| Titel: | Ueber die Bereitung des wasserfreien Alkohols, von Thom. Graham. | 
| Fundstelle: | Band 30, Jahrgang 1828, Nr. XCVI., S. 343 | 
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                        XCVI.
                        Ueber die Bereitung des wasserfreien Alkohols,
                           von Thom.
                              Graham.
                        Aus dessen Account of the Formation of Alcoates in dem
                           Philosoph. Mag. and
                                 Annals of Philosophy, Octbr. 1828. S. 265.
                        Graham, uͤber die Bereitung des wasserfreien
                           Alkohols.
                        
                     
                        
                           Wasserfreier oder absoluter Alkohol kann nur sehr schwierig, selbst nach dem
                              zwekmaͤßigsten Verfahren, naͤmlich dem von Richter angegebenen, dargestellt werden. Als ich Alkohol durch
                              Chlorcalcium (geschmolzenen salzsauren Kalk) rectificirte, wie es Richter empfiehlt, erhielt ich ihn durch eine einzige
                              Destillation niemals unter einem specifischen Gewichte von 0,798 bei einer
                              Temperatur von 60° F.; wenn ich aber dieses Product nochmals uͤber
                              neues Chlorcalcium abzog, gelang es. mir meistentheils, dasselbe auf 0,796
                              zuruͤkzubringen, was das specifische Gewicht des Normalalkohols jenes
                              Chemikers ist. Folgender Versuch erlaͤutert dieses Verfahren.
                           Vier Maße (Maßtheile) Alkohol von 0,826 specifischem Gewicht wurden in eine Retorte
                              gegossen und sodann eine Quantitaͤt wohlgetroknetes Chlorcalcium, welche
                              Dreiviertel des Gewichtes des Alkohols betrug, allmaͤhlich zugesezt und
                              gelegentlich geschuͤttelt. Ein großer Theil des Salzes wurde unter Freiwerden
                              von Waͤrme aufgeloͤst, und um die Vereinigung zu befoͤrdern,
                              kochte ich das Ganze einige Minuten lang, und ließ sodann den im Halse der Retorte
                              verdichteten Dampf wieder zuruͤktreten. Die Retorte wurde sodann mit einem
                              Recipient versehen und die Destillation so langsam geleitet, daß der Alkohol ganz in
                              dem Halse der Retorte verdichtet wurde und tropfen weise in den Recipient fiel,
                              – wobei fast zwei Secunden zwischen dem Fall jedes Tropfens verflossen. Das
                              zuerst uͤbergegangene Maß Alkohol hatte bei 60° F. 0,800 spec. Gew.;
                              das zweite Maß 0,798 und das dritte 0,801; die Destillation wurde sodann nicht mehr
                              weiter fortgesezt. Ich
                              vermischte sodann diese drei Maße und destillirte sie zum zweiten Mahle auf dieselbe
                              Art, wodurch ich zwei Maße Alkohol von 0,796 specifischem Gewicht erhielt. Es zeigte
                              sich, daß eine fernere Rectification das specifische Gewicht des Alkohols nicht
                              unter 0,79 reducirte. Nach der Analyse des Alkohols von Saussure und der Bestimmung des specifischen Gewichtes seines Dampfes von
                              Gay-Lussac ist kaum zu zweifeln, daß der so
                              erhaltene Alkohol vollkommen wasserfrei ist. Zwar enthaͤlt solcher Alkohol
                              immer noch Sauerstoff und Wasserstoff im Betrag von einem Aequivalent Wasser; aber
                              dieses Aequivalent Sauerstoff und Wasserstoff gehoͤrt wesentlich zur
                              Zusammensezung des Alkohols; denn wenn es ihm zum Theil entzogen wird, verwandelt
                              sich der Alkohol in Aether, und wenn es ihm ganz entzogen wird, in
                              oͤhlerzeugendes Gas; dessen ungeachtet kann man doch annehmen, daß der
                              Sauerstoff und Wasserstoff als Wasser darin vorhanden sind.
                           Das Richter'sche Verfahren ist außerordentlich
                              laͤstig, weil man es so langsam leiten und eine betraͤchtliche Menge
                              Alkohol aufopfern muß. Ich versuchte frisch gebrannten Kalk an Statt Chlorcalcium
                              und destillirte in einem Bad von Salzwasser. Wenn man nur vollkommen wasserfreien
                              Alkohol erhalten will, so fuͤhrt kein anderes Verfahren schneller zum Ziele.
