| Titel: | Ueber die Färbung der Blätter im Herbste. Von Herrn Macaire-Princep in Genf. | 
| Fundstelle: | Band 31, Jahrgang 1829, Nr. XXXVIII., S. 116 | 
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                        XXXVIII.
                        Ueber die Faͤrbung der Blaͤtter im
                           Herbste. Von Herrn Macaire-Princep in Genf.
                        Aus den Annales de Chimie et de Physique. August 1828.
                              S. 415.
                        Macaire-Princep, uͤber die Faͤrbung der
                           Blaͤtter im Herbste.
                        
                     
                        
                           Wen hat das neue Schauspiel, welches im Herbste die mannigfaltigen und satten Farben
                              darbieten, womit die Natur augenbliklich die Pflanzen ziert, nicht schon Erstaunen
                              und oft sogar Bewunderung eingefloͤßt? Es scheint, daß sie die Augen des
                              Menschen, so lange die Sonne noch ihren vollen Glanz hat, durch eine zarte und
                              ziemlich gleichmaͤßige Farbe schonen will, und sodann die lezten Augenblike,
                              welche ihr uͤbrig bleiben, benuͤzt, um alle ihre Kraft zu entwikeln,
                              indem sie dem Lande die sattesten und mannigfaltigsten Farben ertheilt, und mit
                              diesem glaͤnzenden Anblik allen jaͤhrlichen Erscheinungen der
                              Vegetation ein Ende macht. Diese so merkwuͤrdige Veraͤnderung hat
                              natuͤrlich die Aufmerksamkeit der Physiologen auf sich gezogen, aber fast
                              alle haben sie nur voruͤbergehend und als mit einer anderen Thatsache,
                              naͤmlich dem Abfallen der Blaͤtter zusammenhaͤngend,
                              betrachtet, welche leztere zu erklaͤren ihnen wichtiger schien. So haben
                              mehrere, wie Hr. de la Mark in dieser Faͤrbung der
                              Blaͤtter waͤhrend des Herbstes nur einen krankhaften Zustand gesehen;
                              Hr. Sennebier eine Veraͤnderung oder Verminderung
                              der Nahrungssaͤfte, welche bloß ihren Abfall vorbereitet, indem sie das obere
                              Nez des Blattes laͤhmt u.s.w. Es schien mir, daß diese beiden Erscheinungen
                              hinreichend unabhaͤngig von einander sind, so daß sie abgesondert untersucht
                              werden muͤssen, und obgleich man im Allgemeinen nicht laͤugnen kann,
                              daß dem Abfallen der Blaͤtter oft ihre Farbeveraͤnderung vorhergeht, so gibt es doch
                              zahlreiche Faͤlle, wo die Blaͤtter gruͤn abfallen, und andere,
                              wo sie ihre Farbe veraͤndern, ohne abzufallen. Dieser Unterschied ist von
                              einiger Wichtigkeit, weil, wenn die Farbenveraͤnderung des Blattes seinen
                              Abfall veranlassen muß, dieselbe als der Anfang seines Absterbens betrachtet werden
                              muß, was auch die meisten Physiologen gethan haben, waͤhrend man sie, wie ich
                              glaube, als eine Erscheinung des Pflanzenlebens betrachten muß, als eine Folge der
                              fortwaͤhrenden Einwirkung eben derselben Agentien, welche bei den anderen
                              Functionen der Pflanzen vorherrschen, eine Meinung, welche die wenigen in dieser
                              Abhandlung angefuͤhrten Thatsachen vielleicht zu unterstuͤzen geeignet
                              sind.Die wahrscheinlichste Meinung uͤber das Abfallen der Blaͤtter
                                    an den Baͤumen ist die von Gocean und Schultes. Man vergleiche Willdenow's Grundriß der Kraͤuterkunde, mit Anmerkungen von
