| Titel: | Ueber Geschirre an Weberstühlen aus Lankashire-Wolle. Von Jos. Heilmann. | 
| Fundstelle: | Band 31, Jahrgang 1829, Nr. LXII., S. 215 | 
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                        LXII.
                        Ueber Geschirre an Weberstuͤhlen aus
                           Lankashire-Wolle. Von Jos.
                              Heilmann.
                        Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
                                 Mulhausen. N. 6. S. 7.
                        Heilmann, uͤber Geschirre an Weberstuͤhlen aus
                           Lankashire-Wolle.
                        
                     
                        
                           Auf den Bericht, den Hr. Bourcard von Guebwiller uͤber die Geschirre, die man in
                              England (vorzuͤglich zu Kunststuͤhlen) aus Lankashire-Wolle
                              verfertigt, der Gesellschaft erstattete, entschloß sich dieselbe im Mai 1827 einen
                              Preis von 500 Franken fuͤr solche Geschirre auszuschreiben, um die Anwendung
                              der Wolle zu diesem Ende bei uns zu verbreitenWir haben von diesen Geschirren schon fruͤher im Polytechn. Journale Nachricht gegeben.A. d. U..
                           Da Hr. Guebhard und ich im
                              vorigen Oktober (1827) zu Manchester waren, so sammelten wir hieruͤber einige
                              Notizen, die ich mich beeile der Gesellschaft mitzutheilen, um ihr und ihren
                              Preiswerbern dadurch vielleicht zu dienen.
                           
                           Die einzigen Fabrikanten des zu diesen Geschirren noͤthigen Garnes sind, so
                              viel ich weiß, die HHrn. Georg
                              Townsend
                              and
                              Brothers, Worsted-spinners and
                                 heald-Yarn Manufacturers, Market Street, 44. Ihre Spinnerei ist
                              nicht zu Manchester selbst.
                           Die Wolle, die diese Herren zu den erwaͤhnten Geschirren spinnen lassen, ist
                              Wolle, die zwei volle Jahre auf dem Schafe stand: denn sonst haͤtte sie weder
                              die gehoͤrige Staͤrke, noch die ungeheuere Laͤnge.
                           Einjaͤhrige oder anderthalbjaͤhrige Wolle dient nur zu
                              gewoͤhnlichen Geschirren und ist wohlfeiler.
                           Die Nummern, die man aus dieser Wolle verfertigt, laufen von N. 14 bis 50; N. 40 ist aber die
                              hoͤchste Nummer fuͤr die Geschirre, und man kann sich derselben auch
                              zur Verfertigung der feinsten Musseline bedienen.
                           Diese Nummern verhalten sich zu den Baumwollen-Nummern auf folgende Weise:
                           Der Haspel fuͤr die Wolle hat 1 Yard (3 engl. Fuß) im Umfange, waͤhrend
                              der fuͤr die Baumwolle 1 1/2 Yard haͤlt; alles Uebrige ist gleich.
                           Hieraus folgt z.B., daß N. 24 in Wolle nur mit N. 16 in Baumwolle correspondirt, oder ungefaͤhr
                              mit N. 12 m/m. Da aber dieses Garn, um zur Verfertigung von
                              Geschirren brauchbar zu werden, vierdraͤthig genommen werden muß, so wird es
                              eigentlich nur N. 3 m/m.
                           Auf diese Weise zubereitet wird das Garn in Paͤke von 15 Pf. zusammengelegt,
                              und auf dem Zettel steht die Nummer des einfachen Fadens und die Zahl der
                              Faͤden.
                           Der groͤßte Theil der Webereien, die zu Manchester und in den Umgebungen
                              dieser Stadt mit Kunststuͤhlen arbeiten, bedient sich wirklich dieses Garnes,
                              wovon man sich leicht uͤberzeugen wird, wenn man bedenkt, daß obiges Haus
                              allein, wie man uns sagte, an 20,000 Pf. solchen Garnes woͤchentlich (par semaine) absezt.
                           Was die Dauer eines solchen Geschirres betrifft, so sagte man uns, daß man 12 bis
                              1300 Yards damit weben kann, ehe dasselbe abgenuͤzt wird. Dieß war weit unter
                              unserer Erwartung.
                           In der hier beiliegenden Tabelle habe ich die Preise angegeben, zu welchen dieses
                              Garn in Manchester verkauft wird, so wie die Art der Waaren, zu welchen man jede
                              Nummer verwenden kann, und die Zahl der Straͤhne, die man zu jeder Art dieser
                              Waaren braucht.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 31, S. 217
                              Nummern des einzeln. Fadens; der
                                 Haspel haͤlt 1 Yard (3 engl. F.) im Umfange. Nummern auf Ein Viertel
                                 reducirt; weil das Garn aus 4 Faden besteht. Preis Eines engl. Pfundes
                                 gezwirnten Garnes zu Manchester. Stockforter Einrichtung, oder Gaͤnge
                                 (portées) z. 40 Fad., zu welcher jede N. bei dem Handweber-Stuhle
                                 verwendet werden. (Am Kunstweber-Stuhle muß zwei Nr. feiner genommen
                                 werden. Zahl der zu einem Geschirre aus jeder Nr. nothwendigen
                                 Straͤhne.
                              
