| Titel: | Ueber Gloken auf Kirchthürmen, über ihre Befestigung und über das Läuten derselben. Von Hrn. Baddeley, d. jüng. | 
| Fundstelle: | Band 35, Jahrgang 1830, Nr. XXXIV., S. 95 | 
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                        XXXIV.
                        Ueber Gloken auf Kirchthuͤrmen,
                           uͤber ihre Befestigung und uͤber das Laͤuten derselben. Von Hrn.
                           Baddeley, d.
                           juͤng.
                        Aus dem Mechanics' Magazine. 12. Dec. 1829. N. 331. S.
                              280.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              III.
                        (Im
                              Auszuge.)
                        Baddeley, uͤber Gloken auf Kirchthuͤrmen.
                        
                     
                        
                           Vierzehn Jahrhunderte sind bereits verflossen, seit wir uns der Gloken bedienen, und
                              doch sind es erst wenige Jahre, seit man sich mit wissenschaftlicher Untersuchung
                              der Form und der Masse derselben zu beschaͤftigen anfing.
                           Die Alten hatten keinen anderen Zwek, als die moͤglich groͤßte
                              Metallmasse in einer Gloke zusammenzuhaͤufen: je schwerer die Gloke, desto
                              mehr galt sie. Wie wir wissen, daß die 
                           
                           
                              
                                 Gloke zu Moskau,
                                    welche die Kaiserin Anna gießen ließ,
                                 432,000 Pfd.
                                 
                              
                                     –    zu Peking (und
                                    solcher sind daselbst 7)
                                 120,000 –
                                 
                              
                                     –    zu St. Peter (umgegossen
                                    im J. 1786)
                                   18,667 –
                                 
                              
                                 Der Mighty Tom zu Oxford
                                   17,000 –
                                 
                              
                                  –   Great Tom
                                    zu Exeter
                                   12,500 –
                                 
                              
                                  –       –      –    zu Lincoln
                                     9,874 –
                                 
                              
                                  –   Tom Growler
                                    der St. Paul's-Kirche zu London
                                     9,520 – wiegt.
                                 