                                    J. A. Schultes, Wien 1818 bei Doll.A. d. R.
                              
                           Erst am Ende des Sommers oder im Laufe des Herbstes geht bekanntlich in den Pflanzen
                              die Farbenveraͤnderung vor, welche den Gegenstand unserer Untersuchung
                              ausmacht. So mannigfaltig auch die Farben, welche sie zeigen, seyn moͤgen, so
                              kann man doch sagen, daß sie sich mit wenigen Ausnahmen dem Gelb oder Roth
                              naͤhern, welche beiden Farben zu dieser Zeit vorherrschend sind. Die
                              Veraͤnderung zeigt sich nicht augenbliklich: gewoͤhnlich verschwindet
                              die gruͤne Farbe allmaͤhlich auf dem Blatte; viele Blaͤtter,
                              wie die des Schotendorns, des Abricosenbaums, fangen an stellenweise und in Fleken
                              gelb zu werden. Bei anderen, wie dem Birnbaum u.s.w. bleiben lange Zeit
                              schoͤngruͤne Puncte auf dem pomeranzenfarbigen oder gelben Grunde der
                              Blaͤtter. Andere, wie die von Rhus coriaria
                              fangen an sich an ihrem Rande zu veraͤndern, und besonders an der Spize. Die
                              Adern und die Theile des Parenchyms, welche sie beruͤhren, scheinen ihre
                              gruͤne Farbe am laͤngsten beizubehalten. Ich glaubte zu beobachten,
                              daß die Blaͤtter, deren Gruͤn dunkel ist, die rothe Farbe annehmen,
                              und diejenigen, deren Gruͤn hell ist, die gelbe oder gelbliche Farbe. Die
                              meisten Blaͤtter jedoch, welche roth werden, werden vorher gelb; man kann
                              dieses bei dem Sumach (Rhus Coriaria) sehen.
                           Einfluß des Lichtes. Es war leicht zu sehen, daß die
                              Einwirkung des Lichtes einen großen Einfluß auf die Farbenveraͤnderung der
                              Blaͤtter im Herbste ausuͤbt, und daß bei den Blaͤttern, welche
                              sich freiwillig zum Theil bedeken, der entbloͤßte Theil immer schneller und
                              staͤrker gefaͤrbt wurde. Es handelte sich nun darum, zu erfahren, ob
                              die Erscheinung auch in der Dunkelheit an einem Orte, wo aller Einfluß des Lichtes
                              ausgeschlossen ist, entweder an ganzen Zweigen oder Theilen von Blaͤttern Statt finden kann; ich
                              sah immer, daß dieser Ausschluß des Lichtes alle Farbenveraͤnderung
                              verhindere. Wenn das ganze Blatt gegen das Licht geschuͤzt war, fiel es
                              gruͤn ab; wenn aber nur ein Theil desselben dagegen verwahrt war,
                              faͤrbte sich das uͤbrige Parenchym, waͤhrend der bedekte Theil
                              seine anfaͤngliche Farbe behielt. Auch habe ich mich versichert, daß der
                              Einfluß des Lichtes bei dem ganzen Verlauf der sich einstellenden Erscheinungen
                              noͤthig ist, und wenn ich Blaͤtter oder Theile von Blaͤttern,
                              welche ehe sie sich roͤtheten gelb waren, wie der Sumach (Rhus Coriaria), gegen das Licht verwahrte, fiel das
                              Blatt gelb ab, oder der bedekte Theil behielt diese Farbe bei, waͤhrend der
                              uͤbrige roth wurde, was die Nothwendigkeit der Einwirkung des Lichtes bei
                              allen Graden der Faͤrbung zeigt.
                           Die Versuche des beruͤhmten Th. von Saussure haben
                              bekanntlich die wichtige Thatsache außer Zweifel gesezt, daß die gruͤnen
                              Theile der Pflanzen waͤhrend der Nacht eine veraͤnderliche Menge von
                              Sauerstoff verschluken, je nach den Arten der Pflanzen, und daß sie eine gewisse
                              Menge von diesem Gas abgeben, wenn man sie in Quellwasser der Sonne aussezt.