                              Das Product hatte 0,794 spec. Gew.; aber es enthielt eine Spur Aether, welchem man
                              das außerordentlich geringe Eigengewicht zuschreiben muß; und besaß einen
                              empyreumatischen Geruch, obgleich die Destillation bei sehr gelinder Waͤrme
                              ausgefuͤhrt wurde. Dieß ist auch ein sehr langsames Verfahren.
                           Das Verfahren, welches ich vorzog, gruͤndet sich auf das Princip des Leslie'schen Erkaltungsapparates. Der Alkohol wird
                              dadurch concentrirt, daß man ihn mit gebranntem Kalk unter den Recipient einer
                              Luftpumpe stellt. Eine weite Schale wird bis zu einer geringen Tiefe mit
                              groͤblich gepulvertem frisch gebranntem Kalk bedekt, und eine kleinere
                              Schale, welche drei oder vier Unzen kaͤuflichen Alkohol enthaͤlt, auf
                              den Kalk gestellt; das Ganze wird auf die Platte einer Luftpumpe gesezt und mit
                              einem niedrigen Recipient bedekt Man pumpt so lange Luft aus, bis der Alkohol zu
                              wallen anfaͤngt, aber nicht langer. Von den nun den Recipient
                              fuͤllenden vermischten Alkohol- und Wasserdampfen kann der Aezkalk
                              sich nur mit den Wasserdampfen verbinden, welche daher schnell weggeschafft werden,
                              waͤhrend die Alkoholdampfe zuruͤkbleiben. Weil aber das Wasser,
                              obgleich es eine Atmosphaͤre von seinem eigenen Dampfe uͤber sich hat,
                              in dem Alkohol nicht zuruͤkbleiben kann, so bildet sich mehr Wasserdampf.
                              Dieser Dampf wird ebenfalls absorbirt und so schreitet der Proceß fort, bis alles
                              Wasser aus dem Alkohol entfernt ist.
                           
                           Es sind immer mehrere Tage zu diesem Zwek noͤthig, und im Winter
                              laͤngere Zeit, als im Sommer. Folgende Faͤlle zeigen das
                              Verhaͤltnis in welchem das Wasser dem Alkohol entzogen wird. Der erste
                              Versuch wurde im Sommer angestellt. Vier Unzen Alkohol von 0,827 spec. Gew. wurden
                              concentrirt.
                           Das spec. Gew. wurde alle 24 Stunden bestimmt und dadurch folgende Reihe von
                              Resultaten erhalten:
                           0,827
                           0,817
                           0,808
                           0,802
                           0,798
                           0,796.
                           In diesem Falle war alles Wasser in fuͤnf Tagen entfernt, aber manchmal ist
                              eine etwas laͤngere Zeit erforderlich, obgleich sie selten eine Woche
                              uͤberschreitet. Im Winter muß der Alkohol gewoͤhnlich einen oder zwei
                              Tage laͤnger als im Sommer dem Kalk ausgesezt werden. Bei einem im Winter
                              angestellten Versuche, wobei die Quantitaͤt des Alkohols und die
                              uͤbrigen Umstaͤnde dieselben wie in dem vorhergehenden Versuche waren,
                              nahm die Concentration in folgendem Verhaͤltnisse zu:
                           0,825
                           0,817
                           0,809
                           0,804
                           0,799
                           0,797
                           0,796.
                           Aezkalk kann als eine poroͤse Substanz eine kleine Menge Alkoholdampf
                              verdichten. Es ist daher unzwekmaͤßig, ihn in großem Ueberschuß anzuwenden.
                              Bei einem Versuche, wo drei Pfund Aezkalk mit vier Unzen Alkohol angewandt wurden,
                              ging ungefaͤhr ein Sechstel des Alkohols durch diese Absorbtion verloren. Der
                              Aezkalk sollte nie das dreifache Gewicht des Alkohols uͤberschreiten, weil
                              sonst eine merkliche Menge Alkohol absorbirt wird. Er sollte in dem Recipient auf
                              einer moͤglichst großen Oberflaͤche ausgebreitet werden.
