| Titel: | Ueber den Pyrophor. Von Hrn. Gay-Lussac. | 
| Fundstelle: | Band 30, Jahrgang 1828, Nr. LIV., S. 197 | 
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                        LIV.
                        Ueber den Pyrophor. Von Hrn. Gay-Lussac.
                        Aus den Ann. de Chimie. April 1828. S.
                              415.
                        Gay-Lussac, uͤber den Pyrophor.
                        
                     
                        
                           Die Ursachen, welchen der Pyrophor seine Entzuͤndbarkeit verdankt, scheinen mir noch nicht
                              hinlaͤnglich bestimmt; ich machte hieruͤber folgende Versuche.
                           Statt des Zukers oder Mehles, welches man gewoͤhnlich zur Bereitung des
                              Pyrophors nimmt, bediente ich mich des calcinirten Kienrußes, nachdem ich mich
                              uͤberzeugte, daß man von demselben ein sehr gutes Resultat
                              erhaͤlt.
                           Ein Gemenge aus Alaun, dem calcinirte Pottasche als Basis dient, und aus Kienruß,
                              wurde in einer Retorte aus Steingut erhizt, deren Schnabel in Queksilber tauchte.
                              Ich erhielt anfangs beinahe gleiche Volumen kohlensaures und schwefeligsaures Gas;
                              spaͤter war die Kohlensaͤure rein, und endlich gesellte sich etwas
                              Kohlenstoffoxyd hinzu, das zulezt vorherrschte. Ich bemerkte Spuren von
                              Schwefelwasserstoffsaͤure und Schwefel, so wie einen leichten Anflug von
                              schwefeligsaurem Ammoniak, das vielleicht seine Entstehung nur dem Vorkommen von
                              etwas Ammoniak in dem Alaun zu verdanken hat. Der ganz erkaltete Ruͤkstand
                              entzuͤndete sich, wie der beste Pyrophor, und verbreitete einen erstikenden
                              Geruch von schwefeliger Saͤure; brannte selbst mit einer leichten blauen
                              Flamme.
                           Die Entwikelung schwefeliger Saͤure beweiset deutlich, daß waͤhrend der
                              Bereitung des Pyrophors sich ein Polysulfuͤr (Poly-sulfure), d.h. eine Schwefelverbindung von mehreren Atomen
                              Schwefel bildet; denn eine einfache Verbindung von Schwefel mit Kali (Monosulfure de Potassium) wuͤrde, wenn sie
                              brennt, sich in eine neutrale schwefelsaure Verbindung verwandeln, ohne schwefelige
                              Saͤure zu entwikeln.
                           Der Schwefel im Ueberschusse kommt ohne Zweifel von der Schwefelsaure der
                              schwefelsauren Thonerde her, und nur von den lezten Theilen derselben. Die ersteren
                              zersezen sich wirklich durch den Kohlenstoff vor dem schwefelsauren Kali, und das
                              Verhaͤltniß, gleiches Volumen der Kohlensaͤure zum schwefligsauren Gas
                              beweist, daß all ihr Schwefel in dem Gase enthalten ist, das sich entwikelt.
                           Es ist ebenso unbestreitbar erwiesen, daß kein freies Kalium in dem Pyrophor
                              enthalten seyn kann. Um sich hiervon zu uͤberzeugen, darf man nur den
                              Pyrophor mit Wasser in Beruͤhrung bringen. Man wird keine Entwikelung von
                              Wasserstoff wahrnehmen. Da aber dieses Product, so wie es gewoͤhnlich
                              bereitet wird, mehrere verschiedene Stoffe enthaͤlt, wird es nothwendig zu
                              untersuchen, welcher von denselben am kraͤftigsten zur Entzuͤndung
                              beitragt.
                           Die Kohle ist zur Entzuͤndung des Pyrophors nicht durchaus
                              unerlaͤßlich. Ich machte eine Mischung von ungefaͤhr 75 Gr. Alaun, und
                              3,33 Kienruß, oder von 1 Atome des ersteren und von 3,5 des zweiten, und nachdem ich
                              dieselbe in einer Kirschrothhize, die in's Weiße zog, gluͤhte, erhielt ich eine rothbraune
                              Masse, in welcher man keine Spur von Kohle mehr unterscheiden konnte, und die sich
                              sehr gut in der Luft entzuͤndete, und einen weißlich grauen Ruͤkstand
                              ließ.
                           Auch die Thonerde gehoͤrt nicht wesentlich zur Entzuͤndung des
                              Pyrophors; denn als ich eine Mischung aus 1 Atome schwefelsaurem Kali und 3 Atomen
                              schwefelsaurer Bittererde machte, durch welche ich die Thonerde in dem Alaune
                              ersezte, und diese Mischung, wie die vorhergehende, erhizte, erhielt ich einen sehr
                              guten Pyrophor.
                           Schwefelkalium aus einem Atome oder aus mehreren Atomen Schwefel, oder selbst eine
                              Schwefelverbindung mit Sauerstoff (oxisulfure)
                              entzuͤndet sich an der Luft nicht, so lang es in Masse ist; die Gegenwart der
                              Bitter- oder Thonerde schien mir keinen anderen Einfluß zu haben, als die
                              Zertheilung des Schwefelkaliums, und ich glaubte daher diese beiden Basen durch
                              Kohle hinlaͤnglich ersezen zu koͤnnen. Ich machte daher eine Mischung
                              aus
                           
