| Titel: | Ueber Kartoffelbrantweinbrennerei. Vom Oekonomierath Pabst zu Hohenheim. | 
| Autor: | Pabst | 
| Fundstelle: | Band 35, Jahrgang 1830, Nr. XXIII., S. 52 | 
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                        XXIII.
                        Ueber Kartoffelbrantweinbrennerei. Vom
                           Oekonomierath Pabst zu
                           Hohenheim.
                        Pabst, uͤber Kartoffelbrantweinbrennerei.
                        
                     
                        
                           Die große Verbreitung und Wichtigkeit, welche die Brantweinfabrikation aus Kartoffeln
                              in Deutschland erreicht hat, veranlaßte schon seit laͤngerer Zeit viele
                              Landwirthe und Brantweinbrenner, sich mit der Vervollkommnung dieses Gewerbszweiges
                              zu befassen, und in der That sind seit zwanzig Jahren auch erstaunenswerthe
                              Fortschritte darin gemacht worden. Wir gedenken nur als Beispiel der wichtigen
                              Erfindungen oder Verbesserungen, welche durch Pistorius,
                              durch Dorn, durch Siemens und
                              andere verdiente Maͤnner verbreitet worden sind.
                           Dennoch bestehen bei dem Betriebe der Kartoffelbrennerei noch fortwaͤhrend
                              mehrere wesentliche Hindernisse, deren Beseitigung fuͤr dieses
                              Geschaͤft von dem groͤßten Vortheil seyn wuͤrde. Ich meine
                              darunter insbesondere:
                           
                              a) daß man mit einer zu
                                 voluminoͤsen und zu konsistenten Masse zu arbeiten hat, wobei eines
                                 Theils eine unvollkommene Gaͤhrung und andern Theils ein großer Zeit- und
                                 Holzaufwand zur Destillation unvermeidlich sind;
                              b) daß der Kartoffelbrantwein einen
                                 eigenen Geschmak hat, der ihn bei gleichem Alkoholgehalte im Werth gegen den
                                 Fruchtbrantwein heruntersezt, und
                              c) daß die Kartoffeln vom Ende des
                                 Winters an immer weniger Brantwein geben, so daß es selten raͤthlich ist,
                                 sie laͤnger als bis in den Mai zur Brantweinbrennerei zu
                                 verwenden.
                              
                           Meine gegenwaͤrtige Absicht ist, auf diejenigen mir bekannt gewordenen, zum
                              Theil auch schon in diesem Journale zur Sprache gebrachten, neueren Erfindungen
                              aufmerksam zu machen, welche zur Beseitigung der genannten Schwierigkeiten beitragen
                              koͤnnten, und nebenbei einige daruͤber gemachte Erfahrungen
                              mitzutheilen.
                           
                        
                           I. Der Siemens'sche Apparat.
                           Das Verfahren des Amtmanns Siemens zu Pyrmont (mitgetheilt in seiner Schrift: Beschreibung
                              eines neuen Betriebs des Kartoffelbrennens etc.) soll in der Hauptsache den Vortheil
                              gewaͤhren, daß ein Drittheil Brantwein mehr gewonnen wird, daß man eine
                              liquidere und um ein Drittheil geringere Masse zu destilliren hat, und daß der
                              Brantwein reiner und fuselfreier wird. Zu dem Ende werden die Kartoffeln mittelst
                              eines eigenen mit einem Dampfkessel in Verbindung stehenden ApparatsBeschrieben in der eben angezeigten Schrift. in erhoͤhter Temperatur gekocht, pulverisirt, mit Wasser
                              verduͤnnt und nochmals mit einem Zusaze von caustischer Lauge gekocht; dann
                              wird die nun aufgeloͤste liquide Masse von den Schalen gesondert, in einem
                              Kuͤhlschiffe mit Malzschrot in Verbindung gebracht, und nach erlangter
                              Versuͤßung und Abkuͤhlung in den Gaͤhrgefaͤßen mit Hefe
                              versezt.
                           Die oben angedeuteten Resultate dieses Verfahrens, welche von mehreren Seiten
                              bestaͤtigt wurden, und wodurch den oben sub a und
                              b gedachten Schwierigkeiten begegnet seyn
                              wuͤrde, bestimmten mich, die hoͤhere Genehmigung zur Verbindung eines
                              Siemens'schen Apparats mit einer fuͤr das hiesige landwirthschaftliche
                              Institut zu errichtenden Brantweinbrennerei nachzusuchen. – Der Apparat wurde
                              ganz nach Siemens Vorschrift (in obgenannter Schrift
                              mitgetheilt) eingerichtet – und nachdem ich zwei Winter damit vergleichende
                              Versuche gemacht habe, theile ich das Resultat derselben hier mit.
                           Bei gleicher Witterung, in ein und demselben Locale wurden eingemeischt:
                           
                           
                              
                                    1) nach Siemens –
                                 α) 1828 im
                                       Februar:
                                 
                              
                                       a) 440 Pfd. Kartoffeln
                                 und 40 Pfd. Malz. 
                                 