                              Begierig den Einfluß zu erfahren, welchen die im Herbst erfolgte Faͤrbung der
                              Blaͤtter auf diese Erscheinung haben koͤnnte, stellte ich
                              mannigfaltige Versuche an, indem ich mich, so viel es nur immer moͤglich war,
                              an das Verfahren des Hrn. v. Saussure hielt. Zuerst
                              uͤberzeugte ich mich, daß die schon gefaͤrbten Blaͤtter kein
                              Sauerstoffgas ausgeben, wenn man sie dem Sonnenlicht aussezt, und dann erfuhr ich,
                              daß diese Thatsache schon Hr. Sennebier ausgemittelt
                              hatte. Indem ich meine Untersuchungen weiter ausdehnte, fand ich, daß sobald die
                              Blaͤtter entweder zum Theil gefaͤrbt, oder auf dem Punct waren, ihre
                              Farbe zu veraͤndern, selbst dann, wenn sie dem Auge, noch gruͤn
                              erschienen, sie von diesem Moment an aufhoͤrten Sauerstoff an der Sonne
                              abzugeben. Auch fand ich durch viele Versuche, die ich im Einzelnen nicht
                              anfuͤhren zu muͤssen glaube, daß die Blaͤtter, sobald sie in
                              ihrem Bestreben ihre Farbe zu veraͤndern, gleich weit vorgeruͤkt
                              waren, Sauerstoffgas waͤhrend der Nacht einzusaugen fortfuhren, und zwar in
                              einem Verhaͤltnisse, welches in dem Maße abnahm, als die Faͤrbung
                              vorschritt, woraus man schließen konnte, daß der Faͤrbestoff des Blattes
                              dadurch, daß er sich mit diesem Sauerstoff verbindet, seine Farbe so
                              veraͤndert.
                           Ueber den Faͤrbestoff der Blaͤtter.
                              – Vor einigen Jahren haben die HHrn. Pelletier und
                              Caventou an der gruͤnen Substanz der
                              Blaͤtter eigenthuͤmliche Eigenschaften entdekt, und sie unter dem
                              Namen Chlorophyll unter die naͤheren Bestandtheile
                              des Pflanzenreichs
                              eingereiht. Diese Substanz schien der Siz der Farbeveraͤnderungen der
                              Blaͤtter zu seyn, und mußte daher der Gegenstand meiner Untersuchung werden.
                              Nachdem ich ihre Eigenschaften, welche ich bald anfuͤhren werde, von neuem
                              studirt hatte, fing ich an, die analoge Substanz der durch den Einfluß des Herbstes
                              gruͤn und gelb gefaͤrbten Blaͤtter zu untersuchen. Um das
                              Chlorphyll zu erhalten, lassen die HHrn. Pelletier und
                              Caventou den Alkohol auf das Mark der Pflanzen
                              wirken; ich fand aber, daß wenn man die Blaͤtter in Arbeit nimmt, man sie
                              vorher mit Aether kochen muß, um das Wachs und die fetten Substanzen, welche sie
                              fast immer enthalten, wegzuschaffen. Wenn man gelb gewordene Blaͤtter des
                              Pappelbaumes (Populus fastigiata) mit kochendem
                              Schwefelaͤther behandelt, faͤrbt er sich schwach gelb und sezt beim
                              Erkalten eine pulverige Substanz ab, welche alle Eigenschaften des Wachses besizt.