                              
                           Es gibt noch viele andere solche Glokenungeheuer in anderen Laͤndern.
                           Unter allen Laͤcherlichkeiten, welche moͤnchischer Aberglaube an Gloken
                              verschwendete, ist wohl jene der sogenannten Passionsgloken die
                              laͤcherlichste. Um dieser Gloke einen so duͤsteren dumpfen Ton zu
                              geben, wie die Charwoche (die Passionswoche) ihn forderte, gerieth man auf den
                              Einfall, sie oben mit mehreren großen Loͤchern zu versehen, wodurch, ohne die
                              Schwingungen des Metalles selbst zu verhindern, jeder harmonische Klang
                              unmoͤglich gemacht wird, und ein wahrhaft klaͤglicher Ton entsteht
                              (vergl. Hone's
                              Every-Day Book II. Bd. S. 292.). So lang man mit
                              Gloken auf diese Weise verfuhr, war keine Verbesserung denkbar.
                           Unsere heutigen Glokengießer fingen indessen an die Ungereimtheit einzusehen, mit
                              welcher ihre Vorfahren das Metall an den Gloken verschwendeten, und
                              uͤberzeugten sich, daß man mit der Haͤlfte desselben denselben Zwek
                              erreichen kann.
                           Dieß ist wenigstens die Meinung des geistreichen Hrn. Harrison, der im vorhergehenden Bande des Mech.
                                 Mag. S. 281. einige interessante Winke hieruͤber mitgetheilt hat,
                              und die Form und den Klang der Gloke zugleich bei einem Minimum der Metallmasse
                              verbessern zu koͤnnen versichert. Indessen scheint mir die Kunst der
                              Glokengießerei in Hinsicht auf Verbesserungen noch zu sehr in ihrer Kindheit; die
                              bisher angestellten Untersuchungen haben uns noch nicht solche Resultate geliefert,
                              nach welchen man die zwekmaͤßigste Form der Gloke, um ein Maximum der Wirkung
                              mit einem Minimum von Metall zu erhalten, mit Sicherheit angeben koͤnnte.
                           Man werfe nur einen Blik auf den ungeheueren Unterschied, welcher zwischen Gloken an
                              sogenannten Glokenspielen und den gewoͤhnlichen großen Gloken Statt hat. Wenn
                              man hier die Wirkung mit dem Gewichte des Metalles vergleicht, so faͤllt die
                              Vergleichung zu Gunsten der ersteren aus; es scheint mir indessen, daß die
                              zwekmaͤßigste Form zwischen diesen beiden Formen in der Mitte liegt. Hr. Reaumur sagt in einem Aufsaze uͤber die Gestalt der Gloke, wenn
                              sie den lautesten und reinsten Ton geben soll: „Blei, ein Metall, welches
                                 in seinem gewoͤhnlichen Zustande durchaus nicht toͤnend ist, wird
                                 bedeutend klingend, wenn man dasselbe in einer besonderen Form gießt, die aber
                                 von jener der gewoͤhnlichen Gloken abweicht.“ (Vergl. Mémoires de l'Acad. r. d. Paris.) Spaͤter
                              sagt Hr. Reaumur, daß diese Form ein Kugelausschnitt ist,
                              und diese Form ist auch diejenige, die man den Gloken bei Glokenspielen gibt, welche
                              indessen dadurch, daß sie mehr oder minder flach sind, von einander abweichen.
                              „Wenn diese Form, diese Gestalt,“ sagt er,
                              „allein hinreicht, um einem Metalle, das an und fuͤr sich
                                 klanglos ist, einen Klang zu geben, um wie viel mehr muß sie diesen Klang bei
                                 jenen Metallen erhoͤhen, die in jeder Form an und fuͤr sich
                                 klingend sind.“ Sehr richtig sagt er, daß, wenn unsere Voreltern
                              diese Form gekannt haͤtten, unsere heutigen Gloken wahrscheinlich dieselbe an
                              sich tragen wuͤrden. Hr. Drury, dessen
                              unnachahmbare Glokenspiele so allgemein beruͤhmt sind (siehe Mech. Mag. VII. Bd. S. 135.), hat neulich seine
                              Untersuchungen auch auf groͤßere Gloken ausgedehnt, von welchen er mehrere
                              gegossen und aufgezogen hat. Er geht so weit, daß er sich erbietet jede Gloke von
                              irgend einem verlangten Klange mit dem vierten Theile des
                              Metalles zu gießen, das man bisher zu derselben noͤthig haͤtte, und
                              versichert zugleich diesen Ton selbst noch reiner und harmonischer darstellen zu
                              koͤnnen.
                           Gibt es eine groͤßere Ungereimtheit, als die Art und Weise, wie heute zu Tage
                              die Gloken gelaͤutert werden, wo man die ganze schwere Metallmasse der Gloke
                              in Bewegung sezt, um einen Anklang zu erhalten, den man durch das Anschlagen des
                              Kloͤppels allein weit reiner erhalten wuͤrde? Ein gehoͤrig auf
                              die Gloke gefuͤhrter Schlag mit einem Hammer bringt einen weit
                              schoͤneren Ton an jeder Gloke hervor, als durch das gewoͤhnliche
                              Schwingen des Kloͤppels und der Gloke nie hervorgerufen werden kann.
                           Wir lesen so haͤufig von Gloken, zu deren Lauten 24, ja sogar 36 Mann
