| Titel: | Ueber Anwendung und Zeichnung der Cycloide, Epicycloide und Hypocycloide. Vom k. p. Bauinspector von Cardinal in Birnbaum im Großherzogthum Posen. | 
| Autor: | Cardinal | 
| Fundstelle: | Band 35, Jahrgang 1830, Nr. LXXVII., S. 329 | 
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                        LXXVII.
                        Ueber Anwendung und Zeichnung der Cycloide,
                           Epicycloide und Hypocycloide. Vom k. p. Bauinspector von Cardinal in Birnbaum im Großherzogthum Posen.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. VIII.
                        Cardinal, uͤber die Anwendung und Zeichnung der Cycloide
                           etc.
                        
                     
                        
                           Im ersten Novemberhefte des Polytechn. Journ. vom
                              Jahrgange 1829. befindet sich die Beschreibung und Abbildung eines Werkzeugs,
                              vermittelst dessen man Cycloiden (nicht aber Epicycloiden und Hypocycloiden)
                              zeichnen kann, und da diese Curven zur Abruͤndung der Zaͤhne und
                              Kaͤmme beim Raͤderwerk gut gebaueter Maschinen eine hoͤchst
                              noͤthige Anwendung finden sollten, so nehme ich daraus Veranlassung, hiermit
                              den Technikern eine einfachere und wenig kostende, auch von jedem Schlosser
                              anzufertigende Vorrichtung zum Zeichnen der vorgenannten drei Arten der Cycloide
                              anzugeben.
                           Vielleicht hat zufaͤllig schon ein Anderer ein aͤhnliches Werkzeug
                              vorgeschlagen, doch ist mir solches nicht bekannt und ich nehme deßhalb meine
                              vorliegende Angabe als neu an.
                           Bekanntlich wird die Bewegung in Maschinen, bei denen Raͤderwerk angebracht
                              ist, durch das Ineinandergreifen von Zaͤhnen und Stoͤken,
                              Zaͤhnen und Zaͤhnen, Kaͤmmen und Stoͤken, oder
                              Kaͤmmen und Zaͤhnen fortgesezt. Die Raͤder und Getriebe sind
                              entweder cylindrisch oder conisch, auch wird zuweilen ein Getriebe im Umfange eines
                              Rades angebracht, wo dann bei der Gestaltung der Zaͤhne oder Kaͤmme
                              die Hypocycloide angewendet werden muß. Hieruͤber so wie uͤber die
                              vortheilhafteste Gestalt der Kaͤmme und Zaͤhne bei Raͤderwerk
                              und Anwendung der Cycloiden hierbei, hat der preuß.
                              Ober-Landes-Bandirector Hr. Eytelwein, im
                              1sten und 3ten Bande seines Handbuchs der Statik fester Koͤrper, sehr
                              ausfuͤhrlich und gruͤndlich gehandelt und gibt im 3ten Bande das
                              Verfahren an, wie die verschiedenen Arten der Cycloide mittelst Berechnung und
                              Auftragung der Coordinaten construirt werden koͤnnen. Obgleich nun
                              vorerwaͤhntes Werk wohl in der Bibliothek eines jeden theoretisch und
                              praktisch gebildeten Mechanikers seyn sollte: so ist doch die darin enthaltene
                              Angabe zur Construction der Cycloiden theils zu umstaͤndlich, theils
                              fuͤr Manchen wegen Ermangelung der noͤthigen mathematischen Kenntnisse
                              unausfuͤhrbar, weßhalb es um so wuͤnschenswerther seyn muß ein
                              Werkzeug zu besizen, vermittelst dessen auch der Nichtmathematiker auf eine
                              leichte Art die Chablunen zur Abruͤndung der Zaͤhne und Kaͤmme
                              vorzeichnen kann.
                           Es sey in Fig.
                                 1. Tafel VIII. die punktirte Linie E der
                              Halbmesser vom Theilkreise eines Stirnrades und F der
                              Halbmesser vom Theilkreise eines Getriebes; es soll die Abruͤndung der
                              Zaͤhne des Stirnrades angegeben werden. Hierzu dient nachstehend beschriebene
                              Vorrichtung, die ich bereits selbst in Anwendung gebracht habe.
                           a'a ist ein vierkantiger Stab von Eisen oder
                              festem Holze, h eine eiserne Huͤlse oder Scheide,
                              an deren unteren Seite ein etwa zwei Zoll langer eiserner gehaͤrteter und
                              scharf zugespizter runder Stift festgemacht ist. Diese Huͤlse kann, wenn sie
                              uͤber den Stab geschoben ist, mittelst einer Drukschraube auf demselben an
                              beliebigen Orten festgestellt werden; i ist eine
                              ebenfalls verschiebbare Scheide von Eisen, an deren oberen Ende eine eiserne
                              vierkantige laͤngliche Platte qq
                              angeloͤthet ist. Eine aͤhnliche Platte kk ist am oberen Ende des Stabes a'a
                              festgemacht und an ihrer unteren Seite sind zwei starke Stahlfedern befestigt, die
                              gegen die Platte qq anstreben. An der Scheide i befindet sich unterhalb die eiserne Scheibe nn nebst den daran unbeweglich festgemachten
                              eisernen Schenkeln mm, die nach ihrer
                              Laͤnge vom Mittelpunkt i der Scheibe aus, in Fuße
                              und Zolle getheilt sind. Die Scheibe n ist so mit der
                              Scheide i verbunden, daß sie sich nebst ihren Schenkeln
                              in derselben Ebene von m und n centrisch um den Mittelpunkt i herumdrehen
                              laͤßt; pp sind zwei Zwingen von Eisen,
                              mittelst denen das hoͤlzerne Bogenstuͤk HH vermoͤge der an ihnen befindlichen Drukschrauben zum
                              Mittelpunkte i centrisch befestigt werden kann.