                              Bei dem Abrauchen erhaͤlt man eine fette, feste, weiße, bei gelinder
                              Waͤrme schmelzbare Substanz, von starkem Pappelgeruch, welche beim Erhizen
                              einen scharfen und stechenden Dampf verbreitet. Diese Substanz findet man auch in
                              den gruͤnen Blaͤttern. Der Ruͤkstand der gelb gewordenen
                              Blaͤtter wurde mit einer hinreichenden Menge Alkohol von 40° gekocht,
                              wodurch sich dieser schoͤn gelb faͤrbte und die Blaͤtter ihre
                              Farbe verloren. Wird diese geistige Aufloͤsung mit Wasser vermischt, so
                              truͤbt sie sich zuerst nicht, aber bald scheiden sich daraus gelbliche Floken
                              von harzartigem Aussehen ab. Hat man sie mit etwas Alaunaufloͤsung vermischt
                              und versezt sie dann mit reinem Kali, so faͤllt ein schoͤner
                              pomeranzengelber Lak nieder. Wird die geistige Aufloͤsung der gelben
                              Blaͤtter bei gelinder Waͤrme abgeraucht, so sezt sich daraus eine
                              feste pomeranzengelbe Substanz von gleichsam grasartigem Geschmak ab, welche
                              durchsichtig ist, beim Erwaͤrmen sich zusammenbakt, sich in Alkohol und
                              Aether, welche sie gelb faͤrbt, auflost, in kaltem Wasser
                              unaufloͤslich ist, und sich durch Huͤlfe der Waͤrme in
                              verduͤnnten Saͤuren in geringer Menge aufloͤst; im Feuer
                              schmilzt sie und kocht und verbreitet dann einen angenehmen Geruch, gleichsam wie
                              von einer verbrannter vegetabilischen Substanz. In verduͤnnter
                              Salpetersaͤure erwaͤrmt, blaͤht sich die gelbe Substanz auf,
                              worauf sie sich aufloͤst und einen gelblichweißen Ruͤkstand
                              hinterlaͤßt, welcher mit Wasser behandelt nicht auf Sauerkleesaͤure
                              reagirt. Alle diese Eigenschaften hat sie mit der gruͤnen Substanz gemein,
                              die man nach demselben Verfahren aus den noch gruͤnen Blaͤttern
                              desselben Baumes erhaͤlt, bloß die Verschiedenheit der Farbe ausgenommen.
                              Hingegen unterscheiden sich diese beiden Substanzen darin, daß das gruͤne
                              Harz in fetten und fluͤchtigen Oehlen aufloͤslich ist, waͤhrend
                              das gelbe Harz sich darin nicht aufloͤst, so wie endlich in dem Verhalten
                              gegen die Saͤuren
                              und Alkalien. In der That, wenn das gelbe Harz laͤngere Zeit, selbst in der
                              Kaͤlte, in Alkalien liegen bleibt, so wird es schoͤn gruͤn und
                              die Einwirkung der Waͤrme beschleunigt diese Wirkung.
                           Sie ist dann dem Chlorophyll in allem aͤhnlich, und wird wie dieses in Oehlen
                              aufloͤslich. Andererseits machen alle Koͤrper, welche ihren Sauerstoff
                              abgeben koͤnnen, wie die Saͤuren, oder diejenigen Behandlungsarten,
                              welche die Vereinigung dieses Gases erleichtern, wie Aussezen der geistigen
                              Aufloͤsung an die Luft, Waͤrme u.s.w. das Chlorophyll gelb oder roth,
                              so daß das Harz der Blaͤtter, welche im Herbst ihre Farbe veraͤndert
                              haben, nur gruͤnes oxydirtes Harz zu seyn scheint, oder ein solches, welches
                              sich gewisser Maßen gesaͤuert hat. Laͤßt man ein gelbes Blatt von
                              irgend einem Baume einige Zeit in Kali liegen, so wird es wieder schoͤn
                              gruͤn, ohne eine merkliche Veraͤnderung zu erleiden; das Ammoniak und
                              alle Alkalien bringen dieselbe Wirkung hervor; bleibt hingegen ein gruͤnes
                              Blatt in einer Saͤure liegen, so wird es bald gelb oder roth, und das Kali
                              stellt die gruͤne Farbe wieder her. Man kann unmoͤglich den Namen
                              Chlorophyll fuͤr eine Substanz beibehalten, welche nicht immer gruͤn
                              ist, und uͤbrigens, wie ich bald bemerken werde, nur in den Blaͤttern
                              vorkommt; ich hatte mir das Wort Phytochrom dafuͤr
                              ausgedacht, als mir Herr Professor De Candolle, dem ich
                              diese Resultate mittheilte, sagte, er halte es ebenfalls fuͤr noͤthig,
                              eine neue Benennung anzunehmen, und das Wort Chromule
                              vorschlug, welches ich in der Folge in dieser Abhandlung waͤhlen werde.Da das Wort Chromule nicht passend mit deutscher
                                    Endung ausgedruͤkt werden kann, so ist in dieser Uebersezung der
                                    vielleicht zwekmaͤßigere Ausdruk Phytochrom beibehalten worden.