                              nothwendig sind, waͤhrend ein einziger Mann mit einem zwekmaͤßigen
                              Hammer denselben Klang, und noch weit schoͤner, hervorrufen koͤnnte.
                              Die Gloke an der St. Paul's-Kirche soll, nach einigen, 11,474 Pfund, und ihr
                              Kloͤppel 180 Pfd. wiegen. Wenn man nun diese ganze schwere Masse der Gloke
                              sich um den kleinen Kloͤppel schwingen laͤßt, ist dieß nicht eben so
                              viel, als wenn man die Erde um den Mond, die Sonne um ihren kleinsten Planeten sich
                              wollte drehen lassen? Warum ahmt man bei der Harmonie der Gloken nicht die Harmonie
                              der Natur nach? Außer der ungeheueren Muͤhe, die bei der
                              gegenwaͤrtigen Art zu laͤuten umsonst verloren geht, ist noch ein
                              anderer wichtiger Grund gegen dasselbe, naͤmlich: die Gefahr fuͤr
                              Menschenleben;Es vergeht kein Jahr, wo nicht in irgend einem Reiche beim Lauten ein
                                    Menschenleben zu Grunde geht. A. d. Ue. die Nachtheile fuͤr den Thurm, der durch dasselbe mehr oder minder
                              leidet, und endlich dem Einstuͤrze vor der Zeit nahe gebracht wird. So fiel
                              erst kuͤrzlich, am 9. November, waͤhrend das große Gelaͤute mit
                              zehn Gloken am Snowhill in der Kirche des heil. Grabes bei Gelegenheit der
                              Procession des Lord Mayor gehalten wurde, der Tenor, oder die große Gloke, die 33
                              Ztr. wog, unter dem fuͤrchterlichsten Krachen in die Glokenstube herab, und
                              der Thurm wakelte, wie bei einem Erdbeben. Gluͤklicher Weise ward Niemand
                              beschaͤdigt. Die Gloke brach oben an der Krone entzwei. Wo ein Thurm nur
                              etwas schadhaft ist, sollte man das Laͤuten verbieten. Man weiß es nicht,
                              aber es ist dessen ungeachtet Thatsache, daß die Haͤlfte der Thuͤrme
                              in England gegenwaͤrtig so beschaffen ist, daß man nicht mehr mit Sicherheit
                              in denselben laͤuten kann. Dieß ist z.B. jezt der Fall mit der Kirche Bow-Church, deren zehn Gloken zusammen 200 Ztr.
                              wiegen. Wenn ein solches Gewicht sich in den obersten Regionen eines hohen Thurmes
                              schwingt, so muß es auch den staͤrksten Thurm in seiner Grundfeste
                              erschuͤttern.
                           Wenn man in einem Thurme nicht mehr mit Sicherheit lauten kann, so wird bloß angeschlagen; allein dieses Anschlagen geschieht auf eine
                              so unvollkommene Weise, daß es kein Wunder ist, wenn man mit dem auf diese Weise
                              erhaltenen Klange nicht zufrieden seyn kann.
                           Die Zeichnung Fig.
                                 25. Taf. III. zeigt eine verbesserte Methode, Gloken zu befestigen und zu
                              schlagen. Sie ist eine Erfindung des Hrn. Drury. Auf
                              irgend einem festen Holzbloke oder Geruͤste wird die Gloke B mittelst einer eisernen Stange C so befestigt, daß Alles vollkommen feststeht. Ein kleines gefurchtes
                              Rad, W, dreht sich auf einer auf dem Geruͤste
                              oder Bloke, A, befestigten Achse, auf welcher sich
                              zugleich ein Stab oder Hebel dreht, der den Hammer, H,
                              fuͤhrt. An einem Punkte des Rades, a, ist das
                              Seil, ab, befestigt. An der Vorderseite dieses
                              Rades steht ein Zapfen hervor, I, auf welchem der Arm,
                              welcher anschlaͤgt, ruht. Wenn nun die Gloke gelaͤutet werden soll,
                              wird das Seil, b, gezogen, wodurch der Punkt, a, des Rades so tief als moͤglich zu stehen
                              kommt, zugleich aber auch der Hammer mittelst des Zapfens I, auf welchem er ruht, in die Lage k gehoben
                              wird, und so den Bogen e, f, g beschreibt. Wenn der
                              Hammer indessen uͤber diese Streke hinausgekommen ist, hat er ein solches
                              Moment erreicht, daß er nicht mit dem Rade stehen bleibt, sondern dasselbe
                              auslaͤßt, und auf die Gloke schlaͤgt, und zwar mit solcher Kraft, daß
                              er den staͤrksten Ton in der feinsten Art hervorruft. Nachdem der Hammer
                              geschlagen hat, faͤllt er wieder auf den Zapfen I
                              zuruͤk, theils in Folge der Gegenwirkung, theils durch seine eigene
                              Schwere, und fuͤhrt das Rad dadurch in seine urspruͤngliche Stellung,
                              wo dann wieder ein neuer Schlag gefuͤhrt werden kann, u.s.f. in infinitum. Der Parallelismus des Seiles wird mittelst
                              eines kleinen gefurchten Rades, d, unterhalten.
                           Mittelst dieser Art die Gloke zu befestigen und auf dieselbe zu schlagen,
                              erhaͤlt man nun auf die leichteste Weise, und mit einer Schnelligkeit, wie es
                              bisher noch nicht moͤglich war, den vollsten Klang der Gloke. Bekanntlich
                              betrachtet Hr. Perrault die Gloken als aus einer