                                 
                                 Die Stockforter Einrichtung bezeichnet die Zahl der Kettenfaden fuͤr
                                    jeden englischen Zoll. Da man, um diese Zahl von Gaͤngen von 40 Faden
                                    auf 38 Zoll zu reduciren zuerst mit 38/40, und dann, wegen der Reduction des
                                    englischen Maßes auf das franzoͤsische, mit 106/100 multipliciren
                                    muͤßte, so heben sich diese Bruͤche beinahe wechselseitig auf
                                    und veraͤndern die Grundzahl nicht.
                                 
                              
                           Nach dieser Tabelle kann man die Preise berechnen, auf welche jede Art dieser
                              Geschirre zu stehen kommt.
                           Fuͤr ein Geschirr von 75 Gaͤngen (portées) brauchte man z.B. 4 Straͤhne von N. 5 1/2 oder 8/11 Pf., das Pf. zu 4 Shilling oder 5
                              Franken; dieß gibt 3 Franken 65 Centim. Hierzu kommen 75 Centim. Macherlohn, und 40
                              Centim. fuͤr die Staͤbchen: in Allem 4 Franken 80 Centimen; dieß ist
                              der Preis zu Manchester. Wie viel muͤßte man aber noch Ausfuhr-Zoll in
                              England und Einfuhr-Zoll in Frankreich fuͤr die Wolle bezahlen! Wenn
                              man indessen auch diese Geschirre in Frankreich um denselben Preis haben
                              koͤnnte, um welchen man sie zu Manchester erhaͤlt, so wuͤrden
                              sie doch noch ein Mal so theuer zu stehen kommen, als ein gutes Geschirr aus
                              Leinen- oder Baumwollengarn, das, bei gleicher Anzahl von Gaͤngen, nur
                              2 Franken 75 Centim. kostet.
                           Ueberdieß kann man mit einem solchen Geschirre aus Leinen- oder
                              Baumwollengarne 1200 Ellen weben, ehe es abgenuͤzt wird. Sorgfaͤltige
                              Weber bringen es damit selbst bis auf 1900 Ellen. Das ist ein großer Abstand von
                              1300 Yards leichter englischer Waare!
                           Worin besteht also der Vortheil dieser Geschirre? Vielleicht in der
                              Elasticitaͤt der Wolle, die die Augen, durch welche die Faden laufen, besser
                              offen haͤlt? Vergleichende Versuche und Erfahrungen koͤnnen
                              hieruͤber allein entscheiden.
                           