                              
                                       b) 440  –       –
                                  –    40   –    –
                                 
                              
                                       c) 440  –       –
                                  –    40   –    –
                                 
                              
                                 
                                 β) 1829 im
                                       Februar:
                                 
                              
                                      d) 440 Pfd. Kartoffeln
                                 und 48 Pfd. Malz.
                                 
                              
                                      e) 440   –        –
                                    
                                  –    48   –    –Der dritte Versuch 1829 mit dem Siemens'schen Apparat mußte, weil
                                          etwas zerbrach, unterbleiben.
                                    
                                 
                              
                                 2) auf
                                       gewoͤhnliche Weise –
                                    
                                 α) 1828 im
                                       Februar:
                                 
                              
                                       a) 440 Pfd. Kartoffeln
                                 und 32 Pfd. Malz.
                                 
                              
                                       b) 440  –      –
                                  –    32   –    –
                                 
                              
                                       c) 440  –      –
                                  –    12   –    –
                                 
                              
                                 
                                 β) 1829 im
                                       Februar:
                                 
                              
                                       d) 440 Pfd. Kartoffeln
                                 und 36 Pfd. Malz.
                                 
                              
                                       e) 440  –      –
                                  –    36   –     –
                                 
                              
                                        f) 440  –      –
                                  –    36   –     –
                                 
                              
                           Im Durchschnitt wurde an Brantwein zu 38 é Alkohol (nach dem Gewicht)
                              gewonnen:
                           
                              1) bei der Siemens'schen
                                    Methode:
                              1828. von 440 Pfd. Kartoffeln und 40 Pfd. Malz, 21 Maaß (wuͤrtemb. Maaß).
                              1829. von 440 Pfd. Kartoffeln und 48 Pfd. Malz, 16 Maaß.Der geringere Brantweinertrag 1829 ist lediglich der viel schlechteren
                                       Qualitaͤt der Kartoffeln zuzuschreiben.
                                 
                              
                           
                              2) bei der gewoͤhnlichen
                                    Methode:
                              1828. von 440 Pfd. Kartoffeln und 32 Pfd. Malz, 20 1/2 Maaß.
                              1829. von 440 Pfd. Kartoffeln und 36 Pfd. Malz, 15 1/2 Maaß.
                              Es zeigte sich also in beiden Jahrgaͤngen nur ein hoͤchst
                                 unbedeutender Unterschied in den Resultaten beider Brennmethoden, der fast ganz
                                 verschwindet, wenn in Betracht gezogen wird, daß bei der gewoͤhnlichen
                                 Methode 1828 jedes Mal 8 Pfd. und 1829 sogar 12 Pfd. Malz weniger, als bei der
                                 Siemens'schen verbraucht wurden.
                              Bleiben wir bei den Versuchen von 1828 stehen, wo Kartoffeln von guter
                                 Qualitaͤt angewendet wurden, waͤhrend die von 1829 schlecht waren;
                                 so war der Brantweinertrag bei beiden Methoden allerdings ungewoͤhnlich
                                 stark, und waͤre die Siemens'sche fuͤr sich allein versucht
                                 worden, so wuͤrde dieß ganz fuͤr sie entschieden haben, denn der
                                 Berliner Scheffel Kartoffeln von 105 Pfd. (nebst 10 Pfd. Malzschrot) berechnet
                                 sich auf 5 Maaß oder 8 Berliner Quart Brantwein von gewoͤhnlicher
                                 Staͤrke, dasselbe, was Hr. Siemens, jedoch
                                 nach Abzug eines Antheils fuͤr das Malzschrot, annimmt, und was in der
                                 That 1/3 mehr ist,
                                 als man in Norddeutschland bei gewoͤhnlichem Betriebe anzunehmen pflegt.
                                 Da ich jedoch bei der gewoͤhnlichen Methode jenen hohen Ertrag ebenfalls
                                 (auch schon in fruͤheren Jahren) erhielt, so muß es interessiren, zu
                                 untersuchen, wodurch ich denselben erzielte. Ich weiß dafuͤr nichts
                                 anderes anzugeben, als:
                              
                                 1) daß ich die Kartoffeln moͤglichst gar kochen ließ,
                                    so daß sie sich sehr leicht verarbeiten ließen;
                                 2) daß ich die Walzen der Kartoffelquetschmuͤhle mit
                                    einem Drathgeflecht hatte uͤberziehen lassen, wodurch es
                                    moͤglich ward die Walzen nur eine Linie weit von einander zu stellen,
                                    dadurch aber wurden die Kartoffeln moͤglichst verkleinert;
                                 3) daß ich die Gaͤhrung so vollkommen als
                                    moͤglich betrieb, besonders alle Saͤuerung in den
                                    Gefaͤßen zu vermeiden suchte.
                                 