                              
                           Behandelt man die geroͤtheten Blaͤtter des Sumach (Rhus Coriaria) oder des Birnbaums mit kochendem Alkohol
                              von 40°, so faͤrbt sich die Fluͤssigkeit schoͤn blutroth
                              und sezt beim Abdampfen eine harzartige Substanz ab, welche durch Einwirkung der
                              Alkalien wieder schoͤn gruͤn wird. Eine Saͤure stellt in diesem
                              Falle die rothe Farbe wieder her. Da man oft das Phytochrom die gelbe Farbe annehmen
                              sieht, ehe es roth wird, so muß man daraus natuͤrlich schließen, daß das
                              rothe etwas hoͤher oxydirt ist. Aus diesen Thatsachen geht also hervor, daß
                              man die Farbenveraͤnderung des Phytochroms der Blaͤtter
                              waͤhrend des Herbstes leicht erklaͤren kann, durch die Absorbtion
                              einer neuen Menge Sauerstoff, welche nicht mehr daraus abgeschieden wird. Diese
                              Vermehrung des Sauerstoffs bringt allmaͤhlich Veraͤnderungen in der
                              Farbe hervor, ohne die uͤbrigen Eigenschaften des Phytochroms bedeutend zu
                              veraͤndern. Dadurch erklaͤren sich auch die Erscheinungen an gewissen Blaͤttern
                              (z.B. von Arum bicolor) leicht, welche drei Farben,
                              roth, gelb und gruͤn zugleich zeigen; denjenigen von Tradescantia discolor, welche eine schoͤne rothe Farbe auf ihrer
                              unteren Oberflaͤche zeigen, waͤhrend die obere gruͤn ist, und
                              man kann in der That aus diesen verschiedenen Theilen verschieden gefaͤrbtes
                              Phytochrom erhalten, naͤmlich das gelbe und rothe Phytochrom, welche durch
                              die Einwirkung des Kalis gruͤn werden u.s.w.
                           Nachdem ich gefunden hatte, daß der Faͤrbestoff ohne seine Natur wesentlich zu
                              veraͤndern, verschiedene Farben, wie Gruͤn, Roth, Gelb und ihre
                              Mischungen zeigen kann, war es interessant zu untersuchen, ob man nach der Analogie,
                              welche die Beobachtungen der Botaniker, zwischen den verschiedenen Organen der
                              Pflanzen, z.B. den Blaͤttern, dem Kelch (calix),
                              der Blumenkrone (corolla) u.s.w. zeigen, in den Blumen
                              denselben Faͤrbestoff wie in den Blaͤttern finden kann.
                           In den Kelchen konnte man leicht das gruͤne Phytochrom finden, so wie es sich
                              in den Blaͤttern darstellt; ich erhielt aus dem gefaͤrbten Kelch von
                              Salvia splendens eine schoͤn rothe harzartige
                              Substanz, welche alle Eigenschaften des Phytochroms der roth gewordenen
                              Blaͤtter besaß; wie lezteres wurde sie durch Alkalien gruͤn, auf Zusaz
                              von Saͤuren wieder roth, war in den Oehlen unaufloͤslich u.s.w. Als
                              ich die Blaͤtter der Blumen von Salvia splendens
                              an demjenigen Theile des Stieles, welcher die Blumen haͤlt, und der wie diese
                              roth ist, untersuchte, fand ich dieselbe Substanz wieder. Die Blumenblaͤtter
                              der rothen Geranium, der bengalischen Rosen, des Sternkrauts u.s.w. gaben auf
                              gleiche Weise behandelt alle als Faͤrbestoff das rothe Phytochrom, und die
                              Blumen blieben halbdurchsichtig und farbenlos zuruͤk. Alle gelben Blumen,
                              welche ich untersuchen konnte, gaben mir auch ein Phytochrom von dieser Farbe,
                              welches durch Alkalien gruͤn wurde u.s.w.
