unmoͤglich mit Vortheil befolgt werden
                              koͤnnte: ich war nicht gluͤklicher, als ich die thierischen Substanzen
                              mit einem Gemenge von Potasche mit Soda calcinirte; die Quantitaͤt des
                              erhaltenen blausauren Salzes stand immer mit der beigemengten Potasche in
                              Verhaͤltniß. Das Natron scheint mir zu dieser Operation deßwegen nicht
                              tauglich zu seyn, weil es sich viel schwerer reducirt als das Kali; ohne Zweifel
                              koͤnnen sich aus demselben Grunde auch die alkalischen Erden nicht in
                              Blaustoffmetalle verwandeln, wenn man sie mit thierischen Substanzen calcinirt.
                           Aus den angefuͤhrten Thatsachen scheint mir hervorzugehen, 1) daß man, um die
                              Bildung des Blaustoffkaliums waͤhrend der Calcination der thierischen
                              Substanzen mit Potasche zu erklaͤren, annehmen kann, daß der Stikstoff sich
                              aus der thierischen Substanz nicht unmittelbar, in Verbindung mit Kohlenstoff im
                              Zustande von Blaustoff, abscheidet, sondern daß er sich daraus anfangs in Verbindung
                              mir Wasserstoff trennt, und daß erst in der Folge das entstandene Ammoniak mittelst
                              der Kohle zersezt wird, welche durch die Trennung der Elemente der thierischen
                              Substanz frei wurde, indem es Stikstoff frei macht, und wenn dieser einmal in
                              Freiheit gesezt ist, sich mit einem Theile Kohlenstoff verbindet, um Blaustoff zu
                              bilden, welcher sich mit dem durch die Einwirkung der Kohle auf das Kali
                              entstandenen Kalium vereinigt; 2) daß es nicht noͤthig ist, daß der Stikstoff
                              in dem Zustande sey, wo er aus einer Verbindung frei wird, damit er mit dem
                              Kohlenstoff den Blaustoff erzeuge; 3) daß das Natron und die alkalischen Erden kein
                              Blaustoffmetall bilden, wenn man sie mit thierischen Substanzen calcinirt, weil die
                              Metalle, welche ihre Grundlage bilden, den Sauerstoff zu energisch
                              zuruͤkhalten.