                           Um nun mittelst dieses Werkzeuges die epicycloidische Abruͤndung der
                              Zaͤhne vorzuzeichnen, befestigt man das Brett g
                              an das Brett G und ruͤndet dieses mit dem
                              Halbmessers E des Theilkreises ab: und zwar so, daß die
                              Stirnflaͤche auf der Ebene GgG senkrecht
                              steht. Eben so ruͤndet man das Brettstuͤk HH mit dem Halbmesser F vom Theilkreise des
                              Getriebes ab und befestigt solches centrisch zu i an die
                              Schenkel m. Bei O wird an das Bogenstuͤk eine
                              eiserne Zwinge mit einem im Beruͤhrungspunkte der Kreisboͤgen AB und CD
                              abwaͤrts gehenden eisernen Stift oder einer spizen Bleifeder angeschraubt.
                              Hierauf nimmt man ein oben behobeltes Brettchen ss
                              von Lindenholz, reißt auf demselben durch die Mitte eine gerade Linie vor, zieht auf
                              dem Brette gg laͤngs der Mitte durch den
                              Mittelpunkt bei h eine gerade Linie uͤber GG hinweg und legt das Chablunenbrettchen ss so unter GG,
                              daß die darauf gezogene Mittellinie genau in die Verlaͤngerung der auf gg vorgezeichneten faͤllt. Nachdem nun g, G und s in dieser Lage
                              auf einen Tisch oder Reißboden befestigt worden ist, wird das Instrument, so wie es
                              die Figur zeigt, auf die Bretter gelegt, der an den Scheide h befindliche Stift in den Mittelpunkt bei h gedruͤkt, der
                              Stab aa
                              ' in der Richtung von a'
                              nach a stark angezogen und vermittelst der Drukschraube
                              bei h an die Scheide befestigt, wodurch dann das
                              Bogenstuͤk H an das Bogenstuͤk G vermoͤge der Stahlfedern angepreßt wird.
                              Druͤkt man nun ferner mit der Linken den Stift bei o gehoͤrig auf das Brettchen s und
                              dreht das Instrument mit der Rechten bei a' fassend,
                              nach der Richtung des Pfeils, so beschreibt der Stift o
                              auf s eine richtige Epicycloide.
                           Es muß noch bemerkt werden, daß der Stift bei o ganz in
                              HH einzulassen ist, damit er nicht die
                              Anpressung der beiden Bogenstuͤke hindere. Durch eine etwas schraͤge
                              Richtung wird man seine Spize genau in den Theilkreis CD bringen koͤnnen. Uebrigens versteht sich von selbst, daß
                              fuͤr verschiedene Zaͤhne oder Kaͤmme auch die Bretter gG und H angemessen
                              verschieden seyn muͤssen und es ist deren Anfertigung keinen Schwierigkeiten
                              unterworfen.
                           Will man vermittelst dieses Instruments die Abruͤndung eines Hebedaums oder
                              eines Zahns zur Bewegung einer gezahnten Stange vorzeichnen, so ist hierzu der Stab
                              aa' nicht noͤthig, sondern die
                              Vorzeichnung geschieht mittelst der Theile n, m und H Statt des Bogenstuͤks G; wird dann ein an der oberen Kante gerade gehobeltes Brett befestigt,
                              dessen Oberkante die Theilungslinie der Zahnstange vorstellt, und indem man die
                              Schenkel m mit den Haͤnden faßt, das
                              Bogenstuͤk H gegen die Kante des geraden Bretts
                              preßt, einen Zweiten den Stift o niederdruͤken
                              laͤßt und H wie ein Rad auf der geraden
                              Brettkante umwaͤlzt, so wird auf diese Art eine Cycloide auf dem Brettchen
                              s beschrieben.
                           Fuͤr die Abruͤndung der Zahne an conischen Raͤdern ist dieß
                              Instrument ebenfalls geeignet, nur muͤssen sodann die Kanten von G und H nach den
                              Neigungswinkeln der betreffenden Raͤder conisch abgeschraͤgt, und die
                              Scheide bei h nebst dem unteren Ende des Stabes durch
                              eine auf g festgemachte Unterlage erforderlich
                              erhoͤhet werden. Auch ist in diesem Falle fuͤr die Abruͤndung
                              eines Zahnes die Verzeichnung zweier aͤhnlichen Epicycloiden noͤthig,
                              naͤmlich fuͤr beide Enden oder Grundflaͤchen des Zahns eine
                              besondere.
                           Aus dem Vorstehenden erhellt genugsam die allgemeine Anwendbarkeit des sehr einfachen
                              Instruments; wer es aber zwekmaͤßig beim Baue der Maschinen anwenden will,
                              muß sich zuvoͤrderst aus dem oben angefuͤhrten Eytelwein'schen Werke oder anderen Buͤchern eine gruͤndliche
                              Kenntniß von der zwekmaͤßigsten Gestalt der Zaͤhne und Kaͤmme
                              bei den verschiedenen Raͤderwerken verschafft haben.
                           Daß das vorstehend beschriebene Instrument richtige Cycloiden beschreibt, kann freilich nur
                              der einsehen, der die Entstehung dieser krummen Linien kennt.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