                              unzaͤhligen Menge von Ringen zusammengesezt, welche, nach ihren verschiedenen
                              Durchmessern, verschiedene Toͤne geben, so wie dieselbe Saite nach
                              verschiedener Laͤnge verschieden klingt. Wenn nun auf die Gloke geschlagen
                              wird, bestimmen die Theile, auf welche unmittelbar geschlagen wird, den Ton, und
                              werden von einer hinlaͤnglichen Anzahl gleichstimmiger Toͤne in den
                              uͤbrigen Theilen unterstuͤzt. Man koͤnnte daher annehmen, daß,
                              je geringer die Anzahl solcher Ringe, je geringer der Unterschied in ihrer
                              Laͤnge und folglich auch in ihrem Tone, desto gleichfoͤrmiger und
                              harmonischer der Klang derselben seyn muͤßte. Die Form, welche Hr. Drury seinen Gloken gibt, trifft mit dieser Ansicht
                              vollkommen zusammen. Die hohen Klaͤnge, welche man durch die kleinen Ringe an
                              Gloken von der gewoͤhnlichen Form hervorruft, und die dem vollen tiefen Tone
                              so sehr Abbruch thun, fallen bei dieser neuen Form gaͤnzlich weg, und dadurch
                              allein laͤßt sich der tiefe Ton erklaͤren, den man durch Gloken dieser
                              Art erhaͤlt.
                           Das gehoͤrige Verhaͤltniß zwischen dem Gewichte und der Schnelligkeit der Bewegung des
                              Hammers bietet ein weites Feld zu speculativen Untersuchungen dar. Einige
                              laͤugnen, daß ein solches Verhaͤltniß Statt hat; daß es aber wirklich
                              Statt hat, beurkunden die beiden aͤußersten Graͤnzen auf eine
                              hinlaͤngliche Weise. Wir wollen sezen, daß eine Musketenkugel, die nur zwei
                              Loth wiegt, auf die große Gloke der St. Paul's-Kirche zu London geschossen
                              wird. Hier haben wir das kleinste Gewicht und eine sehr große Schnelligkeit. Wir wollen ferner sezen, daß
                              ein Gewicht von 180 bis 200 Ztrn. sich langsam bewege, nur zwei bis drei Zoll weit
                              in Einer Secunde, oder uͤberhaupt so, daß das numerische Moment der Bewegung
                              gleich wird jenem der Musketenkugel, so daß man dann das hoͤchste Gewicht bei der kleinsten Geschwindigkeit hat; und man
                              wird in keinem dieser beiden Faͤlle den vollen Klang der Gloke auf diese
                              Weise herausbringen. Unaufmerksamkeit auf diesen Umstand war in vielen
                              Faͤllen die Ursache, warum man aus den Gloken nicht den vollen reinen Ton
                              hervorgerufen hat. Viele der besten Kuͤnstler sind in diesen Fehler
                              gefallen.
                           Die Europaͤer nehmen allgemein Eisen zu ihren Haͤmmern; die Chinesen
                              Holz. Elfteres ist unstreitig besser. Es scheint mir aber, daß sich vielleicht noch
                              etwas anderes, eine CompositionDa die beruͤhmte Isle sonnante, auf welcher
                                    Prinz Pantagruel landete, wie der gelehrte Hr. Pfarrer zu Meudon, Franz Rabelais, vermuthet, schon waͤhrend der Suͤndfluth zu
                                    Grunde ging; so koͤnnen wir unsere Glokengießer nicht mehr nach
                                    dieser Insel schiken, um auf derselben die hoͤchsten Meisterwerke
                                    ihrer Kunst zu studiren. Wir wollen aber jedem Glokengießer, dem seine Kunst
                                    am Herzen liegt, rathen, vorerst bei Hrn. Abel Remusat oder zu St. Petersburg Chinesisch zu lernen, und sich dann
                                    unverzuͤglich nach China zu begeben, und zu sehen, was die Chinesen
                                    mit ihren Gloken fuͤr Spiel treiben. Dort haͤngt jedes
                                    Hausdach voll Gloken und dort hat die Glokengießerei die hoͤchste
                                    Stufe von Vollkommenheit erreicht. Das Tam-Tam der Chinesen hat in
                                    den Straßen von Paris bei Ludwig XVIII. Leiche Laͤrm gemacht. Es ist
                                    kein Zweifel, daß bei unseren Gloken Composition und Form geaͤndert
                                    werden muß und geaͤndert werden wird, sobald chemische und
                                    physikalische Kenntnisse mehr verbreitet seyn werden; daß die Gloken einst
                                    mit Haͤmmern werden geschlagen werden, die selbst klingende
                                    Koͤrper sind. Bis es aber dahin kommt (und dieß wird lang wahren,
                                    wenn man fortfahrt, die reinen Wissenschaften (les
                                       Sciences exactes) der Charlataneria
                                       Eruditorum in den sogenannten Facultaͤten zu opfern),
                                    waͤre es, theils um des gefaͤhrdeten Menschenlebens willen,
                                    theils wegen der ungeheueren Capitalien, die in Thuͤrmen und Gloken
                                    steken, der Muͤhe werth, an den jezt bestehenden Gloken Hrn. Drury's oder irgend eine andere Art die Gloken zu
                                    laͤuten einzufuͤhren. A. d. Ue. finden laͤßt, das besser ist als Eisen oder Holz.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