                              Wenn also unter anderen Verhaͤltnissen, wo die
                                 Kartoffelbrant-weinbrennerei auf gewoͤhnliche Weise nicht so gut
                                 betrieben worden war, der Siemens'sche Apparat bedeutend hoͤhere Ausbeute
                                 zur Folge hatte, so scheint mir solche lediglich in der vollkommeneren
                                 Aufloͤsung der Kartoffeln und in der Vermischung mit der caustischen
                                 lauge, wodurch der Bildung der Saͤure in der Meische vorgebeugt wird,
                                 begruͤndet zu seyn. Ehe man sich aber zu Anschaffung dieses Apparates
                                 entschließt, versuche man doch ja, ob man nicht durch vollkommeneres Kochen und
                                 Verkleinern der Kartoffeln, durch Zusaz von etwas Potasche beim Anmeischen und
                                 durch verstaͤndige Leitung der Gaͤhrung, namentlich gute Hefe und
                                 sorgfaͤltige Reinlichkeit, seinen Zwek erreichen koͤnne.
                              Noch muß ich erwaͤhnen, daß der auf Siemens'sche Manier producirte
                                 Kartoffelbrantwein allerdings einen, jedoch nur unbedeutenden, reineren Geschmak
                                 besaß, als der auf die gewoͤhnliche Weise gewonnene. Auch ist es richtig,
                                 daß ungefaͤhr 1/4 Meische weniger zu destilliren ist, weil man weniger
                                 Wasser zur Verduͤnnung zuzusezen braucht. Durch diese Ersparniß wird
                                 jedoch lange nicht der Mehraufwand fuͤr Holz, Arbeitskosten und
                                 Verzinsung und Unterhaltung eines kostspieligeren Apparates gedekt, den die
                                 Siemens'sche Methode verursacht. Ich kann deßhalb dem Siemens'schen Apparate nur
                                 dann die Moͤglichkeit eines Vortheils zugestehen, wenn derselbe mit einer
                                 eigentlichen Dampfbrennerei in Verbindung gesezt wird, so daß die ganze
                                 Brennerei mit einem einzigen Dampfkessel betrieben wird, wie es auch Siemens vorschlaͤgt und ausgefuͤhrt
                                 hat. Abgesehen von diesem Apparate, so halte ich bei einem großen
                                 Brennereibetriebe die Anwendung der Daͤmpfe unter allen Umstaͤnden
                                 fuͤr das Vortheilhafteste.
                              
                           
                        
                           
                           II. Versuͤßung der Kartoffeln
                                 mittelst Schwefelsaͤure.
                           Durch Dubrunfaut und andere Franzosen ist schon seit laͤngerer Zeit die
                              Versuͤßung der Kartoffeln durch das Kochen mit Schwefelsaͤure in
                              Vorschlag gebracht und versucht worden, und diese Methode soll sich in Frankreich
                              immer mehr verbreiten. Es kann sich zwar bei einem großen Betriebe nicht verlohnen,
                              aus den Kartoffeln zuerst Staͤrke und erst aus dieser Syrup zu machen, wie
                              Dubrunfaut that;S. Polytechn. Journal XV. und XX. Bd., wo die Methode beschrieben und der
                                    Apparat abgebildet ist. eben so wenig ist der von ihm angewendete Malzzusaz dann noch nothwendig;
                              vielmehr muß es genuͤgen, die gekochten und gemahlenen Kartoffeln mit Wasser
                              zu verduͤnnen, mit Schwefelsaͤure noch ein Mal zu kochen, mit Kreide
                              die Saͤure zu neutralisiren und die suͤße, abgekuͤhlte Masse in
                              Gaͤhrung zu sezen.
                           Es ist sicher anzunehmen, daß bei dieser Methode der Brantwein viel besser und
                              reinschmekender werden muß; daß man weniger Masse zu destilliren haben wird, ist zu
                              vermuthen, und daß man kein Malzschrot gebraucht, ein wesentlicher Vortheil. Der
                              Apparat ist durchaus nicht kostspielig, das Verfahren leicht und einfach. Aber es
                              fragt sich: gibt es verhaͤltnißmaͤßig wenigstens eben so viel
                              Brantwein, als bei gewoͤhnlicher Methode – und sind die Trebern,
                              welche nach der Anwendung von Schwefelsaͤure und Kalk Gyps enthalten, dem
                              Viehe nicht ungesund?
                           