                           Nach dem Richter'schen Verfahren kann man nicht wohl mehr
                              als wenige Unzen Alkohol auf einmal bearbeiten; denn wenn von den Substanzen eine
                              große Menge in die Retorte gebracht wird, so treibt die Hize, welche zur Entbindung
                              des Alkohols aus der Mitte der Masse noͤthig ist, unvermeidlich das in dem
                              Chlorcalcium enthaltene Wasser an denjenigen Stellen aus, wo es der Hize mehr
                              ausgesezt ist. In der Luftpumpe koͤnnen in der Regel auch nur wenige Unzen
                              auf einmal concentrirt werden. In einem langen Recipient aber koͤnnen zwei oder drei
                              Schalen mit gebranntem Kalk in geringer Hoͤhe uͤber einander
                              aufgestellt, und in jede derselben eine kleine Schale mit Alkohol gesezt werden. Nun
                              kann das Verfahren leicht in großem Maßstabe ausgefuͤhrt werden, wenn man
                              eine dichte Buͤchse von beliebiger Groͤße anwendet, welche mit vielen
                              Gesimsen versehen ist, die mit gepulvertem gebrannten Kalk bedekt werden und eine
                              große Anzahl Schalen mit Alkohol festhalten koͤnnen. Die Buͤchse kann
                              mittelst einer Ventilluftpumpe hinreichend luftleer gemacht werden, denn es ist
                              nicht noͤthig, daß die Luft fast ganz ausgepumpt wird, ja lezteres bringt
                              sogar mehr Nachtheile, als wenn es nur unvollkommen geschieht. Sobald die Luft
                              hinreichend verduͤnnt ist, braucht man der Operation keine laͤngere
                              Aufmerksamkeit mehr zu schenken;
                           und wenn man die Buͤchse nach Verlauf einer Woche oder nach zehn Tagen
                              oͤffnet, findet man den Alkohol wasserfrei. Offenbar koͤnnte nach
                              diesem Verfahren dargestellter absoluter Alkohol zu einem Preise abgelassen werden,
                              der seine urspruͤnglichen Kosten nicht viel uͤberschreitet. Ueberdieß
                              waͤre er zu den Zweken, wozu er in den Kuͤnsten und in der Medicin
                              angewandt wird, von viel groͤßerem Werth. So viel ich weiß, darf jedoch nach
                              den gegenwaͤrtigen Accisegesezen kein Destillateur den Alkohol uͤber
                              eine gewisse Staͤrke concentriren. Nur privilegirte Apotheker duͤrfen
                              absoluten Alkohol bereiten und verkaufen.Man sollte dafuͤr sorgen, daß die Temperatur waͤhrend des
                                    Versuchs sich ziemlich gleich bleibt, denn wenn die Atmosphaͤre kalt
                                    wird, verdichten sich Alkoholdaͤmpfe auf der erkalteten Glasgloke und
                                    fallen auf die Platte der Pumpe herab. Der Versuch sollte daher nicht in
                                    einem geheizten Zimmer oder in der Naͤhe eines Fensters angestellt
                                    werden, sondern in einem dunkeln Cabinet oder Schrank. Bei meiner
                                    Verfahrungsweise beobachtete ich diese Verdichtung niemals waͤhrend
                                    meiner Versuche, aber Dr.
                                    Duncas d. J. beobachtete sie, als er den Versuch
                                    wiederholte. A. d. O.
                              
                           Alkohol kann auch in einem verschlossenen Gefaͤße mit gebranntem Kalk
                              concentrirt werden, ohne daß man Luft auspumpt, aber der Proceß geht viel langsamer,
                              wenigstens bei der Temperatur der Luft. Der Versuch wurde bei hoher Temperatur
                              angestellt, indem man eine große Flasche mit sehr weiter Oeffnung, welche auf dem
                              Boden Alkohol enthielt, uͤber welchem in einem leinenen Saͤkchen
                              gebrannter Kalk aufgehaͤngt war, in einem Wasserbade erhizte. Als das
                              Wasserbad die Temperatur von 150° F. erhalten hatte, wurde die Flasche
                              verkorkt und dafuͤr gesorgt, daß das Bad nicht heißer werden konnte. Ein
                              großer Theil des Kalks wurde sehr schnell in Hydrat verwandelt, und der Alkohol
                              betraͤchtlich concentrirt. Aber dieses Verfahren ist beschwerlich und bei
                              weitem nicht so gut wie dasjenige, wobei man die Luftpumpe anwendet.
