| Titel: | Verbessertes Verfahren mittelst Flußspathsäure (Acide hydrofluorique liquide) auf Glas zu graviren oder zu stechen; von Hrn. Hann zu Warschau. | 
| Fundstelle: | Band 35, Jahrgang 1830, Nr. LXXIV., S. 312 | 
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                        LXXIV.
                        Verbessertes Verfahren mittelst
                           Flußspathsaͤure (Acide hydrofluorique liquide) auf
                           Glas zu graviren oder zu stechen; von Hrn. Hann zu Warschau.
                        Aus den Annales de l'Industrie. Juillet. 1829. S.
                              518.) Bulletin
                                 des Scienc. techn. 1829. N. 8.
                        Hann's Verfahren, auf Glas zu graviren oder zu stechen.
                        
                     
                        
                           Um einen sorgfaͤltig gehaltenen, zarten Stich von verschiedener und bestimmter
                              Tiefe zu erhalten, ohne die Zeichnung der Gefahr des Mißlingens auszusezen,
                              uͤberziehe ich die Oberflaͤche des Glases, auf welches gestochen
                              werden soll, mit einem undurchsichtigen Firniß. Der beste Firniß hierzu, der
                              gehoͤrig am Glase kleben bleibt, ohne in den folgenden Bearbeitungen von
                              demselben abzuspringen, und der mir immer gelang, ist troknendes Leinoͤhl,
                              oder noch besser fetter Copalfirniß, mit gebranntem Kienruße geschwaͤrzt, der
                              fein abgerieben, und mit Terpenthinoͤhl angemacht wird. Dieser Firniß wird in
                              sehr duͤnnen Lagen aufgetragen, die man ehevor vollkommen troken werden
                              laͤßt, ehe man eine neue auftraͤgt. Man hoͤrt mit dem Auftragen
                              desselben auf, sobald man wahrnimmt, daß das Glas kaum mehr einen Lichtstrahl
                              durchlaͤßt: denn es geschieht nur zur Erleichterung der Zeichnung (?). Man
                              muß sich indessen huͤten, daß die gesammte Firnißmasse nicht zu dik wird; das
                              Zeichnen wuͤrde dadurch erschwert werden, und der Firniß wuͤrde sich
                              leicht abschuppen, vorzuͤglich an jenen Punkten, wo die Linien sehr nahe an
                              einander kommen oder sich kreuzen.
                           Der Firniß der Kupferstecher auf Kupfertafeln kann hierzu nicht leicht verwendet
                              werden, weil die Schwierigkeiten hier weit groͤßer sind als man glaubt,
                              vorzuͤglich in Haͤnden, die nicht gewohnt sind das Glas nach und nach
                              zu erwaͤrmen.
                           Auf das auf obige Weise gefirnißte und sorgfaͤltig getroknete Glas wird nun
                              die Zeichnung gepaust, und mit dem Griffel oder mit der Nadel von verschiedener
                              Feinheit der Firniß weggenommen. Jeder Zeichner kann dieß eben so gut wie der Kupferstecher (?!),
                              und er wird sehr bequem arbeiten, wenn er seine Zeichnung von unten beleuchtet, und
                              sie unter einem Winkel von 45° auf einen Pult hinlehnt. In dieser Lage wird
                              er die feinsten Striche bemerken koͤnnen, sobald sie auf dem Firnisse zum
                              Vorscheine kommen.
                           Nachdem die Zeichnung aufgetragen wurde, muß sie mit der Flußspathsaͤure
                              geaͤzt werden. Ehe man aber hiermit beginnt, muß man, um nicht seine Arbeit
                              in Gefahr zu bringen, das Glas kennen, auf welches man dieselbe gezeichnet hat, so
                              wie die Staͤrke der Saͤure, die man anwendet; man muß, mit einem
                              Worte, die Gegenwirkung dieser beiden Dinge auf einander kennen. Man muß also vorher
                              auf einem Stuͤke desselben Glases, auf welches man gezeichnet und das man
                              uͤberfirnißt hat, einen Versuch machen. Man theilt dieses Stuͤk Glas
                              zu diesem Ende in 5 bis 6 Theile, die man mit Nummern bezeichnet, und macht auf
                              jeden dieser Theile Striche mit der Nadel, und uͤberzieht diese nach und nach
                              mittelst eines Pinsels mit der Flußspathsaͤure, deren Staͤrke man noch
                              nicht kennt; man faͤngt bei N. 6. an. Nach einer
                              Minute uͤberzieht man N. 5., nach der dritten
                              Minute N. 4., u.s.f. die Nummern 3., 2., 1.; so daß,
                              wenn die Saͤure Eine Minute lang auf N. 1.
                              gewirkt hat, sie bereits sechs Minuten lang auf N. 6.