                           Hr. Jos. Koͤchlin
                              bemerkt in seinem Berichte uͤber obige Notiz, daß, um den Widerspruch, der in
                              der Anwendung dieser Geschirre und in dem hohen PreiseDer Preis dieser Geschirre ist nur fuͤr uns, auf dem festen Lande
                                    hoch; in England ist er weit wohlfeiler als der der wohlfeilsten Geschirre
                                    bei uns. Man muß bei Berechnungen englischer Fabrikate und Produkte nie
                                    vergessen, daß in England der Preis aller eigentlichen
                                    Lebensbeduͤrfnisse ungefaͤhr 5 Mal hoͤher steht, als im
                                    suͤdlichen, und 3 Mal hoͤher als im noͤrdlichen
                                    Deutschland oder in Frankreich. Man braucht fuͤr das, was man in
                                    Suͤddeutschland um 1 fl. haben kann um zu essen, trinken, wohnen
                                    etc., in England 5 fl., und man lebt in England mit 3 Franken nicht so gut,
                                    als in Frankreich mit Einem. Will man daher, wie sich's gebuͤhrt, den
                                    Preis des Lebens als den Maßstab des Preises
                                    der uͤbrigen Dinge annehmen, so muß man lezteren fuͤr
                                    Suͤddeutschland durch 5, fuͤr Frankreich durch 3 theilen, und
                                    dann werden die wollenen Geschirre zu 4 Franken 80 Centimen, getheilt durch
                                    3 = 1 Frank 60 Centim.; d.h., die wollenen Geschirre sind fuͤr den
                                    Englaͤnder noch um die Haͤlfte wohlfeiler, als die leinenen
                                    oder baumwollenen fuͤr den Franzosen. Niemand will
                                    begreifen, daß in England die hoͤchste
                                       Wohlfeilheit in der Arbeit ist,
                                    waͤhrend alles klagt, und mit Recht, daß in
                                       England so theuer zu leben ist. Ein Buch, das in England 3 Shill.
                                    (1 fl. 48 kr.) kostet, kann keine deutsche Drukerei in gleicher Eleganz des
                                    Drukes und Papieres um 1 fl. 48 kr. liefern, und diese 3 Shill. oder der
                                    Gulden 48 kr., ist fuͤr den Englaͤnder eben so viel, als 20
                                    kr. unseren Geldes! Nichts ist wohlfeiler als Buͤcher, in England
                                    – aber nur fuͤr den Englaͤnder! A. d. U. und der kurzen Dauer derselben liegt, zu loͤsen, Hr. Eduard Koͤchlin nach den von
                              ihm angestellten Versuchen gefunden hat, daß diese Geschirre weit elastischer und
                              geschmeidiger sind und weniger reiben; folglich die Ketten-Faden weit weniger
                              absprengen; daß, da die Augen sich leichter oͤffnen, die Faden der Kette sich
                              auch weit leichter gehoͤrig stellen, und folglich, wenn man auch mit einem
                              wollenen Geschirre nicht mehr Ellen verfertigen kann, als mit einem Geschirre aus
                              Leinen-Garne, man doch mit ersterem weit schneller arbeitet. Es wuͤrde
                              hieraus folgen, daß, durch Verminderung des Arbeits-Lohnes und der Kosten,
                              die durch Verlust an Abfaͤllen, an Zeit etc. entstehen, und die man nicht in
                              Rechnung bringen kann, der hoͤhere Preis dieser Geschirre reichlich ersezt
                              werden koͤnnte.
                           Hr. Heilmann, der zeither
                              erfahrene englische Weber uͤber diesen Gegenstand zu sprechen Gelegenheit
                              hatte, versichert, daß sie ihm dieselbe Bemerkung hieruͤber mittheilten.
                           Hr. Eduard Koͤchlin
                              bemerkt noch zu Gunsten dieser wollenen Geschirre, daß man, wenn sie an einer Stelle
                              ein Mal abgenuͤzt sind, dieselben leicht aufloͤsen und wieder neu so
                              binden kann, daß an die abgenuͤzte Stelle ein anderer Theil des Garnes kommt,
                              der noch nicht gelitten hat.