                           
                           Man kann in dem vorhergehenden Verfahren den Aezkalk nicht durch Schwefelsaure, als
                              eine wasseranziehende Fluͤssigkeit ersezen, und zwar wegen einer
                              merkwuͤrdigen Eigenschaft, welche diese besizt. Sie kann den Dampf des
                              absoluten Alkohols eben so absorbiren, wie sie den Wasserdampf absorbirt. Ich machte
                              diese Beobachtung in Folge der Betrachtung der Erscheinungen, welche sich bei der
                              Vermischung des Alkohols mit Schwefelsaure zeigen. Es wird fast eben so viel
                              Waͤrme frei, als wenn man die Schwefelsaure mit Wasser versezt, obgleich man
                              absoluten Alkohol anwendet. Der Alkohol wird auch von der Saure
                              zuruͤckgehalten, wenn sie auf 500 oder 60° F. erhizt wird, oder bei
                              einer Temperatur, wo der Alkohol offenbar in Daͤmpfen waͤre, –
                              zum Beweis, daß Schwefelsaͤure und Alkoholdampf sich eben so zu einander
                              verhalten, wie Wasser und jene Gasarten, welche es in fluͤssigem Zustande
                              zuruͤkhaͤlt, z.B. Ammoniakgas, wenn sie von selbst elastische Form
                              annehmen wuͤrden. Das Wasser kann aber solche Gasarten nicht nur zuruͤkhalten, sondern auch verdichten und
                              absorbiren. Eben so moͤchte Schwefelsaure den Alkoholdampf nicht nur bloß
                              zuruͤkhalten, sondern auch verdichten und absorbiren.
                           Da der Alkohol wie das Wasser bei seinem Verdunsten Kaͤlte hervorbringt, so
                              kann er bei Hrn. Leslie's
                              Erkaltungsapparate an Statt des Wassers angewandt und die Schwefelsaͤure als
                              absorbirende Fluͤssigkeit beibehalten werden. Ich fand, daß unter ganz
                              aͤhnlichen Umstaͤnden ein Thermometer, dessen Kugel mit Baumwolle
                              uͤberzogen wurde, auf 7° herabfiel, wenn sie mit Wasser befeuchtet
                              wurde; wenn man aber die Baumwolle mit absolutem Alkohol befeuchtete, so fiel die
                              Temperatur auf – 24° herab. Fortgeseztes Auspumpen waͤhrend des
                              Versuchs, wie es bei Anwendung von Aether gebraͤuchlich ist, hatte eine
                              nachtheilige Wirkung. Ich fand, daß mit ein Drittel Wasser verduͤnnter
                              Alkohol eben so stark abkuͤhlte, wie absoluter Alkohol. Es scheint, daß der
                              Vortheil, welchen die große Fluͤchtigkeit des Alkohols gewaͤhrt, zum
                              Theil durch die geringe latente Waͤrme seines Dampfes wieder aufgehoben wird.
                              Wahrscheinlich wuͤrde eine Mischung aus Alkohol und Wasser in gewissen
                              Verhaͤltnissen den hoͤchsten Grad von Kaͤlte hervorbringen,
                              welcher durch dieses Verfahren erreichbar ist. Die Schwefelsaure verliert ihr
                              Vermoͤgen Alkoholdampf zu absorbiren, wenn sie mit Wasser verduͤnnt
                              wird. Mit Alkoholdampf impraͤgnirt, wird die Saͤure blaßroth, aber sie
                              gibt bei der gewoͤhnlichen Temperatur der Atmosphaͤre keine merkliche
                              Menge Gas aus, selbst nicht im Vacuum einer Luftpumpe.
                           Nach einem Versuche scheint das Wasser die Eigenschaft zu haben, den Alkohol dadurch
                              zum Verdunsten zu bringen, daß es seinen Dampf absorbirt, gerade so wie die
                              Schwefelsaͤure, aber nur viel schwaͤcher.
                           
                           Zwei Schalen, wovon die eine Alkohol und die andere reines Wasser enthielt, wurden
                              mit einander in eine zinnerne Buͤchse eingeschlossen, welche beinahe
                              luftdicht war, und sechs Wochen lang auf eine ruhige Stelle bei Seite gesezt. Die
                              Schalen waren nicht in Beruͤhrung, aber sehr wenig von einander entfernt.
                              Nach Verlauf dieser Zeit fand man beim Oeffnen der Buͤchse, daß die Schale,
                              welche urspruͤnglich reines Wasser enthielt, nun ein Gemisch von Wasser und
                              Alkohol enthielt, waͤhrend der in der anderen Schale zuruͤkgebliebene
                              Alkohol von geringerer Staͤrke war. Prof. Leslie sagt mir, daß er schon vor langer Zeit
                              einen aͤhnlichen Versuch anstellte, aber nichts daruͤber bekannt
                              machte. Der Alkoholdampf wird aber von dem Wasser so schwach absorbirt, daß dadurch
                              die Temperatur des Alkohols nicht merklich vermindert wird.
                           Chlorcalcium kann nicht zum Absorbiren des Wasserdampfes beim Reinigen des Alkohols
                              angewandt werden, und zwar aus demselben Grunde wie die Schwefelsaure, denn ich
                              fand, daß Chlorcalcium den Dampf des absoluten Alkohols absorbirt und sich in eine
                              Fluͤssigkeit verwandelt, oder in dem Alkoholdampf zerfließt.