                              wirkte. Nachdem dieß geschehen ist, waͤscht man das Stuͤk Glas, auf
                              welchem man die Probe angestellt hat, in einer großen Menge Wassers, und nimmt mit
                              einem Messer und mit Therpenthingeist den Firniß weg. Auf diese Weise laͤßt
                              sich nun die Laͤnge der Zeit mit Leichtigkeit bestimmen, waͤhrend
                              welcher man die Saͤure auf das Glas einwirken lassen muß, um die Zeichnung in
                              der gehoͤrigen Tiefe in das Glas einzuaͤzen. Man traͤgt nun mit
                              einem Pinsel aus Kamehlhaar die Saͤure auf die Zeichnung auf, und nachdem
                              jene auf dieses die gehoͤrige Zeit uͤber eingewirkt hat,
                              waͤscht man das Glas in einer großen Menge Wassers, und nimmt den Firniß
                              ab.
                           Obiger Versuch ist bei dieser Art von Arbeit unerlaͤßlich, selbst fuͤr
                              jeden Gegenstand im Einzelnen. Der Kuͤnstler erhaͤlt dadurch nicht
                              bloß den Vortheil, daß er das Gelingen seiner Arbeit vorher sehen, sondern selbst in
                              derselben Zeichnung verschiedene bestimmte Nuͤancen hervorrufen kann, theils
                              durch die Staͤrke der Striche, theils durch die Laͤnge der Zeit,
                              waͤhrend welcher er die Saͤure auf dem Glase laͤßt; eine
                              Wirkung, die sich durch das gewoͤhnliche Verfahren der Kupferstecher, die
                              Saͤure auf die Zeichnung zu schuͤtten, nicht erreichen laͤßt.
                              Der Gebrauch des Pinsels erleichtert noch uͤberdieß die Arbeit, und spart
                              Saͤure. Es ist beinahe uͤberfluͤssig zu bemerken, daß der
                              Unterschied in der Temperatur einen sehr merklichen Einfluß auf die Wirkung der Saͤure hat,
                              und daß man, noͤthigen Falles, alle Verbesserungen anbringen kann, welche in
                              der Kunst des Kupferstechens moͤglich sind, wenn man das Glas theilweise mit
                              fettem Firnisse bedekt. Man arbeitet sich noch leichter, als auf Kupfer oder Stahl,
                              mit dem kalten Firnisse der Kupferstecher, der immer sehe klebrig ist.
                           Es scheint mir, daß diese Art die Staͤrke der Saͤure zu pruͤfen
                              sich auch mit Vortheil auf das Aezen mit Scheidewasser auf Kupfer anwenden ließe, da
                              die kaͤuflichen Araͤometer, deren die Kupferstecher sich bedienen, oft
                              sehr von einander abweichen. Dieses Verfahren ist weit kuͤrzer, als jede
                              chemische Analyse, sowohl um den Grad der Saͤure zu bestimmen, die bereits zu
                              mehreren Arbeiten gedient hat, als auch um die Fluͤssigkeiten zu bestimmen,
                              die aus Sublimat und Alaun (Deutochlorure de Mercure et
                                 d'alun) oder aus Kochsalz und essigsaurem Kupfer, oder endlich aus saurem
                              salpetersaurem Kupfer bestehen und deren man sich bei dem Aezen auf Stahl
                              bedient.
                           Um die Flußspathsaͤure auf eine eben so wohlfeile als leichte Weise zu
                              bereiten, habe ich im Jahre 1823. einen Apparat vorgeschlagen, der mir eben so
                              einfach, als leicht anwendbar scheint.
                           Er besteht aus zwei Flaschen und aus einer Roͤhre, die alle aus Blei sind. Man
                              gibt den flußspathsauren Kalk mit der Schwefelsaͤure, die mit der
                              Haͤlfte ihres Gewichtes Wasser verduͤnnt ist, in die Flasche, die als
                              Retorte dient. Die Flußspathsaͤure verdichtet sich in der anderen Flasche, in
                              welcher man dieselbe aufbewahren kann. Sie ist nie concentrirt. Wenn die Arbeit
                              geschehen und der Apparat erkaltet ist, nimmt man die Flasche, die als Vorlage
                              diente, weg, stoͤpselt sie zu, und wirft die Flasche, die als Retorte diente,
                              sammt der Roͤhre in Wasser, ohne die Roͤhre abzunehmen, wodurch aller
                              Nachtheil beseitigt wird, der dabei entstehen koͤnnte.
                           In der Roͤhre ist außen eine der Laͤnge nach hinlaufende Furche, um die
                              in dem Recipienten enthaltene Luft entweichen zu lassen.Wir liefern hier diese Notiz, nicht um die Zarteste der bildenden
                                    Kuͤnste, die Kupferstecherkunst, die jezt in der Kunst auf Stahl zu
                                    aͤzen und zu stechen, ihre hoͤchste Vollkommenheit erreicht
                                    hat, durch Taͤndeleien auf das gebrechliche Glas entheiligen zu
                                    helfen, sondern um den Instrumentenmachern, die physische und chemische
                                    Apparate verfertigen, zu zeigen, wie sie die Maßstaͤbe besser, als
                                    bisher, auf Glas aͤzen und dadurch ihre Instrumente vervollkommnen
                                    koͤnnen. A. d. Ue.