                        
                           III. Troknen der Kartoffeln.
                           Indem meine bisherigen Andeutungen sich auf Gewinn des Brantweins nach
                              Qualitaͤt und Quantitaͤt, so wie auf Ersparnisse in den
                              Fabrikationskosten bezogen, bleibt mir noch die Schwierigkeit zu beruͤhren
                              uͤbrig, welche oben unter c in Bezug auf die
                              laͤngere Aufbewahrung der zur Brantweinbrennerei bestimmten Kartoffeln schon
                              im Allgemeinen angedeutet wurde.
                           Um diese Frucht laͤnger aufzubewahren und zu jeder beliebigen Zeit zur
                              Brantweinbrennerei ohne Verlust anwenden zu koͤnnen, gibt es wohl nur ein
                              Mittel, das Troknen; welche Methode aber zu dem Behufe
                              die zwekmaͤßigste sey, ist bis jezt uneroͤrtert geblieben. Die mir
                              bekannt gewordenen Verfahrungsarten sind:
                           
                              1) nach Lampadius sollen die roh
                                 zerschnittenen Kartoffeln 24 Stunden in Lauge eingeweicht werden (um ihre
                                 narkotischen Stoffe zu entfernen), dann sollen sie auf Horden in Trokenstuben so
                                 weit getroknet werden, bis sie sich aufbewahren und Behuf des Einmeischens
                                 mahlen lassen;
                              2) ein schon im vorigen Jahrhundert in Vorschlag gebrachtes
                                 Verfahren, die ganzen
                                 Kartoffeln in Bakoͤfen zu troknen, hat mit dem eben genannten
                                 Aehnlichkeit, nur ist es unvollkommener;
                              3) die Kartoffeln, wie zu Terneaux's
                                 Polenta, zu daͤmpfen, zu zerschlagen und dann zu doͤrren.
                              
                           Die Methode des Herrn Lampadius habe ich im Kleinen
                              versucht, aber das Troknen der rohen Kartoffeln sehr schwierig gefunden, viel
                              leichter geht das Troknen der gekochten und grob zerschlagenen Kartoffeln, und man
                              gebraucht sicherlich zu beidem (Kochen und Troknen) weit weniger Holz und
                              Muͤhe, als zum Troknen ungekochter Kartoffeln. Ob aber die Kartoffeln,
                              nachdem sie auf Maschinen zerrieben und ausgepreßt, also dadurch vom groͤßten
                              Theile ihrer natuͤrlichen Feuchtigkeit befreit worden, nicht am leichtesten
                              zu troknen seyn moͤchten, ist ein Gedanke, der mir eines Versuchs werth
                              scheint.
                           Erst wenn wir, nicht nur bei der Brantweinbrennerei, sondern in der Landwirthschaft
                              uͤberhaupt, so weit gekommen sind, die Kartoffeln auf eine einfache und nicht
                              kostspielige Weise zu troknen, um sie gleich dem Getreide beliebig lange aufbewahren
                              und zu jeder Zeit mit gleichem Vortheile verwenden zu koͤnnen,Daß nicht gemeint sey, auch diejenigen Kartoffeln zu doͤrren, welche
                                    schon waͤhrend des Herbstes und Winters consumirt werden, bedarf kaum
                                    der Erwaͤhnung. wird dieses Gewaͤchs den Plaz ganz einnehmen, der ihm vermoͤge
                              seiner mannigfachen großen Vorzuͤge gebuͤhrte. Moͤchte es daher
                              Maͤnnern, denen nicht nur ihr eigenes, sondern auch das allgemeine Wohl am
                              Herzen liegt, der Muͤhe werth duͤnken, meine Andeutungen weiter zu
                              verfolgen, namentlich Versuche uͤber das Troknen der Kartoffeln auf dem einen
                              oder andern Wege, so wie uͤber die Anwendung der getrokneten Kartoffeln zur
                              Brantweinbrennerei zu machen, und die Resultate eben so offen mitzutheilen, wie ich
                              es uͤber den Siemens'schen Apparat glaube gethan zu haben.
                           Aber auch die franzoͤsische Methode, die Kartoffeln mit Schwefelsaͤure
                              zu behandeln (Kartoffelsyrup zu machen), welche bekanntlich auch zur Vierbrauerei
                              angewendet wird, scheint mir wuͤrdig, in Bezug auf die deutschen
                              Kartoffelbrantweinbrennereien naͤher gepruͤft zu werden. – Die
                              hiesige Anstalt hat ein Opfer fuͤr den Siemens'schen Apparat gebracht, sollte
                              nicht ein anderes oͤffentliches Etablissement, z.B. Schleißheim, jenen Versuch unternehmen wollen? –