                           Die weißen Blumen, die kleine Anzahl wenigstens, welche ich bei der
                              vorgeruͤkten Jahreszeit noch erhalten konnte, scheinen ein schwach gelbes
                              Phytochrom zu enthalten, welches in seiner Farbe durch irgend einen Naturproceß, dem
                              man spaͤter auf die Spur zu kommen suchen muß, modificirt wurde. Die
                              roͤthlich-blauen Blumen, wie die von Levcojen (Cheiranthus) gaben zuerst eine rosenrothe Tinctur, welche dann purpurroth
                              wurde, und einen Ruͤkstand von schoͤn violetter Farbe hinterließ. Die
                              schoͤn blauen Blumen (Viola odorata) geben auf
                              dieselbe Art eine schoͤn blaue Substanz, die der vorhergehenden sehr
                              aͤhnlich ist. Diese Substanz wird durch Alkalien gruͤn, durch
                              Saͤuren roth, ist in kaltem Wasser aufloͤslich, und koͤnnte in
                              pulverigem Zustande aufbewahrt werden, wenn man die Farbe der Veilchen erhalten
                              wollte. Da man vermuthen konnte, daß sie durch die Verbindung des rothen Phytochroms
                              mit einem vegetabilischen Alkali entsteht, so versuchte ich sie durch eine
                              aͤhnliche kuͤnstliche Vereinigung nachzubilden. Ich zerrieb mit einer
                              kleinen Menge vegetabilischen Alkalis, wie Chinin, Strichnin u.s.w., das rothe
                              Phytochrom, welches aus den so gefaͤrbten Blaͤttern erhalten wurde,
                              und fand, daß dieses Gemenge in kaltem Wasser aufloͤslich geworden war, nicht
                              mehr das harzartige Aussehen des rothen Phytochroms besaß, und eine so auffallende
                              blaͤulich-gruͤne Farbe annahm, als ich es nur immer von einem
                              Versuche erwarten konnte, der in so weitem Abstande die Naturprocesse nachahmt.
                              Dieses Gemenge wird durch Saͤuren roth, durch Alkalien wieder
                              blaͤulich, gerade so wie es bei einer blauen Pflanzentinctur der Fall ist.
                              Gasfoͤrmiges Ammoniak ertheilt dem rothen Phytochrom ebenfalls eine
                              blaͤuliche Farbe, aber in der Waͤrme und beim Aussezen an die Luft
                              verdunstet das Gas, und die rothe Farbe erscheint wieder.
                           Aus diesen Thatsachen kann man, wie es mir scheint schließen, daß die blauen und
                              violetten Blumen als Faͤrbestoff rothes Phytochrom mit einem vegetabilischen
                              Alkali vereinigt enthalten, ein Schluß, den ich durch die Analyse zu
                              bekraͤftigen suchen werde, sobald mir es die Jahreszeit erlauben wird.
                           Ich hatte im verflossenen Fruͤhling Gelegenheit gehabt, verschiedene
                              Varietaͤten von Akeley (Aquilegia vulgaris) zu
                              untersuchen, aber leider fruͤher als ich mich mit den Versuchen
                              beschaͤftigte, welche den Gegenstand dieser Abhandlung ausmachen. Diese
                              urspruͤnglich blaue Blume wird leicht roth, indem sie die Zwischenfarben
                              durchgeht. Werden die blauen und rothen Blumen einzeln genommen, entweder mit Wasser
                              oder mit Alkohol behandelt, so geben sie Tincturen, welche bestimmt neutral sind,
                              und vielleicht im ersten Falle sogar alkalisch, und im zweiten entschieden sauer;
                              ich fand sogar, daß die rothen Blumen der angewandten Fluͤssigkeiten
                              Essigsaͤure abgegeben hatten.
                           Aus den in dieser kurzen Abhandlung erwaͤhnten Thatsachen geht, wie ich
                              glaube, Folgendes hervor:
                           1) Alle farbigen Theile der Pflanzen scheinen eine eigenthuͤmliche Substanz
                              (Phytochrom, Chromule) zu enthalten, welche durch
                              geringe Modificationen ihre Farbe veraͤndern kann.
                           2) Die Farbenveraͤnderung der Blaͤtter im Herbste wird durch die
                              Aufnahme von Sauerstoff und gewisser Maßen eine Saͤuerung des Phytochroms
                              veranlaßt.