                              
                                 27,3 schwefelsaurem Kali,
                                 1 Atom
                                 
                              
                                   7,5 Kienruß
                                 4 Atome;
                                 
                              
                           ich erhielt aber nur eine sich kluͤmpernde
                              Schwefelverbindung, die sich bei Beruͤhrung der Luft nicht
                              entzuͤndete.
                           Ich verdoppelte hierauf das Verhaͤltniß der Kohle, und dann war der
                              Ruͤkstand nach dem Gluͤhen vollkommen pulverartig und
                              entzuͤndete sich auf eine erstaunenswerthe Weise. Als ich ihn aus der
                              Retorte, wo er calcinirt wurde, in die Flasche schuͤttete, entzuͤndete
                              er sich augenbliklich, und nicht ohne Gefahr fuͤr mich. Das kleinste
                              Staͤubchen, das man in die Luft fallen laͤßt, entzuͤndet sich
                              augenbliklich und brennt mit dem lebhaftesten Glanze. Woher kommt dieß?
                           Bei dem Verbrennen gibt dieses Product keine schwefelige Saͤure, wie der
                              Pyrophor; und dieß muß geschehen, weil das Kalium allen Schwefel behaͤlt, um
                              sich in neutrale schwefelsaure Verbindung umzuwandeln. Indessen ist das Kalium in
                              demselben nicht im Zustande eines Monosulfuͤres; denn die Aufloͤsung
                              der pyrophorischen Masse in Wasser gibt mit Sauren geschwefelten Wasserstoff und
                              einen Niederschlag von Schwefel. Es hat sich also ein Polysulfuͤr gebildet,
                              und folglich ist ein Theil des Kaliums nicht mit Schwefel verbunden. Allein dieses
                              Kalium ist auch nicht frei; denn die pyrophorische Masse gibt mit Wasser allein kein
                              Hydrogen; es muß also mit Sauerstoff verbunden seyn. Diese Masse braucht ferner
                              nicht, wie der gemeine Pyrophor, feuchte Luft zu ihrer Entzuͤndung. In ganz
                              trokener Luft ausgeschuͤttet faͤngt sie augenbliklich Feuer. Endlich
                              scheint mir auch die Kohle nicht mit Schwefel oder mit Kalium in Verbindung getreten
                              zu seyn. Die Aufloͤsung der pyrophorischen Masse in Wasser ist nicht
                              verschieden von jener eines ohne Kohle bereiteten Sulfuͤres, und der Kienruß sammelt sich sehr
                              schnell auf dem Boden des Gefaͤßes, ohne so fein zu seyn, wie er nach
                              vorausgegangener Verbindung seyn muͤßte.
                           Schwefelsaures Natron, mit Kienruß erhizt, in aͤquivalentem
                              Verhaͤltnisse fuͤr schwefelsaures Kali, gab mir eine pyrophorische
                              Masse von beinahe gleicher Entzuͤndlichkeit mir der vorigen. Schwefelsaurer
                              Baryt, auf aͤhnliche Weise behandelt, brachte aber nichts Aehnliches
                              hervor.
                           Dieser neue Pyrophor scheint mir, verglichen mit dem gewoͤhnlichen, seine
                              groͤßere Entzuͤndbarkeit mehreren Ursachen zu verdanken; seiner
                              groͤßeren Zertheilung, der Abwesenheit einer umhaͤngen Erde, und gewiß
                              auch einer geringeren Menge Schwefels.
                           Die Entzuͤndung des gemeinen Pyrophors, so wie desjenigen aus schwefelsaurem
                              Kali und Kienruß haͤngt vorzuͤglich von der großen Verbrennlichkeit
                              des Schwefelkaliums ab, und von dessen Wirkung auf das Wasser und auf die Luft. Die
                              Thonerde, die Bittererde oder die Kohle scheinen keine andere Wirkung zu haben, als
                              daß sie die verbrennliche Masse zertheilen; die Kohle aber, die selbst brennbar ist,
                              verhalt sich bei diesem Phaͤnomene nicht bloß leidend, wie die anderen beiden
                              Stoffe; wenn die Entzuͤndung einmahl entstanden ist, unterhalt sie
                              dieselbe.
                           Ich will am Schlusse nur noch bemerken, daß ich nicht wahrnahm, daß eine, sehr hohe
                              Temperatur die Entzuͤndbarkeit meiner Pyrophore veraͤnderte. Ich gab
                              die Hize, die man in einem Ofen von 17 Centimeter Durchmesser gewoͤhnlich
                              erhalten kann, auf welchen ich zuweilen eine blecherne Roͤhre von 35
                              Centimeter aufsezte; ich sorgte aber dafuͤr, daß alle Luft aus der Retorte,
                              in welcher das Ausgluͤhen geschah, ausgeschlossen blieb, waͤhrend der
                              Pyrophor erkaltete.